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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
fb8365c0-1053-4b05-83c6-7d891ef7b255 | Urteilskopf
107 Ib 250
45. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. Juni 1981 i.S. Gerig gegen Eidg. Pachtzinskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Bundesgesetz über die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse (PZG; SR 942.10).
Der Eigentümer einer landwirtschaftlichen Liegenschaft hat kein schutzwürdiges Interesse, den Pachtzins einseitig und unabhängig von einem konkreten Pachtverhältnis bestimmen und feststellen zu lassen. | Sachverhalt
ab Seite 250
BGE 107 Ib 250 S. 250
Gerig ersuchte das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St. Gallen um eine "Pachtzinseinschätzung" für seine nicht verpachtete landwirtschaftliche Liegenschaft. Dieses berechnete einen Pachtzins von Fr. 1'500.--, und auf Beschwerde Gerigs hin erhöhte die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen den Betrag auf Fr. 2'000.--. Die von Gerig angerufene Eidg. Pachtzinskommission hob die Entscheide der Vorinstanzen indessen auf und trat auf das Gesuch um Feststellung des Pachtzinses nicht ein. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab aus folgender
Erwägungen
Erwägung:
2.
a) Der Beschwerdeführer beantragt mit einem Feststellungsbegehren die Festsetzung des höchstmöglichen Pachtzinses nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse (PZG; SR 942.10). Im
BGE 107 Ib 250 S. 251
vorliegenden Fall ist weder ein Pächter noch ein entsprechender Pachtvertrag vorhanden. Nach
Art. 25 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021)
ist dem Begehren um eine Feststellungsverfügung zu entsprechen, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse nachweist. Das bedeutet, dass der Anspruch auf Erlass einer Feststellungsverfügung nur dann gegeben ist, wenn der Gesuchsteller ein rechtliches und aktuelles Interesse an der sofortigen Feststellung seines Rechts hat (
BGE 102 V 150
Erw. 1,
BGE 100 Ib 327
Erw. 2). Ob ein solches Interesse besteht, hat der Richter von Amtes wegen zu prüfen (
BGE 100 Ib 327
Erw. 2, mit Hinweisen).
b) Das Pachtzinsgesetz sieht für das Bewilligungsverfahren von landwirtschaftlichen Pachtzinsen die Beteiligung von Verpächtern und Pächtern vor: Nach Art. 2 PZG sind sowohl Verpächter als auch Pächter verpflichtet, den Pachtzins behördlich bewilligen zu lassen, und beiden Parteien ist die Möglichkeit eingeräumt, im Rahmen von Art. 6 PZG Verwaltungsbeschwerde oder Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben. Aus dieser gemeinsamen verfahrensmässigen Beteiligung geht hervor, dass der Verpächter ohne die Mitsprache eines Pächters oder eines potentiellen Pächters den Pachtzins nicht verbindlich bestimmen lassen kann. Bei einer solchen Feststellungsverfügung bestände die Gefahr, dass die Interessen des zukünftigen Pächters nicht hinreichend gewahrt würden, selbst wenn die Verhältnisse durch die zuständige Behörde von Amtes wegen abgeklärt würden. Würde in einem spätern Zeitpunkt ein Pachtvertrag geschlossen, könnte der Pächter den Pachtzins neu bewilligen lassen und seine Rechte auf dem Beschwerdeweg wahren.
Nach Art. 3 PZG berechnet sich der Pachtzins grundsätzlich aufgrund des Ertragswertes der Liegenschaft. Der Pachtzins stellt indessen keinen rein objektiven Wert dar, der unabhängig von den konkreten Umständen errechnet wird. Zum einen hängt er von Billigkeitsüberlegungen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Satz 3 PZG ab, zum andern von den vereinbarten konkreten Natural- und Nebenleistungen wie Wohnungs- und Maschinenbenützung, Holz- und Wasserbezug u.a.m. Der Pachtzins lässt sich deshalb nicht abstrakt und unabhängig von einem konkreten Pachtverhältnis bestimmen.
Im Hinblick auf die Frage, ob eine Liegenschaft selber bewirtschaftet, verpachtet oder allenfalls verkauft werden soll, mag der Eigentümer an der Kenntnis des möglichen Pachtzinses interessiert sein. Dieses Interesse kann indessen nicht mit einer Feststellungsverfügung,
BGE 107 Ib 250 S. 252
die nach dem soeben Gesagten nicht verbindlich ergehen könnte, befriedigt werden. Der Eigentümer hat die Möglichkeit, einen Pachtvertrag unter der Bedingung abzuschliessen, dass der vereinbarte Pachtzins von den Behörden genehmigt wird (ALDO RAVAIOLI, Die landwirtschaftliche Pachtzinskontrolle, Diss. Zürich 1979, S. 86 f.; vgl. auch FRANZ BREITENMOSER, Der landwirtschaftliche Pachtvertrag, Diss. Freiburg 1977, S. 128). Der Eigentümer kann sich dadurch vor unangenehmen Überraschungen schützen und ist daher auf die Feststellungsverfügung nicht angewiesen.
Der Beschwerdeführer hat demnach kein schutzwürdiges Interesse, den Pachtzins für die Liegenschaft "Chubel" einseitig und unabhängig von einem konkreten Pachtverhältnis bestimmen und feststellen zu lassen. Die Eidg. Pachtzinskommission hat deshalb zu Recht sowohl ihre eigene Zuständigkeit als auch diejenige der kantonalen Vorinstanzen verneint. Sie hat damit kein Bundesrecht verletzt. Die Beschwerde ist aus diesen Gründen kostenfällig abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
fb854a22-c50d-4a22-a4c5-f31f3582b11f | Urteilskopf
104 Ia 236
38. Auszug aus dem Urteil vom 12. Juli 1978 i.S. Bauert gegen Gemeinde Richterswil und Regierungsrat des Kantons Zürich | Regeste
Art. 85 lit. a OG
; Konsultativabstimmung.
Bei der Durchführung einer Konsultativabstimmung sind grundsätzlich die Verfahrensvorschriften zu beachten, die für die ordentlichen Volksabstimmungen gelten (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 236
BGE 104 Ia 236 S. 236
Am 15. Juni 1977 kündigte der Gemeinderat von Richterswil in der "Grenzpost", dem amtlichen Anzeiger der Gemeinde, für den 3. Juli 1977 eine konsultative Volksabstimmung über den Bau der kantonalen Seestrasse an. Die Stimmbürger erhielten Weisung und Stimmzettel am 28. bzw. 29. Juni 1977 und hatten zu folgenden Abstimmungsfragen Stellung zu nehmen:
BGE 104 Ia 236 S. 237
"1. Sind Sie damit einverstanden, dass unser Dorfkern gemäss vorliegendem Seestrassenprojekt vom Durchgangsverkehr entlastet wird?
2. Wünschen Sie, dass sich der Gemeinderat weiterhin beim Regierungsrat für einen möglichst raschen Baubeginn einsetzt?"
Die Konsultativabstimmung wurde wie vorgesehen am 3. Juli 1977 durchgeführt. Für die erste Frage ergaben sich 1473 Ja- gegen 810 Nein-Stimmen, für die zweite Frage 1449 Ja- gegen 813 Nein-Stimmen.
Rolf Bauert focht die Konsultativabstimmung ohne Erfolg beim Bezirksrat Horgen und beim Regierungsrat des Kantons Zürich an. Er erhebt gestützt auf
Art. 85 lit. a OG
staatsrechtliche Beschwerde, unter anderem mit der Begründung, die Abstimmung sei nicht rechtzeitig angekündigt und die Weisung sowie die Stimmzettel seien den Stimmbürgern zu spät zugestellt worden. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt die Konsultativabstimmung auf.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) (Unzulässigkeit der Beschwerde, soweit mehr als die Aufhebung der durchgeführten Konsultativabstimmung beantragt wird.)
d) Das Bundesgericht prüft als Staatsgerichtshof nur diejenigen Einwendungen, die in der Beschwerdeschrift ausdrücklich oder jedenfalls sinngemäss erhoben werden (
Art. 90 OG
). In der vorliegenden Beschwerde wird geltend gemacht, die Konsultativabstimmung sei nicht richtig vorbereitet worden und die Fragestellung sowie die Abstimmungsweisung des Gemeinderates hätten die Stimmbürger irregeführt. Der Beschwerdeführer rügt dagegen nicht, die Abstimmung hätte mangels einer gesetzlichen Grundlage überhaupt nicht veranstaltet werden dürfen. Wie es sich damit verhält, ist deshalb nicht zu prüfen, sondern es ist einzig zu untersuchen, ob die Konsultativabstimmung wegen der behaupteten Verfahrensmängel zu kassieren sei.
2.
a) Jeder Stimmbürger hat einen bundesrechtlich gewährleisteten Anspruch darauf, dass kein Wahl- oder Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Stellt das Bundesgericht Verfahrensmängel fest, so hebt es die Abstimmung auf, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten
BGE 104 Ia 236 S. 238
das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Der Stimmbürger muss in einem solchen Fall nicht nachweisen, dass sich der Mangel auf das Ergebnis entscheidend ausgewirkt hat; es genügt, dass nach dem festgestellten Sachverhalt eine derartige Auswirkung im Bereich des Möglichen liegt. Ob das zutrifft, entscheidet das Bundesgericht mit freier Kognition; die Sachverhaltsfeststellungen der kantonalen Behörden überprüft es indessen nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (
BGE 102 Ia 268
E. 3 mit Hinweisen).
b) Gemäss § 100 des zürcherischen Gesetzes über das Gemeindewesen vom 6. Juni 1926 (GG) und Art. 7 Abs. 2 der Gemeindeordnung von Richterswil sind den Stimmbürgern die der Gemeindeabstimmung unterliegenden Anträge und Beschlüsse mindestens zwanzig Tage vor der Abstimmung mit einer Weisung zuzustellen. Im vorliegenden Falle trug die Weisung des Gemeinderates das Datum des 13. Juni 1977. Hätten die Stimmbürger die Abstimmungsunterlagen an jenem Tag erhalten, so wäre die erwähnte Frist eingehalten worden. Es ist jedoch unbestritten, dass die Zustellung der Abstimmungsunterlagen erheblich später erfolgte. Die Stimmbürger erhielten die Weisung und den Stimmzettel mit den genauen Abstimmungsfragen erst am 28. bzw. 29. Juni, das heisst nur wenige Tage (Dienstag und Mittwoch) vor dem Abstimmungssonntag. Die Gemeinde Richterswil stellt das nicht in Abrede. Sie macht jedoch geltend, die für die ordentlichen Abstimmungen vorgesehenen Verfahrensvorschriften hätten nicht beachtet werden müssen, da lediglich eine konsultative Volksbefragung durchgeführt worden sei. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.
Ob die zürcherischen Gemeinden zur Durchführung konsultativer Volksabstimmungen befugt sind, wird im kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht nicht näher geregelt (vgl.
BGE 103 Ia 489
, ferner die Weisung des Regierungsrates zur Änderung der Art. 29, 30 und 31 KV, Zürcher Amtsblatt, 1974, S. 1868, 1887), und auch der Gemeindeordnung von Richterswil ist hierüber keine ausdrückliche Vorschrift zu entnehmen. Dementsprechend bestehen auch keine gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren, das bei Durchführung derartiger Volksabstimmungen zu befolgen ist. Das heisst jedoch nicht, dass die Behörden bei der Durchführung einer Konsultativabstimmung völlig frei wären. Vielmehr haben in diesem Falle
BGE 104 Ia 236 S. 239
diejenigen Verfahrensvorschriften analog Anwendung zu finden, die für die ordentlichen Volksabstimmungen vorgesehen sind, vorausgesetzt, dass sie sich auch für konsultative Volksbefragungen als sachgerecht erweisen. Das ist bei den hier in Frage stehenden Bestimmungen über die Vorbereitung der Abstimmung der Fall. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, dass den Stimmbürgern und den politischen Gruppierungen genügend Zeit zur Verfügung steht, um sich über die Abstimmung aufgrund der amtlichen Unterlagen zu unterrichten, gegenteilige Auffassungen zur Kenntnis zu nehmen und ihre eigene Auffassung in der öffentlichen Diskussion zu vertreten. Diese Zielsetzungen gelten für konsultative Volksbefragungen in gleicher Weise wie für ordentliche Abstimmungen, denn nur bei richtiger Vorbereitung des Urnenganges besteht Gewähr, dass die Befragung nicht die in einem bestimmten Zeitpunkt zufällig vorherrschende Stimmung widerspiegelt, sondern mit grösstmöglicher Zuverlässigkeit den repräsentativen, aus der politischen Auseinandersetzung hervorgegangenen Willen der Stimmbürger zum Ausdruck bringt.
c) Wie aus den Akten hervorgeht, wurde die streitige Volksbefragung von den kommunalen Behörden angeordnet, um einer sich neu bildenden Opposition gegen das Seestrassenprojekt begegnen zu können. Nach der Annahme der kantonalen Initiative "Demokratie im Strassenbau" hatte nämlich eine private Arbeitsgruppe in der Gemeinde Richterswil Unterschriften für eine Petition an den Regierungsrat gesammelt, mit welcher verlangt wurde, es sei eine kantonale Volksabstimmung über den Bau der geplanten Seestrasse anzusetzen. Der Gemeinderat befürchtete bei dieser Sachlage, die Realisierung der Seestrasse könnte aufgrund der Petition um Jahre hinausgezögert werden. Der Petition sollte deshalb eine repräsentative Äusserung des Willens der Stimmbürger gegenübergestellt werden, um den Regierungsrat über den wirklichen Willen der Gemeinde zu orientieren und um den Behörden eine Richtlinie für ihr weiteres Verhalten in dieser Sache zu geben. Wenn den Stimmbürgern die Abstimmungsunterlagen mit der Weisung des Gemeinderates und den genauen Abstimmungsfragen erst im Verlaufe der letzten Woche vor der Abstimmung zugestellt wurden, statt mindestens zwanzig Tage zum voraus, wie das kantonale und kommunale Recht es für ordentliche Abstimmungen vorschreibt, so wurde die Meinungsbildung der
BGE 104 Ia 236 S. 240
Stimmbürger erheblich beeinträchtigt. Bei einer derart massiven Abweichung von den hier analog anzuwendenden Gesetzesvorschriften über die Vorbereitung des Urnenganges erscheint eine Auswirkung auf das Abstimmungsergebnis als möglich, woran selbst die Tatsache nicht zu ändern vermag, dass die Einwohnerschaft von Richterswil bereits bei früheren Gelegenheiten über das Seestrassenprojekt orientiert worden war und die Konsultativabstimmung für beide Abstimmungsfragen einen verhältnismässig grossen Überschuss an Ja-Stimmen ergab. Bei dieser Sachlage ist die Abstimmung aufzuheben, und es kann dahingestellt bleiben, wie es sich mit den weiteren Rügen des Beschwerdeführers verhält. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
fb877e5d-4019-4c39-beab-421f135c4926 | Urteilskopf
138 V 333
41. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) gegen Y. & Co. und Dienststelle Wirtschaft und Arbeit Luzern (wira) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_741/2011 vom 1. Mai 2012 | Regeste
Art. 33 Abs. 1 lit. a AVIG
; Kurzarbeitsentschädigung: normales Betriebsrisiko.
Der infolge des Todes der Identifikationsfigur einer Musikgruppe entstandene Arbeitsausfall gehört zum normalen Betriebsrisiko (E. 4.2). | Sachverhalt
ab Seite 333
BGE 138 V 333 S. 333
A.
Die Kollektivgesellschaft Y. & Co. wurde von den Musikern der Rockgruppe Z. gegründet und ist verantwortlich für die Geschäfte, die Organisation und die gesamte administrative Abwicklung im Zusammenhang mit der Band. Im Oktober 2010 erlitt A., der Sänger und damalige Gesellschafter der Kollektivgesellschaft, einen tödlichen Unfall. Die Y. & Co. meldete am 19. November 2010 für den Gesamtbetrieb Kurzarbeit für die Dauer vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 an. Zur Begründung gab sie im Schreiben vom 22. November 2010 an, das Einkommen der Gesellschaft sei nach dem Tod des Sängers komplett zusammengebrochen, gebuchte Konzerte hätten abgesagt werden müssen, Sponsoren hätten ihre Leistungen eingestellt und Offerten für die Konzertsaison 2011 seien ausgeblieben. Ziel sei es nun, einen würdigen Ersatz für den verstorbenen Sänger zu finden. Bis dahin sei die Gesellschaft gezwungen, für die
BGE 138 V 333 S. 334
beiden Arbeitnehmenden B. und C. Kurzarbeit anzumelden. Mit Verfügung vom 30. November 2010 hielt die Dienststelle Wirtschaft und Arbeit Luzern (wira) fest, sie erhebe gegen die Kurzarbeitsmeldung keinen Einspruch und sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, könne die Arbeitslosenkasse für die beantragte Zeit Kurzarbeitsentschädigung ausrichten. Daran hielt sie auf Einsprache des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) fest (Einspracheentscheid vom 20. April 2011).
B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die vom SECO dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 30. August 2011).
C.
Das SECO führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids vom 30. August 2011 und des Einspracheentscheids der wira vom 20. April 2011 sei das Gesuch der Y. & Co. um Bewilligung von Kurzarbeit abzuweisen.
Die Y. & Co. und die wira verzichten unter Verweis auf die Stellungnahmen vom 22. November 2010 und 20. Juli 2011 bzw. den Entscheid des kantonalen Gerichts auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Es besteht zwischen wira, SECO, kantonalem Gericht und der Y. & Co. Einigkeit, dass der Tod des Sängers zwar zu finanziellen Einbussen in der Gesellschaft führte und Auslöser für die Anmeldung zum Bezug von Kurzarbeitsentschädigung bildete, eine Anrechenbarkeit des Arbeitsausfalls im Sinne von
Art. 32 Abs. 1 AVIG
(SR 837.0) aber ausser Betracht fällt, da der Einbruch an Arbeit weder strukturell bedingt ist noch auf den Konjunkturverlauf zurückgeführt werden kann. Letztinstanzlich ist unbestritten geblieben, dass als Anspruchsgrundlage nur die Härtefallklausel von
Art. 32 Abs. 3 AVIG
(vgl. E. 3.2 hiernach) in Frage kommen kann.
3.2
Gemäss
Art. 32 Abs. 3 AVIG
regelt der Bundesrat für Härtefälle die Anrechenbarkeit von Arbeitsausfällen, die auf behördliche Massnahmen, auf wetterbedingte Kundenausfälle oder auf andere vom Arbeitgeber nicht zu vertretende Umstände zurückzuführen sind. Diese Gesetzesbestimmung erfasst Sachverhalte, die nicht unmittelbar auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen sind, jedoch die wirtschaftliche Tätigkeit erschweren oder verunmöglichen (THOMAS
BGE 138 V 333 S. 335
NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2322 Rz. 480). Der gestützt darauf erlassene
Art. 51 AVIV
(SR 837.02) macht die Anrechenbarkeit von Arbeitsausfällen, die auf behördliche Massnahmen oder andere nicht vom Arbeitgeber zu vertretende Umstände zurückzuführen sind, davon abhängig, dass der Arbeitgeber sie nicht durch geeignete, wirtschaftlich tragbare Massnahmen vermeiden oder keinen Dritten für den Schaden haftbar machen kann (Abs. 1). Nach dem Katalog des
Art. 51 Abs. 2 AVIV
ist der Arbeitsausfall insbesondere anrechenbar, wenn er durch Ein- oder Ausfuhrverbote für Rohstoffe oder Waren (lit. a), die Kontingentierung von Roh- oder Betriebsstoffen einschliesslich Brennstoffen (lit. b), Transportbeschränkungen oder Sperrung von Zufahrtswegen (lit. c), längerdauernde Unterbrüche oder erhebliche Einschränkungen der Energieversorgung (lit. d) oder Elementarschadenereignisse (lit. e) verursacht wird. Diese Aufzählung ist zwar nicht abschliessend (
BGE 128 V 305
E. 4 S. 308), doch zeigen die erwähnten Beispiele, dass Elementarschäden und bestimmte behördliche Restriktionen zumindest im Vordergrund stehen (in ARV 1997 S. 220, C 115/95 E. 2b, ist sogar die Rede davon, dass im Rahmen dieser Sonderregelung nur solche Ursachen in Frage kommen). Allen Tatbeständen ist gemeinsam, dass es sich um aussergewöhnliche Umstände handelt, die über das hinausgehen, was zum normalen Betriebsrisiko gehört, welches keinen anrechenbaren Arbeitsausfall begründet (NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2323 Rz. 480; BORIS RUBIN, Assurance-chômage, 2. Aufl. 2006, S. 498; vgl. auch NICOLAS SAVIAUX, Les rapports de travail en cas de difficultés économiques de l'employeur et l'assurance-chômage, 1993, S. 175 ff.).
4.
4.1
4.1.1
Das kantonale Gericht ist der Ansicht, die Y. & Co. habe die Ursache des Arbeitsausfalls nicht zu vertreten, weshalb dieser gestützt auf die Generalklausel des
Art. 51 Abs. 1 AVIV
anrechenbar sei. Ebenso wenig sei es möglich gewesen, den Arbeitsausfall durch geeignete, wirtschaftlich tragbare Massnahmen zu vermeiden, namentlich A. sogleich durch einen anderen Sänger zu ersetzen. Eine Unternehmenstätigkeit, welche im Wesentlichen vom Erfolg oder vom Marktwert einer Einzelperson abhängig sei, sei zweifellos risikoreich. Doch auch wenn der Tod zu den zwingenden Gesetzmässigkeiten des Lebens gehöre, habe vorliegend "nicht mit der Möglichkeit des Todesfalles von A. gerechnet" werden müssen. Ein solches Ereignis mit all seinen Auswirkungen auf den
BGE 138 V 333 S. 336
Geschäftsbetrieb sei unter den vorliegenden Umständen weder als gewöhnlich zu bezeichnen noch trete es erfahrungsgemäss regelmässig und wiederholt auf. Demzufolge sei es auch nicht vorhersehbar und in verschiedener Weise kalkulatorisch erfassbar gewesen. Der nicht zum normalen Betriebsrisiko gehörende Arbeitsausfall sei von der Härtefallklausel erfasst, weshalb der Einspracheentscheid der Dienststelle richtig sei.
4.1.2
Das SECO macht geltend, die unstreitig grosse Bedeutung, welche A. als Gesellschafter mit Kollektivzeichnungsberechtigung und in der Funktion als Sänger und Identifikationsfigur der Band Z. zugekommen sei, sei durchaus vergleichbar mit der wichtigen Stellung eines Arbeitgebers oder eines Kunden in einer Unternehmung. Die in
Art. 51 Abs. 2 AVIV
enthaltene, nicht abschliessende Aufzählung zeige, dass nur Arbeitsausfälle anrechenbar seien, welche aufgrund nicht personenbezogener Umstände entstanden seien. Hätte der Verordnungsgeber es anders gewollt, so hätte er dies explizit erwähnen müssen. Dies müsse mit Blick darauf, dass in der Person des Arbeitgebers oder des Kunden liegende Ursachen bereits in der Grundsatzregelung des
Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG
keine wirtschaftlichen Gründe darstellten, umso mehr gelten. Der vorliegende Arbeitsausfall sei somit nicht auf einen Umstand zurückzuführen, welcher von der Härtefallregelung gedeckt sei, weshalb die Anrechenbarkeit nicht gegeben sei und folglich kein Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung bestehe.
4.2
4.2.1
In casu sind weder Elementarschäden noch behördliche Restriktionen im Sinne von
Art. 51 Abs. 2 AVIV
für den Arbeitsausfall verantwortlich. Ein Todesfall kann nicht mit einem Elementarschaden, der durch Wirkungen der Natur verursacht wird, gleichgesetzt werden. Anderseits ist aber auch zweifelhaft, ob der Auffassung des SECO, wonach personenbezogene Umstände generell nicht zu einem Härtefall im Sinne von
Art. 32 Abs. 3 AVIG
in Verbindung mit
Art. 51 AVIV
führten, gefolgt werden kann. Dies muss allerdings an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Nicht anrechenbar ist laut
Art. 33 Abs. 1 lit. a AVIG
nämlich ein Arbeitsausfall, wenn er durch Umstände verursacht wird, die zum normalen Betriebsrisiko des Arbeitgebers gehören. Dieser Vorbehalt gilt nicht nur bei Arbeitsausfällen aus wirtschaftlichen Gründen gemäss
Art. 32 Abs. 1 AVIG
, sondern auch bei Härtefällen im Sinne von
Art. 32 Abs. 3 AVIG
und
Art. 51 AVIV
(
BGE 128 V 305
E. 4b S. 309 mit Hinweisen).
BGE 138 V 333 S. 337
4.2.2
Das kantonale Gericht weist zu Recht darauf hin, dass mit dem normalen Betriebsrisiko im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a zweiter Satzteil AVIG die "gewöhnlichen" Arbeitsausfälle gemeint sind, mithin jene Ausfälle, die erfahrungsgemäss regelmässig und wiederholt auftreten, demzufolge vorhersehbar und in verschiedener Weise kalkulatorisch erfassbar sind. Was in diesem Sinne noch als normal gelten soll, darf aber nach der Rechtsprechung nicht nach einem für alle Unternehmensarten allgemein gültigen Massstab bemessen werden, sondern ist in jedem Einzelfall aufgrund der mit der spezifischen Betriebstätigkeit verbundenen besonderen Verhältnisse zu bestimmen (
BGE 119 V 498
E. 1 S. 500). Dabei kommt dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit in aller Regel massgebende Bedeutung zu (
BGE 119 V 498
E. 3 S. 501; NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2323 Rz. 483).
4.2.3
In ARV 1990 S. 135, C 32/90, wurde offengelassen, ob durch Krankheitsabsenz des Arbeitgebers verursachte Arbeitsausfälle im Sinne von
Art. 32 Abs. 3 AVIG
anrechenbar sind. JUDITH MÜLLER (Das Instrument der Kurzarbeitsentschädigung, in: Unternehmenssanierung und Arbeitsrecht, 2010, S. 120) vertritt die Meinung, dass namentlich Arbeitsausfälle von Arbeitnehmenden, die infolge Krankheit, Unfall oder anderer Absenzen des Arbeitgebers oder eines leitenden Angestellten entstehen, unter das normale Betriebsrisiko fallen. Vorliegend geht es bei genauer Betrachtung nicht um eine solche Konstellation, da nicht die Funktion von A. als arbeitgeberähnliche Person, sondern seine Stellung als Sänger der Rockgruppe Z. im Vordergrund steht. Entgegen der Ansicht von Vorinstanz und wira lässt sich der Arbeitsausfall von Arbeitnehmenden, der infolge des Todes der Identifikationsfigur einer Band entsteht, nicht vom normalen Betriebsrisiko trennen. Ein solches Risiko trifft alle Unternehmungen, deren Erfolg auf der Persönlichkeit eines einzelnen oder weniger Menschen gründet. Arbeitgebende in der Musikbranche müssen sich zudem regelmässig mit der Problematik eines vorübergehenden oder dauernden Ausstiegs eines Musikers oder einer Musikerin aus einer Band, bedingt durch weniger einschneidende bis sehr gravierende Tatsachen (wie beispielsweise die Entscheidung, eine Auszeit zu nehmen, sich aus dem Musikgeschäft zurückzuziehen, in einer anderen Band oder solo zu spielen bzw. wegen Uneinigkeit über Vertragsinhalte oder weitere Umstände überhaupt nicht aufzutreten; die Pflicht, einen Gefängnisaufenthalt anzutreten, wie auch weitere Ereignisse, welche von einem Tag auf den anderen alles ändern können, wie schwere Krankheit und Tod) auseinandersetzen.
BGE 138 V 333 S. 338
Sie entschliessen sich dementsprechend häufig dazu, solche Risiken, soweit möglich, durch den Abschluss privater Versicherungen abzufedern (vgl. im Übrigen
Art. 51 Abs. 4 AVIV
, wonach der Arbeitsausfall wegen eines Schadenereignisses nicht anrechenbar ist, solange er durch eine private Versicherung gedeckt ist). In der Musikbranche gehört der Arbeitsausfall von Arbeitnehmenden infolge der Nichtverfügbarkeit von Musikern - häufiger vorübergehender Krankheiten oder Unpässlichkeiten wegen, seltener infolge Todes - zu diesem normalen Betriebsrisiko. Es ist dem SECO daher im Ergebnis beizupflichten, dass der von der Y. & Co. gemeldete Arbeitsausfall ihrer zwei Angestellten nach dem Tod des Sängers der Gruppe Z. keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung auslösen kann. Der gegenteilige Einspracheentscheid der wira und der bestätigende kantonale Gerichtsentscheid verletzen Bundesrecht. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fb8cd6cb-4398-492c-949e-e9b93c067013 | Urteilskopf
106 IV 276
70. Urteil des Kassationshofes vom 20. August 1980 i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen U. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 305.
Begünstigung in der Form eines unechten Unterlassungsdeliktes.
Verneint bei einem Zeugen, der sich weigert, einen wegen Strassenverkehrsdelikten verdächtigen Unbekannten zu nennen, von dem er nach einem vermutlichen Selbstunfall mit der Schadensdeckung beauftragt worden ist. | Sachverhalt
ab Seite 276
BGE 106 IV 276 S. 276
A.-
Gemäss einer Strafanzeige der Kantonspolizei Gerzensee soll vermutlich in der Nacht vom 1./2. August 1978 ein unbekannter Automobilist auf der Belperstrasse oberhalb Gerzensee die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren haben. Der Wagen sei mit der rechten Strassenböschung kollidiert, sei sodann nach links über die Strasse hinweg und über den linken Strassenrand hinaus geschleudert worden und anschliessend einen steil abfallenden Hang hinuntergekollert. Das Fahrzeug sei noch in der gleichen Nacht geborgen worden. Ob Personen verletzt wurden, sei ungewiss. Dagegen sei Sachschaden an einem Strassenmarkierungspfosten und an Kulturland entstanden.
In dem deswegen gegen unbekannte Täterschaft eröffneten SVG-Strafverfahren ergaben Ermittlungen, dass sich U., cand. iur. und damals Fürsprecherkandidat auf einem Richteramt, für die Schadenstilgung verwendete. Von der Polizei und später vom Untersuchungsrichter von Seftigen als Zeuge befragt, weigerte er sich am 19. und - nach eingeräumter Bedenkzeit - auch am 30. Oktober 1978, den Namen des Fahrzeuglenkers preiszugeben mit der Begründung, er sei von diesem mit Rücksicht auf seine Stellung als Fürsprecherkandidat und mit der Verpflichtung zur Verschwiegenheit mit der Schadenserledigung beauftragt worden.
BGE 106 IV 276 S. 277
B.-
Deswegen eröffnete der Gerichtspräsident von Seftigen gegen U. ein Strafverfahren wegen unberechtigter Verweigerung der Aussage als Zeuge im Sinne von Art. 142 Abs. 2 StrV/BE und bestrafte ihn mit einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 200.--. Eine dagegen erhobene Einsprache, mit welcher die Staatsanwaltschaft des Mittellandes zusätzlich die Verurteilung wegen Begünstigung verlangte, wies der Gerichtspräsident am 22. Oktober 1979 ab.
Eine gegen dieses Urteil eingereichte Appellation des Generalprokurators hat das Obergericht des Kantons Bern am 7. Februar 1980 abgewiesen.
C.-
Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt der Generalprokurator, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zur Schuldigerklärung wegen Begünstigung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner beantragt unaufgefordert die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung übernimmt er die Ausführungen eines Gutachtens von Professor Stratenwerth.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Streitig ist einzig, ob der Beschwerdegegner durch seine Weigerung als Zeuge, den Namen des Automobilisten bekannt zu geben, sich der Begünstigung im Sinne von
Art. 305 StGB
schuldig gemacht hat. Wegen dieser Straftat ist u.a. strafbar, "wer jemanden der Strafverfolgung... entzieht". Mit Recht macht der Beschwerdegegner nicht mehr geltend, er sei gesetzlich zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt gewesen. Die Verweigerung der Aussage hatte zur Folge, dass die Strafverfolgung gegen den unbekannten Automobilisten eingestellt werden musste. Diesen Erfolg hat der Beschwerdeführer nicht unmittelbar durch ein Tun, sondern mittelbar durch die Nichtbekanntgabe des Automobilisten bewirkt. In Frage steht daher die Begünstigung in der Form eines unechten Unterlassungsdeliktes.
Ein solches ist gegeben, wenn wenigstens die Herbeiführung des Erfolges durch Tun ausdrücklich mit Strafe bedroht wird, der Beschuldigte durch sein Tun den Erfolg tatsächlich hätte abwenden können und infolge seiner besonderen Rechtsstellung dazu auch so sehr verpflichtet war, dass die Unterlassung der Erfolgsherbeiführung durch aktives Handeln gleichwertig
BGE 106 IV 276 S. 278
erscheint (
BGE 96 IV 174
,
BGE 105 IV 176
; SCHULTZ Allg. Teil I, 3. Aufl. S. 118; HAUSER-REHBERG, Strafrecht I, 2. Aufl. S. 134; SCHWANDER, StGB, Nr. 158 Ziff. 4).
Eine solche sog. Garantenstellung besteht insbesondere für den Täter, der kraft seiner besondern Rechtsstellung das Gut vor der ihm drohenden Gefahr hätte schützen müssen oder der zuvor durch sein Tun die Gefahr geschaffen hat. Eine solche Stellung hat beispielsweise die Mutter gegenüber ihrem Kinde, nicht aber derjenige, der die ihm zumutbare Hilfe irgendeinem Mitmenschen versagt. Erstere hat sich u.U. wegen Tötung zu verantworten, letzterer allenfalls wegen Unterlassung der Nothilfe gemäss kantonalem Recht.
Im vorliegenden Falle hat der Beschwerdegegner durch die Verweigerung der Aussage mittelbar bewirkt, dass der wegen Strassenverkehrsdelikten verdächtige Unbekannte nicht abgeurteilt werden konnte. Eine besondere Rechtspflicht, für die strafrechtliche Verfolgung der fraglichen Strassenverkehrsdelikte zu sorgen, hatte er nicht; dies im Gegensatz zu dem in
BGE 74 IV 165
ff. beurteilten beeidigten Jagdaufseher, der entgegen der ihm rechtlich obliegenden Pflicht Jagdvergehen nicht zur Anzeige brachte. Eine solche besondere Rechtspflicht kann - wie im eingelegten Rechtsgutachten von Professor Stratenwerth und in den Urteilen der kantonalen Gerichte mit Recht ausgeführt wird - auch nicht aus der Pflicht, Zeugnis abzulegen, abgeleitet werden. Diese Zeugnispflicht ist allgemeine Bürgerpflicht und schützt nicht in besonderer Weise die Strafverfolgung.
Der Pflicht, Zeugnis abzulegen, können die Kantone durch ihr Prozessstrafrecht hinreichend Nachachtung verschaffen (
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
). Der Kanton Bern hat dies auch getan. Subsidiär steht den Untersuchungs- und Gerichtsbehörden die Strafdrohung des
Art. 292 StGB
zur Verfügung, welche die Verhängung von Bussen bis zu Fr. 5'000.-- oder von Haft bis zu drei Monaten ermöglicht. Reichen solche Strafen nicht aus, besteht kein Verlass, dass Aussagen, welche durch höhere Strafdrohungen erzwungen werden, wahrheitsgetreu sind.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fb929829-d1bf-4af0-ba2c-91886135c9b1 | Urteilskopf
98 Ib 266
37. Urteil vom 12. Juli 1972 i.S. Beauftragter für die Stabilisierung des Baumarktes gegen Permac AG und Konsorten und Sachverständigengremium zur Stabilisierung des Baumarktes der Region Bern. | Regeste
BB über Massnahmen zur Stabilisierung des Baumarktes vom 25. Juni 1971 (BauB); Ausführungssperre.
Errichten mehrere Bauherren gemeinsam einen industriellen oder gewerblichen Neubau, den sie unter sich im Stockwerkeigentum aufteilen, so darf der Gesamtbau die in Art. 4 lit. c BauB angesetzte Volumen- und Kostengrenze nicht überschreiten, es sei denn er diene der Rationalisierung oder der Forschung. | Sachverhalt
ab Seite 267
BGE 98 Ib 266 S. 267
A.-
Die Permac AG, Köniz, Alfred Boss, Muri, und die Brügger-von Tobel & Cie AG, Bern, beabsichtigen, in Köniz ein "Gewerbehaus" zu erstellen und dessen Geschosse in Stockwerkeigentum untereinander aufzuteilen. Namens der drei Bauherren stellte Architekt Heinz Strub am 31. August 1971 drei Gesuche um Befreiung von der Ausführungssperre gemäss BB über Massnahmen zur Stabilisierung des Baumarktes vom 25. Juni 1971 (BauB). Er machte geltend, das geplante Gebäude umfasse zwar insgesamt 27'910 m3 und komme auf über 4 Mio Franken zu stehen. Unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 lit. c BauB seien aber die Anteile der drei Gesuchtsteller am Raumprogramm und an den Erstellungskosten voneinander getrennt zu betrachten. Keiner von ihnen erreiche für sich allein die in dieser Vorschrift festgesetzte Volumen- oder Kostengrenze.
Das Sachverständigengremium zur Stabilisierung des Baumarktes - Region Bern stellte am 28. März 1972 fest, das geplante "Gewerbehaus" falle nicht unter die Ausführungssperre.
B.-
Diesen Entscheid ficht der Beauftragte für die Stabilisierung des Baumarktes mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Er macht geltend, es gehe nicht an, bei Bauten mit Stockwerkeigentum den umbauten Raum und die Erstellungskosten auf die einzelnen Stockwerkeigentümer aufzuteilen. Für die Beurteilung nach Art. 4 lit. c BauB sei die gesamte Baute als solche massgebend. Die Baute falle nach Art. 4 lit. c BauB unter die Ausführungssperre, es sei denn, sie diene der Rationalisierung, was bei Gutheissung der Beschwerde noch zu prüfen sein werde.
BGE 98 Ib 266 S. 268
Den Bauherren stehe es gegebenenfalls auch frei, ein Ausnahmegesuch nach Art. 5 Abs. 3 BauB zu stellen.
C.-
Das Sachverständigengremium für die Stabilisierung des Baumarktes in der Region Bern und die drei Bauherren beantragen Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Zu entscheiden ist, ob bei Bauten im Stockwerkeigentum Mehrerer der umbaute Raum und die Erstellungskosten des ganzen Gebäudes für die Beurteilung nach Art. 4 lit. c BauB massgebend sind oder der Anteil jedes Stockwerkeigentümers unter diesem Gesichtspunkt eine eigene Einheit bildet.
Art. 4 lit. c BauB wurde erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen in den Baubeschluss aufgenommen; doch kann den Gesetzesmaterialien zu der hier strittigen Frage nichts entnommen werden.
Die drei Bauherren sind der Ansicht, sie dürften nicht schlechter gestellt werden, als wenn jeder von ihnen sein Raumprogramm in einem eigenen Gebäude verwirklichen würde. Sie behaupten, durch die Zusammenfassung ihrer Bauvorhaben in einem Gebäude werde überdies die Bauwirtschaft entlastet.
Nach dem Wortlaut von Art. 4 lit. c BauB gilt die dort angegebene Volumen- und Kostengrenze für industrielle und gewerbliche Neu- und Erweiterungsbauten. Die Vorschrift nimmt in keiner Weise Bezug auf die Eigentumsverhältnisse an solchen Bauten. Dies muss heissen, dass die von den drei Bauherren im vorliegenden Falle vorgesehene Aufteilung der projektierten Baute in Stockwerkeigentum für die Beurteilung nach Art. 4 lit. c BauB ausser Betracht fällt und es allein auf Volumen und Erstellungskosten des gesamten Gebäudes ankommt. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Bauwirtschaft stärker belastet wird, wenn die drei Bauherren statt der unter die Ausführungssperre fallenden Gemeinschaftsbaute unabhängig voneinander mit demselben Raumprogramm drei volumen- und kostenmässig nicht der Ausführungssperre unterliegende Gebäude erstellen. Würde Art. 4 lit. c BauB aber im Sinne der Beschwerdegegner ausgelegt, so könnte er praktisch wohl meistens umgangen werden, denn es wäre für einen Bauherrn nicht allzu schwierig, ein industrielles oder gewerbliches Bauvorhaben, das die in Art. 4 lit. c BauB angesetzte Volumen-
BGE 98 Ib 266 S. 269
oder Kostengrenze überschritte, im Hinblick auf diese Bestimmung zunächst zusammen mit Dritten in Stockwerkeigentum zu erstellen und nachträglich die Bauteile dieser Dritten mietweise oder gar zu Eigentum zu übernehmen. Im vorliegenden Falle bestehen keine Anzeichen für ein solches Umgehungsmanöver. Art. 4 lit. c BauB ist hier aber in allgemein gültiger Weise auszulegen. Dies spricht dafür, anzunehmen, dass die in dieser Vorschrift angesetzte Volumen- und Kostengrenze bei Bauten im Stockwerkeigentum mehrerer für das ganze Gebäude als solches gilt. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen. Wie Art. 4 lit. c BauB anzuwenden ist, wo Mehrere Bauherren gemeinsam einen Bau erstellen, den sie unter sich nicht horizontal, im Stockwerkeigentum, sondern vertikal aufteilen, kann hier offen bleiben.
2.
-... | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
fb94cee2-0821-48b5-a5aa-216ed566def8 | Urteilskopf
88 II 10
3. Arrêt de la IIe Cour civile du 8 février 1962 dans la cause Pauli contre la Patinoire artificielle du Val-de-Travers. | Regeste
Nachbarrecht.
Art. 684 ZGB
.
1. Die frühere Benutzungsart oder die Voraussehbarkeit einer übermässigen Einwirkung verschafft demjenigen, der sein Eigentumsrecht überschreitet, kein besseres Recht (Erw. 1a).
2. Der von einem allfälligen Schaden bedrohte Eigentümer braucht dessen Eintritt nicht vorzubeugen durch Teilnahme an einem Administrativverfahren oder durch Erhebung einer gerichtlichen Klage (Erw. 1b).
3. Merkmale der Eigentumsüberschreitung: Sachliche Prüfung, örtliche Verhältnisse, Abwägung der bestehenden Interessen (Erw. 2 a).
4. Anwendung im Fall einer Kunsteisbahn: Musik, Ausebnen des Eises, Hockeywettspiele (Erw. 2 b, c). | Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 88 II 10 S. 11
A.-
En 1956, Ernest Pauli a acheté un terrain situé à Fleurier, entre la route qui mène de Neuchâtel à Pontarlier et un étang qui formait en hiver une patinoire naturelle. La même année, il édifia sur ce fonds une maison familiale, dont les fenêtres s'ouvrent sur la route.
En 1958, la société coopérative "Patinoire artificielle du Val-de-Travers" construisit à peu près sur l'emplacement de l'étang une patinoire artificielle, réalisant ainsi un projet que la population du village connaissait déjà depuis 1956. En 1959, des tribunes complétèrent l'installation. Actuellement, la patinoire est exploitée à partir de la mi-automne jusqu'à la fin de l'hiver, soit pendant quatre ou cinq mois de suite. Une musique, amplifiée par des haut-parleurs, y retentit du matin jusqu'à 22 heures. Chaque matinée, la glace est balayée et rabotée au moyen d'un tracteur. C'est également sur cette patinoire que l'équipe de hockey de la localité dispute ses matches, une vingtaine par saison. Ces manifestations se terminent en général à 22 heures et certaines n'attirent qu'une cinquantaine de spectateurs.
Pauli ne s'était pas opposé par la voie administrative ou judiciaire à l'établissement de la patinoire. En revanche, il avait adressé au Conseil communal de Fleurier, au sujet de l'aménagement des tribunes, une opposition qui fut déclarée irrecevable. Une fois la patinoire inaugurée, il ne tarda pas à se plaindre du bruit qui s'en dégageait. Bien que les haut-parleurs aient été déplacés à sa demande,
BGE 88 II 10 S. 12
il ne se tint pas pour satisfait et formula diverses exigences qui furent repoussées.
B.-
Reprochant à la société coopérative d'excéder son droit de propriété au sens de l'art. 684 CC, il a intenté contre elle le 20 novembre 1959, devant le Tribunal cantonal neuchâtelois, une action tendante à la suppression des inconvénients qui résultent de l'exploitation de la patinoire et, subsidiairement, au paiement d'une indemnité de 15 000 fr. Il se déclarait prêt à renoncer à ces prétentions s'il parvenait à vendre sa propriété au prix de revient.
Le 2 octobre 1961, le tribunal saisi a rejeté la demande.
C.-
Pauli recourt en réforme contre ce jugement.
L'intimée conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Constatant que le recourant connaissait vraisemblablement les projets de construction d'une patinoire artificielle au moment où il a décidé de bâtir sa maison et qu'au surplus, il ne s'est pas opposé par la voie administrative ou judiciaire aux premières installations entreprises par l'intimée, la Cour cantonale en déduit qu'il ne saurait exiger le rétablissement du statu quo ante. Cette manière de voir est erronée.
a) En premier lieu, de licite qu'il était, l'usage d'une propriété peut devenir illicite. Par exemple, celui qui exerce une industrie bruyante sur un fonds entouré de terrains vagues, agit licitement. Mais si les propriétaires de ces terrains y élèvent des maisons d'habitation, l'exploitation qui était jusqu'alors licite peut apparaître illicite (RO 40 II 448 s., 44 II 471 s., 51 II 399 s., 55 II 247; HAAB, 2e éd., note 19 ad art. 684 CC; LEEMANN, 2e éd., notes 17 à 20 ad art. 684 CC; OFTINGER, Lärmbekämpfung als Aufgabe des Rechts, p. 19, Entwicklungen im Recht der Lärmbekämpfung, RSJ vol. 55 p. 102). Il est sans importance que les propriétaires lésés n'aient pas ignoré les inconvénients auxquels ils s'exposaient en bâtissant; ils n'en conservent pas moins le droit d'utiliser normalement
BGE 88 II 10 S. 13
leurs fonds (RO 40 II 448; LEEMANN, note 18 ad art. 684 CC). Il est même indifférent qu'au moment où ils ont acquis ces derniers, l'usage devenu gênant eût déjà commencé. L'usage antérieur ne crée pas un droit préférable. Certes, ce principe souffre des exceptions, notamment si l'usage le plus ancien a attribué à un quartier un caractère qui subsiste (RO 40 I 455 s., 83 II 391 s.), ou si le voisin qui se plaint a renoncé expressément ou implicitement à se prévaloir de l'art. 684 CC (LEEMANN, note 18 ad art. 684 CC), ou encore lorsqu'il a modifié par son seul fait la nature des lieux (RO 40 II 449, 44 II 471 s.). En outre, pour des raisons d'équité, on peut tenir compte de l'antériorité d'usage dans la fixation des dommages-intérêts (LEEMANN, note 20 ad art. 684 CC).
Il s'ensuit qu'en principe, même s'il avait acheté son terrain et édifié sa maison après l'installation de la patinoire, le recourant n'aurait pas perdu le droit d'invoquer l'art. 684 CC. A plus forte raison, il n'est pas privé de ce droit pour avoir été plus ou moins au courant des projets de l'intimée quand il s'est établi, avant la création de la patinoire, à l'endroit où il habite actuellement. De plus, on ne se trouve pas dans une des hypothèses qui autorisent une dérogation à la règle. La simple perspective qu'une patinoire sera aménagée dans un quartier, n'en change pas le caractère. En outre, en acquérant un terrain et en y construisant une maison à proximité de la future patinoire, le recourant n'a pas renoncé à tirer argument des inconvénients qui résulteraient de cette dernière et dont il ne pouvait encore se rendre compte exactement. Enfin, ce n'est pas lui qui a transformé la nature des lieux; il n'a fait qu'élever une maison à côté de toutes celles qui existaient déjà.
b) En second lieu, le propriétaire menacé d'un dommage éventuel n'est pas tenu de le prévenir en participant à une procédure administrative ou en intentant une action en justice. Sa passivité ne l'empêche pas de réclamer ultérieurement la suppression du préjudice ou sa réparation.
BGE 88 II 10 S. 14
Tout au plus faut-il réserver le cas où son attitude peut être interprétée comme une renonciation ou se révèle fautive (RO 56 II 362).
Dès lors, on ne saurait reprocher au recourant de ne s'être pas opposé à l'installation de la patinoire par la voie administrative ou judiciaire. Il n'est en outre question ni d'une renonciation ni d'une faute de sa part. En protestant sans retard contre les bruits qui émanent de la patinoire, il a manifesté au contraire clairement l'intention de ne pas abandonner ses droits. Au surplus, il n'a pas commis une faute en ne s'efforçant pas d'éviter un dommage futur dont l'étendue, sinon l'existence, était problématique. Il est d'ailleurs douteux que la voie administrative ait été ouverte à cet effet au recourant, son opposition à l'aménagement des tribunes ayant été déclarée irrecevable.
2.
De par l'art. 684 CC, le propriétaire doit s'abstenir de tout excès au détriment de la propriété de ses voisins. Nul ne conteste qu'il incombe à celui qui se plaint d'un excès d'en établir la réalité.
a) Pour statuer sur l'existence d'un excès, le juge se place à un point de vue objectif. Sans attribuer une importance décisive aux mesures en phones ou en décibels (RO 83 II 392), il tient compte des impressions d'un homme normal, faisant ainsi abstraction des doléances d'un hypersensible et de l'absence de réactions d'un être dépourvu de toute sensibilité (RO 65 II 158, 79 I 205, 79 II 54, 84 II 90; RSJ vol. 11 p. 197, vol. 53 p. 141; RSJB vol. 55 p. 94). C'est avec raison que la juridiction cantonale ne s'est pas fondée sur les déclarations de l'épouse du recourant. Selon le jugement attaqué, il s'agit d'une malade du goitre, hypersensible, très nerveuse, qui a pris en grippe la patinoire et tout ce qui s'y passe. Lié par ces constatations souveraines (art. 63 al. 2 OJ), le Tribunal fédéral n'a pas à se demander si elles concordent fidèlement avec la déposition du médecin de dame Pauli.
La notion d'excès varie selon l'usage local, la situation
BGE 88 II 10 S. 15
des immeubles et leur nature. Dans le cas particulier, la maison du recourant est sise dans un quartier d'habitation que ne trouble aucune entreprise bruyante, sauf la patinoire. Bien que la propriété du recourant borde une voie de grand trafic, il n'est pas vraisemblable que les émanations de la rue couvrent du matin au soir celles de la patinoire. D'ailleurs, s'il se peut qu'au passage de certains véhicules, le bruit de la patinoire ne s'entende plus chez les époux Pauli, il n'est pas supprimé pour autant, mais s'ajoute simplement à d'autres. Il ne cesse donc d'irriter qu'en apparence; en réalité, il continue d'affecter, fût-ce à leur insu, ceux qui y sont sensibles (RO 59 II 135, 83 II 392; RSJ vol. 49 p. 229, vol. 53 p. 330; BlZR vol. 57 p. 331; RSJB vol. 75 p. 146, 89 p. 232; OFTINGER, Lärmbekämpfung ... p. 24, Entwicklungen ... p. 102).
Dans son examen, le juge compare les intérêts en présence, ceux du propriétaire qui est accusé d'abuser de son droit, et ceux des voisins qui se plaignent d'un excès (RO 40 II 30 et 450, 45 II 406 s., 51 II 402, 55 II 247, 59 II 135 s., 79 I 206, 83 II 383 et 393; HAAB, note 18 ad art. 684 CC; LEEMANN, notes 24, 30 et 31 ad art. 684 CC). Mais cela ne signifie pas qu'en raison de son but d'intérêt général, à savoir l'encouragement du sport au Valde-Travers, l'intimée ait droit à des égards particuliers. Bien qu'il vise toujours une fin d'intérêt public, l'expropriant doit payer une indemnité égale à la pleine valeur des droits expropriés, y compris ceux de voisinage (RO 87 I 89). Une société privée qui n'a pas le droit d'exproprier, telle l'intimée, ne saurait avoir des obligations moins étendues. D'ailleurs, l'opinion dominante ne tient compte qu'avec réserves de l'importance économique ou sociale des activités des parties (HAFTER, Das Lärmproblem in der Praxis der Gerichts- und Verwaltungsbehörden, thèse de Zurich, 1957, p. 48; OFTINGER, Lärmbekämpfung ..., p. 25; MEIER-HAYOZ, Technische Entwicklung und Fortbildung des privatrechtlichen Immissionsschutzes, dans Die Rechtsordnung im technischen Zeitalter, p. 42).
BGE 88 II 10 S. 16
b) Si l'on examine à la lumière de ces considérations générales l'importance des inconvénients dont se plaint le recourant, on doit tirer les conclusions suivantes des constatations souveraines (art. 63 al. 2 OJ) du jugement attaqué.
Le plus important de ces inconvénients, c'est assurément la musique que, plusieurs mois de suite, des haut-parleurs amplifient du matin au soir et qui n'est certes pas du goût de chacun. Il ressort du jugement attaqué que ce bruit ne retentit qu'en saison froide, où les fenêtres sont généralement fermées, et qu'il est imperceptible dans la maison du recourant lorsque la puissance des haut-parleurs est réglée correctement. Par là, la Cour cantonale veut sans doute dire que la musique ne s'entend plus lorsque les fenêtres sont closes, ce que le juge chargé d'instruire la cause avait relevé en inspectant les lieux le 17 février 1960. Mais on ignore si et avec quelle intensité la musique parvient dans la maison du recourant en cas d'ouverture des fenêtres. Tout ce qu'on sait, c'est qu'aux dires d'un témoin, le bruit de la circulation couvre alors celui de la musique. Or, on l'a vu plus haut, l'argument n'est guère pertinent. Pourtant, la question qui n'a pas été élucidée n'est pas dénuée de toute importance. S'il est exact qu'au Jura, on ne séjourne pas habituellement en plein air à la fin de l'automne et en hiver, mais que chacun se tient de préférence dans son habitation, cela ne signifie pas que les fenêtres des maisons restent alors constamment fermées. On les ouvre pour aérer les appartements, pendant leur nettoyage, voire durant les heures ensoleillées. Il est même usuel, en toute saison, de dormir la fenêtre ouverte (RO 40 II 31; SJZ vol. 49 p. 229; BlZR vol. 57 p.11). Toutefois, comme il lui incombait d'établir l'existence des troubles dont il se plaint, le recourant ne peut s'en prendre qu'à lui-même de l'insuffisance des preuves administrées. D'ailleurs, les chambres de sa maison ne sont pas orientées vers la patinoire et l'intimée a déplacé les haut-parleurs pour en diminuer la portée. En outre, il est vraisemblable
BGE 88 II 10 S. 17
que, le soir en tout cas, pour se protéger des regards indiscrets et des lumières de la rue, les époux Pauli tirent les rideaux et les volets, ce qui contribue à amortir les sons.
Quant au bruit que font les patineurs, rien ne prouve qu'il serait insupportable. Apparemment, il est même moins incommodant que celui de la musique. Fleurier n'est pas une grande ville ni une station de tourisme où les sportifs se pressent du matin au soir sur la patinoire. Ils n'y affiuent probablement que pendant les congés des écoles et les week-ends. Et encore, en hiver, nombreux sont ceux qui préfèrent le ski au patin. En somme, les bruits du patinage sont assimilables à ceux qui émanent d'une place de jeux ou de la cour d'un collège et que l'usage tolère.
Selon la Cour cantonale, le bruit du tracteur qui sert à balayer et à égaliser la glace n'est pas plus intense que celui d'une machine agricole ou d'un camion. S'il dure peut-être plus longtemps, il ne se produit que le matin. Au surplus, il n'est sans doute pas plus gênant que celui de la musique, une fois les fenêtres fermées. Or on peut demander aux époux Pauli de ne pas les ouvrir pendant le fonctionnement de cet engin.
Certes, les matches de hockey sont particulièrement bruyants. Le choc des crosses, le heurt du "puck", les cris des spectateurs, les sifflets et les cloches que d'aucuns utilisent parfois, l'arrivée et le départ de leurs véhicules, tout cela s'entend de loin. Mais à Fleurier, il n'y a guère qu'une vingtaine de matches par saison et tous n'attirent pas la foule. On peut donc convenir avec le Tribunal cantonal qu'il s'agit de manifestations comparables à des fêtes foraines ou populaires, admises par l'usage.
c) Vu ce qui précède, les inconvénients signalés par le recourant, pris isolément, peuvent être tenus pour supportables. Il reste à se demander si, considérés dans leur ensemble, ils ne sont pas excessifs dans l'acception de l'art. 684 CC (HAAB, note 18 ad art. 684 CC).
A.-
vrai dire, dans cette perspective, le trouble causé au
BGE 88 II 10 S. 18
recourant paraît plus grave que la juridiction cantonale ne semble le reconnaître. Néanmoins, deux arguments inclinent la Cour de céans à rejeter le recours. D'une part, non seulement les voisins du recourant ne se sont pas plaints spontanément de la patinoire, mais tous ont déclaré en procédure qu'ils n'en sont pas incommodés. S'il ne s'agit pas là d'une preuve décisive, c'est tout de même un indice plus probant que les griefs du recourant et de sa femme. D'autre part, dans une cause de ce genre, où les impressions personnelles du juge qui a vu les lieux et entendu les témoins ont une importance particulière, le Tribunal fédéral confirme en cas de doute la décision attaquée (RO 42 II 453, 51 II 401, 56 II 359 s., 58 II 118, 65 II 158, 79 II 51; HAAB, notes 4 et 27 ad art. 684 CC). Dès lors, s'il éprouvait des hésitations, il ne pourrait adopter ici une autre solution. Il n'entend cependant pas préjuger l'avenir ou le cas d'autres patinoires naturelles ou artificìelles. En particulier, l'intimée ne saurait se considérer comme autorisée à multiplier ou intensifier les manifestations bruyantes.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
rejette le recours et confirme l'arrêt attaqué. | public_law | nan | fr | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fb992a4d-8a6c-4c88-8d9c-c4e705e87761 | Urteilskopf
84 I 240
34. Sentenza 12 dicembre 1958 nella causa X contro Commissione di ricorso in materia d'imposte del Cantone Ticino. | Regeste
Art. 58 Abs. 4 WStB.
Ausserordentliche, nicht aus der normalen wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft stammende Gewinne fallen bei der Berechnung nach Art. 58 Abs. 4 lit. b dann ausser Betracht, wenn sie bereits im vollen Umfange bei der Berechnung nach lit. a daselbst berücksichtigt wurden. | Sachverhalt
ab Seite 240
BGE 84 I 240 S. 240
A.-
La società anonima X, a T., costituita con atto pubblico del 4 marzo 1952, ha ripreso, dal 1 aprile 1952, l'attivo e il passivo della ditta individuale Y a T., che si occupava dell'importazione e del commercio di macchine d'ufficio. Nel bilancio d'apertura della ditta X, allestito il 1 aprile 1952, fu iscritto al passivo un importo di 29 435 fr. 20 quale avere della signorina Y, già titolare della ditta individuale omonima. Di questa somma 435 fr. furono versati quell'anno medesimo alla signorina Y; la somma residua, di 29 000 fr., fu invece contabilizzata, nel bilancio di chiusura del primo esercizio al 31 dicembre
BGE 84 I 240 S. 241
1952, come segue: "Spez. Reservefonds, 29 000 fr.". In detto bilancio, l'utile del primo esercizio, di nove mesi, era indicato in 31 819 fr. 85.
B.-
Agli effetti dell'imposta per la difesa nazionale (IDN) del VI periodo (1951/1952), l'autorità ticinese di tassazione stabiliva, con decisione del 24 aprile 1954, l'utile annuo netto della ditta X in 84 400 fr. Detta somma comprendeva l'utile d'esercizio di 31 819 fr. 85, un importo di 2508 fr. corrispondente a una ripresa per imposte inammissibile e la somma di 29 000 fr. passata a riserva speciale, il tutto riportato a dodici mesi conformemente all'art. 58 cp. 5 DIN. Circa la riserva speciale di 29 000 fr., l'autorità di tassazione considerò che, poichè proveniva dalla mutazione di capitali appartenenti a terzi (signorina Y) in fondi propri, doveva essere parificata a un utile e tassata come tale.
Su reclamo della ditta X, l'utile netto imponibile veniva ridotto a 63 327 fr. Tra l'altro il saldo del conto profitti e perdite fu ammesso in 31 819 fr., senza riporto da 9 a 12 mesi, essendo risultato esatto che nell'utile quale appariva dal bilancio della società al 31 dicembre 1952 era già compreso il reddito di 3483 fr. 95 conseguito nei primi tre mesi dalla ditta individuale Y. Anche la somma di 29 000 fr. fu dichiarata tassabile senza riporto a 12 mesi, in sostanza perchè occorreva "tener conto che l'importo di 29 000 fr. non deriva dalla normale attività svolta dalla società nei suoi primi 9 mesi di vita".
Tale decisione fu confermata, per il 1952, dalla Commissione cantonale di ricorso in materia d'imposte (CCR). La ditta X non interpose ricorso al Tribunale federale.
C.-
Per l'IDN del VII periodo (1953-1954), l'Amministrazione cantonale delle contribuzioni a Bellinzona stabiliva, su reclamo della ditta X contro il verbale di tassazione, l'ammontare dell'utile netto imponibile in 63 300 fr. come per il 1952 e per i medesimi motivi.
La CCR confermò questa decisione, in data 16 giugno
BGE 84 I 240 S. 242
D. - La ditta X ha interposto in tempo utile un ricorso di diritto amministrativo al Tribunale federale, chiedendo che, annullata la decisione impugnata, sia accertato che la somma di 29 000 fr. "tassata quale utile nel 1952, non può entrare in considerazione nel calcolo dell'utile del VII periodo" e che "di conseguenza l'utile netto della ditta X imponibile ai fini dell'IDN per il VII periodo è determinato in 34 000 fr.". A sostegno delle sue conclusioni, essa adduce in sostanza quanto segue: In primo luogo, la somma di 29 435 fr. altro non è che l'utile della ditta individuale Y negli anni 1950 e 1951. Esso è stato iscritto nel bilancio d'apertura della società anonima al nome di Y, non perchè questa ne fosse creditrice, ma solo per sottolineare la provenienza della somma. In queste circostanze, la CCR par la a torto di abbandono di credito da parte di un terzo. Comunque sia, è inammissibile che l'importo in questione, già tassato per il 1952, lo sia anche per gli anni 1953/1954, giacchè si trattò semmai di un utile del tutto straordinario senza nessuna relazione con la normale attività commerciale della ditta X.
E.-
Nelle loro osservazioni, la CCR e l'Amministrazione federale delle contribuzioni hanno concluso per la reiezione del gravame.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
In concreto, non è necessario esaminare più da vicino gli argomenti con i quali la ricorrente vorrebbe dimostrare che la somma di 29 000 fr. non rappresenterebbe un utile tassabile a norma del DIN. Infatti la ricorrente medesima dice che, pur essendo l'utile solo "presunto", non intende contestarne la possibile tassazione ai fini della IDN del 1952. "Per contro non possiamo ammettere - specifica la ricorrente - che questo importo possa riflettersi ancora sulla tassazione per il biennio 1953/1954 poichè si tratterebbe comunque di utile del tutto straordinario". Appare da questo ragionamento e, inoltre,
BGE 84 I 240 S. 243
dalle conclusioni della ricorrente limitate esplicitamente al solo VII periodo che non il calcolo dell'utile per sè giusta l'art. 49 DIN è impugnato nel presente ricorso di diritto amministrativo, bensì la circostanza che detto utile è stato preso in considerazione per il 1953 e il 1954 oltre che per il 1952. Ne segue che deve qui solo essere esaminato, per quanto concerne l'imposizione della ricorrente per il VII periodo IDN, se la CCR abbia correttamente applicato l'art. 58 DIN, relativo appunto ai periodi di computo dell'imposta per la difesa nazionale.
2.
Su questo punto, occorre considerare quanto segue: Normalmente, il periodo di computo dell'IDN comprende i due anni che precedono il periodo di tassazione (art. 58 cp. 1 DIN). Tuttavia, se all'inizio del periodo di tassazione è trascorso un solo esercizio o se il primo esercizio non è chiuso che nel corso di detto periodo, "la tassazione è fatta in base al risultato del primo esercizio" (art. 58 cp. 4 lett. b DIN). Quando poi la durata di questo è più lunga o più breve di un anno civile, "l'utile netto è computato per un anno civile" (art. 58 cp. 5 DIN).
In concreto, è pacifico che la ricorrente ha iniziato la sua attività il 1 aprile 1952. Poichè al 1 gennaio 1953 (inizio del nuovo periodo di tassazione) era così trascorso un solo esercizio, le autorità fiscali hanno dunque per sè giustamente fatto capo all'art. 58 cp. 4 lett. b DIN. Letteralmente preso, esse lo hanno anche applicato in modo corretto. In opposizione a quanto sostiene la ricorrente, è tra l'altro conforme al testo esplicito dell'art 58 cp. 4 DIN che, quando all'inizio del periodo di tassazione è trascorso un solo esercizio, il medesimo utile serva di regola per tre tassazioni: la tassazione dell'anno fiscale nel corso del quale l'impresa è stata costituita (lett. a) e quella dei due anni fiscali successivi (lett. b). Con ciò, la legge non ha inteso colpire più volte un solo e unico guadagno, ma ha voluto semplicemente prevedere un modo di calcolo capace di dare soddisfazione quando la tassazione non può essere fondata sull'utile netto medio
BGE 84 I 240 S. 244
dei due anni anteriori. Si trattava in particolare di escogitare un sistema che non fosse sfavorevole per i nuovi contribuenti e bisogna pur convenire che l'art. 58 cp. 4 DIN è tale da adempiere questo presupposto. Di regola, un'azienda che inizia la sua attività guadagnerà infatti meno nel primo anno di vita che negli anni successivi.
L'ipotesi contraria rimane tuttavia sempre possibile. Può per esempio accadere che un'azienda, a motivo di circostanze speciali, consegua un utile straordinario che è del tutto indipendente dalla sua normale attività e che non si ripeterà negli esercizi successivi. Tale ipotesi si verifica appunto qui. La somma di 29 000 fr. iscritta il 31 dicembre 1952 a bilancio come "riserva speciale" non dipende da nessuna attività d'esercizio della ricorrente ma poggia esclusivamente sulla contabilizzazione al suo nome di una somma che all'inizio dell'esercizio figurava quale capitale di Y. Non è necessario esaminare qui se vi sia stato condono di debito da parte della signorina Y o altro; basterà costatare che la somma di cui si tratta è divenuta, senza rimborso da parte della ricorrente, una riserva speciale di questa. In altre parole, la ricorrente ha conseguito un utile straordinario, del tutto indipendente dalla sua normale attività economica.
Ora, lecita è effettivamente la domanda se un utile siffatto, già tassato in tutto il suo ammontare per l'anno fiscale nel corso del quale l'impresa è stata costituita (1952), possa ancora essere preso in considerazione per il successivo periodo biennale di computo. La ricorrente lo nega, con riferimento tra l'altro alla sentenza RU 76 I 226 sgg. e a una decisione in data 2 settembre 1947 della Commissione di ricorso per l'IDN del Cantone di Argovia (cfr. Archiv für Schweizerisches Abgaberecht, vol. 16, pag. 413).
A questo proposito deve subito essere detto che sia l'una sia l'altra decisione citata hanno per oggetto il problema del riporto a dodici mesi, giusta l'art. 58 cp. 5 DIN, degli utili straordinari conseguiti in primi esercizi
BGE 84 I 240 S. 245
più brevi di un anno civile, non quello della tassazione di siffatti utili quando siano già stati colpiti integralmente una prima volta in virtù dell'art. 58 cp. 4 lett. a DIN. Litigioso era insomma se in certi casi speciali il computo dell'utile netto per un anno civile dovesse essere fatto conformemente alla regola matematica, dividendo cioè la somma dei redditi degli esercizi più brevi di un anno civile per il numero di giorni degli esercizi di cui si tratta e moltiplicando il quoziente per 365 o se un altro modo di computo dovesse essere adottato. Dopo aver considerato che "sans doute la méthode généralement applicable sera-t-elle la méthode mathématique", il Tribunale federale precisò che "si, exceptionnellement, cette méthode n'aboutit pas à un résultat satisfaisant, autrement dit, si le résultat de l'opération ne correspond pas au bénéfice qui aurait été réalisé dans le cas où le premier exercice aurait eu effectivement la durée d'une année civile, le texte légal n'interdit nullement de procéder à la conversion d'une autre manière". Questo ragionamento corrisponde a quello della Commissione di ricorso del Cantone di Argovia, secondo cui "Art. 58 Abs. 5 WStB in der Weise einschränkend zu interpretieren ist, dass bei der Umrechnung des Reingewinnes auf ein Jahr solche Faktoren nicht zu berücksichtigen sind, die das Geschäftsergebnis nicht kontinuierlich beeinflussen" (cfr. op.cit., pag. 414).
Nella fattispecie, la CCR ha precisamente fatto capo ai principi sanciti da questa giurisprudenza. Infatti, essa ha rinunciato a riportare a dodici mesi sia la somma di 29 000 fr., sia l'utile d'esercizio ordinario. Di conseguenza, si tratta solo ancora di esaminare se il modo di computo adottato dalle autorità fiscali ticinesi ha condotto a un risultato soddisfacente, conforme alla ratio e allo spirito del DIN. Tale non è il caso.
a) Innanzitutto, dev'essere accolta la tesi con la quale la ricorrente sostiene che nello stesso modo in cui nell'operazione di riporto a dodici mesi degli utili conseguiti in un esercizio più breve di un anno civile non sono presi
BGE 84 I 240 S. 246
in considerazione gli utili che non sono realizzati attraverso l'abituale attività commerciale di una società, così gli utili straordinari, indipendenti dall'attività economica normale della persona giuridica, non devono essere tassati più di una volta, non devono cioè più essere presi in considerazione agli effetti del computo secondo l'art. 58 cp. 4 lett. b se già lo furono integralmente agli effetti del computo secondo la lettera a di questo disposto. Ciò significa che la somma di 29 000 fr., già tassata nel 1952, non deve più essere aggiunta al reddito netto imponibile per il periodo 1953/1954. Detta somma costituisce un utile talmente estraneo all'attività economica ordinaria della ricorrente che non è normalmente destinato a ripetersi. Così stando le cose, tassarla ancora per il 1953/1954, dopo che già è stata tassata interamente per il 1952, equivarrebbe a interpretare il DIN con rigore eccessivo, incompatibile con la ratio e lo spirito della legge che vuole bensì colpire tutti i guadagni, ma anche li vuole colpire, di massima, una volta sola.
Vero è che per l'art. 58 cp. 4 DIN non vale la considerazione del Tribunale federale relativa all'art. 58 cp. 5 DIN e giusta la quale questo secondo disposto par la di computo per un anno civile, senza precisare il modo in cui dev'essere eseguito, se matematicamente o in altra maniera (cfr. RU 76 I 228). Nel caso dell'art. 58 cp. 4 DIN, la legge medesima ha prescritto che il "risultato del primo esercizio" fosse preso in considerazione come tale durante tre anni fiscali. Se detto articolo fosse applicato giusta il suo stretto testo letterale anche nei casi in cui, come qui, un utile notevole è straordinario e unico al punto da non avere assolutamente più nulla in comune con il normale esercizio di un'azienda e, inoltre, già è stato tassato per l'anno fiscale in cui l'azienda è stata costituita, si giungerebbe tuttavia a un risultato talmente iniquo che la rinuncia ad aggiungerlo all'utile d'esercizio imponibile per il nuovo periodo di computo s'impone, nello stesso modo e per le medesime ragioni per le quali
BGE 84 I 240 S. 247
un utile siffatto non sarebbe comunque riportato a dodici mesi.
b) .....
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è parzialmente accolto e la causa è rinviata all'autorità cantonale per nuovo giudizio nel senso dei considerandi. | public_law | nan | it | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fb9b11fb-169a-4352-a1d6-7ce72330219d | Urteilskopf
87 I 131
21. Auszug aus dem Urteil vom 3. Mai 1961 i.S. Heiniger gegen Hoegger & Co. und Bezirksgericht Gossau. | Regeste
Eine vor
Art. 11 HRG
unzulässige Gerichtstandsvereinbarung schliesst nicht aus, dass der Besteller sich auf die Klage vor dem vereinbarten Richter einlässt.
Begriff der Einlassung. | Sachverhalt
ab Seite 131
BGE 87 I 131 S. 131
A.-
Mit Vertrag vom 4. August 1958 kaufte der Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin einen Traktor. In den Lieferungsbedingungen wird als Erfüllungsort für Lieferung und Zahlung und als Gerichtsstand Gossau vereinbart. Da der Käufer in der Folge den Vertrag nicht halten wollte, klagte die Verkäuferin gegen ihn vor dem Bezirksgericht Gossau auf Vertragserfüllung. Der Beklagte liess die Antwortfrist unbenützt verstreichen. Darauf
BGE 87 I 131 S. 132
wurde ihm eine Notfrist von 14 Tagen angesetzt. Er bestätigte den Erhalt und erklärte mit Schreiben vom 26. Juni 1959 sich "rein an den Kaufvertrag zu halten". Da sein Vater, der den Traktor finanzieren sollte, den Vertrag noch nicht unterzeichnet habe, werde dieser wohl kaum rechtsgültig sein. Zur ersten Tagfahrt erschien der Beklagte nicht und musste peremtorisch vorgeladen werden. Am 22. April 1960 erliess das Bezirksgericht das Versäumnisurteil, mit dem es die Klage schützte. Der Beschwerdeführer wandte sich mit einer Rechtsverweigerungsbeschwerde an das Kantonsgericht St. Gallen. Er machte geltend, die vereinbarte Gerichtstandsklausel sei gemäss Art. 11 des Bundesgesetzes über die Handelsreisenden nichtig und diese Nichtigkeit von Amtes wegen zu berücksichtigen. Die erste Instanz habe auch willkürlich angenommen, der Beklagte habe sich stillschweigend auf die Klage eingelassen; denn es habe kein Vorverfahren stattgefunden, weil der Brief des Beklagten vom 26. Juni 1959 keine Klageantwort darstelle. Das Kantonsgericht hat die Beschwerde mit Entscheid vom 20. Oktober 1960 abgewiesen.
B.-
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 22. Februar 1961 beantragt Werner Heiniger, die Urteile des Bezirksgerichtes Gossau vom 22. April 1960 und der Rekurskommission des Kantonsgerichtes vom 20. Oktober 1960 aufzuheben.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Das Bezirksgericht geht davon aus, aus dem Schreiben des Beklagten vom 26. Juni 1959 müsse auf eine stillschweigende Genehmigung des Gerichtstandes im Sinne von
Art. 91 Abs. 3 ZPO
geschlossen werden. Die Rekurskommission versteht das dahin, dass nachträglich, d.h. im gerichtlichen Verfahren eine stillschweigende Gerichtstandsvereinbarung zustande gekommen sei, indem der Beklagte dem von der Klägerin in Anspruch genommenen Gerichtstand Gossau zugestimmt habe, und dass ein
BGE 87 I 131 S. 133
Käufer, der den Vertrag mit einem Kleinreisenden abgeschlossen habe, auf den ihm durch
Art. 11 HRG
eingeräumten Vorteil dadurch verzichten könne, dass er mit dem Verkäufer selbst, ausdrücklich oder stillschweigend, einen neuen Gerichtstand vereinbare. Die Rekurskommission erklärt dazu, diese Auffassung lasse sich vom Standpunkt der Willkür vertreten, erscheine nicht schlechthin als unhaltbar.
Art. 11 HRG
schreibt, wie im Urteil über die Berufung ausgeführt wird, nicht zwingend den Gerichtstand am Wohnsitz des Bestellers vor, und die Wirkung des Verbotes besteht nur darin, dass die Klausel nicht beachtet werden darf. Er will verhindern, dass der Besteller vor einem andern als seinem ordentlichen Richter sein Recht suchen müsse auf Grund einer Vereinbarung, bei deren Abschluss er noch nicht daran glaubte, dass sie wirksam werden könne, ein Anstand darüber jedenfalls noch nicht bestand. Ist aber der Prozess vor dem Richter der nichtigen Vereinbarung eingeleitet worden und muss sich der beklagte Käufer auf Grund der Zustellung der Klage und der Aufforderung, darauf zu antworten, und allenfalls einer Vorladung darüber bewusst sein, dass er genötigt werden wolle, sich vor dem vereinbarten Richter zu verantworten, so besteht kein Anlass mehr, ihn zu hindern, einen neuen Gerichtstand insbesondere durch Einlassung zu begründen. Nach der Rechtsprechung kommt es dabei für die Frage, ob der Beklagte auf das Recht verzichtet habe, die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Richters zu bestreiten, nicht entscheidend darauf an, ob nach dem kantonalen Recht Einlassung angenommen werden könne. Ob eine die Garantie des
Art. 59 BV
ausschliessende Einlassung vorliege, beurteilt sich vielmehr nach den Grundsätzen, welche das Bundesgericht zu
Art. 59 BV
entwickelt hat (
BGE 68 I 150
,
BGE 67 I 108
und die hier genannten weitern Entscheidungen).
Danach hat sich der Beklagte auf den Streit eingelassen, wenn er sich gegenüber der beim unzuständigen Richter
BGE 87 I 131 S. 134
eingereichten Klage derart verhalten hat, dass die nachträgliche Erhebung der Unzuständigkeitseinrede aus dem Gesichtspunkt der bona fides im Rechtsverkehr nicht gebilligt werden kann. Dieser Maxime widerspricht die nachträgliche Bestreitung der Zuständigkeit dann, wenn der Beklagte dem Gericht gegenüber den Willen bekundet hat, vorbehaltlos zur Sache zu verhandeln (
BGE 67 I 108
mit Zitaten).
Der Beschwerdeführer hat sich im Prozess nicht rein passiv verhalten. Er erklärte gegenüber dem Gerichtspräsidenten vielmehr, er halte sich an den Kaufvertrag, und da der Vater das Geschäft hätte finanzieren sollen, den Vertrag aber bis dahin nicht unterzeichnet habe, werde der Vertrag kaum rechtsgültig sein. Er bestritt damit nicht die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Richters, sondern wendete Ungültigkeit des Kaufvertrages ein, erhob also gegenüber der Klage eine Einrede aus dem abgeschlossenen Vertrag. Dadurch hat er, wenn auch summarisch, sich auf den Prozess eingelassen, das Zustandekommen eines für ihn verbindlichen Kaufvertrages in Abrede gestellt, weil er vom Geldgeber nicht unterzeichnet worden sei, und sich damit zur Klage in einer Weise verhalten, welche die nachträgliche Erhebung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit ausschliesst...
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fba19e1b-baf6-42ba-9f6b-7b0996887cdc | Urteilskopf
115 V 362
49. Urteil vom 20. Oktober 1989 i.S. Pensionskasse Schweizerischer Elektrizitätswerke gegen Services Industriels de la Commune de Sion und Versicherungsgericht des Kantons Zürich | Regeste
Art. 842 Abs. 3 und
Art. 864 OR
: Kollektivaustritt eines Arbeitgebers aus einer Personalvorsorgeeinrichtung in Form einer Genossenschaft.
Die statutarische Beschränkung der Austrittsforderung auf 90% des Deckungskapitals ist zulässig und stellt keine übermässige Erschwerung des Austritts im Sinne von
Art. 842 Abs. 3 OR
dar. | Sachverhalt
ab Seite 362
BGE 115 V 362 S. 362
A.-
Die Pensionskasse Schweizerischer Elektrizitätswerke (PKE) ist eine Genossenschaft im Sinne von
Art. 828 ff. OR
. Ihr gehören seit 1922 die Services Industriels de la Commune de Sion als Genossenschafter an, welche damit für einen Teil ihrer Mitarbeiter die berufliche Vorsorge durchführen liessen. Die Services Industriels erklärten auf den 31. März 1985 den Austritt aus der PKE, worauf ihnen gestützt auf Art. 30 Abs. 7 der PKE-Statuten 90% des Deckungskapitals oder Fr. 15'985'969.-- ausbezahlt wurden.
B.-
Am 25. März 1986 reichten die Services Industriels de la Commune de Sion beim Versicherungsgericht des Kantons Zürich gegen die PKE Klage ein auf Auszahlung der restlichen 10% des Deckungskapitals. Mit Urteil vom 8. Juli 1988 hiess das Versicherungsgericht die Klage in dem Sinne gut, dass es die PKE verpflichtete, den Services Industriels den Betrag von Fr. 1'775'045.-- nebst Zins zu 5% seit 25. März 1986 zu überweisen.
BGE 115 V 362 S. 363
C.-
Die PKE lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. Juli 1988 sei insoweit aufzuheben, als es die PKE verpflichte, den Services Industriels den Betrag von Fr. 1'775'045.-- nebst Zins zu 5% ab dem 25. März 1986 zu überweisen. Die Klage der vorinstanzlichen Klägerin sei vollumfänglich abzuweisen.
Die Services Industriels de la Commune de Sion lassen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das angefochtene Urteil betrifft einen Streit zwischen einer Vorsorgeeinrichtung (PKE) und einem Arbeitgeber (Services Industriels) über Fragen der beruflichen Vorsorge im Sinne von
Art. 73 Abs. 1 BVG
. Das Urteil kann daher gemäss
Art. 73 Abs. 4 BVG
an das Eidg. Versicherungsgericht weitergezogen werden (
BGE 113 V 200
Erw. 1a). Der Austritt der Services Industriels als Genossenschafter erfolgte erst nach Inkrafttreten des BVG, so dass der Anwendung der durch dieses Gesetz neu geschaffenen Zuständigkeitsordnung nichts im Wege steht (
BGE 113 V 292
,
BGE 112 V 359
Erw. 3).
2.
...
3.
a) Der Umfang der Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts in Beschwerdesachen ergibt sich aus Art. 132 in Verbindung mit
Art. 104 und 105 OG
.
Nach
Art. 104 lit. a OG
kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens gerügt werden. Die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig oder unvollständig ist oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgte (Art. 104 lit. b in Verbindung mit
Art. 105 Abs. 2 OG
). Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen (einschliesslich deren Rückforderung) erstreckt sich dagegen die Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (
Art. 132 OG
; erweiterte Kognition;
BGE 108 V 247
Erw. 1a).
BGE 115 V 362 S. 364
b) Unter den Begriff der Versicherungsleistungen in Art. 132 (und 134) OG fallen praxisgemäss Leistungen, über deren Rechtmässigkeit bei Eintritt des Versicherungsfalles befunden wird (
BGE 106 V 98
Erw. 3). Es handelt sich demnach um Ansprüche von Versicherten, nicht aber von Institutionen. Letztere können daher nicht als Versicherte gelten und demzufolge auch keinen Versicherungsfall im genannten Sinne auslösen. Der Beschwerdegegnerin fehlt somit die Versicherteneigenschaft, weshalb das vorliegende Verfahren keinen Streit über die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen nach Art. 132 (und 134) OG betrifft. Die Überprüfungsbefugnis richtet sich daher nach Art. 104 lit. b in Verbindung mit
Art. 105 Abs. 2 OG
(eingeschränkte Kognition).
4.
a) Solange die Auflösung der Genossenschaft nicht beschlossen ist, steht gemäss
Art. 842 OR
jedem Genossenschafter der Austritt frei (Abs. 1). Die Statuten können vorschreiben, dass der Austretende zur Bezahlung einer angemessenen Auslösungssumme verpflichtet ist, wenn nach den Umständen durch den Austritt der Genossenschaft ein erheblicher Schaden erwächst oder deren Fortbestand gefährdet wird (Abs. 2). Ein dauerndes Verbot oder eine übermässige Erschwerung des Austritts durch die Statuten oder durch Vertrag sind ungültig (Abs. 3).
b) Gemäss
Art. 864 OR
bestimmen die Statuten, ob und welche Ansprüche an das Genossenschaftsvermögen den ausscheidenden Genossenschaftern oder deren Erben zustehen. Diese Ansprüche sind aufgrund des bilanzmässigen Reinvermögens im Zeitpunkt des Ausscheidens mit Ausschluss der Reserven zu berechnen (Abs. 1). Die Statuten können dem Ausscheidenden oder seinen Erben ein Recht auf gänzliche oder teilweise Rückzahlung der Anteilscheine mit Ausschluss des Eintrittsgeldes zuerkennen. Sie können die Hinausschiebung der Rückzahlung bis auf die Dauer von drei Jahren nach dem Ausscheiden vorsehen (Abs. 2).
c) Nach Art. 6 Abs. 1 lit. d der PKE-Statuten erlischt die Mitgliedschaft samt allen damit verbundenen Rechten und Pflichten ausser in den im Gesetz vorgesehenen Fällen unter anderem, wenn die Unternehmung, in deren Dienst das Mitglied steht, ihre Zugehörigkeit zur PKE durch schriftliche Erklärung aufgibt. Eine solche Erklärung kann nur unter Beobachtung einer Kündigungsfrist von einem Jahr jeweils auf Ende eines Geschäftsjahres und nachdem die Unternehmung mindestens fünf Jahre der PKE angehört hat, erfolgen. Sie erfordert entweder das Einverständnis der
BGE 115 V 362 S. 365
Mehrheit der Mitglieder der austretenden Unternehmung (Ziff. 1) oder den Nachweis, dass die Unternehmung die Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenfürsorge für ihr Personal durch eine eigene Fürsorgeeinrichtung oder auf andere Weise zu ebenso günstigen Bedingungen für die Versicherten wie die PKE sichergestellt hat (Ziff. 2).
d) Der Kollektivaustritt einer Unternehmung ist gemäss Art. 30 Abs. 6 der PKE-Statuten dem Einzelaustritt von Mitgliedern gleichgestellt; vorbehalten bleibt Abs. 7 dieser Bestimmung, welcher lautet: Erfolgt der Kollektivaustritt aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. d Ziff. 2, so wird die Summe der Einzelaustrittsforderungen gemäss Abs. 6 auf 90% des für die austretende Gruppe nach Massgabe des Liquidationsgrades zu berechnenden vorhandenen Deckungskapitals erhöht und der neuen Fürsorgeeinrichtung der Unternehmung überwiesen.
5.
a) Streitig und zu prüfen ist hier einzig, ob eine Pflicht der Beschwerdeführerin zur Herausgabe von mehr als 90% des Deckungskapitals gemäss Art. 30 Abs. 7 ihrer Statuten besteht.
b) Die Beschwerdegegnerin liess im vorinstanzlichen Verfahren vorbringen, der Abzug von 10% des Deckungskapitals laufe praktisch auf eine Auslösungssumme im Sinne von
Art. 842 Abs. 2 OR
hinaus, wofür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die Vorinstanz hat diese These mit der Begründung verworfen, der Rückbehalt eines bestimmten Kapitalanteils könne schon rein begrifflich keine Auslösungssumme darstellen. Die herrschende Lehre (STUDER, Die Auslösungssumme im schweizerischen Genossenschaftsrecht, Diss. Bern 1977, S. 88; ROTHENBÜHLER, Austritt und Ausschluss aus der Genossenschaft, Diss. Zürich 1984, S. 73 ff.; FORSTMOSER, N. 41 zu
Art. 842 OR
) betrachte die Auslösungssumme als ein Entgelt, mittels welchem sich der Genossenschafter von der gesellschaftlichen Bindung lösen könne; sie sei eine spezifische Leistungspflicht eines austretenden Genossenschafters. Dem ist beizupflichten.
6.
a) Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, der Abzug von 10% des Deckungskapitals bedeute eine übermässige Erschwerung des Austritts und sei daher gemäss
Art. 842 Abs. 3 OR
ungültig.
b) Nach dem Gesetz besitzt der ausscheidende Genossenschafter - wenn die Statuten nichts anderes vorsehen - keinen Anspruch auf eine Abfindung. Schweigen die Statuten, verfallen beim Austritt eines Mitglieds seine Einlagen und virtuellen Ansprüche
BGE 115 V 362 S. 366
auf einen Anteil am Genossenschaftsvermögen. Das ist auch in der Literatur unbestritten (GERWIG, Schweizerisches Genossenschaftsrecht, Bern 1957, S. 239; VON STEIGER, Grundriss des Schweizerischen Genossenschaftsrechts, Zürich 1963, S. 71; GUTZWILLER, N. 16 zu Art. 864/865 OR; FORSTMOSER, Genossenschaftsrecht, Syst. Teil, N. 323). Daraus kann sich faktisch eine erhebliche Austrittserschwerung ergeben.
Art. 842 Abs. 3 OR
bietet indes keinen Schutz vor der Austrittserschwerung, die aus dem gesetzlich zulässigen Verfall der virtuellen Ansprüche auf das Genossenschaftsvermögen (
Art. 864 OR
) resultiert. Entsprechend liegt keine übermässige Austrittserschwerung im Sinne von
Art. 842 Abs. 3 OR
vor, wenn dem Ausscheidenden aufgrund der Satzungen kein Abfindungsanspruch zusteht. Noch weniger kann das angenommen werden, wenn die Statuten eine bloss teilweise Abfindung zuerkennen (siehe auch FORSTMOSER, N. 41 zu
Art. 842 OR
, GERWIG, a.a.O., S. 240 f.). Der Abzug von 10% des Deckungskapitals in Art. 30 Ziff. 7 der PKE-Statuten stellt demnach keine übermässige Austrittserschwerung im Sinne von
Art. 842 Abs. 3 OR
dar.
7.
a) Die Vorinstanz hat gegen diese Grundsätze eingewendet, dass in ihnen den Besonderheiten einer Pensionskassengenossenschaft nicht Rechnung getragen werde. Das Bundesgericht habe in
BGE 89 II 150
erkannt, dass die besondere Art der in Frage stehenden Genossenschaft mit berücksichtigt werden müsse, um festzustellen, ob eine Austrittserschwerung das zulässige Mass übersteige. Zweck einer Personalvorsorgeeinrichtung sei es, aufgrund von Beiträgen der angeschlossenen Genossenschafter (Betriebe und deren Arbeitnehmer) eine planmässige Vorsorge zu betreiben und entsprechende Deckungsmittel für die in den Statuten vorgesehenen Vorsorgefälle zu äufnen. Im Gegensatz zur Tätigkeit anderer Genossenschaften werde von einer Personalvorsorgegenossenschaft damit auf lange Sicht aufgrund der geleisteten Beiträge ein Vorsorgeschutz aufgebaut. Die Vorsorgetätigkeit wäre sinn- und zwecklos, wenn es einer Personalvorsorgegenossenschaft freistünde, beim Austritt eines Kollektivmitglieds im Rahmen der Regelung von
Art. 864 und 865 OR
die Deckungskapitalien der Genossenschaft verfallen zu lassen oder empfindlich zu kürzen. Entgegen der von der PKE vertretenen Auffassung habe das Bundesgericht bereits in
BGE 80 II 132
und 133 festgestellt, dass Statutenbestimmungen einer Personalvorsorgegenossenschaft, welche die Rückzahlung geleisteter Beiträge, ja sogar die Ausrichtung fällig gewordener Renten ausschlössen, die Folgen
BGE 115 V 362 S. 367
des Austritts verschärfen, diesen erschweren und praktisch sogar die grundsätzlich gewährleistete Austrittsfreiheit vernichten würden. Das Gericht habe darauf hingewiesen, dass bei Personalvorsorgegenossenschaften der Verfall der geleisteten Beiträge der Versicherten als ungerecht erscheinen würde, weil die Rückerstattung einem ethischen Bedürfnis entspreche. Dies sei die Folge der innern Rechtfertigung dieser Art von Genossenschaften. Diese bundesgerichtlichen Überlegungen hätten auch im Rahmen von Art. 30 Abs. 7 der PKE-Statuten zu gelten, so dass eine Kürzung der Deckungskapitalien unter den besondern Verhältnissen einer Pensionskassengenossenschaft als übermässige Erschwerung des Austritts gewertet werden müsse.
b) Der genannte
BGE 80 II 123
ff. lässt indes die von der Vorinstanz gezogenen Schlüsse nicht zu. In diesem Entscheid hatte das Bundesgericht über die Rechtmässigkeit einer Statutenbestimmung einer Pensionskassengenossenschaft zu befinden, wonach bei Ausschluss oder Austritt des Mitglieds bereits entstandene Rentenansprüche dahinfielen. Das Gericht erkannte, dass eine einmal entstandene Leistungspflicht der genossenschaftlichen Pensionskasse "selbständiger Natur" ist bzw. dass die Forderung des Mitglieds "vom Eintritt des Versicherungsfalles an" "selbständigen Charakter erlangt hat und die Eigenschaft eines wohlerworbenen Rechts (
BGE 61 II 171
ff.) besitzt" (S. 129 f. Erw. 2b); bereits entstandene Rentenansprüche können daher dem Berechtigten nicht mehr entzogen werden (S. 131 Erw. 2c). Es ging demnach in diesem Entscheid nicht um die Frage der übermässigen Austrittserschwerung infolge Verfalls des Anteils am Genossenschaftsvermögen. Dazu wurde vielmehr unmissverständlich festgehalten, dass dem ausscheidenden Genossenschafter keinerlei Ansprüche "auf Anteil am Genossenschaftsvermögen als solchem" zustehen und dieser somit "nach Gesetz wie nach den Statuten" keinen Abfindungsanspruch geltend machen könne (S. 128 Erw. 2a). Das Bundesgericht steht mithin in
BGE 80 II 123
ff. ebenfalls auf dem Boden der oben dargelegten Lehre, wonach der Verfall eines jeglichen Anspruchs auf einen Anteil am Genossenschaftsvermögen bei Austritt nicht unter dem Titel der übermässigen Austrittserschwerung gemäss
Art. 842 Abs. 3 OR
korrigiert werden kann. Daran ist festzuhalten.
Der Austritt eines Arbeitgebers mit seiner Belegschaft aus einer genossenschaftlichen Pensionskasse löst zweifellos keinen Versicherungsfall im herkömmlichen Sinne des Wortes aus. Ebenso
BGE 115 V 362 S. 368
trifft es nicht zu, dass allenfalls vor dem Austritt der Services Industriels aus der PKE der heute streitige Anspruch entstanden sei und die Eigenschaft eines wohlerworbenen Rechts erlangt haben könnte. Schliesslich liegen auch keine Verhältnisse vor, die zulässigerweise mit einem Versicherungsfall verglichen werden könnten. Es lässt sich daher aus
BGE 80 II 123
ff. auch nicht analogieweise etwas zugunsten der Beschwerdegegnerin herleiten.
8.
Die Vorinstanz hat die Frage geprüft, ob sich die Regeln, welche zum nachgenannten Anwendungsfall eines gruppenweisen Austritts von Destinatären einer Personalvorsorgestiftung entwickelt worden sind, auf den vorliegenden Fall des Austritts eines Genossenschafters übertragen lassen. Sie hat diese Praxis so zusammengefasst, dass Anwartschaften von Arbeitnehmern, die von Personalfluktuationen betroffen werden, zu denen die Arbeitgeberseite die Ursache gesetzt hat, keine wesentlichen Schmälerungen erfahren dürfen. Vielmehr haben die Arbeitnehmer nach dem Grundsatz von Treu und Glauben Anspruch auf Wahrung ihres Besitzstandes, was konkret bedeutet, dass das Personalvorsorgevermögen dem Personal folgen muss (siehe RIEMER, Die Auswirkungen grösserer Personalfluktuationen beim Arbeitgeber auf dessen Personalvorsorgestiftung, SZS 1982 S. 3 ff.; derselbe, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 101, N. 11;
BGE 110 II 436
; SZS 1985 S. 200 Erw. 6). Die Vorinstanz hat ein solches Vorgehen im vorliegenden Fall zu Recht abgelehnt. Die Anwendung der angeführten Regel auf Personalvorsorgegenossenschaften wäre mit den in Erwägung 6 hievor dargelegten Grundsätzen nicht vereinbar, ganz abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall keine Personalfluktuationen (im Sinne von Entlassungen ganzer Abteilungen eines Unternehmens oder in Form grundlegender Umstrukturierungen infolge von Handänderungen) in Frage stehen. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fba2311f-fb5f-439a-8167-f64a94b42e2e | Urteilskopf
139 III 334
47. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_237/2013 vom 8. Juli 2013 | Regeste a
Art. 96 ZPO
; Erhebung und Bemessung von Gerichtskosten.
Es ist zulässig, das Nichteintreten auf eine Klage mangels (fristgemässer) Leistung des Kostenvorschusses mit Kosten zu verbinden (E. 3.1). Überprüfung der Höhe der Gerichtsgebühr von Fr. 12'000.- unter den Gesichtspunkten des Kostendeckungs- und des Äquivalenzprinzips sowie hinsichtlich einer willkürlichen Anwendung der kantonalen Tarifbestimmungen (E. 3.2).
Regeste b
Art. 119 Abs. 3 Satz 2 und
Art. 105 ZPO
; Parteientschädigung im Gesuchsverfahren betreffend unentgeltliche Rechtspflege.
Die Gegenpartei, die gestützt auf
Art. 119 Abs. 3 Satz 2 ZPO
fakultativ zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege angehört wird, hat im betreffenden Gesuchsverfahren keine Parteistellung, weshalb ihr keine Parteientschädigung zugesprochen werden darf (E. 4.1 und 4.2). Mangels eines entsprechenden Antrags verletzt die Zusprechung einer Parteientschädigung überdies
Art. 105 ZPO
(E. 4.3). | Erwägungen
ab Seite 335
BGE 139 III 334 S. 335
Aus den Erwägungen:
3.
Der Beschwerdeführer beanstandet zunächst die Auferlegung der Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 12'000.-.
3.1
Er ist der Auffassung, für das Nichteintreten wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses dürften überhaupt keine Kosten erhoben werden.
Diese Ansicht entbehrt der Grundlage. Die fristgemässe Leistung des Kostenvorschusses bildet eine Prozessvoraussetzung (
Art. 59 Abs. 2 lit. f ZPO
). Säumnis zieht Nichteintreten nach sich (
Art. 101 Abs. 3 ZPO
). Für derartige Nichteintretensentscheide sieht das Bundesrecht keine Kostenfreiheit vor. Im Kanton Zürich besteht ebenso wenig eine Kostenbefreiung nach kantonalem Recht (
Art. 116 ZPO
). Indem
Art. 106 Abs. 1 Satz 2 ZPO
bestimmt, dass bei Nichteintreten die klagende Partei als unterliegend gilt, bringt der Bundesgesetzgeber zudem zum Ausdruck, dass auch für Nichteintretensentscheide Kosten erhoben werden können. Es ist mithin zulässig, das Nichteintreten auf eine Klage mangels (fristgemässer) Leistung des Kostenvorschusses mit Kosten zu verbinden (ebenso RICHARD KUSTER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 6 zu
Art. 101 ZPO
; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 16 Rz. 29; SUTER/VON HOLZEN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 15 zu
Art. 101 ZPO
; DENIS TAPPY, in: Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 38 zu
Art. 101 ZPO
).
Im Übrigen erhebt auch das Bundesgericht im Grundsatz eine Gebühr, wenn es zufolge Nichtleistung des Kostenvorschusses auf eine Beschwerde nicht eintritt (vgl. THOMAS GEISER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 37 zu
Art. 62 BGG
). Die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers trifft nicht zu.
BGE 139 III 334 S. 336
3.2
Eventualiter richtet sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der vorinstanzlich festgesetzten Gerichtsgebühr von Fr. 12'000.-.
3.2.1
Nach
Art. 96 ZPO
setzen die Kantone die Tarife für die Prozesskosten fest. Im Kanton Zürich gelangt die gestützt auf § 199 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG; LS 211.1) erlassene Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 (GebV OG; LS 211.11) zur Anwendung. § 2 Abs. 1 lit. a GebV OG nennt als Grundlage für die Festsetzung der Gebühren im Zivilprozess den Streitwert bzw. das tatsächliche Streitinteresse, den Zeitaufwand des Gerichts und die Schwierigkeit des Falls (vgl. auch § 199 Abs. 3 GOG). § 4 Abs. 1 GebV OG sieht für vermögensrechtliche Streitigkeiten ein nach Streitwert abgestuftes Raster für die Grundgebühr vor. Bei einem Streitwert über Fr. 1 Mio. bis Fr. 10 Mio. beträgt die Grundgebühr Fr. 30'750.- zuzüglich 1 % des Fr. 1 Mio. übersteigenden Streitwertes. Die Grundgebühr kann unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes des Gerichts und der Schwierigkeit des Falls ermässigt oder um bis zu einem Drittel, in Ausnahmefällen bis auf das Doppelte, erhöht werden (§ 4 Abs. 2 GebV OG). Wird das Verfahren ohne Anspruchsprüfung oder nach Säumnis erledigt, kann die gemäss §§ 4-8 bestimmte Gebühr bis auf die Hälfte reduziert werden (§ 10 Abs. 1 GebV OG).
Für die vorliegende Klage mit einem Streitwert von Fr. 1,5 Mio. setzte die Vorinstanz die Grundgebühr in Übereinstimmung mit § 4 Abs. 1 GebV OG auf Fr. 35'750.- fest. In Anwendung von § 4 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 GebV OG reduzierte sie die ordentliche Grundgebühr auf rund einen Drittel, mithin auf Fr. 12'000.-.
Der Beschwerdeführer rügt, die vorinstanzliche Kostenfestsetzung verletze das Kostendeckungs- sowie das Äquivalenzprinzip und sei überdies willkürlich. Zudem habe die Vorinstanz
Art. 119 Abs. 6 ZPO
missachtet.
3.2.2
Dass die Vorinstanz die Gerichtsgebühr auch zur Abgeltung des Aufwands für die Behandlung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege festgelegt hätte, geht aus dem angefochtenen Beschluss nicht hervor und ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht anzunehmen, nachdem die Vorinstanz im Beschluss vom 18. Dezember 2012 betreffend Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege ausdrücklich auf das Verbot der Kostenerhebung
BGE 139 III 334 S. 337
im Gesuchsverfahren hinwies. Mithin kann der Vorinstanz insofern kein fehlerhaftes Vorgehen vorgeworfen werden.
3.2.3
Das Kostendeckungsprinzip besagt, dass der Gebührenertrag die gesamten Kosten des betreffenden Verwaltungszweigs nicht oder nur geringfügig übersteigen soll (vgl.
BGE 126 I 180
E. 3a/aa mit Hinweisen). Es spielt im Allgemeinen für Gerichtsgebühren keine Rolle, decken doch erfahrungsgemäss die von den Gerichten eingenommenen Gebühren die entsprechenden Kosten bei Weitem nicht (
BGE 120 Ia 171
E. 3 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer zeigt jedenfalls nicht auf, dass Letzteres für die Zürcher Justiz nicht zutreffen soll. Seine Ansicht, das Kostendeckungsprinzip sei verletzt, begründet er vielmehr mit dem unbehelflichen Hinweis, dass die vom Gericht vorgenommenen Handlungen konkret weniger gekostet hätten als die in Rechnung gestellte Gerichtsgebühr. Die Rüge erweist sich als unbegründet (vgl. Urteile 2C_404/2010 vom 20. Februar 2012 E. 6.5; 4P.315/2006 vom 22. Mai 2007 E. 2.2.2).
3.2.4
Das Äquivalenzprinzip verlangt in Konkretisierung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes insbesondere, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der bezogenen Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen bewegen muss (im Allgemeinen:
BGE 132 II 47
E. 4.1;
BGE 130 III 225
E. 2.3 S. 228;
BGE 126 I 180
E. 3a/bb; je mit Hinweisen; im Speziellen für Gerichtsgebühren:
BGE 120 Ia 171
E. 2a mit Hinweisen). Der Wert der Leistung bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Nutzen, den sie dem Pflichtigen bringt, oder nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten Aufwand des betreffenden Verwaltungszweigs, wobei schematische, auf Wahrscheinlichkeit und Durchschnittserfahrungen beruhende Massstäbe angelegt werden dürfen. Es ist nicht notwendig, dass die Gebühren in jedem Fall genau dem Verwaltungsaufwand entsprechen; sie sollen indessen nach sachlich vertretbaren Kriterien bemessen sein und nicht Unterscheidungen treffen, für die keine vernünftigen Gründe ersichtlich sind (
BGE 128 I 46
E. 4a S. 52;
BGE 126 I 180
E. 3a/bb). Bei der Festsetzung von Verwaltungsgebühren darf deshalb innerhalb eines gewissen Rahmens auch der wirtschaftlichen Situation des Pflichtigen und dessen Interesse am abzugeltenden Akt Rechnung getragen werden, und bei Gerichtsgebühren darf namentlich der Streitwert eine massgebende Rolle spielen. Dem Gemeinwesen ist es nicht verwehrt, mit den Gebühren für bedeutende Geschäfte den Ausfall in weniger bedeutsamen
BGE 139 III 334 S. 338
Fällen auszugleichen. In Fällen mit hohem Streitwert und starrem Tarif, der die Berücksichtigung des Aufwandes nicht erlaubt, kann die Belastung allerdings unverhältnismässig werden, namentlich dann, wenn die Gebühr in Prozenten oder Promillen festgelegt wird und eine obere Begrenzung fehlt (
BGE 130 III 225
E. 2.3 mit Hinweisen).
Der Zürcher Tarif zieht als Grundlage für die Bemessung der Gerichtsgebühr nicht allein den Streitwert bzw. das tatsächliche Streitinteresse heran, sondern berücksichtigt auch den Zeitaufwand des Gerichts und die Schwierigkeit des Falls. § 4 Abs. 2 GebV OG erlaubt eine Ermässigung der Grundgebühr unter Berücksichtigung dieser Kriterien ohne Begrenzung nach unten. Sodann kann die - allenfalls bereits ermässigte - Grundgebühr bei Erledigung ohne Anspruchsprüfung oder nach Säumnis bis auf die Hälfte reduziert werden (§ 10 Abs. 1 GebV OG). Mit diesen Möglichkeiten kann sowohl dem Nutzen für den Gebührenpflichtigen als auch dem Aufwandkriterium hinreichend Rechnung getragen werden. Sie erlauben, die Gerichtsgebühr so festzusetzen, dass sie sich in vernünftigen Grenzen hält und nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der bezogenen Leistung steht (vgl. Urteil 4P.315/2006 vom 22. Mai 2007 E. 2.2.2). Die anwendbaren Tarifbestimmungen sind demnach unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzprinzips nicht zu beanstanden.
Damit stellt sich nur die Frage, ob dem Äquivalenzprinzip im konkreten Einzelfall nachgelebt wurde. Der Beschwerdeführer bringt vor, der Nichteintretensbeschluss habe der Vorinstanz den denkbar geringsten Aufwand verursacht, zumal der Aufwand für die Behandlung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege mit Blick auf die dafür vorgeschriebene Kostenlosigkeit nicht berücksichtigt werden dürfe (dazu E. 3.2.2).
Wenn eine Gebühr von Fr. 12'000.- für einen mangels Leistung des Kostenvorschusses gefällten Nichteintretensentscheid gemessen am Aufwand als sehr hoch erscheinen mag, so ist andererseits zu berücksichtigen, dass der Streitwert auch bei Nichteintretensentscheiden ein relevantes Bemessungskriterium bilden darf. Der Beschwerdeführer wendet ein, der angefochtene Beschluss habe keine materielle Rechtskraftwirkung in Bezug auf den eingeklagten Anspruch. Die Leistung der Vorinstanz sei daher für den Beschwerdeführer (wie auch für die Beschwerdegegnerin) ohne jeglichen Nutzen. Diese Argumentation verfängt nicht. Der objektive Wert der bezogenen Leistung kann
BGE 139 III 334 S. 339
nicht nach der Art der Verfahrenserledigung respektive dem effektiven Prozessausgang in Bezug auf das eingeklagte Recht bestimmt werden. Der wirtschaftliche Nutzen für den Rechtssuchenden besteht vielmehr im Zugang zur Justiz an sich, der darin besteht, dass er die Möglichkeit hat, seinen Anspruch mittels einer zulässigen Klage gerichtlich durchzusetzen. Der Wert dieser Möglichkeit ist umso grösser, je höher der Betrag des Klageanspruchs (Streitwert) liegt.
In Berücksichtigung aller massgebenden Kriterien ist daher fraglich, ob die erhobene Gerichtsgebühr unter dem Aspekt des Äquivalenzprinzips als unverhältnismässig beurteilt werden muss. Wie sich aus der nachfolgenden Erwägung ergibt, braucht die Frage indessen nicht abschliessend beantwortet zu werden.
3.2.5
Der Beschwerdeführer moniert, dass die Vorinstanz in Willkür verfallen sei, indem sie von der nach unten offenen Ermässigungsmöglichkeit gemäss § 4 Abs. 2 GebV OG völlig unzureichend Gebrauch gemacht habe.
Nach ständiger Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (
BGE 137 I 1
E. 2.4 mit Hinweisen). Dabei greift das Bundesgericht in Ermessensentscheide, zu denen Entscheide über die Höhe der Gerichtsgebühr gehören, nur mit grösster Zurückhaltung ein (Urteil 4A_680/2011 vom 2. Dezember 2011 E. 2).
Da die Vorinstanz die ordentliche Gerichtsgebühr pauschal in Anwendung von § 4 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 GebV OG auf rund einen Drittel reduzierte, ist nicht klar, in welchem betragsmässigen Umfang sie nach § 4 Abs. 2 GebV OG dem geringen Zeitaufwand durch eine Ermässigung der ordentlichen Gerichtsgebühr Rechnung trug und inwieweit sie von der Kürzungsmöglichkeit nach § 10 Abs. 1 GebV OG Gebrauch machte. Die Kürzungsmöglichkeit nach § 10 Abs. 1 GebV OG ("Besonderheiten bei der Verfahrenserledigung") trägt dem Umstand Rechnung, dass die Erledigung ohne Anspruchsprüfung oder bei Säumnis oftmals mit geringerem Aufwand verbunden ist, als wenn eine materielle Anspruchsprüfung erfolgt. Dies braucht indessen nicht
BGE 139 III 334 S. 340
stets der Fall zu sein. So kann beispielsweise das Nichteintreten zufolge internationaler oder örtlicher Unzuständigkeit mit erheblichem Aufwand verbunden sein. § 10 Abs. 1 GebV OG ist aus diesem Grund als Kann-Vorschrift formuliert und eröffnet einen Rahmen (bis zur Hälfte) (vgl. HAUSER/SCHWERI/LIEBER, Kommentar zum zürcherischen Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess, 2012, N. 38 zu § 199 GOG).
Das Nichteintreten mangels Leistung des Kostenvorschusses verursacht demgegenüber in der Tat einen denkbar geringen Aufwand für das Gericht, weshalb hier eine Ermässigung gemäss § 4 Abs. 2 GebV OG und kumulativ die Ausschöpfung der Kürzungsmöglichkeit um die Hälfte nach § 10 Abs. 1 GebV OG zwingend erscheint. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen, nachdem die Vorinstanz die ordentliche Gerichtsgebühr insgesamt auf rund einen Drittel kürzte: Der geringe Aufwand für das Gericht führte zu einer maximalen Kürzung nach § 10 Abs. 1 GebV OG, und die Vorinstanz berücksichtigte den nämlichen Umstand zudem durch eine Ermässigung der Grundgebühr nach § 4 Abs. 2 GebV OG.
Der Beschwerdeführer hält die Reduktion der ordentlichen Gerichtsgebühr auf rund einen Drittel für ungenügend. Er argumentiert, indem die GebV OG für die Ermässigung keinerlei Begrenzung nach unten festlege, komme zum Ausdruck, dass bei einem - wie hier - denkbar geringsten Zeitaufwand des Gerichts die Gerichtsgebühr auf Null oder auf einen symbolischen Betrag zu reduzieren sei. Andere Kantone würden denn auch für Nichteintretensentscheide wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses keine (Waadt) oder sehr geringe Gebühren (Genf) vorsehen. Es sei stossend und laufe dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider, dass der Beschwerdeführer, nur weil er seine Klage im Kanton Zürich habe anhängig machen müssen, mit einer Gebühr in der Höhe von Fr. 12'000.- konfrontiert sei, während er in anderen Kantonen für die gleiche Leistung nichts oder fast nichts hätte bezahlen müssen, zumal auch in Zürich eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für eine Reduktion der Gerichtsgebühr bei geringem Zeitaufwand (ohne Begrenzung nach unten) bestehe. Die Belastung mit Kosten von Fr. 12'000.- sei auch im Ergebnis unhaltbar, nachdem der Beschwerdeführer mangels hinreichender Mittel um unentgeltliche Rechtspflege habe ersuchen und - nach Abweisung des Gesuchs - auf seine Klage verzichten müssen, weil er den Kostenvorschuss nicht habe aufbringen können.
BGE 139 III 334 S. 341
Der Willkürvorwurf ist berechtigt. § 4 Abs. 2 GebV OG sieht vor, dass die Grundgebühr unter Berücksichtigung des Zeitaufwands des Gerichts und der Schwierigkeit des Falls ermässigt werden kann, und legt dafür keine Begrenzung nach unten fest (vgl. zur Berücksichtigung von Zeitaufwand und Schwierigkeit des Falls allgemein HAUSER/SCHWERI/LIEBER, a.a.O., N. 8 sowie 20 f. zu § 199 GOG). Vorliegend kommt es einer unsachgemässen Nichtausschöpfung des dem Gericht eingeräumten Ermessensspielraums gleich, wenn die Vorinstanz dem Umstand, dass der Fall für das Gericht einen äusserst geringen Zeitaufwand erforderte, nicht durch eine erheblich stärkere Ermässigung der Grundgebühr Rechnung trug. Es ist in der Tat kaum eine andere Konstellation vorstellbar, die dem Gericht noch weniger Aufwand abverlangte, als das Nichteintreten wegen Nichtleistung des Kostenvorschusses. Dabei ist stets im Auge zu behalten, dass der Aufwand für die Behandlung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege mit Blick auf
Art. 119 Abs. 6 ZPO
- ausser bei Bös- oder Mutwilligkeit, wovon vorliegend aber keine Rede ist - nicht in Rechnung gestellt werden darf (vgl. E. 3.2.2). Die Vorinstanz hat ihr Ermessen unterschritten, indem sie trotz geringstem Zeitaufwand von der Ermässigungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 2 GebV OG nur unzureichend Gebrauch machte. Hingegen findet die Ansicht des Beschwerdeführers, es sei unter den gegebenen Umständen gänzlich auf die Erhebung einer Gebühr zu verzichten, im Normtext von § 4 Abs. 2 GebV OG, der nur von "ermässigen" und nicht von "verzichten" spricht, keine Stütze.
Sodann ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass die erhobene Gebühr von Fr. 12'000.- im Ergebnis stossend ist, wenn man berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer wegen Bedürftigkeit um unentgeltliche Rechtspflege ersuchte und nach deren Ablehnung schliesslich auf die Weiterverfolgung seiner Klage verzichtete. Unter Berücksichtigung dieses Umstands ist die auf Fr. 12'000.- festgesetzte Gerichtsgebühr schlechterdings nicht mehr vertretbar und willkürlich hoch.
(...)
4.
Der Beschwerdeführer rügt sodann, dass ihm zugunsten der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 9'000.- auferlegt wurde.
4.1
Betreffend Parteientschädigung erwog die Vorinstanz, dass sich die Beschwerdegegnerin lediglich zum Gesuch des
BGE 139 III 334 S. 342
Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege habe äussern müssen. Dabei habe sie sich auch zur Aussichtslosigkeit geäussert, was eine entsprechende Instruktion der Rechtsvertreter durch die Klientschaft vorausgesetzt habe. In Anwendung von § 10 Abs. 1 lit. a (betreffend Zwischenentscheide) und § 11 Abs. 4 (erfolgte Instruktion) der (kantonalen) Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 (AnwGebV; LS 215.3) sowie unter Berücksichtigung des hohen Streitwerts setzte sie die Parteientschädigung auf rund einen Viertel der ordentlichen Grundgebühr fest.
4.2
Der Beschwerdeführer beanstandet, die Zusprechung einer Parteientschädigung komme vorliegend einer unzulässigen Entschädigung für die Stellungnahme zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gleich.
Da die Vorinstanz die Parteientschädigung einzig mit dem der Beschwerdegegnerin für die Stellungnahme zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege angefallenen Aufwand rechtfertigte, ist zu prüfen, ob im Gesuchsverfahren um unentgeltliche Rechtspflege der Gegenpartei des Hauptverfahrens eine Parteientschädigung zugesprochen werden darf, wenn sie von der ihr eingeräumten Äusserungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat. Diese Frage ist zu verneinen:
Art. 119 Abs. 3 Satz 2 ZPO
sieht vor, dass die Gegenpartei im Verfahren um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege angehört werden kann. Das Gesetz stellt somit die Anhörung der Gegenpartei in das richterliche Ermessen. Der Sinn und Zweck der Anhörung der Gegenpartei besteht darin, dem mit dem Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege befassten Richter zusätzliche Erkenntnisse zu verschaffen. Denn oft vermag die Gegenpartei zur Abklärung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie vor allem der Erfolgsaussichten der gestellten Rechtsbegehren beizutragen (siehe Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7303 zu Art. 117; vgl. auch ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 115 f. zu
Art. 119 ZPO
). Nicht geregelt ist, wie es sich mit der Entschädigung der Gegenpartei verhält, wenn sich diese geäussert hat und das Gesuch in der Folge abgewiesen wurde.
Die Frage, ob die Gegenpartei nach einer fakultativen Anhörung gemäss
Art. 119 Abs. 3 Satz 2 ZPO
Anspruch auf Parteikostenersatz hat, ist in der Literatur umstritten. Ein Teil der Lehre ist ausdrücklich der Meinung, dass der Gegenpartei diesfalls keine Parteientschädigung
BGE 139 III 334 S. 343
zustehe (BÜHLER, a.a.O., N. 152 zu
Art. 119 ZPO
; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 9 zu
Art. 119 ZPO
). Andere Autoren schliessen die Zusprechung einer Parteientschädigung in dieser Konstellation dagegen zumindest nicht aus (FRANK EMMEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 15 zu
Art. 119 ZPO
; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, a.a.O., § 16 Rz. 63; TAPPY, a.a.O., N. 27 zu
Art. 119 ZPO
). Eine Autorin ist der Auffassung, dass die gesetzliche Grundlage fehle, um die Gegenpartei leer ausgehen zu lassen, soweit diese gemäss Abs. 3 zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege Stellung genommen und eine Entschädigung verlangt habe (INGRID JENT-SØRENSEN, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 15 zu
Art. 119 ZPO
).
Die Parteientschädigung ist die Vergütung für den Aufwand, den die Beteiligung an einem gerichtlichen Verfahren einer Partei verursacht, namentlich die Kosten einer berufsmässigen Vertretung (vgl.
Art. 95 Abs. 3 ZPO
). Allein der Umstand, dass die Gegenpartei des Hauptverfahrens im Gesuchsverfahren um die unentgeltliche Rechtspflege nach Art. 119 Abs. 3 Satz 2 ZPObloss fakultativ anzuhören ist, würde es nicht zwingend ausschliessen, ihr eine Parteientschädigung zuzusprechen, wenn sie zur Stellungnahme eingeladen wird und sich vernehmen lässt. Entscheidend ist jedoch, dass der Gegenpartei des Hauptverfahrens im Gesuchsverfahren um unentgeltliche Rechtspflege in diesem Fall keine Parteistellung zukommt (siehe Urteil 5A_29/2013 vom 4. April 2013 E. 1.1 mit Hinweis), da die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege das Rechtsverhältnis zwischen dem Gesuchsteller und dem Staat betrifft, nicht aber die Rechte und Pflichten der Gegenpartei tangiert. Dem entspricht es, dass die Gegenpartei des Hauptverfahrens keiner Rechte verlustig geht, wenn sie sich zum Gesuch
nicht
äussert. Aus dem Verzicht auf eine Stellungnahme zum Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann für den Hauptprozess nichts abgeleitet werden. Namentlich darf der Gegenpartei im Hauptprozess nicht etwa entgegengehalten werden, sie hätte mangels Bestreitung der Ausführungen des Gesuchstellers zu den Erfolgsaussichten dessen Behauptungen anerkannt. Die Gegenpartei des Hauptverfahrens würde ferner im umgekehrten Fall einer Gutheissung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege, nachdem sie sich zum Gesuch (ohne Bös- oder Mutwilligkeit) geäussert und einen Antrag gestellt hat, auch nicht mit einer Parteientschädigung an den Gesuchsteller belastet. Der durch das Gesuch verursachte anwaltliche Aufwand des
BGE 139 III 334 S. 344
Gesuchstellers ist vom Entschädigungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistandes umfasst (vgl. BÜHLER, a.a.O., N. 151 zu
Art. 119 ZPO
).
Da die Beschwerdegegnerin vorliegend nicht Partei des Gesuchsverfahrens um unentgeltliche Rechtspflege war, steht ihr für dieses Verfahren keine Parteientschädigung zu, obwohl sie zur Stellungnahme eingeladen wurde und von der Äusserungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat. Dies hat die Vorinstanz verkannt, indem sie im Rahmen des Nichteintretensbeschlusses der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zusprach, mit der die fakultative Stellungnahme zum Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abgegolten werden sollte.
4.3
Sodann rügt der Beschwerdeführer zu Recht, dass die Vorinstanz mit der Zusprechung einer Parteientschädigung auch die Dispositionsmaxime verletzt hat. Im Geltungsbereich der ZPO wird - anders als im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht (
BGE 111 Ia 154
E. 4 und 5; BERNARD CORBOZ, Commentaire de la LTF, 2009, N. 53 zu
Art. 68 BGG
; GEISER, a.a.O., N. 3 zu
Art. 68 BGG
) - eine Parteientschädigung nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Antrag festgesetzt. Die entsprechende Absicht des Gesetzgebers geht aus den Materialien hervor (Botschaft, a.a.O., 7296 zu
Art. 102 und 103 ZPO
) und wird durch den Wortlaut von
Art. 105 ZPO
zum Ausdruck gebracht, indem Absatz 2 im Gegensatz zu Absatz 1 über die Gerichtskosten gerade nicht vorschreibt, dass die Parteientschädigung von Amtes wegen zugesprochen wird. Die Doktrin ist sich denn auch einig in dieser Frage (ALEXANDER FISCHER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 4 zu
Art. 105 ZPO
; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2010, N. 2 zu
Art. 105 ZPO
; DAVID JENNY, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 6 zu
Art. 105 ZPO
; RÜEGG, a.a.O., N. 2 zu
Art. 105 ZPO
; MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 6 zu
Art. 105 ZPO
; TAPPY, a.a.O., N. 7 zu
Art. 105 ZPO
; ADRIAN URWYLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 4 zu
Art. 105 ZPO
).
Die Beschwerdegegnerin hat indessen keinen entsprechenden Antrag gestellt, wie der Beschwerdeführer geltend macht und von der
BGE 139 III 334 S. 345
Beschwerdegegnerin nicht bestritten wird. Die Dispositiv-Ziffer 4 des angefochtenen Beschlusses ist demnach auch aus diesem Grund aufzuheben, und der angefochtene Entscheid ist dahingehend neu zu fassen, dass keine Parteientschädigung zugesprochen wird. | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
fba92992-ff32-43ce-bb0e-3289b470ffd3 | Urteilskopf
125 II 113
12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. Januar 1999 i.S. Kantonales Steueramt Zürich gegen K.S und E.S. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 18 DBG
; Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit; Kapitalgewinnbesteuerung; Liegenschaftenhandel.
Als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gelten auch Gewinne aus der Veräusserung von Vermögensgegenständen, insbesondere Liegenschaften, wenn die Veräusserung nicht im Rahmen der gewöhnlichen Verwaltung des eigenen Vermögens erfolgt. Die Kapitalgewinnsteuerpflicht besteht auch, wenn die selbständige Erwerbstätigkeit nicht in Form einer Unternehmung ausgeübt wird (E. 5; Weiterführung der bisherigen Praxis zu
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
).
Bei der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit verbleiben die nicht privat genutzten Vermögensgegenstände im Geschäftsvermögen. Sie gehen durch den blossen Zeitablauf nicht ins Privatvermögen über; die bei der späteren Veräusserung erzielten Gewinne werden als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit besteuert (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 114
BGE 125 II 113 S. 114
A.-
K.S., geboren 1925, war früher als Bauunternehmer tätig. Diese Tätigkeit übte er massgeblich bis ins Jahr 1973 aus, reduzierte sie in den folgenden Jahren sukzessive und stellte sie schliesslich vollumfänglich ein. Im Jahre 1981 teilte er dem Gemeindesteueramt mit, er habe seine Tätigkeit als Bauunternehmer definitiv aufgegeben.
Im Jahre 1968 kaufte er Land in D. und erstellte darauf in den Jahren 1968/69 durch die eigene Bauunternehmung ein Mehrfamilienhaus, das in der Folge vermietet wurde. Neben diesem Objekt verfügen K.S. und seine Ehefrau E.S. über weitere Liegenschaften, nämlich ein Mehrfamilienhaus in R., ein Wohn- und Geschäftshaus in W. sowie ein Ferienhaus in I.
In den Jahren 1974 bis 1982 fanden verschiedene Käufe und Verkäufe von Liegenschaften statt. Im Jahre 1994 verkaufte K.S. das Mehrfamilienhaus in D. zum Preise von Fr. 1'700'000.--.
Mit Veranlagungsmitteilung vom 4. Juni 1996 und der am 8. Juli 1996 zugestellten Steuerrechnung veranlagte der Steuerkommissär die Pflichtigen für die direkte Bundessteuer 1995/96 mit einem durchschnittlich steuerbaren Einkommen von Fr. 584'300.--, wobei er den Gewinn aus dem Verkauf des Mehrfamilienhauses in D. im Jahre 1994 gestützt auf
Art. 16 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11)
mit Fr. 998'305.-- (durchschnittlich Fr. 499'152.--) mit einbezog.
Die von den Pflichtigen dagegen erhobene Einsprache wurde mit Entscheid vom 22. August 1996 abgewiesen.
B.-
Gegen den Einspracheentscheid liessen K.S. und E.S. Beschwerde erheben. Die Bundessteuer-Rekurskommission des
BGE 125 II 113 S. 115
Kantons Zürich hiess diese mit Entscheid vom 13. März 1997 (veröffentlicht in StE 1997 B 23.1 Nr. 37) teilweise gut und legte das steuerbare Einkommen für die direkte Bundessteuer 1995/96 auf Fr. 105'400.-- fest. Nach Auffassung der Rekurskommission kann die bisherige, auf Art. 21 Abs. 1 lit. a des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt; SR 642.11 a.F.) abgestützte Praxis zum «gewerbsmässigen Liegenschaftenhandel» unter der Herrschaft des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer nicht ohne weiteres übernommen werden. Nach dieser Praxis unterliegen Gewinne aus dem Verkauf von Liegenschaften als Erwerbseinkommen der direkten Bundessteuer, wenn sie auf einer Tätigkeit des Pflichtigen beruhen, welche über die gewöhnliche Verwaltung von Privatvermögen hinausgeht. Die Rekurskommission erwog, steuerbar seien nach
Art. 18 Abs. 2 DBG
als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit nur Kapitalgewinne aus der Veräusserung, Verwertung oder buchmässigen Aufwertung von Geschäftsvermögen. Eine Spaltung der selbständigen Erwerbstätigkeit in eine solche mit und in eine ohne Geschäftsvermögen laufe der Systematik des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer und überdies dem verfassungsrechtlich verankerten Harmonisierungsgebot zuwider. Der Steuerpflichtige habe im Zeitpunkt der Veräusserung der Liegenschaft keine selbständige Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt und könne daher nicht mehr über Geschäftsvermögen verfügen. Da demnach Privatvermögen vorliege, stelle der erzielte Verkaufsgewinn keine nach
Art. 18 Abs. 2 DBG
steuerbare Einkunft aus selbständiger Erwerbstätigkeit dar, sondern gemäss
Art. 16 Abs. 3 DBG
steuerfreier Kapitalgewinn aus der Veräusserung von Privatvermögen. Entsprechend liess sie die für die Steuerperiode 1995/96 geltend gemachten Geschäftsverluste von durchschnittlich Fr. 20'249.-- (Fr. 23'860.-- im Jahr 1993 und Fr. 16'638.- im Jahre 1994) nicht zum Abzug zu.
C.-
Die Abteilung Direkte Bundessteuer des kantonalen Steueramtes Zürich hat gegen den Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission mit Eingabe vom 15. Mai 1997 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, die Beschwerdegegner für die direkte Bundessteuer 1995/96 mit einem steuerbaren Einkommen von durchschnittlich Fr. 604'500.-- einzuschätzen.
D.-
Die Bundessteuer-Rekurskommission und die Beschwerdegegner K.S. und E.S. schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
BGE 125 II 113 S. 116
Die Beschwerdegegner beantragen eventualiter, das steuerbare Einkommen im Falle einer Gutheissung der Beschwerde auf Fr. 584'300.-- festzusetzen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung stellt den Antrag, die Beschwerde gutzuheissen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und bestätigt den Einsprache-Entscheid des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 22. August 1996.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Vorinstanz geht in ihrem Entscheid davon aus, die unter dem Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer entwickelte Praxis zur Besteuerung des gewerbsmässigen Liegenschaftenhandels (nach
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
) könne unter dem neuen Recht nicht unbesehen weitergeführt werden. Das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer unterscheide systematisch nur noch zwischen Privatvermögen und Geschäftsvermögen. Der frühere Bundesratsbeschluss habe dagegen eine Dreiteilung gekannt, nach der gemäss einer langjährigen Praxis gestützt auf
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
auch Gewinne aus einer die schlichte Vermögensverwaltung übersteigenden Erwerbstätigkeit besteuert worden seien. Nach
Art. 18 Abs. 1 und 2 DBG
seien alle Einkünfte aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit steuerbar, namentlich auch alle Kapitalgewinne aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung von Geschäftsvermögen. Der selbständig Erwerbstätige nehme regelmässig durch Einsatz von Arbeitsleistung und Kapital in frei bestimmter Selbstorganisation planmässig, anhaltend und nach aussen sichtbar zum Zweck der Gewinnerzielung am wirtschaftlichen Verkehr teil. Die Verwaltung eigenen Vermögens sei dagegen keine Erwerbstätigkeit, auch dann nicht, wenn das Vermögen gross sei und der Steuerpflichtige zu seiner fortlaufenden Orientierung eine kaufmännische Buchhaltung führe oder führen lasse. Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen seien nach
Art. 16 Abs. 3 DBG
steuerfrei. Nach dem Gebot der Steuerharmonisierung (
Art. 42quinquies Abs. 1 BV
), gemäss dem u.a. auch das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer auf die kantonalen Steuergesetze abzustimmen sei, sei auch auf die kantonalen Begriffsbildungen zur selbständigen Erwerbstätigkeit und zur Abgrenzung des Geschäftsvermögens vom Privatvermögen Rücksicht zu nehmen; denn die neue Konzeption, die nur noch zwischen
BGE 125 II 113 S. 117
Privatvermögen (Veräusserungsgewinne steuerfrei,
Art. 16 Abs. 3 DBG
) und Geschäftsvermögen unterscheide, das die Grundlage einer selbständigen Erwerbstätigkeit bilde (Veräusserungsgewinne steuerbar,
Art. 18 Abs. 1 und 2 DBG
), entstamme nachweislich kantonaler Doktrin und Praxis.
3.
a) Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach Wortlaut, systematischer Stellung, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen, aber auch nach der Entstehungsgeschichte auszulegen (vgl.
BGE 123 II 9
E. 2 S. 11, 464 E. 3a S. 468;
BGE 124 II 241
E. 3 S. 245 f., 265 E. 3a S. 268). Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut; doch kann dieser allein nicht massgebend sein. Vom Wortlaut kann abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben (vgl.
BGE 124 II 265
E. 3a S. 268, mit Hinweisen). Die allgemeinen, aus
Art. 1 ZGB
abgeleiteten Auslegungsregeln sind auch für das Steuerrecht massgebend (vgl. ERNST HÖHN/ROBERT WALDBURGER, Steuerrecht, 8. Aufl., S. 155 ff.); da der Bund nach
Art. 42quinquies Abs. 1 BV
die Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden anstrebt, sind die üblichen Auslegungselemente im Steuerrecht durch harmonisierungsspezifische Auslegungselemente zu ergänzen (MARKUS REICH, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Band I/1, N. 26 ff. zu
Art. 1 StHG
[SR 642.14]).
b) Unter dem Bundesratsbeschluss vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer wurden Gewinne aus Liegenschaftenhandel gestützt auf Art. 21 Abs. 1 Ingress, Art. 21 Abs. 1 lit. a, d und f sowie auf
Art. 43 Abs. 1 BdBSt
besteuert. Nach Art. 21 Abs. 1 Ingress BdBSt war das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen, namentlich aus Erwerbstätigkeit steuerbar, nach Abs. 1 lit. a insbesondere jedes Einkommen aus einer Tätigkeit (namentlich aus Handel, Gewerbe, Industrie, Land- oder Forstwirtschaft, aus freien Berufen sowie Beamtung, Anstellung oder Arbeitsverhältnis und aus der Erfüllung einer Dienstpflicht). Kapital- und Aufwertungsgewinne wurden nur besteuert, wenn sie im Betrieb eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens erzielt wurden (
Art. 21 Abs. 1 lit. d und f BdBSt
). Nach Art. 43 Abs. 1 wurde bei Aufhören der Steuerpflicht und bei Vornahme einer Zwischenveranlagung neben der Steuer vom übrigen Einkommen
BGE 125 II 113 S. 118
eine volle Jahressteuer auf den in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode erzielten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen im Sinne von
Art. 21 Abs. 1 lit. d und f BdBSt
erhoben.
In der Praxis zum Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer wurden die Kapitalgewinne wie folgt unterschieden:
- einerseits Kapitalgewinne, die im Rahmen schlichter Vermögensverwaltung oder in Ausnützung einer sich zufällig bietenden Gelegenheit erzielt wurden und steuerfrei waren;
- anderseits Kapitalgewinne, die aus einer Erwerbstätigkeit resultierten und nach
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
(der nicht verlangt, dass der Steuerpflichtige zur Führung von Büchern verpflichtet ist) besteuert wurden oder die von einem buchführungspflichtigen Unternehmen unabhängig von jeglicher Tätigkeit erzielt wurden und nach Art. 21 Abs. 1 lit. d und f sowie
Art. 43 BdBSt
besteuert wurden.
c) Nach ständiger Praxis bilden Gewinne aus der Veräusserung von Liegenschaften Erwerbseinkommen und ist die damit verbundene Tätigkeit nach
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
als Liegenschaftenhandel zu qualifizieren, wenn sie über die schlichte Verwaltung des Privatvermögens hinausgeht bzw. der Gewinn nicht nur in Ausnützung einer zufällig sich bietenden Gelegenheit erlangt wird, sondern die Tätigkeit in ihrer Gesamtheit auf Erwerb (Verdienst) gerichtet ist (
BGE 112 Ib 79
E. 2a;
BGE 122 II 446
E. 3 S. 448 ff.; Pra 1998 234 E. 2c; ASA 61 791 E. 1a
; 63 43
E. 3a). Zur Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und (selbständiger) Erwerbstätigkeit haben Lehre und Rechtsprechung verschiedene Kriterien entwickelt. Ob eine Erwerbstätigkeit vorliegt, ist immer nach der Gesamtheit der Umstände zu beurteilen (
BGE 112 Ib 79
E. 2a S. 81;
122 II 446
E. 3a S. 449). Als Indizien für eine über die blosse Vermögensverwaltung hinausreichende Erwerbstätigkeit fallen bei Liegenschaftsgewinnen etwa die (systematische oder planmässige) Art und Weise des Vorgehens, die Häufigkeit von Liegenschaftsgeschäften, der enge Zusammenhang eines Geschäftes mit der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, spezielle Fachkenntnisse, die Besitzesdauer, der Einsatz erheblicher fremder Mittel zur Finanzierung der Geschäfte oder die Verwendung des erzielten Gewinns bzw. die Wiederanlage in Liegenschaften in Betracht. Jedes dieser Indizien kann zusammen mit andern, im Einzelfalle jedoch unter Umständen auch bereits allein zur Annahme einer Erwerbstätigkeit im Sinne von
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
ausreichen (vgl.
BGE 104 Ib 164
E. 1 S. 166;
BGE 112 Ib 79
E. 2a S. 81; vgl. auch
BGE 122 II 446
E. 3
BGE 125 II 113 S. 119
S. 448 ff.; ASA 58 666 E. 2
; 61 666
E. 2 und 791 E. 1a; StE 1991 B 23.1 Nr. 24 E. 3b).
So ist eine Erwerbstätigkeit anzunehmen, wenn eine steuerpflichtige Person ein Vermögensobjekt nicht bloss zum Zwecke der privaten Vermögensanlage oder in Ausnützung einer zufällig sich bietenden Gelegenheit, sondern in der offenkundigen Absicht erwirbt, es möglichst rasch mit Gewinn weiterzuveräussern, oder wenn sie sich bemüht, wie ein haupt- oder nebenberuflich selbständig Erwerbstätiger die Entwicklung eines Marktes zur Gewinnerzielung auszunützen (vgl.
BGE 122 II 446
E. 3b S. 450). Nach der Rechtsprechung weist auf eine Erwerbstätigkeit auch hin, dass sich die pflichtige Person für ein bestimmtes Grundstücksgeschäft in einer einfachen Gesellschaft (Baukonsortium) mit einer Person verbindet, die sich in Ausübung ihres Berufes beteiligt und die Geschäftsführung für gemeinsame Rechnung im Einvernehmen mit ihr besorgt. In einem solchen Fall muss sich die pflichtige Person, die zur Erreichung des gemeinsamen Erwerbszwecks nur mit einer Einlage beigetragen hat, die vom geschäftsführenden Fachmann für Rechnung aller Teilhaber unternommenen Bemühungen wie eine eigene Erwerbstätigkeit anrechnen lassen (vgl.
BGE 96 I 655
E. 2 S. 658 f.;
BGE 122 II 446
E. 3b S. 450; Pra 1998 234 E. 2c).
4.
a) Der Gesetzgeber hat in
Art. 16 Abs. 1 DBG
«alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte» für steuerbar erklärt. Er hat damit - wie bereits in Art. 21 Abs. 1 Ingress BdBSt, der ebenfalls das «gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag oder anderen Einnahmenquellen» als steuerbar qualifizierte - den Grundsatz der Gesamtreineinkommensbesteuerung aufgestellt. Der Auffassung von HÖHN/WALDBURGER (a.a.O., S. 308 f.), wonach das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer keine Generalklausel kenne, kann nicht gefolgt werden. Steuerfrei sind nach
Art. 16 Abs. 3 DBG
die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen. Damit wird im Gesetz ausdrücklich festgehalten, was schon unter dem Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer Gültigkeit hatte. Die hauptsächlichen steuerbaren Einkünfte sind in den Art. 17 bis 23 DBG näher umschrieben; insbesondere werden - im Gegensatz zum Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer - die unselbständige Erwerbstätigkeit und die selbständige Erwerbstätigkeit in den
Art. 17 und 18 DBG
definiert.
Art. 18 Abs. 1 DBG
bestimmt, dass alle Einkünfte aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Land- und Forstwirtschaftsbetrieb,
BGE 125 II 113 S. 120
aus einem freien Beruf sowie aus jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit steuerbar sind. Zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit gehören nach
Art. 18 Abs. 2 DBG
auch alle Kapitalgewinne aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung von Geschäftsvermögen.
b) Das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz; StHG), das am 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist und seine volle Wirkung für alle Kantone ab dem 1. Januar 2001 entfalten wird (vgl.
Art. 72 StHG
), regelt die einkommenssteuerpflichtigen Einkünfte in den Art. 7 und 8. Wie das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer geht auch das Steuerharmonisierungsgesetz davon aus, dass alle wiederkehrenden Einkünfte, insbesondere solche aus selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit, der Einkommenssteuer unterliegen (
Art. 7 Abs. 1 StHG
). Die Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit werden in
Art. 8 Abs. 1 und 2 StHG
im Grundsatz gleich geregelt wie im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, wobei die Kantone in Bezug auf Gewinne aus der Veräusserung von Grundstücken des Geschäftsvermögens nach
Art. 12 Abs. 4 StHG
ein anderes System vorsehen können, indem sie diese der Grundstückgewinnsteuer unterstellen.
5.
a) Der Wortlaut von
Art. 18 Abs. 1 DBG
ist insofern klar, als er alle Einkünfte, die aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-,
Land- oder Forstwirtschaftsbetrieb sowie aus einem freien Beruf stammen, als steuerbar bezeichnet. Daneben wird aber auch «jede andere selbständige Erwerbstätigkeit» der Einkommenssteuer unterworfen. Weder im Gesetz noch in einer Verordnung wird näher festgelegt, was als selbständige Erwerbstätigkeit gilt oder unter welchen Voraussetzungen Liegenschaftsgewinne steuerbar sind.
b) Der Terminus «selbständige Erwerbstätigkeit» ist ein steuerrechtlicher Begriff, der in der Praxis aufgrund der vielfältigen Sachverhalte, die damit abgedeckt werden, nicht klar definiert ist. Allgemein wird darunter jede Tätigkeit verstanden, bei der ein Unternehmer auf eigenes Risiko, unter Einsatz von Arbeit und Kapital, in einer frei gewählten Organisation und mit der Absicht der Gewinnerzielung am Wirtschaftsverkehr teilnimmt (vgl.
BGE 121 I 259
E. 3c S. 263; ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des Steuerrechts, 5. Aufl. 1995, S. 158; FRANCIS CAGIANUT/ERNST HÖHN, Unternehmenssteuerrecht, 3. Aufl. 1993, § 1 N. 17 ff. und 34 ff.; ERNST HÖHN/ROBERT WALDBURGER, Steuerrecht, 8. Aufl. 1997,
BGE 125 II 113 S. 121
N. 33 zu § 14 S. 318; ERNST HÖHN, Interkantonales Steuerrecht, 3. Aufl. 1993, N. 5 ff. zu § 13 S. 194 f.; MARKUS REICH, a.a.O., N. 13 zu
Art. 8 StHG
). Eine selbständige Erwerbstätigkeit kann haupt- oder nebenberuflich, dauernd oder temporär ausgeübt werden. Ob eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, ist stets nach den gesamten Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (vgl.
BGE 112 Ib 79
E. 2a S. 81;
122 II 446
E. 3a S. 449); die einzelnen Merkmale des Begriffs der selbständigen Erwerbstätigkeit dürfen nicht isoliert betrachtet werden und können auch in unterschiedlicher Intensität auftreten (vgl. REICH, a.a.O., N. 13 ff. zu
Art. 8 StHG
).
Auch wenn der Begriff im Normalfall die oben genannten Elemente umfasst, so bedeutet dies nicht, dass eine Tätigkeit, bei der einzelne dieser Elemente fehlen, automatisch nicht mehr selbständig ist. So kann es z.B. bei liberalen oder künstlerischen Berufen gänzlich am Einsatz von Kapital fehlen. Selbst der stille Teilhaber in einer einfachen Gesellschaft, die über einen gewerblichen oder geschäftlichen Betrieb verfügt, gilt als selbständig erwerbend. Das Bundesgericht hat im Übrigen erkannt, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit (nach
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
) im Einzelfall auch vorliegen kann, wenn der Betreffende nicht nach aussen sichtbar am Wirtschaftsverkehr teilnimmt bzw. dass eine nebenberufliche, selbständige Erwerbstätigkeit auch gegeben sein kann, wenn kein selbständiger Marktauftritt vorliegt und wenn kein Unternehmen, Gewerbe oder Geschäft betrieben wird (
BGE 122 II 446
E. 5 S. 453).
Der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit nach
Art. 18 DBG
ist umfassender als jener der Unternehmung, des Geschäftes, Betriebes oder Gewerbes, die eine organisierte Einheit von Arbeit und Kapital erfordern (vgl. BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O., S. 158; vgl. auch ROBERT PATRY, Grundlagen des Handelsrechts, in: Schweizerisches Privatrecht, Band VIII/1, S. 72 ff. und 87 f.). Das zeigt sich darin, dass
Art. 18 Abs. 1 DBG
nebst den Einkünften aus einem Betrieb (aus Handel, Industrie, Gewerbe, Land- oder Forstwirtschaft) und freien Berufen auch alle Einkünfte «aus jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit» für steuerbar erklärt.
c) Aus der Entstehungsgeschichte des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber die Besteuerung der Einkünfte aus Erwerbstätigkeit (namentlich aus Liegenschaften- oder Wertpapierhandel) im Vergleich zum früheren Recht einschränken wollte. Der Botschaft (BBl 1983 III S. 162) ist vielmehr zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bewusst eine
BGE 125 II 113 S. 122
Erweiterung gegenüber dem bisherigen Recht vorgenommen hat, indem er die Kapitalgewinnsteuerpflicht (mit
Art. 18 Abs. 2 DBG
) auf den gesamten Bereich der selbständigen Erwerbstätigkeit, d.h. auf alle Gegenstände des Geschäftsvermögens, ausgedehnt hat, während dem sie nach bisherigem Recht (
Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt
) auf buchführungspflichtige Unternehmen beschränkt war (vgl. auch BERNHARD ZWAHLEN, in: ERNST HÖHN/PETER ATHANAS, Das neue Bundesrecht über die direkten Steuern, S. 57). Die Eidgenössischen Räte haben sich mit der Besteuerung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit und Kapitalgewinnen nicht im Detail auseinander gesetzt.
d) Der Gesetzgeber nimmt somit an, dass auch Gewinne aus einer Tätigkeit, die über die schlichte Verwaltung von Privatvermögen hinausgeht, steuerbares Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit darstellen und auch die für diese Tätigkeit verwendeten Vermögenswerte Geschäftsvermögen bilden, selbst wenn keine in einem eigentlichen Unternehmen organisierte Tätigkeit vorliegt. Steuerfrei sind somit nach
Art. 16 Abs. 3 DBG
jene Kapitalgewinne auf Privatvermögen, die im Rahmen der gewöhnlichen Vermögensverwaltung, d.h. ohne besondere, auf Erwerb gerichtete Aktivität des Pflichtigen, oder aufgrund einer sich zufällig bietenden Gelegenheit entstehen.
Aus diesen Gründen kann - entgegen der Auffassung der Vorinstanz (vgl. namentlich E. 2b) - nicht angenommen werden, dass unter dem neuen Recht Gewinne, die aus einer Tätigkeit stammen, welche die schlichte Vermögensverwaltung zwar übersteigt, jedoch noch nicht ein eigentliches Gewerbe oder Unternehmen darstellt, steuerfrei sind.
e) In der Lehre - auf die sich die Vorinstanz stützt - wird teilweise die Meinung vertreten, dass die bisherige Praxis, die eine Dreiteilung der Kapitalgewinne vorgenommen habe, nicht mehr weitergeführt werden könne. So ist MARKUS REICH (Der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, in: Problèmes actuels de droit fiscal, Mélanges en l'honneur du Professeur Raoul Oberson, 1995, S. 117 ff., sowie im Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, a.a.O., N. 9 ff. zu
Art. 8 StHG
) der Auffassung, da es neben der (explizit steuerfreien) Privatvermögenssphäre lediglich die Sphäre des Geschäftsvermögens gebe, das Grundlage der selbständigen Erwerbstätigkeit bilde, genüge für eine Besteuerung neuerdings nicht mehr, dass die Gewinne bloss im Rahmen einer Tätigkeit angefallen seien, die über die schlichte Vermögensverwaltung hinausgehe; vielmehr sei jeweils
BGE 125 II 113 S. 123
überzeugend zu begründen, weshalb im Einzelfall selbständige Erwerbstätigkeit vorliege. Eine allzu starke Einengung der Sphäre der privaten Vermögensverwaltung sei inskünftig nicht mehr möglich. Auch BLUMENSTEIN/LOCHER (a.a.O., S. 158) sind der Auffassung, dass der bisherigen Praxis des Bundesgerichts zu
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
teilweise der Boden entzogen sein dürfte. Und FRANCIS CAGIANUT fordert (in: HÖHN/ATHANAS, Das neue Bundesrecht über die direkten Steuern, S. 51), dass die bundesgerichtliche Praxis überdacht werde und bei der Abgrenzung zwischen Steuerpflicht und Steuerfreiheit von Kapitalgewinnen die Regeln über die Unterscheidung von Privat- und Geschäftsvermögen vermehrt beachtet werden sollten.
Mit der in der Rechtsprechung teilweise verwendeten Formulierung «Gewinne aus einer die schlichte Vermögensverwaltung übersteigenden Erwerbstätigkeit» ist nicht eine besondere Art von Erwerbstätigkeit gemeint. Diese Formulierung umschreibt lediglich ein Kriterium, das es erlauben soll, die selbständige Erwerbstätigkeit im Bereich des Immobilien- und Wertschriftenhandels von der Verwaltung des Privatvermögens abzugrenzen. Da von einem weiten Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen ist (oben lit. b - d), erlaubt es
Art. 18 DBG
, eine Tätigkeit, welche die schlichte Verwaltung von Privatvermögen übersteigt, als eine Form der selbständigen Erwerbstätigkeit aufzufassen. Die von der Vorinstanz vertretene restriktive Auslegung des Begriffs der selbständigen Erwerbstätigkeit ist abzulehnen. Die Steuerfreiheit von privaten Kapitalgewinnen (
Art. 16 Abs. 3 DBG
) beschränkt sich demnach wie bisher auf die schlichte Verwaltung privaten Vermögens. Somit ist die bisherige Praxis beizubehalten, wonach Veräusserungsgewinne steuerbar sind, wenn sie in einer über die schlichte Vermögensverwaltung hinausgehenden Tätigkeit erzielt werden, auch wenn keine in einem eigentlichen Unternehmen organisierte Aktivität vorliegt (vgl. DANIELLE YERSIN, La distinction entre l'activité indépendante et la gestion de la fortune privée, dans le domaine immobilier, in: ASA 67 S. 105 ff.; ZWAHLEN, a.a.O., S. 57).
f) Wenn mit der Vorinstanz davon ausgegangen würde, dass die zur Diskussion stehenden Aktivitäten nicht als selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne von
Art. 18 DBG
zu qualifizieren wären, stellte sich die Frage, ob nicht eine Besteuerung im Rahmen der Generalklausel von
Art. 16 Abs. 1 DBG
in Betracht gezogen werden müsste. Die Besteuerung nach dieser Bestimmung hätte für den Steuerpflichtigen indessen gegebenenfalls den Nachteil, dass ihm
BGE 125 II 113 S. 124
die in den
Art. 27-31 DBG
für Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit vorgesehenen Abzüge von Abschreibungen, Rückstellungen und Verlusten verwehrt würden.
6.
a) Nach der Praxis des Bundesgerichts - die wie gesehen grundsätzlich beizubehalten ist - liegt steuerbarer Liegenschaftenhandel vor, wenn der Steuerpflichtige An- und Verkäufe von Liegenschaften nicht nur im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung bei sich zufällig bietender Gelegenheit tätigt, sondern wenn er dies systematisch und mit der Absicht der Gewinnerzielung tut, d.h. wenn er eine Tätigkeit entfaltet, die in ihrer Gesamtheit auf Erwerb gerichtet ist. Eine solche Tätigkeit qualifiziert sich als selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne von
Art. 18 Abs. 1 und 2 DBG
und führt zur Kapitalgewinnbesteuerung, wenn der veräusserte Vermögensgegenstand zum Geschäftsvermögen gehört hat, d.h. wenn er für die selbständige Erwerbstätigkeit verwendet wurde. Dabei ist es unerheblich, ob die Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird. Ob Gewinne aus der Veräusserung von Vermögenswerten im vorerwähnten Sinne der Besteuerung nach
Art. 18 DBG
unterliegen, ist im Einzelfalle stets nach der Gesamtheit der Umstände zu beurteilen. Als Indizien für eine selbständige Erwerbstätigkeit können bei Liegenschaftsgewinnen wie bisher etwa die (systematische bzw. planmässige) Art und Weise des Vorgehens, die Häufigkeit der Liegenschaftsgeschäfte, der enge Zusammenhang eines Geschäftes mit der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, der Einsatz spezieller Fachkenntnisse, die Besitzesdauer, der Einsatz erheblicher fremder Mittel zur Finanzierung der Geschäfte oder die Realisierung im Rahmen einer Personengesellschaft in Betracht kommen (vgl. oben E. 3c).
b) Der Beschwerdegegner war als Bauunternehmer tätig, reduzierte diese Tätigkeit ab 1973 sukzessive und stellte sie 1982 schliesslich vollumfänglich ein. Ausserdem war er in der Zeit von 1967 bis 1982 auf dem Liegenschaftenmarkt in einer den Rahmen blosser Vermögensverwaltung sprengenden Art und Weise tätig. In diesem Zeitraum kaufte er verschiedentlich Land, überbaute es und verkaufte die Liegenschaften später mit Gewinn. Der Umfang und die Art und Weise der aktiven Kaufs- und Verkaufstätigkeit sowie der Zusammenhang dieser Aktivität mit seiner damals betriebenen Bauunternehmung führen zweifelsfrei zum Schluss, dass der Beschwerdegegner in dieser Zeit als Liegenschaftenhändler selbständig erwerbstätig war. In dieser Zeit (1968/69) erwarb und überbaute er auch die fragliche Liegenschaft in D. mit einem Mehrfamilienhaus,
BGE 125 II 113 S. 125
wobei er die Baumeister- und Zimmereiarbeiten von seiner eigenen Bauunternehmung ausführen liess. Die Eigenmittel beliefen sich dabei auf lediglich 5 bzw. 10 Prozent der Anlagekosten, der Rest wurde fremdfinanziert. Die für den Bau beanspruchte Hypothek machte bei Anlagekosten von Fr. 598'000.-- vorerst einen Betrag von Fr. 567'000.-- aus und wurde im Jahre 1984 auf Fr. 600'000.-- erhöht.
Unter diesen Umständen ist der Schluss verwehrt, der Beschwerdegegner habe die fragliche Liegenschaft bloss zur privaten Kapitalanlage erworben. Vielmehr muss angenommen werden, dass er die Liegenschaft gekauft hat, um seiner Bauunternehmung Arbeit zu verschaffen und das Grundstück eventuell gewinnbringend zu veräussern. Aus dem engen Zusammenhang der Liegenschaft mit der Tätigkeit des Pflichtigen als Bauunternehmer und Liegenschaftenhändler ist zu schliessen, dass die Liegenschaft im Geschäftsvermögen des Beschwerdegegners stand. Der Gewinn aus deren Veräusserung stellt daher einen nach
Art. 18 Abs. 2 DBG
steuerbaren Kapitalgewinn dar, und zwar unabhängig davon, ob sie zum geschäftlichen Anlage- oder Umlaufvermögen gehört hat (vgl. ASA 61 791 E. 6).
Dass die Liegenschaften der privaten Vorsorge des Beschwerdegegners dienten, macht sie noch nicht zu Privatvermögen bzw. den auf Geschäftsvermögen erzielten Gewinn nicht zu einem steuerfreien privaten Kapitalgewinn. Die Altersvorsorge kann auch mit Mitteln des Geschäftsvermögens sichergestellt werden. Die Tatsache, dass der Vermögensertrag der Vorsorge des Pflichtigen bzw. der Verkaufserlös für eine Schenkung zur Mittelbeschaffung für Wohneigentum an die Söhne des Beschwerdegegners dienen sollte, schliesst daher nicht aus, dass die stillen Reserven bei der Veräusserung besteuert werden.
c) Zu prüfen bleibt, ob der Umstand, dass der Beschwerdegegner seit 1982 keine Tätigkeit als Bauunternehmer oder Liegenschaftenhändler mehr ausgeübt hat, sondern sich auf die Verwaltung bzw. Vermietung der noch in seinem Eigentum befindlichen Liegenschaften (ein Wohnhaus, ein Ferienhaus und zwei Mehrfamilienhäuser) beschränkt hat, der Besteuerung des Gewinns aus dem Verkauf der Liegenschaft in D. im Jahre 1994 entgegensteht.
aa) Wenn ein Steuerpflichtiger seine selbständige Erwerbstätigkeit aufgibt und dies den Steuerbehörden mitteilt, tritt grundsätzlich die Kapitalgewinnbesteuerung wegen Privatentnahme ein, wenn der Pflichtige nicht ausdrücklich erklärt, Aktiven des Geschäftsvermögens im Rahmen der Geschäftsliquidation noch verkaufen zu
BGE 125 II 113 S. 126
wollen (so genannte verzögerte Liquidation) oder den Betrieb nur vorübergehend - etwa bis zum geplanten Verkauf des Geschäfts an Dritte oder bis zur Übertragung auf einen Erben - verpachten zu wollen. Für eine Besteuerung des bei einem späteren Verkauf erzielten Gewinns besteht dagegen grundsätzlich kein Raum (
BGE 112 Ib 79
E. 4b S. 86 f.). Das Bundesgericht hat diesen Grundsatz in einem Fall aufgestellt, in dem ein Bauunternehmer ein von seiner Unternehmung erstelltes Einfamilienhaus, das zu seinem Geschäftsvermögen gehörte, bis zum Verkauf selber bewohnte. Es erkannte, die Steuerbehörden hätten die stillen Reserven auf der Wohnliegenschaft im Zeitpunkt der Geschäftsaufgabe steuerlich erfassen müssen, d.h. nachdem der Pflichtige von ihnen die Vornahme einer Zwischenveranlagung wegen Geschäftsaufgabe verlangt hatte, und nicht erst beim späteren Verkauf; somit müsse nicht jeder, der einmal als (selbständig erwerbender) Liegenschaftenhändler tätig gewesen sei, bis zu seinem Tod als Liegenschaftenhändler gelten (BGE a.a.O. E. 2a S. 81, mit Hinweisen). In jenem Fall war die fragliche Liegenschaft sichtbar und eindeutig einem privaten Zweck gewidmet worden. Der Steuerpflichtige hatte damit den Steuerbehörden gegenüber den eindeutigen Willen geäussert, die privat genutzte Liegenschaft dem Geschäftsvermögen zu entziehen (vgl. auch den Entscheid des Bundesgerichts vom 13. Juli 1994, in: StR 49/1994 575 E. 5b). Aus diesen Gründen konnte von den Steuerbehörden erwartet werden, dass sie im Zeitpunkt der Widmung, spätestens aber im Zeitpunkt der Aufgabe der Unternehmung die Überführung der Liegenschaft ins Privatvermögen verlangt hätten.
bb) Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Die fragliche Liegenschaft wurde vom Beschwerdegegner zu geschäftlichen Zwecken erworben und anschliessend von seiner eigenen Bauunternehmung mit einem Mehrfamilienhaus überbaut. Dieses hat er nicht privat genutzt, sondern vermietet. Zwar teilte der Beschwerdegegner dem Gemeindesteueramt 1981 mit, er habe seine Tätigkeit als Bauunternehmer definitiv aufgegeben. Er behielt jedoch die geschäftlichen Liegenschaften weiterhin in seinem Eigentum, führte auch nach 1981 eine Liegenschaftenbuchhaltung weiter und hat auch den Abzug von Geschäftsverlusten geltend gemacht. Ob er seine Erwerbstätigkeit im Immobiliensektor weiterführen würde oder nicht, liess sich damals noch nicht beurteilen.
Wenn ein Steuerpflichtiger über die stillen Reserven auf seinen zum Geschäftsvermögen gehörenden Liegenschaften mit den Steuerbehörden
BGE 125 II 113 S. 127
bei der Geschäftsaufgabe - wie im vorliegenden Fall - nicht abrechnet, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Liegenschaften im Geschäftsvermögen verbleiben; durch den blossen Zeitablauf kann die fragliche Liegenschaft nicht in das Privatvermögen übergehen (vgl. ASA 57 271 E. 3b S. 276). Würde angenommen, dass bei der Einstellung einer Geschäftstätigkeit jeweils auch der Liegenschaftenhandel aufgegeben wird, hätte dies zur Folge, dass sogleich sämtliche Liegenschaften ins Privatvermögen überführt würden. Das würde für den Steuerpflichtigen sofort zu einer häufig sehr erheblichen Steuerbelastung führen, obwohl er über den Gewinn noch nicht verfügen kann, und ihn möglicherweise zwingen, zur Bezahlung der Steuern einen Teil der Liegenschaften zu verkaufen. Auch würde sich die Frage stellen, wie die Gewinne zu behandeln sind, wenn der Pflichtige mit den ins Privatvermögen überführten Liegenschaften zu einem späteren Zeitpunkt neue Geschäfte tätigt.
cc) Eine lange Besitzesdauer oder der Umstand, dass seit längerer Zeit keine Grundstückgeschäfte getätigt worden sind, stehen für sich allein betrachtet der Annahme einer selbständigen, auf Erwerb gerichteten Tätigkeit nicht entgegen. Gerade im Liegenschaftenhandel kommt es häufig vor, dass ein Steuerpflichtiger Grundstücke aus ganz verschiedenen Gründen über Jahre hinaus behält, bis er sie mit Gewinn verkauft, sei es zum Beispiel, weil er von Anfang an mit einem gewinnbringenden Verkauf erst in einer ferneren Zukunft rechnet, sei es, weil er die Grundstücke vorerst überbauen will oder weil eine geplante Überbauung auf unvorhergesehene Hindernisse stösst. Ein derart verzögerter Verkauf hängt trotzdem nach wie vor mit der selbständigen Erwerbstätigkeit des Pflichtigen zusammen (vgl. ASA 47 209 E. 1b S. 211). Dies gilt auch dann, wenn er die zu geschäftlichen Zwecken erworbene Liegenschaft zur Kapitalanlage über längere Zeit weiter behält. Dass der Pflichtige beim Verkauf keine besondere Tätigkeit mehr zu entfalten braucht, spielt an sich keine Rolle, da er in einem solchen Fall die Hauptarbeit, die auf ein gewinnbringendes Vorgehen schliessen lässt, früher geleistet hat. Würde eine selbständige Erwerbstätigkeit nach Ablauf einer bestimmten Frist - d.h. als Folge des blossen Zeitablaufs - in einen Akt der schlichten Verwaltung privaten Vermögens umqualifiziert, wäre der Ungleichbehandlung Tür und Tor geöffnet. Steuerpflichtige, die mit der Veräusserung ihres Geschäftsvermögens genügend lange zuwarten können, würden in ungerechtfertigter Weise besser gestellt als
BGE 125 II 113 S. 128
solche, welche die Liegenschaft in kurzer Zeit veräussern, obwohl der Gewinn in beiden Fällen auf die selbständige Erwerbstätigkeit des Pflichtigen zurückzuführen ist. Ausserdem liesse sich nur schwer beurteilen, welche Frist als angemessen zu gelten hätte (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 30. Januar 1996 i.S. J.D. E. 3d).
d) Somit ist anzunehmen, dass die Liegenschaft, die nie ins Privatvermögen überführt wurde, weiterhin Geschäftsvermögen darstellte und der Gewinn aus deren Veräusserung im Jahre 1994 Folge der selbständigen Erwerbstätigkeit des Pflichtigen war.
7.
Ist beim Beschwerdegegner eine selbständige Erwerbstätigkeit anzunehmen, sind die in den Bemessungsjahren erlittenen Verluste von Fr. 23'860.- (1993) und Fr. 16'638.-- (1994), im Durchschnitt Fr. 20'249.--, zum Abzug zuzulassen (
Art. 27 Abs. 2 lit. b DBG
). | public_law | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fbab3d27-6888-4849-9e5b-6e099615b844 | Urteilskopf
125 V 51
8. Urteil vom 1. Februar 1999 i.S. W. gegen Arbeitslosenkasse Graubünden und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 23 Abs. 1 AVIG
;
Art. 37 Abs. 3ter AVIV
.
- Bemessungszeitraum für den versicherten Verdienst für eine neue Leistungsrahmenfrist.
- Frage offen gelassen, ob Art. 37 Abs. 3ter (erster Satz) AVIV lediglich anwendbar ist, wenn die neue Rahmenfrist für den Leistungsbezug unmittelbar auf die abgelaufene Rahmenfrist folgt.
Art. 11 und 15 AVIG
;
Art. 18 Abs. 1 AVIG
(in der bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Fassung);
Art. 23 Abs. 1 AVIG
und
Art. 37 AVIV
. Zur Bemessung des Entschädigungsanspruchs bei bloss teilweise anrechenbarem Arbeitsausfall und schwankendem Beschäftigungsgrad innerhalb des Bemessungszeitraumes. | Sachverhalt
ab Seite 52
BGE 125 V 51 S. 52
A.-
Die 1939 geborene W. bezog ab 1. Februar 1995 Taggelder der Arbeitslosenversicherung auf Grund eines versicherten Verdienstes von Fr. 1'680.--. Vom 1. Oktober 1995 bis 31. März 1996 arbeitete sie teilzeitlich als Aushilfsverkäuferin bei der Firma V. AG. Der mit dieser Tätigkeit erzielte Lohn wurde als Zwischenverdienst an den Taggeldanspruch angerechnet. In den Monaten Oktober bis Dezember 1996 half sie ihrem Ehemann bei der Liquidation seines Geschäfts infolge Erreichens des Pensionierungsalters, wofür sie auf Grund eines Arbeitsvertrages mit Fr. 2'400.-- monatlich entsprechend einem Arbeitspensum von 80% (35 von 44 Wochenstunden) entlöhnt wurde.
Am 1. Februar 1997, einen Tag nach Ablauf der zweijährigen Leistungsrahmenfrist, meldete sich W. auf dem Gemeindearbeitsamt erneut zur Arbeitsvermittlung an und besuchte ab diesem Zeitpunkt die Stempelkontrolle. Im Juli 1997 reichte sie der Arbeitslosenkasse Graubünden das Entschädigungsgesuch ein, wobei sie die Frage im Antragsformular, in welchem Ausmass sie bereit und in der Lage sei zu arbeiten, mit "Teilzeit, höchstens 9-25 Stunden pro Woche" beantwortete. In der Folge richtete ihr die Kasse rückwirkend ab 21. Februar 1997 Taggelder aus. Der Entschädigungsbemessung legte sie einen versicherten Verdienst von Fr. 1'592.-- zu Grunde. Sodann rechnete sie den Lohn aus der ab 16. Mai 1997 teilzeitlich ausgeübten Tätigkeit als Verkäuferin in der Filiale der Firma O. als Zwischenverdienst an. Dies ergab für Juli, September und Oktober 1997 keinen Anspruch, da die in diesen Monaten erzielten Einkommen von Fr. 1'399.25, Fr. 1'368.35 und Fr. 1'419.80 mehr als 79,2% des versicherten Verdienstes von Fr. 1'592.-- oder Fr. 1'260.85 betrugen. Am 13. Oktober und 13. November 1997 erliess die Arbeitslosenkasse drei in diesem Sinne lautende Verfügungen.
B.-
Hiegegen erhob W. Beschwerden und beantragte sinngemäss die Neuberechnung des Taggeldes ab Januar 1997 auf Grund eines versicherten Verdienstes von Fr. 2'400.--. Die Arbeitslosenkasse legte in der Vernehmlassung die Grundlagen ihrer Berechnung des versicherten Verdienstes von Fr. 1'592.-- dar. Nach Vereinigung der Verfahren wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden die Beschwerden ab (Entscheid vom 6. Januar 1998).
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt W. sinngemäss eine Neubeurteilung ihres Taggeldanspruches ab Juli 1997.
Während die Arbeitslosenkasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, stellt das Bundesamt für Wirtschaft
BGE 125 V 51 S. 53
und Arbeit (BWA) Antrag auf deren teilweise Gutheissung im Sinne der Erwägungen und Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur Neuberechnung des Entschädigungsanspruchs auf Grund eines versicherten Verdienstes von Fr. 1'710.-- (57% [25 von 44 Stunden] von Fr. 3'000.-- [2'400.--: 80% x 100%]).
D.-
In weiteren Eingaben vom 16. Dezember 1998 haben sich die Parteien zur Vernehmlassung des BWA geäussert. Dabei führt die Arbeitslosenkasse unter anderem aus, W. habe infolge eines am 28. Januar 1997 erlittenen Unfalles vom 31. Januar bis 20. Februar 1997 Taggelder der Unfallversicherung (in der Höhe von Fr. 19.50 entsprechend einem Arbeitsunfähigkeitsgrad von 50%) erhalten. Sie habe (daher) "die neue Rahmenfrist ab erneuter Bezugsberechtigung (21. Februar 1997) eröffnet".
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist der versicherte Verdienst als ein Faktor für die Bemessung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung (in Form von Differenzausgleich) für die von der Arbeitslosenkasse am 21. Februar 1997 eröffnete zweite Rahmenfrist für den Leistungsbezug.
2.
Die Arbeitslosenentschädigung wird als Taggeld ausgerichtet (Art. 21 erster Satz AVIG). Ein volles Taggeld beträgt (von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen) 80% des versicherten Verdienstes (Art. 22 Abs. 1 erster Satz AVIG). Beträgt es 130 Franken oder weniger, so wird es um 1 Prozent gekürzt (Art. 22 Abs. 3 zweiter Satz AVIG, in Kraft gestanden vom 1. Januar bis 30. November 1997). Als versicherter Verdienst gilt laut
Art. 23 AVIG
der im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebende Lohn, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde; eingeschlossen sind die vertraglich vereinbarten regelmässigen Zulagen, soweit sie nicht Entschädigung für arbeitsbedingte Inkonvenienzen darstellen (Art. 23 Abs. 1 erster Satz AVIG). Beruht die Verdienstberechnung auf einem Zwischenverdienst, den der Versicherte während der Rahmenfrist für die Beitragszeit (Art. 9 Abs. 3) erzielt hat, so werden die Kompensationszahlungen (Art. 24) für die Ermittlung des versicherten Verdienstes mitberücksichtigt, wie wenn darauf Beiträge zu entrichten wären (Art. 23 Abs. 4 erster Satz AVIG).
Nach
Art. 37 AVIV
(in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 letzter Satz AVIG) gilt als Bemessungszeitraum für den versicherten Verdienst in der Regel der letzte
BGE 125 V 51 S. 54
Beitragsmonat vor Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug (Abs. 1). Weicht der Lohn im letzten Beitragsmonat um mindestens 10 Prozent vom Durchschnittslohn der letzten sechs Monate ab, so wird der versicherte Verdienst auf Grund dieses Durchschnittslohnes berechnet (Abs. 2). Unter den Voraussetzungen der Abs. 3 und 3bis dieser Bestimmung kann die Kasse auf einen noch grösseren Bemessungszeitraum abstellen.
Im Rahmen der zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsrechts hat der Verordnungsgeber (mit Wirkung ab 1. Januar 1996) in
Art. 37 AVIV
einen neuen Absatz 3ter mit folgendem Wortlaut eingefügt: "Wurde die Beitragszeit für einen erneuten Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausschliesslich in einer abgelaufenen Rahmenfrist für den Leistungsbezug zurückgelegt, so berechnet sich der versicherte Verdienst grundsätzlich aus den letzten sechs Beitragsmonaten dieser Rahmenfrist (
Art. 9 Abs. 3 AVIG
). Beitragszeiten mit Differenzzahlungen nach Artikel 41a Absatz 4 AVIV (entsprechend dem betraglichen Unterschied zwischen der Arbeitslosentschädigung und dem Einkommen aus einer unzumutbaren Tätigkeit im Sinne von
Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG
) bleiben dabei unberücksichtigt".
3.
Verwaltung und Vorinstanz haben den versicherten Verdienst von Fr. 1'592.-- für die am 21. Februar 1997 eröffnete neue (zweite) Leistungsrahmenfrist in Anwendung von
Art. 24 Abs. 4 AVIG
und
Art. 37 Abs. 3ter AVIV
nach folgender Formel berechnet:
Fr. 1'592.-- = (Fr. 2'068.35 + Fr. 2'372.70 + 3 x Fr. 1'704.55) : 6.
Dabei entsprechen der Betrag von Fr. 2'068.35 dem von Januar bis März 1996 erzielten und als Zwischenverdienst angerechneten Lohn als Aushilfsverkäuferin bei der Firma V. AG und die Summe von Fr. 2'372.70 den für diese drei Monate erhaltenen Kompensationszahlungen. Die Fr. 1'704.55 sodann berechnen sich wie folgt:
Fr. 1'704.55 = Fr. 3'000.-- x 25/44
Mit Fr. 2'400.-- (= [Fr. 3'000.-- : 100%] x 80%) wurde die Beschwerdeführerin von ihrem Ehemann für ihre Mitarbeit bei der Liquidation seines Geschäfts im Rahmen einer 80%-Anstellung (35 Wochenstunden bei einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 44 Stunden) in den Monaten Oktober bis Dezember 1996 entlöhnt. Zum Faktor "25/44" wird im angefochtenen Entscheid
BGE 125 V 51 S. 55
ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei gemäss ihren Angaben im Antragsformular lediglich bereit (gewesen), eine Teilzeitstelle im Umfang von höchstens 25 Stunden in der Woche anzunehmen. "Die Reduzierung ihrer Vermittlungsfähigkeit im Sinne der Vermittlungsbereitschaft auf höchstens 25 Stunden pro Woche hat sie sich deshalb gemäss
Art. 37 Abs. 4 lit. b AVIV
bei der Neufestsetzung des versicherten Verdienstes anrechnen zu lassen".
4.
Die Beschwerdeführerin begründet ihr Begehren, es sei von einem höheren versicherten Verdienst auszugehen, im Wesentlichen damit, die Annahme der Vorinstanzen, sie sei (innerhalb der zweiten Leistungsrahmenfrist) bloss noch bereit, im Umfang von 25 Stunden pro Woche erwerbstätig zu sein, treffe nicht zu. Es sei ihr (von der Firma O.) eine Arbeitszeit zwischen 9 und 25 Stunden angeboten worden, die sie mit einer Kollegin habe teilen müssen. Diese arbeite "zur Zeit" drei Tage in der Woche. In ihrer Beschwerde an das kantonale Gericht hatte sie geltend gemacht, der versicherte Verdienst habe mindestens dem zuletzt vor Eintritt der Arbeitslosigkeit im Dezember 1996 erzielten Lohn von Fr. 2'400.-- zu entsprechen. In ihrer Eingabe vom 16. Dezember 1998 schliesslich beanstandet sie, das in den Monaten Januar bis März 1996 erzielte Einkommen betrage nicht bloss Fr. 2'068.35, sondern Fr. 2'089.90.
Das BWA pflichtet der Beschwerdeführerin darin bei, dass als Bemessungszeitraum für den versicherten Verdienst für die zweite, am 21. Februar 1997 eröffnete Rahmenfrist für den Leistungsbezug nicht die letzten sechs Monate mit einer beitragspflichtigen Beschäftigung innerhalb der am 31. Januar 1997 endenden ersten Leistungsrahmenfrist zu gelten hätten, sondern (lediglich) der letzte Beitragsmonat Dezember 1996. Hingegen kann nach Auffassung der Aufsichtsbehörde nicht der gesamte in diesem Monat erzielte Lohn von Fr. 2'400.-- in Anschlag gebracht werden. Weil die Versicherte bloss eine Beschäftigung von maximal 25 Wochenstunden suche, die Normalarbeitszeit der Branche indessen 44 Wochenstunden betrage, sei von einem entsprechend reduzierten versicherten Verdienst von Fr. 1'710.-- auszugehen.
5.
a) Das Bundesamt begründet seinen Standpunkt, dass Bemessungszeitraum für den versicherten Verdienst für die zweite Leistungsrahmenfrist der letzte Beitragsmonat innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit (= erste Rahmenfrist für den Leistungsbezug) sei, damit, die insbesondere normzweckorientierte Auslegung von
Art. 37 Abs. 3ter AVIV
ergebe, dass diese Verordnungsbestimmung auf Fälle wie den vorliegenden "eindeutig nicht"
BGE 125 V 51 S. 56
anzuwenden sei. Das "Gesetz" verlange sinngemäss, dass die zweite Rahmenfrist unmittelbar auf die erste folge, was hier nicht zutreffe, "vergehen (doch) zwischen dem Rahmenfristende und dem Beginn der neuen Rahmenfrist rund drei Wochen, während denen die Versicherte unbeschäftigt war". Der Bemessungszeitraum für den versicherten Verdienst sei daher nach Art. 37 Abs. 1 bis 3 AVIV zu bestimmen. Auf Grund der Einkommenszahlen für die Monate Januar bis März 1996 und Oktober bis Dezember 1996 sei der letzte Beitragsmonat vor Beginn der erneuten Arbeitslosigkeit, somit der Monat Dezember, für die Verdienstberechnung in der am 21. Februar 1997 eröffneten zweiten Leistungsrahmenfrist massgebend.
b) aa) Ob die bundesamtliche Auslegung von Art. 37 Abs. 3ter (erster Satz) AVIV richtig und diese Verordnungsbestimmung lediglich anwendbar ist, wenn die neue Rahmenfrist für den Leistungsbezug unmittelbar auf die abgelaufene Rahmenfrist folgt, kann auf Grund des Wortlautes, und zwar in allen drei Amtssprachen, allein nicht gesagt werden. Ebenfalls nicht entscheidend weiter hilft der Normzweck, welcher gemäss den Erläuterungen des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit vom 21. September 1995 zum Verordnungsentwurf darin besteht zu vermeiden, "dass Versicherte (...) durch die Aufnahme oder Fortführung einer finanziell unzumutbaren Arbeit bei der Bemessung des versicherten Verdienstes in einer neuen Rahmenfrist für den Leistungsbezug benachteiligt werden". Das nämliche Ziel hat bereits der Gesetzgeber mit der Änderung von
Art. 23 Abs. 4 AVIG
angestrebt, indem bei der Bestimmung des versicherten Verdienstes für eine zweite (neue) Leistungsrahmenfrist die Differenzzahlungen gemäss
Art. 24 Abs. 3 AVIG
berücksichtigt werden, wie wenn darauf, entsprechend der Grundregel des Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 3 Abs. 1 AVIG
, Beiträge nach Massgabe der AHV-Gesetzgebung (
BGE 122 V 250
f. Erw. 2b) erhoben worden wären (Botschaft des Bundesrates vom 29. November 1993 zur zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, BBl 1994 I 340ff., 359 sowie Amtl.Bull. 1994 S 312; NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], S. 117 Rz. 306; vgl. auch
BGE 112 V 220
, insbesondere 226 oben Erw. 2c).
Art. 37 Abs. 3ter AVIV
geht lediglich insofern noch weiter, als nach seinem zweiten Satz Beitragszeiten mit Differenzzahlungen nach Artikel 41a Absatz 4 AVIV bei der Festlegung des Bemessungszeitraumes unberücksichtigt bleiben.
BGE 125 V 51 S. 57
bb) Mit dem gesetzgeberischen Zweck, eine Schlechterstellung derjenigen Versicherten zu vermeiden, welche in der abgelaufenen Rahmenfrist für den Leistungsbezug in Nachachtung der ihnen obliegenden Schadenminderungspflicht eine (im Sinne von
Art. 16 Abs. 2 lit. i AVIG
lohnmässig zumutbare) Zwischenverdiensttätigkeit ausgeübt haben, in gewissem Widerspruch steht allerdings die im Verhältnis zu Art. 37 Abs. 1 bis 3bis AVIV undifferenzierte Regelung in Absatz 3ter. Insbesondere steht den Arbeitslosenkassen im Anwendungsbereich dieser Bestimmung grundsätzlich kein Ermessensspielraum zu, um bei unbilligen Resultaten auf einen längeren Bemessungszeitraum abzustellen, wie dies
Art. 37 Abs. 3 AVIV
in Abweichung vom Regelfall vorsieht (vgl.
BGE 111 V 244
). Kann darin im Rahmen der dem Eidg. Versicherungsgericht zustehenden Befugnis zur Überprüfung bundesrätlicher Verordnungen (vgl. dazu
BGE 124 II 245
Erw. 3,
BGE 124 V 15
Erw. 2a, je mit Hinweisen) auch keine Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit erblickt werden, spricht das starre Abstellen auf die letzten sechs Beitragsmonate innerhalb der abgelaufenen Beitragsrahmenfrist nach Art. 37 Abs. 3ter erster Satz AVIV für die Auffassung des Bundesamtes, dass diese Vorschrift nur anwendbar ist, wenn die neue Rahmenfrist für den Leistungsbezug unmittelbar auf die abgelaufene Rahmenfrist folgt. Wie es sich damit verhält, kann indessen vorliegend aus nachstehenden Gründen offen bleiben.
c) Die Arbeitslosenkasse hat gemäss ihrer Eingabe vom 16. Dezember 1998 den Beginn der zweiten Leistungsrahmenfrist deshalb auf den 21. Februar 1997 festgelegt, weil die Beschwerdeführerin infolge eines am 28. Januar 1997 erlittenen Nichtberufsunfalles vom 31. Januar bis 20. Februar 1997 Taggelder der Unfallversicherung bezog. Dabei übersieht die Verwaltung, dass gemäss
Art. 9 Abs. 2 AVIG
die Rahmenfrist für den (erstmaligen oder erneuten) Leistungsbezug mit dem ersten Tag zu laufen beginnt, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach
Art. 8 ff. AVIG
erfüllt sind. Dies ist im vorliegenden Fall auf Grund der Akten der 1. Februar 1997, der dem Ende der ersten Leistungsrahmenfrist folgende Tag. In diesem Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin als arbeitslos gemeldet und ab Montag, den 3. Februar 1997, besuchte sie, wie bereits zuvor im Monat Januar, regelmässig die Stempelkontrolle. Der Bezug von Taggeldern der Unfallversicherung ist lediglich in masslicher Hinsicht von Bedeutung, indem diese Betreffnisse von der Arbeitslosenentschädigung abgezogen werden (
Art. 28 Abs. 2 AVIG
). Somit steht der Anwendung von
Art. 37 Abs. 3ter AVIV
nichts im Wege. Ausgangspunkt
BGE 125 V 51 S. 58
für die Berechnung des versicherten Verdienstes für die zweite Leistungsrahmenfrist vom 1. Februar 1997 bis 31. Januar 1999 bilden daher die im Januar bis März 1996 erzielten Einkommen samt den für diese drei Kontrollperioden ausgerichteten Kompensationszahlungen sowie der Lohn für die Mitarbeit im Geschäft des Ehemannes von Oktober bis Dezember 1996. Insoweit sind Gerichtsentscheid und Verwaltungsverfügung nicht zu beanstanden.
6.
Es bleibt zu prüfen, ob Vorinstanz und Beschwerdegegnerin richtig den von Oktober bis Dezember 1996 erzielten Lohn von Fr. 7'200.-- (3 x Fr. 2'400.-- [80% von Fr. 3'000.--]) lediglich im Umfang von 25/44 (von Fr. 9'000.--) und umgekehrt den Zwischenverdienst und die Differenzzahlungen für die Kontrollperioden Januar bis März 1996 voll berücksichtigt haben. Dabei stellt sich vorab die Frage, welche Bedeutung der Vermittlungsfähigkeit für die Verdienstberechnung zukommt.
a) Vermittlungsfähigkeit ist eine Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (
Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG
). Der Arbeitslose ist laut
Art. 15 Abs. 1 AVIG
vermittlungsfähig, wenn er bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Zur Vermittlungsfähigkeit gehört demnach nicht nur die Arbeitsfähigkeit im objektiven Sinn, sondern subjektiv auch die Bereitschaft, die Arbeitskraft entsprechend den persönlichen Verhältnissen während der üblichen Arbeitszeit einzusetzen (
BGE 123 V 216
Erw. 3 mit Hinweisen). Als Anspruchsvoraussetzung schliesst der Begriff der Vermittlungs(un)fähigkeit graduelle Abstufungen aus (unveröffentlichte Urteile F. vom 19. Januar 1998 und D. vom 7. März 1996; NUSSBAUMER, a.a.O., S. 85 Rz. 213; vgl. aber
Art. 24 Abs. 2 AVIV
). Entweder ist der Versicherte vermittlungsfähig, insbesondere bereit, eine zumutbare Arbeit (im Umfang von mindestens 20 Prozent eines Normalarbeitspensums; vgl.
Art. 5 AVIV
und
BGE 120 V 390
Erw. 4c/aa am Ende) anzunehmen, oder nicht.
b) Von der Vermittlungsfähigkeit zu unterscheiden ist der anrechenbare Arbeitsausfall (
Art. 11 AVIG
). Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Anspruchsvoraussetzung (
Art. 8 Abs. 1 lit. b AVIG
), welche erfüllt ist, wenn der Arbeitsausfall einen Verdienstausfall zur Folge hat und mindestens zwei aufeinander folgende volle Arbeitstage dauert (
Art. 11 Abs. 1 AVIG
). Indessen stellt der anrechenbare Arbeitsausfall gleichzeitig auch eine Entschädigungsbemessungsregel dar, was das Gesetz unter der Herrschaft der
BGE 125 V 51 S. 59
bis zum Inkrafttreten der zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsrechts vom 23. Juni 1995 (AVIG) und 11. Dezember 1995 sowie 6. November 1996 (AVIV) geltenden Ordnung auch ausdrücklich festhielt. So bestimmte alt Art. 18 Abs. 1 erster Satz AVIG, dass sich der Entschädigungsanspruch nach dem anrechenbaren Arbeitsausfall während einer Kontrollperiode richtet. Diese Vorschrift ist zwar im Rahmen der Änderung vom 23. Juni 1995 ersatzlos gestrichen worden, was indessen nichts daran ändert, dass sich Dauer und Ausmass des Arbeitsausfalles im Sinne der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung auf den Umfang des Taggeldanspruches auswirken (NUSSBAUMER, a.a.O., S. 105 Rz. 267 f. mit Hinweis auf
Art. 28 Abs. 4 AVIG
; vgl.
BGE 112 V 234
Erw. 2c).
c) aa) Der anrechenbare Arbeitsausfall bestimmt sich grundsätzlich im Verhältnis zum letzten Arbeitsverhältnis vor Eintritt der (Teil-)Arbeitslosigkeit (ARV 1997 Nr. 38 S. 213 Erw. 3). Es kommt darauf an, was der Versicherte "an Verdienst einbringender Arbeitszeit verloren hat" (GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N. 14 zu Art. 11), und in welchem zeitlichen Umfang er bereit, berechtigt und in der Lage ist, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen. Arbeitnehmer, die nach dem Verlust ihrer Vollzeitbeschäftigung, aus welchen Gründen auch immer, lediglich noch teilzeitlich erwerbstätig sein wollen oder können, die also zwar bereit sind, eine zumutbare Arbeit anzunehmen, im Unterschied zu vorher jedoch nur noch in reduziertem Umfang, erleiden einen bloss teilweisen Arbeitsausfall. Betrug beispielsweise die Normalarbeitszeit 42 Stunden in der Woche und möchte der ganz arbeitslose Versicherte lediglich noch an drei Tagen zu acht Stunden wöchentlich arbeiten, ist der tatsächliche Arbeitsausfall (42 Wochenstunden) nur im Umfang von 24/42 (oder in Prozenten eines Ganzarbeitspensums ausgedrückt zu rund 57%) anrechenbar und der Taggeldanspruch entsprechend zu kürzen. Hingegen ist der Arbeitsausfall total und wird der Anspruch auf das volle Taggeld nicht geschmälert, wenn der Arbeitslose lediglich eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt hatte und nach dem Verlust dieser Stelle eine andere Tätigkeit im selben zeitlichen Umfang sucht. Darin kann keine Bevorzugung gegenüber Arbeitnehmern erblickt werden, die - bei sonst gleichen Verhältnissen - vor Eintritt der Arbeitslosigkeit vollzeitlich erwerbstätig waren, können sich doch diese Versicherten über einen entsprechend höheren versicherten Verdienst ausweisen (vgl.
BGE 112 V 235
Erw. 2e). Die Kürzung des Taggeldanspruches bei einem lediglich teilweise
BGE 125 V 51 S. 60
anrechenbaren Arbeitsausfall geschieht im Übrigen durch eine entsprechende Reduktion des der Entschädigungsbemessung zu Grunde zu legenden versicherten Verdienstes (vgl.
BGE 112 V 236
Erw. 3).
Bei Schwankungen des Beschäftigungsgrades innerhalb des letzten Arbeitsverhältnisses vor Eintritt der faktischen Arbeitslosigkeit (SVR 1996 ALV Nr. 74 S. 227 f. Erw. 2c) ist für die Bestimmung des anrechenbaren Arbeitsausfalles auf die durchschnittliche zeitliche Belastung, bezogen auf ein Normalarbeitspensum, abzustellen (vgl. ALV-Praxis 97/1, Blatt 11). Gleiches gilt, wenn diese Tätigkeit nicht im ganzen Bemessungszeitraum ausgeübt worden war, mit anderen Worten der Versicherte in dieser Zeit in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen mit bezogen auf die jeweilige Normalarbeitszeit unterschiedlichen Arbeitspensen stand.
bb) Die vorstehenden Regeln zur Ermittlung des anrechenbaren Arbeitsausfalles gelten sinngemäss auch für eine zweite (oder weitere) Rahmenfrist für den Leistungsbezug. Dabei kann bei Zwischenverdienstarbeit im Sinne von
Art. 24 Abs. 1 AVIG
nicht auf den tatsächlichen Beschäftigungsgrad abgestellt werden, da solche Tätigkeiten lediglich wegen des Differenzausgleichs nach
Art. 24 Abs. 3 AVIG
als (lohnmässig) zumutbar gelten. Vielmehr ist hier der zeitliche Umfang bezogen auf die Normalarbeitszeit in der betreffenden Branche massgebend, in welchem der Versicherte bereit, berechtigt und in der Lage war, (un-)selbstständig erwerbstätig zu sein.
d) Für den vorliegenden Fall ergibt sich Folgendes.
aa) Die Beschwerdeführerin stand innerhalb des Bemessungszeitraumes in zwei verschiedenen Arbeitsverhältnissen von je dreimonatiger Dauer. Der Lohn aus ihrer Tätigkeit als Aushilfsverkäuferin von Januar bis März 1996 stellt Zwischenverdienst dar, wofür sie Differenzzahlungen bezog. Die in diesen drei Monaten gearbeiteten 123,5 Stunden entsprechen bei einer Normalarbeitszeit von 8 1/2 Stunden pro Tag einem Arbeitspensum von weniger als 25%. Als für die Ermittlung des anrechenbaren Arbeitsausfalls massgebender Beschäftigungsgrad hat indessen ein Wert von 50% zu gelten. In diesem zeitlichen Umfang bezogen auf eine Vollzeitbeschäftigung war die Beschwerdeführerin gemäss ihren Angaben im Antragsformular vom 6. Februar 1995 bereit und in der Lage zu arbeiten. Ihre Mitarbeit im Geschäft ihres Ehemannes von Oktober bis Dezember 1996, wofür sie keine Ausgleichszahlungen erhielt, da der Lohn von Fr. 2'400.-- höher war als die
BGE 125 V 51 S. 61
Arbeitslosentschädigung von Fr. 1'344.-- (0,8 x Fr. 1'680.--) bzw. Fr. 1'440.-- (0,8 x Fr. 1'800.--) gemäss Urteil in Sachen der Beschwerdeführerin vom 19. August 1998 (vgl.
BGE 120 V 233
), betrug ca. 35 von 44 Wochenstunden, was einem Arbeitspensum von aufgerundet 80% entspricht. Dies ergibt für beide Arbeitsverhältnisse insgesamt einen (bisherigen) Beschäftigungsgrad von 65% (1/2 x 50% + 1/2 x 80%).
bb) In Bezug auf den zeitlichen Umfang einer Erwerbstätigkeit in der zweiten Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom 1. Februar 1997 bis 31. Januar 1999 steht fest, dass die Beschwerdeführerin bereit war, maximal 25 Stunden in der Woche zu arbeiten. Diese Angabe machte sie in dem im Juli 1997 eingereichten Gesuchsformular. Dabei entspricht diese Stundenzahl der Öffnungszeit des Bekleidungsgeschäfts (fünf halbe Tage), wo sie ab 16. Mai 1997 als Verkäuferin tätig war. Entgegen der offenbaren Auffassung der Versicherten kann indessen dieser Wert nicht etwa als Normalarbeitszeit gelten mit der Folge, dass der für die Ermittlung des anrechenbaren Arbeitsausfalles massgebliche (gesuchte) Beschäftigungsgrad 100% betragen würde. Anders verhielte es sich nur, wenn und soweit sie sich auch um Stellen mit einem grösseren Arbeitspensum als 25 Wochenstunden beworben hätte. Für diese Annahme bestehen jedoch keine Anhaltspunkte in den Akten, und auch die Vorbringen der Beschwerdeführerin in den bisherigen Verfahren lassen einen solchen Schluss nicht zu. Vielmehr ist von einer Normalarbeitszeit von 42 1/2 Stunden in der Woche auszugehen, wie sie auch an ihrer früheren Arbeitsstelle bei der Firma V. (Oktober 1995 bis März 1996) galt (vgl. auch Die Volkswirtschaft, 6/98 S. 27 Tabelle B9.2 [Einzelhandel]). Damit ergibt sich für die zweite Leistungsrahmenfrist ein (gesuchter) Beschäftigungsgrad von aufgerundet 59% (25/42,5 x 100%).
cc) Der anrechenbare Arbeitsausfall entspricht dem Verhältnis zwischen dem gesuchten (59%) und dem bisherigen Beschäftigungsgrad (65%), beträgt somit abgerundet 0,90. Der versicherte Verdienst berechnet sich nach der Formel:
0,9 x (Fr. 2'087.15 + Differenzausgleich [Januar bis März 1996] +
3 x Fr. 2'400.--) : 6.
Der Zwischenverdienst Januar bis März 1996 ist höher als der von Vorinstanz und Verwaltung angenommene Betrag von Fr. 2'068.35 (vgl. Erw. 3 hievor). Dieser Wert erweist sich indessen auf Grund der Bescheinigungen über die in
BGE 125 V 51 S. 62
dieser Zeit gearbeiteten Stunden (123,5) und den dabei erzielten Stundenlohn (Fr. 16.90 ohne Ferienentschädigung; vgl.
BGE 125 V 42
und
BGE 123 V 70
als unrichtig. Damit stimmt aber auch die Höhe der für diese Zeit ausgerichteten Differenzzahlungen von Fr. 2'372.70 nicht mehr. Diese Grösse muss im Übrigen (ohnehin) neu berechnet werden, da auf Grund des erwähnten Urteils vom 19. August 1998 in Sachen der Beschwerdeführerin von einem versicherten Verdienst (für die erste Leistungsrahmenfrist) von Fr. 1'800.-- (und nicht bloss Fr. 1'680.--) auszugehen ist.
e) Im Sinne der vorstehenden Ausführungen wird die Arbeitslosenkasse den versicherten Verdienst ermitteln und den Entschädigungsanspruch neu bemessen, und zwar nicht wie in diesem Verfahren beantragt, (erst) ab Kontrollperiode Juli 1997, sondern ab Beginn der Leistungsrahmenfrist am 1. Februar 1997 (
Art. 132 lit. c OG
und
BGE 122 V 244
Erw. 2a). Dies rechtfertigt sich hier umso mehr, als die Beschwerdeführerin vorinstanzlich sinngemäss die Neuberechnung des Taggeldes ab Januar 1997 verlangt hatte.
7.
(Kosten) | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fbacef85-2c31-4897-9108-0e2bdba0e6a9 | Urteilskopf
139 I 242
23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_912/2012 vom 7. Juli 2013 | Regeste
Art. 49 BV
;
Art. 8 BV
; Art. 4 des Bundesgesetzes zum Schutz vor Passivrauchen (PaRG); § 34 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 15. September 2004 über das Gastgewerbe (GGG/BS); § 16 der Verordnung des Kantons Basel-Stadt vom 12. Juli 2005 zum Gastgewerbegesetz (VGGG/BS). Frage der Zulässigkeit eines kantonalen Verbots von bedienten Raucherräumen; Verein "Fümoar".
Bundesrechtliche Minimalregelung zum Schutz vor Passivrauchen (Art. 1-3 PaRG; E. 2.1). Art. 4 PaRG sieht vor, dass die Kantone strengere Vorschriften "zum Schutz der Gesundheit" erlassen können. § 34 GGG/BS statuiert ein Bedienungsverbot in abgetrennten Raucherräumen und geht damit über die bundesrechtliche Minimalregelung hinaus (E. 2.2 und 2.3). § 34 GGG/ BS wurde von der Vorinstanz weder willkürlich ausgelegt noch verstösst die kantonale Regelung gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung (
Art. 49 BV
; E. 3). Die Lokalität der Beschwerdeführerin ist öffentlich zugänglich im Sinne von § 16 VGGG/BS; sie kann sich nicht wirksam von den kantonalen und bundesrechtlichen Vorgaben der Passivrauchschutzgesetzgebung befreien (E. 4). § 34 GGG/BS verstösst nicht gegen
Art. 8 Abs. 1 und 2 BV
(E. 5). Die hohe Mitgliederzahl des Vereins "Fümoar" oder die Tatsache, dass ein Teil der Bevölkerung mit der Gesetzgebung zum Schutz vor Passivrauchen nicht einverstanden ist, kann die Gerichte nicht davon entbinden, das Gesetz anzuwenden. Zusammenfassung (E. 6 und 7). | Sachverhalt
ab Seite 243
BGE 139 I 242 S. 243
A.
Am 1. April 2010 ist § 34 des basel-städtischen Gastgewerbegesetzes vom 15. September 2004 in Kraft getreten, wonach das Rauchen in öffentlich zugänglichen Räumen verboten ist, mit Ausnahme von sog. Fumoirs, d.h. abgetrennten, unbedienten und mit einer eigenen Lüftung versehenen Räumen.
Bereits zuvor, am 22. Januar 2010, war in Basel der Verein "Fümoar" gegründet worden, welcher sich "die Milderung der wirtschaftlichen Folgen des teilweisen Rauchverbots in Basler Restaurants" (Art. 1 der Statuten des Vereins "Fümoar") zum Ziel gesetzt hat und den Betrieb von Gastwirtschaften unter ausschliesslichem Zutritt von Gästemitgliedern ohne Verpflichtung der Wirtemitglieder zur
BGE 139 I 242 S. 244
Errichtung eines Fumoirs ermöglichen will. Gästemitglied wird eine natürliche Person durch die Unterzeichnung einer Beitrittserklärung auf einer Mitgliederliste, welche in den dem Verein "Fümoar" angeschlossenen Betrieben aufliegt; sie muss einen Mitgliederbeitrag von jährlich Fr. 10.- an eines der Wirtemitglieder des Vereins "Fümoar" ausrichten (vgl. Art. 8 der Statuten des Vereins "Fümoar").
Auf eidgenössischer Ebene steht seit dem 1. Mai 2010 das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen in Kraft. Auch dieses Gesetz verbietet grundsätzlich das Rauchen in geschlossenen Räumen, die öffentlich zugänglich sind oder mehreren Personen als Arbeitsplatz dienen. Unter bestimmten, im PaRG definierten Voraussetzungen ist jedoch sowohl die Errichtung von abgetrennten Raucherräumen in Restaurationsstätten als auch der Betrieb von reinen Raucherlokalen zulässig.
B.
Das Restaurant Y., betrieben von der X. AG, ist dem Verein "Fümoar" als Wirtemitglied angeschlossen. Eine Abklärung des Arbeitsinspektorats des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Basel-Stadt (AWA) hat ergeben, dass im Restaurant Y. das Rauchen toleriert wird und jeweils gleichzeitig mit rauchenden Gästen mehrere Angestellte im Betrieb tätig sind.
C.
Mit Verfügung vom 7. Juli 2010 stellte das Arbeitsinspektorat fest, es verletze das Bundesgesetz über das Passivrauchen und § 34 des basel-städtischen Gastgewerbegesetzes, wenn im Lokal des Restaurants Y. das Rauchen toleriert werde. Um den rechtmässigen Zustand wiederherzustellen, wurde der Betreiberin eine Frist bis zum 30. November 2010 gewährt, das Rauchen in ihren Lokalitäten zu verbieten; wenn dies nicht durchgesetzt werde, würden die verantwortlichen Personen verzeigt. Ein von der Geschäftsführung der X. AG gegen diese Verfügung erhobener Rekurs an das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) blieb erfolglos (Entscheid vom 30. Juni 2011). Eine gegen den Rekursentscheid erhobene Eingabe an den Regierungsrat wurde dem Verwaltungsgericht zum Entscheid übergeben. Mit Urteil vom 25. Juni 2012 wies dieses die Beschwerde ab.
D.
Mit Eingabe vom 14. September 2012 beantragt die X. AG (Beschwerdeführerin), es sei der Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 25. Juni 2012 aufzuheben. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
BGE 139 I 242 S. 245
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Das Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 zum Schutz vor Passivrauchen (SR 818.31; nachfolgend: PaRG) regelt den Schutz vor Passivrauchen in geschlossenen Räumen, die öffentlich zugänglich sind oder mehreren Personen als Arbeitsplatz dienen (Art. 1 Abs. 1 PaRG). Zu den öffentlich zugänglichen Räumen zählen unter anderem Restaurations- und Hotelbetriebe unabhängig von kantonalen Bewilligungserfordernissen (Art. 1 Abs. 2 lit. h PaRG). Rauchen ist in den Räumen untersagt, die unter den Geltungsbereich von Artikel 1 Absatz 1 und 2 fallen (Art. 2 Abs. 1 PaRG). Der Betreiber oder die Betreiberin oder die für die Hausordnung verantwortliche Person kann in besonderen Räumen, in denen keine Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer beschäftigt werden, das Rauchen gestatten, sofern sie abgetrennt, besonders gekennzeichnet und mit ausreichender Belüftung versehen sind (Raucherräume). Ausnahmsweise dürfen in Raucherräumen von Restaurations- und Hotelbetrieben Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer mit deren ausdrücklicher Zustimmung beschäftigt werden. Das Einverständnis hat im Rahmen des Arbeitsvertrages zu erfolgen (Art. 2 Abs. 2 PaRG). Gemäss Art. 3 PaRG ("Raucherbetriebe") werden Restaurationsbetriebe auf Gesuch hin als Raucherlokale bewilligt, wenn der Betrieb (a.) eine dem Publikum zugängliche Gesamtfläche von höchstens 80 Quadratmetern hat; (b.) gut belüftet und nach aussen leicht erkennbar als Raucherlokal bezeichnet ist; und (c.) nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, die einer Tätigkeit im Raucherlokal im Arbeitsvertrag zugestimmt haben. Nach Art. 4 PaRG können die Kantone strengere Vorschriften zum Schutz der Gesundheit erlassen (vgl. Urteile 6B_75/ 2012 vom 26. Oktober 2012 E. 2.1; 2C_345/2012 vom 27. September 2012 E. 3.3).
2.2
Gemäss § 34 des basel-städtischen Gesetzes vom 15. September 2004 über das Gastgewerbe (SG 563.100; nachfolgend: GGG/BS) ist das Rauchen in öffentlich zugänglichen Räumen von Gastgewerbebetrieben verboten. Ausgenommen sind einzig "zum Zweck des Rauchens eigens abgetrennte, unbediente und mit eigener Lüftung versehene Räume (Fumoirs)". In Konkretisierung dieser Bestimmung hält § 16 der Verordnung vom 12. Juli 2005 zum Gastgewerbegesetz (SG 563.110; nachfolgend: VGGG/BS) fest, dass als öffentlich zugänglich jeder Raum gilt, der von jeder Person betreten werden darf,
BGE 139 I 242 S. 246
insbesondere zum Zweck des entgeltlichen Erwerbs von Speisen und Getränken zum Konsum an Ort und Stelle. Gemäss § 7 Abs. 1 GGG/ BS sind für die Durchsetzung des Rauchverbots primär die Bewilligungsinhaber zuständig; sie haben gemäss § 29 GGG/BS für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Betrieb zu sorgen (vgl. Urteil 2C_345/2012 vom 27. September 2012 E. 2).
2.3
Die kantonale Bestimmung in § 34 GGG/BS nimmt somit nur "eigens abgetrennte, unbediente und mit eigener Lüftung versehene Räume" (d.h. Fumoirs) vom allgemeinen Rauchverbot in der Öffentlichkeit zugänglichen geschlossenen Räumen aus. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend darlegt, stellt die kantonale Regelung damit gegenüber der bundesrechtlichen Regelung eine
Verschärfung
dar, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen verbietet sie im Unterschied zu Art. 3 lit. c PaRG die Bedienung in Raucherräumen: Unabhängig von einer allfälligen schriftlichen Zustimmung im Arbeitsvertrag ist die Beschäftigung von Arbeitnehmenden in Raucherräumen nicht erlaubt ("unbediente Raucherräume"). Dies hat zum anderen zur Folge, dass § 34 GGG/BS im Unterschied zum PaRG keine "Raucherbetriebe" zulässt (vgl. Art. 3 PaRG; E. 2.1); auch die Errichtung von reinen Raucherlokalen ist nach der kantonalen Regelung unzulässig (vgl. hierzu auch PORTMANN/RIBBE, Vom öffentlichen Restaurationsbetrieb zum privaten Raucherklub, AJP 2012 S. 649 ff., dort 660).
2.4
Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen sind beim Restaurant Y. bereits die bundesrechtlichen Vorgaben nicht erfüllt: Zum einen ist fraglich, ob die Restaurationsfläche tatsächlich unter 80 m
2
liegt. Das Appellationsgericht war von einer solchen von 111,30 m
2
ausgegangen und die Beschwerdeführerin hatte eine hiergegen gerichtete Rüge möglicherweise verspätet erhoben. Zum anderen liegen keine schriftlichen Zustimmungserklärungen sämtlicher Mitarbeitenden zur Beschäftigung in einem Raucherlokal vor. Dennoch prüfte die Vorinstanz die Rechtmässigkeit von § 34 GGG/BS unter dem Blickwinkel sowohl des Bundes- als auch des Verfassungsrechts. Da derzeit vor Bundesgericht noch zahlreiche Fälle zur selben Streitfrage hängig sind, rechtfertigt es sich, die Rechtmässigkeit der kantonalen Regelungen hinsichtlich der erhobenen Verfassungsrügen (
Art. 8 und 49 BV
) zu prüfen.
3.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, § 34 GGG/BS verletze die derogatorische Kraft von Bundesrecht (
Art. 49 Abs. 1 BV
): Der
BGE 139 I 242 S. 247
Normzweck der gegenüber der bundesrechtlichen Regelung verschärften Bestimmung bestehe nicht darin, Konsumenten vor dem Passivrauchen zu schützen, die sich freiwillig in Fumoirs aufhielten, sondern - ausschliesslich - das bedienende Personal. § 34 GGG/ BS stelle daher nicht eine Gesundheitsvorschrift für Gäste, sondern einzig eine Bestimmung zum Schutz der Arbeitnehmenden dar. Der Kanton Basel-Stadt verfüge jedoch über keine Kompetenz, eine strengere Arbeitnehmerschutzgesetzgebung als im Bund einzuführen (
Art. 110 Abs. 1 lit. a BV
).
3.1
Wie aus dem Ingress hervorgeht, stützt sich das
Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen
sowohl auf Art. 110 Abs. 1 lit. a als auch auf Art. 118 Abs. 2 lit. b der Bundesverfassung, d.h. auf den Arbeitnehmer- wie auch auf den allgemeinen Gesundheitsschutz.
Art. 118 Abs. 1 BV
räumt dem Bund die Kompetenz ein, im Rahmen seiner Zuständigkeiten Massnahmen zum
Schutz der Gesundheit
zu erlassen. Wie schon aus dem Wortlaut hervorgeht, hat diese Bestimmung keine Kompetenz begründende Funktion; das Gesundheitswesen ist grundsätzlich Sache der Kantone. Dem Bund stehen Rechtsetzungskompetenzen zum Schutz der Gesundheit nur im Rahmen der ihm ohnehin eingeräumten Regelungsbefugnisse sowie in den in
Art. 118 Abs. 2 BV
abschliessend aufgezählten Bereichen zu; hierunter fällt auch "die Bekämpfung übertragbarer, stark verbreiteter oder bösartiger Krankheiten von Menschen und Tieren" (lit. b). Nur innerhalb der in
Art. 118 Abs. 2 BV
genannten Gebiete verfügt der Bund somit über eine umfassende Kompetenz mit nachträglich derogatorischer Wirkung (vgl.
BGE 138 I 435
E. 4.3.1 S. 448;
BGE 133 I 110
E. 4.2 S. 116 f.;
BGE 128 I 295
E. 3d/bb S. 301 f.; Urteil 2P.278/2004 vom 4. April 2005 E. 2.3.2 mit Hinweisen; die Lehre spricht von einer "fragmentarischen Rechtsetzungskompetenz des Bundes"; vgl. HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Aufl. 2012, N. 1086; vgl. TOMAS POLEDNA, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 12 ff. zu
Art. 118 BV
; vgl. auch JAAG/RÜSSLI, Schutz vor Passivrauchen: verfassungsrechtliche Aspekte, AJP 2006 S. 21 ff., dort 24 f.).
Die in
Art. 110 Abs. 1 lit. a BV
enthaltene Regelungskompetenz zum
Arbeitnehmerschutz
ist umfassend und wirkt nachträglich derogatorisch. Soweit der Bund das Arbeitnehmerschutzrecht regelt und den Kantonen keine spezifischen Regelungszuständigkeiten belässt, sind die zwingenden bundesrechtlichen Vorschriften grundsätzlich
BGE 139 I 242 S. 248
abschliessend. Durch den Erlass des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (ArG; SR 822.11) und der darauf gestützten Verordnungen hat der Bund eine weitreichende Regelung für den allgemeinen Arbeitnehmerschutz geschaffen (vgl.
BGE 130 I 279
E. 2.3.1 S. 284; vgl. auch
BGE 136 I 29
E. 3.4.2 S. 34 f.;
BGE 133 I 110
E. 4.3 S. 117;
BGE 132 III 257
E. 5 S. 259 ff.; vgl. THOMAS GÄCHTER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 21 zu
Art. 110 BV
; vgl. auch VINCENT MARTENET, L'interdiction de fumer dans les lieux publics intérieurs ou fermés, AJP 2007 S. 247 ff., dort 250).
3.2
Nach dem Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (
Art. 49 Abs. 1 BV
) können Kantone in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, keine Rechtsetzungskompetenzen mehr wahrnehmen. Trotz grundsätzlich abschliessender bundesrechtlicher Regelung bestehen kantonale Zuständigkeiten jedoch weiter, wenn sie in der einschlägigen Bundesgesetzgebung ausdrücklich vorgesehen sind (
BGE 138 I 468
E. 2.6 S. 473 f.,
BGE 138 I 454
E. 3.6.3 S. 463). Auch wenn sich eine Bundesregelung in einem bestimmten Sachbereich an sich als abschliessend darstellt, ist eine kantonale Lösung nicht ausgeschlossen, falls sie ein anderes Ziel verfolgt als dasjenige des Bundesrechts (
BGE 138 I 410
E. 3.1 S. 414 f.;
BGE 137 I 167
E. 3.4 S. 174 f.;
BGE 133 I 110
E. 4.1 S. 116). Die Kantone dürfen jedoch im Rahmen der ihnen zukommenden Kompetenzen nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen den Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln (
BGE 138 I 435
E. 3.1 S. 446,
BGE 138 I 356
E. 5.4.2 S. 360 f., 331 E. 8.4.3 S. 354;
BGE 137 I 31
E. 4.1 S. 41; je mit Hinweisen). Schliesslich gilt, dass die Kantone ihrer Möglichkeit zur Gesetzgebung dann vollends benommen sind, soweit Bundesrecht in einem bestimmten Bereich kantonales Recht insgesamt untersagt. In solchen Fällen sind ergänzende kantonale Bestimmungen selbst dann ausgeschlossen, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Bundesrecht stünden (
BGE 138 I 410
E. 3.1 S. 414,
BGE 138 I 435
E. 3.1 S. 446;
BGE 137 I 167
E. 3.4 S. 174 f.;
BGE 133 I 110
E. 4.1 S. 116; Urteile 2C_727/2011 vom 19. April 2012 E. 3.3, nicht publ. in:
BGE 138 II 191
ff.; 2C_333/2012 vom 5. November 2012 E. 5.1; 2C_728/2011 vom 23. Dezember 2011 E. 7.2).
Das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen sieht ausdrücklich vor, dass die Kantone "strengere Vorschriften zum Schutz der Gesundheit" erlassen dürfen (Art. 4 PaRG). Eine Regelungskompetenz
BGE 139 I 242 S. 249
bleibt demnach auch nach Inkrafttreten das PaRG bei den Kantonen. Strittig bleibt indes die Frage, zum Schutz von wessen Gesundheit den Kantonen die Möglichkeit zum Erlass strengerer Vorschriften verbleibt.
3.3
Die Beschwerdeführerin bringt mit Blick auf den Sinn bzw. den Umfang der verbleibenden kantonalen Kompetenz vor, der "Schutz der Gesundheit" nach Art. 4 PaRG sei als Verfassungsbegriff im Sinne von
Art. 118 Abs. 1 und 2 lit. b BV
eng auszulegen und könne entgegen der Auffassung der Vorinstanz und auch vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Beratungen nur als Schutz der Gesundheit der Konsumenten verstanden, nicht aber auf den Arbeitnehmerschutz (
Art. 110 Abs. 1 lit. a BV
) ausgedehnt werden. Genau hierum ginge es jedoch, wenn der Kanton ein Bedienungsverbot in Raucherräumen statuiere.
3.4
Die Rügen der Beschwerdeführerin, wonach § 34 GGG/BS den Zweck der bundesrechtlichen Regelung im PaRG vereitle, vermögen nicht zu überzeugen:
3.4.1
Der Wortlaut der weit gefassten Formulierung "Schutz der Gesundheit" lässt sowohl die enge Interpretation der Beschwerdeführerin, die sich auf die Begrifflichkeit der Verfassung stützt, als auch das Begriffsverständnis der Vorinstanz zu, die auch Arbeitnehmende unter diesen Begriff fallen lässt. Man kann sich in systematischer Betrachtungsweise auf den Standpunkt stellen, Art. 4 PaRG beziehe sich auf den Ingress, damit sowohl auf den Schutz der Arbeitnehmenden im Sinne von
Art. 110 BV
als auch auf denjenigen der Gesundheit im Sinne von
Art. 118 BV
(vgl. PORTMANN/RIBBE, a.a.O., S. 659 f.; VINCENT MARTENET, La protection contre le tabagisme passif à l'épreuve du fédéralisme - Questions choisies de droit fédéral et genevois [nachfolgend: 2011], AJP 2011 S. 479 ff., dort 480), oder aber, dass Art. 4 PaRG ("Schutz der Gesundheit") - e contrario - den im Ingress angerufenen Arbeitnehmerschutz wieder ausschliesse. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch die systematische Betrachtungsweise ergeben ein klares Auslegungsergebnis.
3.4.2
Wie sich aus den Materialien ergibt, sah der ursprüngliche Entwurf der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) als Erstrat vor, dass über die bundesrechtliche Regelung hinausgehende kantonale Bestimmungen hätten derogiert werden sollen (vgl. Bericht SGK-N Nr. 04.476 vom 1. Juni 2007, BBl 2007 6185, 6200 Ziff. 4.2). Der Nationalrat folgte diesem
BGE 139 I 242 S. 250
Konzept; demgegenüber beantragte die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats diesem erfolgreich die Aufnahme eines Vorbehalts, weiter gehende Regelungen der Kantone zuzulassen (vgl. Votum Urs Schwaller, AB 2008 S 37). Der Nationalrat folgte diesem Vorschlag im Rahmen der Differenzbereinigung (AB 2008 N 879 ff.). Dem Vorbehalt lagen Beratungen über bereits bestehende oder geplante kantonale Regelungen zugrunde, die sich auch auf Bedienungsverbote in abgetrennten Raucherräumen bezogen; die Räte hatten somit von den entsprechenden kantonalen Regelungen Kenntnis (vgl. Voten Thomas Weibel AB 2008 N 880; Jean-Charles Rielle AB 2008 N 881; vgl. auch Bericht SGK-N, a.a.O., BBl 2007 6185, 6192 Ziff. 2.5 und 6200 Ziff. 4.2; Stellungnahme des Bundesrates vom 22. August 2007, BBl 2007 6207, 6208 Ziff. 1.1 und Voten AB 2008 N 879 ff.). In den Materialien finden sich demnach wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass kantonale Regelungen, die sich auch auf unbediente Fumoirs bezogen, weiterhin zugelassen werden sollten.
3.4.3
Die Vorinstanz hat mit Blick auf die Materialien zu § 34 GGG/ BS festgestellt (kantonale Abstimmungsunterlagen), dass der Bestimmung eine doppelte Zwecksetzung zugrunde liegt, nämlich die allgemeine Eindämmung des Tabakkonsums und der Schutz vor den negativen Folgen des Passivrauchens des im Gastgewerbe tätigen Personals. Das Appellationsgericht legt § 34 GGG/BS denn auch willkürfrei als Bedienungsverbot aus, das gleichzeitig der Verminderung der Attraktivität der Fumoirs als Orte längeren Verbleibs und damit auch dem Gesundheitsschutz der Gäste diene. Der Kanton nimmt demnach eine Kompetenz wahr, die gleichermassen den Gesundheitsschutz der Gäste als auch den Arbeitnehmerschutz umfasst. Ähnlich verhält es sich mit den Zwecken des PaRG: Wie das Bundesgericht bereits vor dessen Inkrafttreten unter Bezugnahme auf Art. 4 PaRG festgehalten hat, ist eine völlige Trennung des Schutzes von Konsumenten und Angestellten nur denkbar bei Regelungen, die sich ausschliesslich auf jeweils eine der Kategorien Arbeitnehmerschutz oder Gesundheitsschutz beziehen und wo auch faktisch, insbesondere örtlich, eine klare Abgrenzung vorliegt, wie dies etwa bei Arbeitsstellen zutreffen kann, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, oder umgekehrt bei öffentlichen Räumen, in denen keine Arbeitnehmenden tätig sind (vgl.
BGE 136 I 29
E. 3.4.2 S. 34 f.; vgl. auch
BGE 136 I 117
E. 4.2 S. 25 f.;
BGE 133 I 110
E. 4.5 S. 117 f.). Bei Restaurationsbetrieben als
Regelungsgegenstand
des kantonalen Rauchverbots in öffentlich zugänglichen Räumen (Art. 34 GGG/
BGE 139 I 242 S. 251
BS) - und insbesondere beim Kleinbetrieb im vorliegenden Fall - handelt es sich nicht um Lokalitäten, in denen der Gesundheitsschutz von Konsumenten und Arbeitnehmenden vollständig abtrennbar wäre (
BGE 136 I 29
E. 3.4.2 S. 34 f.;
BGE 133 I 110
E. 4.5 S. 117 f.; vgl. auch KURT PÄRLI, ARV 2010 S. 254 ff., dort 257; MARTENET, 2011, a.a.O., S. 480). § 34 GGG/BS verstösst demnach nicht gegen die Zwecke des PaRG. Indem mit dem Rauchverbot in Gastronomiebetrieben zudem ein anderes, eingeständiges Ziel verfolgt wird als die im Arbeitsgesetz abschliessend geregelten Materien zum allgemeinen Arbeitnehmerschutz (vgl.
Art. 1 ff. ArG
), verbleibt den Kantonen eine ergänzende Rechtsetzungskompetenz, wo sich - mit Blick auf den wahrgenommenen Regelungsgegenstand - der Gesundheitsschutz der Konsumenten vor den negativen Folgen des (Passiv-)Rauchens nicht von demjenigen des Personals unterscheiden lässt (vgl.
BGE 136 I 29
E. 3.4.2 S. 34 f.,
BGE 136 I 17
E. 4.2 S. 25 f.;
BGE 133 I 110
E. 4 S. 115 ff.; vgl. PÄRLI, a.a.O., S. 257).
3.4.4
Die Regelung in § 34 GGG/BS des Kantons Basel-Stadt geht - in gleicher Weise wie der Paradigmenwechsel auf Bundesebene ("von der Freiheit des Rauchens zur Freiheit des Nichtrauchens") - vom Grundsatz aus, dass geschlossene Räume, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, rauchfrei sein sollen (vgl. für den Kanton Solothurn Urteil 2C_233/2010 vom 17. August 2010 E. 4.2.3; für den Kanton St. Gallen 2C_627/2009 vom 23. Februar 2010 E. 2.3.1). Wie das Bundesgericht für die Bundesebene bereits festgestellt hat, besteht der Zweck dieser Regelungen - über den engen Wortlaut des "Schutzes vor dem Passivrauchen" hinaus - darin, ein grundsätzliches Rauchverbot in öffentlich zugänglichen Räumen zu statuieren (vgl. Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 PaRG) bzw. das Rauchen unattraktiver zu gestalten: Ein Bedienungsverbot in Raucherräumen ist geeignet, deren Attraktivität zu verringern, sodass sie von Rauchern nur kurzzeitig aufgesucht werden und nicht zu eigentlichen Gasträumen mutieren, unter denen sich - unter sozialem Druck - auch die Kolleginnen und Kollegen von Rauchern wiederfinden. Vor diesem Hintergrund kann der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, wenn sie Raucher und freiwillige Passivraucher in den ihnen zugewiesenen Raucherräumen vom Regelungsbereich des PaRG bzw. des § 34 GGG/BS ausschliessen will. Durch das Ziel der Eindämmung des Tabakkonsums bzw. des allgemeinen Gesundheitsschutzes werden diese in den Schutzzweck der entsprechenden Reglementierungen einbezogen und von dem den Kantonen
BGE 139 I 242 S. 252
überlassenen Kompetenzbereich erfasst (Art. 4 PaRG; vgl. auch
BGE 136 I 29
E. 3.4.2 S. 34 f.).
3.5
Somit erweist sich das gegen die Beschwerdeführerin verfügte Rauchverbot hinsichtlich der vorgebrachten Rügen als rechtmässig: Gemäss den unbestrittenen sachverhaltlichen Feststellungen der Vorinstanz (
Art. 105 Abs. 1 BGG
) wird das Rauchen in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin stets geduldet; gleichzeitig mit rauchenden Gästen sind mehrere Angestellte im Betrieb tätig. Wenn die Vorinstanz im Rahmen der Anwendung von § 34 GGG/BS zum Schluss kommt, das verfügte Rauchverbot sei zu schützen, stellt dies weder eine willkürliche noch eine gegen die Kompetenzordnung verstossende Auslegung der infrage stehenden kantonalen Bestimmung dar (vgl.
BGE 136 I 29
E. 3.4.2 S. 34 f.; vgl. oben E. 3.2 und 3.4.3; vgl. auch PORTMANN/RIBBE, a.a.O., S. 658 ff.; PÄRLI, a.a.O., S. 256 f.; MARTENET, 2011, a.a.O., S. 480).
3.6
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist auch der Vollzug der Bestimmung durch das Arbeitsinspektorat weder kompetenzwidrig noch willkürlich: Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 des Arbeitsgesetzes verpflichtet die Arbeitgeber, zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebs angemessen sind. Der Vollzug des ArG obliegt im Kanton Basel-Stadt dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, dem das Arbeitsinspektorat angehört (§ 1 Einführungsgesetz des Kantons Basel-Stadt vom 29. Juni 1967 zum Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel [Arbeitsgesetz; SG 812.100]). Es bestand demnach zum Zeitpunkt des verfügten Rauchverbots eine parallele Zuständigkeit sowohl des Arbeits- als auch des Bauinspektorats. Wie die Vorinstanz ausführt, ist es Sache der Exekutive, gestützt auf die Gesetzesgrundlagen funktionale Zuweisungen vorzunehmen. Eine offensichtliche Überschreitung des Kompetenzbereichs des (damals mit der Durchsetzung des Rauchverbots mitbefassten) Arbeitsinspektorats ist nicht zu erkennen.
4.
Wie die Beschwerdeführerin weiter vorbringt, finden in ihrem Betrieb nur Personen Einlass, die selbst Gästemitglieder des Vereins "Fümoar" sind und damit ausdrücklich auf den Schutz vor Passivrauchen verzichtet haben. Indem damit kein Mensch unfreiwillig dem Passivrauch anderer ausgesetzt sei, werde dadurch weder das PaRG noch § 34 GGG/BS umgangen.
BGE 139 I 242 S. 253
4.1
§ 34 GGG/BS statuiert ein grundsätzliches Rauchverbot in Gastronomiebetrieben, welches - in gleicher Weise wie der Paradigmenwechsel auf Bundesebene und in anderen Kantonen - vom Grundsatz ausgeht, dass geschlossene Räume, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, rauchfrei sein sollen (vgl. Art. 1 Abs. 1 PaRG; vgl. für den Kanton Solothurn Urteil 2C_233/2010 vom 17. August 2010 E. 4.2.3; für den Kanton St. Gallen 2C_627/2009 vom 23. Februar 2010 E. 2.3.1). Wie bereits festgestellt, umfasst dieser Schutzgedanke auch Raucher und freiwillige Passivraucher (oben E. 3.4.4). Verwaltungsrechtliche Regelungen sind, wie die Vorinstanz ausführt, zwingend. Der Normzweck von § 34 GGG/BS kann demnach nicht durch eine Erklärung der Betroffenen, teilweise oder ganz auf gesetzlichen Schutz verzichten zu wollen, für diese ausser Kraft gesetzt werden; dies widerspräche dem angestrebten Gesundheitsschutz (vgl. für das Bundesgesetz Urteil 6B_75/2012 vom 26. Oktober 2012 E. 3; PORTMANN/ RIBBE, a.a.O., S. 655 ff.).
4.2
Gemäss § 16 VGGG/BS gilt als öffentlich zugänglich ein Raum, der von jeder Person, insbesondere zum Zweck des entgeltlichen Erwerbs von Speisen und Getränken zum Konsum an Ort und Stelle, betreten werden darf (vgl. E. 2.2). Wenn die Vorinstanz davon ausgeht, der Betrieb der Beschwerdeführerin sei öffentlich zugänglich im Sinne von § 16 VGGG/BS, so ist dies nicht willkürlich: Die Mitgliedschaft im Verein "Fümoar" kann problemlos erlangt werden (Entrichtung des Mitgliederbeitrags von Fr. 10.-; oben Sachverhalt A), und die Lokalitäten der Beschwerdeführerin können von allen Personen aufgesucht werden, die dem Verein angeschlossen sind. Es hat demnach entgegen ihren Ausführungen nicht nur ein bestimmter, begrenzter Kreis von Personen Zugang zu den Lokalitäten. Die Vereinsmitgliedschaft ist das Mittel zur Erreichung des in den Statuten festgehaltenen Vereinszwecks, der darin besteht, dass auch nach Inkrafttreten der kantonalen Regelung im Mai 2010 in Restaurationsbetrieben geraucht werden kann ("Milderung der wirtschaftlichen Folgen des Rauchverbots in nicht eigens abgetrennten, bedienten und nicht mit eigener Lüftung versehenen Innenräumen von Gastgewerbebetrieben"). Das Bundesgericht hat bereits festgestellt, dass die öffentliche Zugänglichkeit bei Vereinen, deren Zweck in Umgehung des Gesetzes darin besteht, in Restaurationsbetrieben trotz allgemeinem Rauchverbot Tabak konsumieren zu können, nicht wirksam eingeschränkt ist (vgl. Urteil 6B_75/2012 vom 26. Oktober 2012 E. 3 für den Kanton Thurgau bzw. die bundesgesetzliche Minimalregelung im PaRG).
BGE 139 I 242 S. 254
Es gelingt der Beschwerdeführerin demnach nicht, "dasselbe Ziel" des Passivrauchschutzes durch "Zutrittsbeschränkungen der Nichtraucher" zu ihren Räumlichkeiten zu erreichen. Sie kann sich durch ihr Vorgehen nicht wirksam von den bundesrechtlichen Vorgaben bzw. § 34 GGG/BS befreien.
5.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, § 34 GGG/BS verstosse gegen das verfassungsrechtliche Grundrecht der Rechtsgleichheit und gegen das Diskriminierungsverbot (
Art. 8 Abs. 1 und 2 BV
). Denn nach § 34 GGG/BS seien im Gegensatz zur bundesrechtlichen Regelung nur unbediente Raucherräume zugelassen, womit die kleineren Gastwirtschaftsbetriebe (sog. "Eckkneipen") faktisch von der Möglichkeit ausgeschlossen würden, rauchende Gäste zu bewirten. Indem die Rüge die kantonale Bestimmung in Inhalten betrifft, die über die bundesrechtliche Regelung hinausgehen (Bedienungsverbot in Raucherräumen; vgl. E. 2.2 f.), ist sie zu hören (vgl.
Art. 190 BV
); sie vermag indes nicht durchzudringen:
5.1
Nach
Art. 8 Abs. 1 BV
verletzt ein Erlass das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die kein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, oder er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Die ungerechtfertigte Gleich- bzw. Ungleichbehandlung muss sich auf eine wesentliche Tatsache beziehen. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen besteht, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze ein weiter Gestaltungsspielraum (
BGE 138 I 265
E. 4.1 S. 267;
BGE 136 I 297
E. 6.1 S. 304,
BGE 136 I 1
E. 4.1 S. 5;
BGE 135 I 130
E. 6.2 S. 137 f.;
BGE 131 I 1
E. 4.2 S. 6 f.; je mit Hinweisen; Urteil 2C_864/2010 vom 24. März 2011 E. 4.1).
5.2
Die Beschwerdeführerin sieht eine massgebliche Differenz zwischen ihrem Kleinbetrieb und Gaststätten mit grösseren Restaurationsflächen, die in § 34 GGG/BS jedoch unberücksichtigt geblieben sei. Es ist demnach zu prüfen, ob die Regelung hinsichtlich entscheidwesentlicher Tatsachen rechtliche Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen würden. Diese Prüfung misst sich insbesondere am Regelungszweck der Bestimmung (vgl.
BGE 136 I 1
E. 4.3 S. 7 ff.; vgl. RAINER J. SCHWEIZER, in: Die
BGE 139 I 242 S. 255
schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 22 zu
Art. 8 BV
).
§ 34 GGG/BS bezweckt, ein Rauchverbot in Gaststätten zu statuieren; die Bestimmung lässt Ausnahmebereiche zu, wo das Rauchen gestattet bleibt. Wenn der kantonale Gesetzgeber für solche Ausnahmen unbediente abtrennbare Räume vorsieht (vgl. oben E. 2.3), so ist dies eine sinnvolle, jedenfalls keine willkürliche Regelung, um den Gesundheitsschutz des Personals und der Konsumenten gegenüber der bundesrechtlichen Regelung zusätzlich zu stärken. Die (hier bloss faktische) Ungleichbehandlung beruht auf sachlichen, mit dem Regelungszweck der Norm im Einklang stehenden Motiven; auch ist es sachgegeben, dass kleinere Gaststätten ihr Angebot weniger nach verschiedenen Kundensegmenten differenzieren können, als dies grösseren Betrieben möglich ist. Mit Blick auf den Regelungszweck und die tatsächlichen Verhältnisse drängt sich demnach keine unterschiedliche Behandlung der Lokale nach ihrer Grösse (Differenzierungsgebot) auf. Das Rechtsgleichheitsgebot (
Art. 8 Abs. 1 BV
) ist nicht verletzt.
5.3
Art. 8 Abs. 2 BV
verbietet qualifizierte Ungleichbehandlungen einer Person allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, welche historisch oder in der gegenwärtigen sozialen Wirklichkeit tendenziell ausgegrenzt oder als minderwertig behandelt wird (
BGE 138 I 265
E. 4.2 S. 267 f.;
BGE 136 I 297
E. 7.1 S. 306;
BGE 134 I 56
E. 5.1 S. 61 f.;
BGE 129 I 217
E. 2.1 S. 223 f. mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin; KIENER/KÄLIN, Grundrechte, 2007, S. 359 ff.). Diese Bestimmung knüpft an die natürlichen Eigenschaften des Menschen an (
BGE 138 I 265
E. 4.2 S. 267 f.;
BGE 136 I 297
E. 7.1 S. 306;
BGE 134 I 56
E. 5.1 S. 61 f.). Als Betriebsgesellschaft eines Kleinlokals kann sich die Beschwerdeführerin nicht auf
Art. 8 Abs. 2 BV
berufen.
6.
Auch wenn die Beschwerdeführerin schliesslich geltend macht, dem Verein "Fümoar" gehörten mittlerweile mehr als 192'000 Mitglieder an, und er damit aufzeigen will, dass sich ein Grossteil der Bevölkerung weniger strikte Rauchverbote in Gaststätten bzw. eine Bedienung in Fumoirs wünschte, so wäre diesem Anliegen durch eine entsprechende Änderung des kantonalen Rechts (im Rahmen der bundesrechtlichen Minimalvorgaben) Rechnung zu tragen. Eine kantonale Volksinitiative im Kanton Basel-Stadt, die eine Lockerung des kantonalen Rauchverbots zugunsten der Übernahme der
BGE 139 I 242 S. 256
bundesrechtlichen Regelung zum Schutz des Passivrauchens hätte bringen sollen (kantonale Volksinitiative "Ja zum Nichtraucherschutz ohne kantonale Sonderregelung"), wurde am 27. November 2011 vom basel-städtischen Stimmvolk allerdings abgelehnt (vgl. hierzu auch Urteil 2C_345/2012 vom 27. September 2012 E. 3.3). Ohnehin vermag die Tatsache, dass ein Teil der Bevölkerung mit der Gesetzgebung zum Schutz vor dem Passivrauchen nicht einverstanden ist, das Gericht nicht davon zu entbinden, das Gesetz anzuwenden.
7.
Die angefochtene Verfügung (Rauchverbot) des Arbeitsinspektorats verstösst weder gegen die als verletzt behaupteten Verfassungsbestimmungen (
Art. 8 BV
,
Art. 49 BV
) noch erging sie unter offensichtlicher Verletzung von kantonalen Kompetenzvorschriften. Es erübrigt sich, die Sache zur Neubeurteilung an das Arbeitsinspektorat zurückzuweisen. Die Vorinstanz hat durch die Abweisung der Beschwerde kein Bundesrecht verletzt. Inwiefern die kantonale Regelung "im Übrigen auch" gegen den Gesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe verstösst und in welcher Weise das Urteil 1 BvR 3262/ 07, 402/08, 906/08 des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 2008 zu berücksichtigen wäre, legt die Beschwerdeführerin nicht näher dar, sodass hierauf nicht weiter einzugehen ist (vgl. nicht publ. E. 1.3). | public_law | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fbb9cef3-24db-4a5d-acd9-a9b58f608214 | Urteilskopf
137 IV 201
29. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public du canton de Vaud (recours en matière pénale)
6B_854/2010 du 5 mai 2011 | Regeste
Art. 56 Abs. 2 und 6, Art. 59 Abs. 1, Art. 62 Abs. 1, Art. 62c Abs. 1 und 3-6,
Art. 62d Abs. 1 StGB
; Verweigerung der bedingten Entlassung aus einer stationären Massnahme.
Zusammenfassung der Grundsätze (E. 1).
Voraussetzungen der Gefährlichkeit und der Wiederholungsgefahr erfüllt bei einer schweren geistigen Erkrankung (paranoide Schizophrenie) einhergehend mit einer beträchtlichen psychischen Instabilität und einer Zwangsstörung (Abhängigkeit von verschiedenen psychoaktiven Substanzen), die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mit sich bringt - bestätigt durch zahlreiche Aggressionen gegenüber Aufsichtspersonen und das zweimalige Inbrandsetzen des eigenen Bettes -, welche die Schwere der begangenen Straftaten übersteigt (E. 2).
In Anbetracht der Gefährlichkeit für Dritte erscheint die Fortsetzung der bald acht Jahre andauernden, nicht aussichtslosen stationären Massnahme gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung künftiger Straftaten nicht unverhältnismässig (E. 3). | Erwägungen
ab Seite 202
BGE 137 IV 201 S. 202
Extrait des considérants:
1.
Le recourant invoque une violation des art. 59, 62, 62c et 62d CP.
1.1
Aux termes de l'
art. 62d al. 1 CP
, qui s'applique lorsque le juge a ordonné une mesure thérapeutique institutionnelle, l'autorité compétente examine, d'office ou sur demande, si l'auteur peut être libéré conditionnellement ou si la mesure doit être levée; elle prend une décision à ce sujet au moins une fois par année; au préalable, elle entend l'auteur et demande un rapport à la direction de l'établissement chargé de l'exécution de la mesure. Comme sous l'empire de l'ancien
art. 45 ch. 1 al. 3 CP
(
ATF 128 IV 241
consid. 3.2 p. 247 s.), le rapport exigé par la disposition doit émaner du médecin traitant, dresser un bilan du traitement, comporter les éléments d'appréciation médicaux utiles à l'évaluation de la dangerosité actuelle de l'auteur et se prononcer sur l'évolution probable de ces éléments en cas de poursuite du traitement selon les modalités les plus indiquées (arrêt 6B_714/2009 du 19 novembre 2009 consid. 1.1 et les réf. citées).
1.2
Conformément à l'
art. 62 al. 1 CP
, l'auteur doit être libéré conditionnellement de l'exécution institutionnelle de la mesure dès que son état justifie qu'on lui donne l'occasion de faire ses preuves en liberté. La loi ne définit pas cette notion. Elle n'exige pas la guérison de l'auteur, mais une évolution ayant eu pour effet d'éliminer
BGE 137 IV 201 S. 203
ou de réduire dans une mesure suffisante le risque de nouvelles infractions. Il n'est donc pas nécessaire que l'auteur soit mentalement normal. Il suffit qu'il ait appris à vivre avec ses déficits, de manière que l'on puisse poser un pronostic favorable quant à son comportement futur (arrêt 6B_714/2009 du 19 novembre 2009 consid. 1.2 et les réf. citées), étant rappelé que s'agissant de la décision sur le pronostic, le principe "in dubio pro reo" n'est pas applicable (
ATF 127 IV 1
consid. 2a p. 4 s.).
Ce pronostic doit être posé en tenant compte du principe de la proportionnalité (
art. 5 al. 2 Cst.
et 56 al. 2 CP) selon lequel l'atteinte aux droits de la personnalité qui résulte pour l'auteur d'une mesure ne doit pas être disproportionnée au regard de la vraisemblance qu'il commette de nouvelles infractions et de leur gravité. Cette disposition postule de la sorte la pesée à effectuer entre l'atteinte aux droits inhérente à la mesure ordonnée et la dangerosité de l'auteur (6B_457/2007 du 12 novembre 2007 consid. 5.2). Présente un caractère de dangerosité le délinquant dont l'état mental est si gravement atteint qu'il est fortement à craindre qu'il commette de nouvelles infractions. Lors de l'examen du risque de récidive, il convient de tenir compte de l'imminence et de la gravité du danger, ainsi que de la nature et de l'importance du bien juridique menacé. Lorsque des biens juridiques importants, tels que la vie ou l'intégrité corporelle, sont mis en péril, il faut se montrer moins exigeant quant à l'imminence et à la gravité du danger que lorsque des biens de moindre valeur, tels que la propriété ou le patrimoine, sont menacés (
ATF 127 IV 1
consid. 2a p. 5 et les arrêts cités). Le pronostic doit également tenir compte de la durée de la privation de liberté déjà subie par l'auteur (en ce sens: ROTH/THALMANN, in Commentaire romand, Code pénal, vol. I, 2009, n° 26 ad
art. 62 CP
). Cependant, cette circonstance est sans pertinence lorsque la dangerosité actuelle de l'auteur atteint le degré requis pour justifier l'internement chez un individu inaccessible à un traitement médical. En effet, la loi ne limite pas l'internement dans le temps et n'autorise la libération conditionnelle d'un interné que s'il est hautement vraisemblable que celui-ci se comportera correctement en liberté (cf.
art. 64a al. 1 CP
; MARIANNE HEER, in Basler Kommentar, Strafrecht, vol. I, 2
e
éd. 2007, n° 13 ad
art. 64a CP
). Il est ainsi manifeste que, dans la pesée des intérêts opérée par le législateur, le droit à la liberté personnelle d'un auteur qui présente une dangerosité susceptible de justifier un internement ne l'emporte jamais sur l'intérêt public à la sécurité des personnes.
BGE 137 IV 201 S. 204
1.3
Conformément à l'
art. 56 al. 6 CP
, une mesure dont les conditions ne sont plus remplies doit être levée. Comme son prononcé suppose qu'elle soit propre à détourner l'auteur de la commission de nouvelles infractions en relation avec son grave trouble mental (cf.
art. 59 al. 1 let. b CP
), une mesure thérapeutique institutionnelle ne peut dès lors être maintenue que si elle conserve une chance de succès, ainsi que le prévoit du reste l'
art. 62c al. 1 let. a CP
. Au contraire de l'internement, qui consiste principalement à neutraliser l'auteur, la mesure thérapeutique institutionnelle cherche à réduire le risque de récidive par une amélioration des facteurs inhérents à l'intéressé (cf. ANDREA BAECHTOLD, Exécution des peines, 2008, p. 316). Il s'ensuit que, pour qu'une mesure thérapeutique institutionnelle puisse être maintenue, c'est le traitement médical, non la privation de liberté qui lui est associée, qui doit conserver une chance de succès du point de vue de la prévention spéciale. Une mesure thérapeutique institutionnelle ne saurait être maintenue au seul motif que la privation de liberté qu'elle comporte a pour effet d'empêcher l'auteur de commettre de nouvelles infractions. Sinon, ne cherchant plus à réduire le risque de récidive par le traitement de l'auteur, mais uniquement par la neutralisation de celui-ci, elle ne se différencierait plus de l'internement, mesure qui n'est admissible qu'aux conditions prévues à l'
art. 64 CP
. Certes, la notion de traitement médical doit être entendue largement. Même la simple prise en charge de l'auteur dans un milieu structuré et surveillé accompagnée d'un suivi psychothérapeutique relativement lointain constitue un traitement, si elle a pour effet prévisible d'améliorer l'état de l'intéressé de manière à permettre, à terme, sa réinsertion dans la société (cf. HEER, op. cit., n° 66 ad
art. 59 CP
). Mais, lorsqu'il n'y a plus lieu de s'attendre à une amélioration de l'état de l'auteur, l'autorité compétente doit lever la mesure, en prenant au besoin une ou plusieurs des dispositions prévues à l'art. 62c al. 3 à 6 CP.
1.4
L'
art. 59 al. 4 CP
prévoit que la mesure ne peut, en règle générale, excéder cinq ans. Cependant, si les conditions d'une libération conditionnelle ne sont pas réunies après cinq ans et qu'il est à prévoir que le maintien de la mesure détournera l'auteur de nouveaux crimes ou délits en relation avec le trouble mental, le juge peut ordonner la prolongation de la mesure de cinq ans au plus à chaque fois. La mesure peut ainsi être reconduite aussi souvent et aussi longtemps que son maintien s'avère nécessaire, approprié et proportionnel (
ATF 135 IV 139
consid. 2.1 p. 141). Dans ce cadre, elle ne connaît pas de
BGE 137 IV 201 S. 205
limite maximale. Cette prolongation est indiquée lors de traitements selon l'
art. 59 al. 3 CP
. Cette possibilité existe parce que les mesures thérapeutiques appliquées à des malades mentaux chroniques n'agissent souvent que très lentement (
ATF 134 IV 315
consid. 3.4.1 p. 321 s. et réf. citées).
2.
Le recourant conteste l'appréciation du risque de récidive par la cour de cassation pénale au regard des infractions qu'il a commises qu'il qualifie de délits mineurs et fait valoir que le risque de passage à l'acte est faible. Il conteste mettre gravement en danger l'ordre ou la sécurité publics.
2.1
Pour la cour de cassation pénale, même si la gravité des infractions à l'origine de la mesure n'est pas particulièrement significative, le pronostic de la mesure selon l'
art. 62 al. 1 CP
doit être examiné de manière rigoureuse au regard de la dangerosité de l'intéressé relevée par les experts, dangerosité qui s'est manifestée en particulier quand le recourant a bouté le feu à deux reprises à son lit. Se fondant sur les avis médicaux unanimes, la cour cantonale retient que le recourant est atteint d'une pathologie psychiatrique majeure, ancienne, au traitement long et aléatoire, dont il ne parvient pas à surmonter les effets. En raison notamment de troubles délirants et de l'impulsivité occasionnée par cette double pathologie, il présente un danger pour la sécurité publique au vu du risque de réitération mis en évidence par les experts, ce danger excédant de beaucoup la gravité intrinsèque des infractions. En conséquence, aucun pronostic favorable quant au comportement futur de l'intéressé ne peut être posé en l'état.
2.2
Il est constant que le recourant souffre d'un grave trouble mental chronique qui peut le conduire à adopter des comportements dangereux, respectivement menaçants ou violents pour autrui. Cette dangerosité résulte de l'association, d'une part, d'une schizophrénie paranoïde (impliquant une vulnérabilité au stress considérable selon l'expertise du 20 décembre 2004) et, d'autre part, d'un syndrome de dépendance à des substances psychoactives multiples (réponse au stress selon la même expertise), soit une grave désorganisation psychique associée à une compulsion. La pathologie mentale est jugée grave. Le constat selon lequel l'intéressé présente un danger pour la sécurité publique qui va au-delà de la gravité des infractions qu'il a commises, est conforté par les nombreuses agressions qu'il a perpétrées sur des surveillants ainsi que par l'usage du feu à deux reprises
BGE 137 IV 201 S. 206
depuis son arrivée à l'unité psychiatrique des EPO le 23 mars 2010. Les expertises des 20 décembre 2004 et 22 janvier 2010 mentionnent expressément un risque de réitération significatif à défaut de tout traitement institutionnel et en cas de consommation de substances psychoactives. L'appréciation par les experts de 2004 de ce risque d'hétéro-agressivité, majoré en cas de rechute toxicomaniaque, déjà retenu par le Tribunal fédéral dans l'arrêt précédent (6B_241/2008 du 12 juin 2008 consid. 3.1.1) n'a pas été évaluée différemment dans l'expertise du 22 janvier 2010. Il a été relativisé par les seconds experts, uniquement dans le contexte d'un élargissement dans le cadre carcéral et à la condition que l'adhésion du recourant au traitement perdure. Ces conclusions ont été suivies, puisque l'intéressé a pu sortir d'isolement cellulaire le 23 mars 2010 et être transféré à l'Unité de psychiatrie des EPO. Au vu de ces éléments, l'appréciation de la cour cantonale quant à la dangerosité et au risque de récidive qui fondent un pronostic défavorable à une libération conditionnelle ne souffre aucune critique.
3.
Le recourant soutient que la mesure thérapeutique institutionnelle n'est pas susceptible d'améliorer son état. La prolongation du maintien en milieu carcéral après plusieurs années violerait le droit fédéral. Par son grief, il s'en prend à la proportionnalité de la mesure.
3.1
Pour la cour cantonale, seule une mesure thérapeutique institutionnelle en milieu carcéral permet d'assurer l'adhésion du condamné au traitement et de le soigner en le mettant, lui et autrui, à l'abri de la dangerosité découlant de sa pathologie, qui présente un caractère persistant, même si ses manifestations varient en intensité au fil du temps. Si quelques progrès ont pu être obtenus en matière d'alliance thérapeutique, c'est précisément du fait de la contrainte que seul un cadre institutionnel fermé peut apporter.
Les experts ont attribué l'absence de progrès de l'expertisé sur le plan thérapeutique non seulement à la gravité du trouble qui l'affecte, mais aussi au manque de continuité dans la prise en charge médicamenteuse du fait de son absence de collaboration et/ou de son adhésion partielle au traitement. Bien qu'ils évoquent le caractère extrêmement aléatoire d'un succès thérapeutique, ils ne l'excluent pas pour autant et préconisent à long terme une thérapie multidimensionnelle avec des mesures d'élargissement progressives. Le dernier rapport du SMPP du 5 juillet 2010 conclut, de manière générale, à une bonne alliance thérapeutique depuis que le recourant a rejoint l'unité de psychiatrie, même si elle peut être mise à mal lorsque les
BGE 137 IV 201 S. 207
idées délirantes envahissent les relations interpersonnelles. Au vu de ces constatations, que le recourant ne discute pas (
art. 105 al. 1 LTF
), et compte tenu de la large portée qu'il faut attribuer à la notion de traitement médical (consid. 1.3) ainsi que des quelques progrès avérés accomplis par le recourant depuis le mois de mars 2010, le moyen tiré de l'absence de toute chance de succès de la mesure thérapeutique institutionnelle est infondé.
3.2
Au regard de la durée et de l'intensité de la mesure, la cour cantonale relève que le recourant a, depuis sa récente adhésion au traitement, bénéficié d'un allègement de régime, soit d'un passage de régime cellulaire à celui de l'unité de psychiatrie des EPO, en date du 23 mars 2010. Comme l'a relevé l'autorité cantonale, l'atteinte à la liberté personnelle imposée par la mesure a été modifiée en fonction de la situation et ne dépasse pas ce qui est strictement nécessaire à la thérapie.
Le temps écoulé depuis le prononcé de la mesure ordonnée en 2005 ne suffit pas à lui seul pour retenir qu'elle serait disproportionnée. Un traitement institutionnel dure en principe jusqu'à ce que son but soit atteint, si sa poursuite ne paraît pas vouée à l'échec. En l'espèce, il a été retenu que le recourant n'est pas inaccessible au traitement. Le succès thérapeutique impose, selon les experts, un encadrement médical adéquat. Selon eux, il serait prématuré d'envisager de mettre fin au placement carcéral, une telle décision ne pouvant intervenir qu'en cas de résultats positifs dans le cadre des premières mesures d'élargissement envisagées. Dans ce cas, un placement dans une institution médico-sociale cadrante à visée réhabilitative serait nécessaire pour une bonne évolution à long terme. Il en résulte que l'amélioration de l'état de santé du recourant, compte tenu de sa pathologie, ne peut être obtenu que par un traitement de longue haleine qui comporte des paliers progressifs d'élargissement. Les traitements sur une longue durée sont propres au type de pathologie dont souffre le recourant (consid. 1.4) et c'est au regard de ces considérations que la loi n'a pas fixé de limite maximale au renouvellement des traitements institutionnels. Compte tenu de la dangerosité que le recourant présente pour autrui (consid. 2.1), des perspectives de stabilisation et d'amélioration de son état de santé, la gravité de l'atteinte aux droits de sa personnalité qu'implique la poursuite du traitement institutionnel depuis près de huit ans n'apparaît pas disproportionnée par rapport à l'intérêt public à la prévention de futures infractions. | null | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fbbc1f4c-4b6d-46be-83b0-7b4a88ec8b2c | Urteilskopf
117 IV 87
20. Urteil der Anklagekammer vom 8. Mai 1991 in Sachen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen Generalprokurator des Kantons Bern | Regeste
Art. 350 Ziff. 1 StGB
;
Art. 264 BStP
; Gerichtsstand.
1. Vom gesetzlichen Gerichtsstand kann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn in einem Kanton ein offensichtliches Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit liegt. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn auf einen Kanton lediglich einige Delikte mehr entfallen.
2. Für die Anwendung von
Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
ist in erster Linie auf die objektive Strafdrohung abzustellen, nicht auf das Verschulden. | Sachverhalt
ab Seite 87
BGE 117 IV 87 S. 87
A.-
Z. verbüsst seit 19. März 1990 in der Strafanstalt Thorberg/BE fünf Freiheitsstrafen, deren Ende auf 7. Mai 1994 festgelegt
BGE 117 IV 87 S. 88
ist; nach einer ersten Flucht am 13. Mai 1990 (Rückkehr in die Strafanstalt am 19. Juni) floh er am 17. Januar 1991 erneut.
Kurz vor der erneuten Flucht verübte Z. während eines Beziehungsurlaubes vom 15./16. Januar 1991 verschiedene Delikte in den Kantonen Solothurn, Aargau, Luzern und Bern.
Am 18. Januar 1991 konnte Z. nach der Kollision mit einem Polizei-Dienstwagen auf der anschliessenden Flucht durch die Polizei angehalten werden.
Das Ermittlungsverfahren wurde bisher durch die Behörden des Kantons Bern geführt.
Nach Abschluss der Ermittlungen ersuchte der Generalprokurator des Kantons Bern das Untersuchungsrichteramt des Kantons Solothurn, die Verfolgung und Beurteilung von Z. für die seit dem 15. Januar 1991 begangenen Delikte zu übernehmen; das Untersuchungsrichteramt lehnte seine Zuständigkeit ab. Die weiteren Gerichtsstandsverhandlungen führten zu keiner Einigung.
B.-
Mit Gesuch vom 5. April 1991 beantragt die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn der Anklagekammer des Bundesgerichts, die Behörden des Kantons Bern zuständig zu erklären.
Der Generalprokurator beantragt, die Behörden des Kantons Solothurn zuständig zu erklären.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1.
Dem Beschuldigten werden Diebstahl, Gefährdung des Lebens, Entwendung zum Gebrauch sowie verschiedene SVG-Widerhandlungen zur Last gelegt, die dieser an verschiedenen Orten begangen hat.
a) Die mit der schwersten Strafe bedrohten Delikte sind die Gefährdung des Lebens (
Art. 129 StGB
) und die Diebstähle (
Art. 137 StGB
), die beide mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis bedroht sind.
In diesem Fall bestimmt sich der gesetzliche Gerichtsstand gemäss
Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
. Nach dieser Bestimmung sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde.
b) Die erste Anzeige betreffend eines dieser beiden Delikte war die Meldung des Diebstahls im Tennis-Center "Top Sport" in Bellach/SO vom 15. Januar 1991.
Beide Parteien sind sich darin einig, dass der gesetzliche Gerichtsstand im Kanton Solothurn liegt.
BGE 117 IV 87 S. 89
2.
Die Gesuchstellerin ist der Auffassung, es lägen triftige Gründe vor, die ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand nahelegen, denn im Kanton Bern liege ein eindeutiges Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit des Beschuldigten.
a) Die Anklagekammer kann zwar die Zuständigkeit beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen anders als in
Art. 350 StGB
bestimmen; sie macht von dieser Möglichkeit indessen nur zurückhaltend Gebrauch, wenn triftige Gründe ausnahmsweise ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand gebieten; diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn in einem Kanton ein offensichtliches Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit liegt (
BGE 86 IV 63
f. E. 3 und 131 E. 3).
Für die Beurteilung, ob in einem Kanton ein Schwergewicht bestehe oder nicht, sind nur gleichartige oder gleich gelagerte deliktische Handlungen oder verschiedene Tatbestände, deren Strafdrohungen sich indessen nicht wesentlich unterscheiden, zu berücksichtigen (
BGE 117 IV 95
E. 4c).
Im vorliegenden Fall ist demnach auf die Diebstähle und die Gefährdung des Lebens abzustellen, die beide mit gleicher Strafe bedroht sind. Die SVG-Delikte sind nicht so zahlreich, dass sie hier miteinbezogen werden müssten.
Dem Beschuldigten werden im Kanton Aargau ein Diebstahl, im Kanton Solothurn zwei Diebstähle und im Kanton Bern fünf Diebstähle sowie eine Gefährdung des Lebens zur Last gelegt. Diese Verteilung der Delikte auf die beteiligten Kantone ergibt zwar, dass auf den Kanton Bern einige Delikte mehr entfallen; sie erlaubt es indessen nicht, von einem offensichtlichen Schwergewicht im Kanton Bern zu sprechen (vgl. Entscheid der Anklagekammer vom 13. Februar 1991 in Sachen P., auf den der Gesuchsgegner zu Recht verweist; vgl. auch SCHWERI, Gerichtsstandsbestimmung, N 421).
b) Dass die im Kanton Bern begangene Gefährdung des Lebens verschuldensmässig schwerer wiegt als ein Vermögensdelikt, vermag zu keiner anderen Lösung zu führen, denn in erster Linie ist die objektive Strafdrohung der in Frage kommenden Tatbestände massgebend.
c) Die dem Beschuldigten zur Last gelegte Reihe von strafbaren Handlungen begann nicht im Kanton Bern, sondern nach übereinstimmender Auffassung der Parteien im Kanton Solothurn, weshalb sich die Gesuchstellerin zu Unrecht auf
BGE 79 IV 47
beruft; nach diesem Entscheid kann jenem Kanton die Strafverfolgung
BGE 117 IV 87 S. 90
zugewiesen werden, aus dessen Strafvollzugsanstalt der Beschuldigte entwichen ist und auf dessen Gebiet er die Kette von strafbaren Handlungen begonnen hat (vgl. auch SCHWERI, a.a.O., N 451 ff.).
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch wird abgewiesen, und es werden die Behörden des Kantons Solothurn berechtigt und verpflichtet erklärt, die Z. zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen. | null | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fbbcc98d-357c-4203-ad2c-3db64fbe4065 | Urteilskopf
83 II 345
47. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Juni 1957 i.S. R. gegen Handelsonderneming Joba N.V. | Regeste
1.
Art. 2 ZGB
enthält eine zu den einzelnen Rechtsnormen hinzutretende allgemeine Regel, wie sie auch ausserhalb des eidgenössischen Zivilrechts, z.B. im kantonalen Prozessrecht, nach Gesetz oder Gewohnheitsrecht (Gerichtsgebrauch) gilt und in Anlehmmg an jene eidgenössische Vorschrift weiter ausgebaut werden darf (Erw. 2).
2. Wird bezüglich einer vom kantonalen Recht beherrschten Frage (hier: rechtsmissbräuchliche Herbeiführung der tatsächlichen Voraussetzungen des speziellen Gerichtsstandes des Arrestortes) alternativ eidgenössisches und kantonales Recht angewendet, so ist die an sich im Berufungsverfahren zulässige Rüge der Anwendung eidgenössischen statt kantonalen Rechtes (Erw. 1) nicht begründet, und es ist auf die Berufung nicht einzutreten (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 346
BGE 83 II 345 S. 346
A.-
Im Dezember 1955 kaufte der in Bern wohnhafte Kaufmann R. bei der in Amsterdam ansässigen Handelsonderneming Joba N.V. (nachstehend "Joba" genannt) 15 gr. Vitamin B 12 und zahlte dafür Fr. 10'317.80. Im Februar 1956 erhob er Mängelrüge mit der Begründung, das gelieferte Präparat enthalte nach Gutachten Sachverständiger kein Vitamin B 12. Die Joba nahm demgegenüber den Standpunkt ein, die Ware sei fälschlicherweise auf natürliches statt auf synthetisches Vitamin geprüft worden. Ohne darauf zu antworten, bestellte R. am 9. März 1956 bei der Joba 300 kg. Vitamin C = Ascorbinsäure und versprach die Zahlung des Kaufpreises gegen Versanddokumente und Versicherungszertifikat. Als die Ware in Bern eingetroffen war, zahlte er den Kaufpreis von Fr. 14'910.35 bei der Schweizerischen Bankgesellschaft in Bern ein mit der Weisung, den Betrag erst nach Prüfung von Mustern weiterzuleiten. Gleichzeitig erwirkte er gestützt auf
Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG
gegen die Joba einen Arrest auf die erwähnte Ware (4 Kisten Vitamin C) und auf den dafür unter Prüfungsvorbehalt einbezahlten Preisbetrag, beides für eine angebliche "verfallene Forderung aus Wandelung eines Kaufvertrages um 15 g. angeblichen Vitamins B 12. ..". Das die Wandelung dieses vorangegangenen Kaufes vom Dezember 1955 verlangende Schreiben wurde erst nach der Arrestnahme zur Post gegeben.
B.-
Am 12. Mai 1956 reichte R. beim Handelsgericht des Kantons Bern in Prosekution des Arrestes folgende Klage ein:
"1. Die Beklagte sei zu verurteilen, dem Kläger eine durch Betreibung Nr. 6084 des Betreibungsamtes Bern 1 geltend gemachte, aber bestrittene, angemessene, gerichtlich zu bestimmende Geldsumme, nebst Zins ... zu bezahlen.
2. Die Beklagte sei ferner zu verurteilen, dem Kläger die zur Zeit im Zollniederlagshaus Bern-Weyermannshaus der
BGE 83 II 345 S. 347
Firma Kehrli & Oeler, Nachfolger A. Oeler, Bern, lagernde Ware, nämlich 4 Kisten J.B., enthaltend Vitamin C (Ascorbine-Säure, garantiert U.S.P. XIV), brutto 348 kg, netto 300 kg, freizugeben, und zwar Zug um Zug:
a) gegen gleichzeitige Verrechnung der sämtlichen Forderungen des Klägers mit dem fakturierten Kaufpreis dieser Ware als Gegenforderung der Beklagten und
b) gegen Barzahlung des ev. Mehr-Kaufpreises der Ware durch den Kläger gemäss Rechnung der Joba N.V. an den Kläger vom 4. April 1956."
C.-
Das Handelsgericht wies die Klage am 28. Februar 1957 ohne materielle Prüfung zurück mit der Begründung, der Kläger könne sich der in Holland ansässigen Beklagten gegenüber nicht auf den vom bernischen Zivilprozessrecht (Art. 25) vorgesehenen Gerichtsstand des Arrestes und des Vermögens berufen, weil er den diesem Gerichtsstand zugrunde liegenden Tatbestand arglistig herbeigeführt habe. Denn mit dem zweiten Kauf habe er von Anfang an die Absicht verbunden, sich ein Arrestobjekt in der Schweiz zu verschaffen, um dann eine Forderung, mit deren Erhebung die Beklagte nicht gerechnet habe, vor schweizerischen Gerichten geltend machen zu können. Ein solches Vorgehen sei offenbar missbräuchlich und verdiene "nach
Art. 2 ZGB
" keinen Rechtsschutz.
D.-
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem folgenden Antrag:
"Das angefochtene Rückweisungsurteil des Handelsgerichtes des Kantons Bern vom 18. März 1957 sei in vollem Umfange aufzuheben, und es sei durch das Bundesgericht unter Rückweisung der Prozessakten an die Vorinstanz zu entscheiden, dass diese auf die Prüfung der Begründetheit der Klage einzutreten habe."
Zur Begründung wird geltend gemacht, das Handelsgericht habe zu Unrecht statt der massgebenden Gerichtsstandsnormen des kantonalen Prozessrechts eidgenössisches Recht, nämlich
Art. 2 ZGB
, angewendet, d.h. es habe jene Gerichtsstandsnormen zu Unrecht mit Berufung auf einen Grundsatz des eidgenössischen Rechtes als im vorliegenden Falle nicht anwendbar erklärt.
E.-
Die Beklagte beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
BGE 83 II 345 S. 348
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das angefochtene Nichteintretensurteil ist ein Endentscheid im Sinne von
Art. 48 OG
(
BGE 74 II 177
, vgl. auch
BGE 71 II 179
/80). Auch der für die Berufung erforderliche, in der Berufungsschrift auf mindestens Fr. 8000.-- bezifferte Streitwert ist gegeben angesichts der Betreibungssumme von Fr. 13'922.80, die als Höchstbetrag der nicht mehr bezifferten Klagesumme zu gelten hat. Sodann ist die mit der Berufung erhobene Rüge der Anwendung eidgenössischen statt kantonalen Rechtes ein zulässiger Berufungsgrund. Es handelt sich um einen speziellen Fall "unrichtiger" Anwendung von Bundesrecht im Sinne von
Art. 43 Abs. 2 OG
. Das ergibt sich einwandfrei aus dem gerade diesen Fall berücksichtigenden
Art. 60 Abs. 1 lit. c OG
. Im Unterschied hiezu fällt als Grund zu einer Nichtigkeitsbeschwerde nach
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG
nur die gegenteilige Rüge der Anwendung kantonalen (oder ausländischen) statt eidgenössischen Rechtes in Betracht (vgl. dazu
BGE 82 II 124
Erw. 2).
2.
Gegenstand der angefochtenen Entscheidung war die örtliche Zuständigkeit gemäss dem vom Kläger in Anspruch genommenen Spezialgerichtsstand des Arrestortes (Art. 25 der bernischen ZPO), also eine Frage des kantonalen Prozessrechtes, die als solche der Überprüfung durch das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht unterliegt. Nun hat das Handelsgericht dem Kläger diesen Gerichtsstand deshalb versagt, weil er dessen tatbeständliche Grundlagen (Vorhandensein von Vermögen der Beklagten in der Schweiz) durch arglistiges Handeln herbeigeführt habe, was "nach
Art. 2 ZGB
" keinen Rechtsschutz verdiene. Darin sieht der Kläger eine unzulässige Anwendung von Bundesrecht, da die vom Handelsgericht angerufene bundesrechtliche Norm auf kantonales Prozessrecht nicht angewendet werden dürfe, und er verlangt deshalb die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu materieller Beurteilung. Sein Standpunkt erweist sich indessen als widerspruchsvoll. Was
Art. 2 ZGB
ausspricht,
BGE 83 II 345 S. 349
ist ein Grundsatz allgemeinster Art, ein "Leitstern der Gesetzesanwendung" überhaupt (EGGER, N. 6 zu
Art. 2 ZGB
), eine "Schranke aller Rechtsausübung" (
BGE 45 II 398
), also eine zu den die einzelnen Rechtsverhältnisse betreffenden Normen hinzutretende, sie ergänzende und ihre Anwendung mitbestimmende, aus ethischer Betrachtung geschöpfte Grundregel. Diese war schon längst vor Erlass des schweizerischen ZGB als Bestandteil der allgemeinen Rechtslehre anerkannt und wurde als Gewohnheitsrecht oder gestützt auf mehr oder weniger weit gefasste gesetzliche Bestimmungen angewendet sowohl im Gebiete des Privatrechts wie auch in andern Rechtsgebieten. So führt denn REICHEL (Zu den Einleitungsartikeln des schweizerischen Zivilgesetzbuches, in der Festgabe für Stammler, S. 319) ausländische Gesetzesnormen an, wonach Treu und Glauben das Mass der Rechtspflichten bestimmen, mit dem Beifügen: "Was die Römer hierüber ausgeführt, bleibt klassisch für alle Zeit." In der schweizerischen wie in der ausländischen Literatur über den Rechtsmissbrauch findet sich demgemäss gewöhnlich ein auf die römischrechtliche exceptio doli (generalis) zurückgehender historischer Teil vor (vgl. KARL HUBER, Über den Rechtsmissbrauch, S. 7 ff.; HAGER, Schikane und Rechtsmissbrauch, S. 17 ff.; CAMPION, La théorie de l'abus des droits, S. 5 ff.). Auch die Praxis des Prozessrechts schritt gegen rechtsmissbräuchliches Vorgehen ein (vgl. P. ROUSSEL, L'abus de droit, S. 134 ff. betreffend die "plaideurs téméraires"; SALEILLES, De l'abus de droit, der in der Fussnote zu S. 27 auf Beispiele "en matière de voies d'exécution" hinweist). Hier fällt insbesondere die von der Vorinstanz angeführte Kommentarstelle (LEUCH, N. 3 am Ende zu
Art. 25 ZPO
) in Betracht, welche gerade hinsichtlich des in Frage stehenden Spezialgerichtsstandes die hergebrachte exceptio doli zur Geltung bringt und auf einen dahingehenden Zürcher Entscheid aus der Zeit vor Inkrafttreten des ZGB, aus dem Jahr 1910, hinweist (BlZR 10 Nr. 26 S. 75).
Indem der Bundesgesetzgeber das Gebot des Handelns
BGE 83 II 345 S. 350
nach Treu und Glauben und das ihm entsprechende Verbot des Rechtsmissbrauches (
Art. 2 Abs. 1 und 2 ZGB
) für das Gebiet des eidgenössischen Zivilrechtes (immerhin über das ZGB selbst hinaus, vgl.
BGE 81 II 539
/40) zur ausdrücklichen allgemeinen Gesetzesnorm erhob, hatte er keineswegs die Absicht, die Geltung der nach gleicher Richtung weisenden Grundsätze im Bereich des kantonalen Zivilrechtes oder in andern (vom eidgenössischen oder kantonalen Recht beherrschten) Gebieten, handle es sich nun um Gewohnheits- oder um Gesetzesrecht, irgendwie einzuschränken oder gar aufzuheben. Diese Grundsätze sind durch Art. 2 ZBG nicht angetastet worden, sondern haben durch die ausdrückliche Anerkennung als grundlegende Norm der eidgenössischen Zivilrechtskodifikation vermehrte Geltung erlangt. Das Bundesgericht hat es denn auch als zulässig erklärt,
Art. 2 ZGB
als subsidiären Grundsatz des kantonalen Gewohnheitsrechtes anzuwenden (z.B. gegenüber der missbräuchlichen Anrufung einer Prorogationsklausel,
BGE 56 I 448
). Mit der Umgehung von Verfahrensvorschriften befasst sich
BGE 72 II 321
, und in
BGE 59 II 386
ff. wurde als rechtsmissbräuchlich eine dem Handelsgebrauch widersprechende, auf Erschwerung der gegnerischen Beweisführung angelegte Verzögerung der Erhebung von Ansprüchen bezeichnet.
BGE 78 I 297
spricht von dem "auch für die Verwaltungs- und Gerichtsbehörden geltenden Grundsatz von Treu und Glauben", und
BGE 79 III 66
hebt "das allgemeine Rechtsprinzip" hervor, "wie es
Art. 2 ZGB
für das Zivilrecht aufstellt" und auch das öffentliche Recht mehr und mehr anerkenne. Somit ist auch das kantonale Prozessrecht - Gesetzgebung und Praxis - nicht gehindert, den in Frage stehenden Grundsatz weiterhin anzuwenden, wie er allenfalls schon vor Inkrafttreten des ZGB in Geltung stand, und ihn im Hinblick auf
Art. 2 ZGB
noch weiter auszubauen oder allenfalls auch erst jetzt in Anlehnung an diesen bundesgesetzlichen Leitsatz einzuführen. Die Lehre des schweizerischen Prozessrechts bekennt sich in der Tat zu solcher
BGE 83 II 345 S. 351
Art der Rechtsanwendung, ohne dass es einer gesetzlichen Anordnung hiezu bedürfte (GULDENER, Das schweizerische Zivilprozessrecht I 198). Es ist irrig, wenn der Kläger daraus, dass
Art. 2 ZGB
als formelle Gesetzesnorm nur für das eidgenössische Zivilrecht aufgestellt worden ist, etwas gegen die Anwendung der in ihm enthaltenen, der allgemeinen Rechtslehre angehörenden Norm als solcher auf andern Rechtsgebieten folgern will. Freilich gibt es Rechtssätze, denen gegenüber eine Berufung auf Treu und Glauben nicht in Frage kommt (selbst im eidgenössischen Zivilrecht, vgl.
BGE 43 II 24
/25). Dass aber bei arglistiger Herbeiführung tatsächlicher Gegebenheiten eine Geltendmachung daraus abzuleitender Rechtsvorteile wegen Rechtsmissbrauchs abzulehnen sei, ist längst anerkannt (vgl. PFAFF, Zur Lehre des sog. in fraudem legis agere, S. 57; VETSCH, Die Umgehung des Gesetzes, S. 231).
3.
Wenn das Handelsgericht auf
Art. 2 ZGB
als Ausdruck einer auch im kantonalen Prozessrecht, namentlich hinsichtlich der Geltendmachung eines speziellen Gerichtsstandes, zu beachtenden allgemeinen Rechtsregel hingewiesen hat, so liegt darin nach dem Gesagten keine Anwendung eines auf das Bundeszivilrecht beschränkten Grundsatzes. Unrichtig wäre es freilich, den
Art. 2 ZGB
als formelle Gesetzesnorm auf andere Rechtsgebiete zu beziehen, wie denn das Bundesgericht es immer abgelehnt hat, ein Urteil über eine kantonalrechtliche Streitigkeit daraufhin zu überprüfen, ob das (in solchen Fällen eben der kantonalen Rechtssphäre angehörende) Verbot des Rechtsmissbrauchs begründetermassen angewendet oder als nicht anwendbar bezeichnet worden sei (
BGE 44 II 445
,
BGE 79 II 405
Erw. 5; vgl. auch
BGE 82 II 125
Erw. 3 betreffend
Art. 8 ZGB
; EGGER, N. 8 zu
Art. 2 ZGB
). Nun erörtert das Handelsgericht zwar in längern Ausführungen die Anwendbarkeit von
Art. 2 ZGB
, was Zweifel darüber erwecken könnte, ob es (wie der Kläger) im Irrtum befangen gewesen sei, das Treu- und Glaubens-Prinzip könne seit Inkrafttreten des ZGB nur noch als bundesgesetzlicher
BGE 83 II 345 S. 352
Grundsatz angewendet werden. Allein indem das angefochtene Urteil an der Spitze seiner rechtlichen Erwägungen (in Ziffer IV) auf die oben angeführte Kommentarstelle (LEUCH, N. 3 zu
Art. 25 ZPO
) verweist, die sich ihrerseits auf ein vor Inkrafttreten des ZGB ergangenes Urteil stützt, hat es neben der formellen bundesrechtlichen Gesetzesvorschrift des
Art. 2 ZGB
das darin enthaltene allgemeine Rechtsprinzip auch als kantonales Gewohnheitsrecht (Gerichtsgebrauch) zur Geltung gebracht, den Entscheid also auf den richtigen Rechtsboden gestellt. Die Rüge der (entscheidenden) Anwendung eidgenössischen statt kantonalen Rechtes ist somit unbegründet; denn mit der wenn auch bloss alternativen Anwendung kantonalen Rechtes erhielt das Urteil die ihm zukommende Grundlage, wobei sich das Gericht füglich an
Art. 2 ZGB
anlehnen und dessen Formulierung übernehmen durfte. Das zutreffenderweise auf kantonalem Recht beruhende Urteil als solches ist aber der Berufung an das Bundesgericht entzogen; es ist somit auf dieses Rechtsmittel nicht einzutreten. Wäre übrigens, wie der Kläger meint, das Verbot des Rechtsmissbrauchs ausschliesslich als bundesrechtliches angewendet worden, so könnte eine Rückweisung an die Vorinstanz dennoch unterbleiben. Denn sie würde zweifellos nicht zu einem abweichenden Urteil führen; vielmehr würde das Handelsgericht dem Kläger neuerdings auf der hier in Erw. 2 vorgezeichneten kantonalrechtlichen Grundlage den krassen Rechtsmissbrauch vorhalten und den von ihm in Anspruch genommenen Spezialgerichtsstand versagen. Bei dieser Betrachtungsweise müsste die vorliegende Berufung jedenfalls an fehlendem Interesse scheitern (vgl.
BGE 49 II 232
ff.).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten. | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fbc018bf-a263-491f-84b5-2548c416ad2f | Urteilskopf
117 II 432
81. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. August 1991 i.S. Margrit G. gegen Jürg D. (Berufung) | Regeste
Aktienrechtliche Verantwortlichkeit.
1. Die auf Art. 753/754 OR gestützte Verantwortlichkeitsklage der Konkursmasse einer Aktiengesellschaft oder des gemäss
Art. 756 Abs. 2 OR
an ihrer Stelle klagenden Gläubigers ist als Klage aus dem Recht der Gläubigergesamtheit aufzufassen. Dieser Klage können Einreden, die den verantwortlichen Organen gegen die Gesellschaft oder gegen einzelne Gläubiger zustünden, nicht entgegengehalten werden. Präzisierung der Rechtsprechung (E. 1).
2. Begriff des Organs im Sinne von
Art. 754 Abs. 1 OR
bzw.
Art. 41 BankG
(E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 433
BGE 117 II 432 S. 433
A.-
Die X. Bank AG in Zürich betrieb mit einem Aktienkapital von zuletzt 1,5 Mio. Franken "sämtliche Bankgeschäfte im Inland in den üblichen Formen, insbesondere die Gewährung von Krediten an Private und die Finanzierung von Teilzahlungsgeschäften". Als Verwaltungsräte amtierten A. (Präsident), B. (Delegierter des Verwaltungsrates und Direktor) sowie C. Margrit G. war Prokuristin. Alle Genannten verfügten über Kollektivunterschrift bzw. -prokura zu zweien.
B. benötigte in den Jahren 1973 und 1974 für die von ihm beherrschte, notleidende Y. AG und für die Finanzierung eines Projekts in Italien Kredite in Millionenhöhe. Er nahm deshalb bei verschiedenen Gläubigern Darlehen auf, die er durch Garantien oder Bürgschaften der X. Bank AG sicherstellte. Dabei leistete Margrit G. jeweils die zweite Unterschrift für die Garantien und Bürgschaften. Jürg D. gewährte B. am 16. Februar 1973 ein solches Darlehen in der Höhe von Fr. 100'000.--, das am 11. Januar 1974 unter Verrechnung des bisher aufgelaufenen Zinses auf Fr. 120'000.-- erhöht wurde.
B.-
Nachdem B. unter Mitnahme der auf dem Postcheck-Konto der X. Bank AG liegenden liquiden Mittel geflüchtet war, schloss die X. Bank AG am 6. Dezember 1974 ihren Schalter. Am
BGE 117 II 432 S. 434
7. Januar 1975 gewährte ihr das Handelsgericht des Kantons Zürich eine Nachlass-Stundung von sechs Monaten und bestimmte die Schweizerische Revisionsgesellschaft als Sachwalterin. In der Folge schloss die Bank mit ihren Gläubigern einen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung.
Im Nachlassverfahren wurde eine Forderung von Jürg D. aus einem Depositenkonto, das er bei der X. Bank AG unterhalten hatte, mit Fr. 8'794.56 in der 5. Klasse kolloziert. Eine weitere Forderung, die Jürg D. aufgrund seines von der X. Bank AG verbürgten Darlehens an B. geltend machte, bildete Gegenstand eines Kollokationsprozesses. Dieser endete am 10. April 1984 mit einem Vergleich, worauf die Forderung mit Fr. 96'000.-- in der 5. Klasse kolloziert wurde.
Den Gläubigern der X. Bank AG, deren Forderungen sich auf zusammengerechnet Fr. 22'016'000.-- belaufen, konnte bisher eine Nachlassdividende von 71% ausbezahlt werden. Die ungedeckten Verpflichtungen der X. Bank AG stellen sich damit noch auf rund 6,4 Mio. Franken. Die noch ausstehende Schlussdividende hängt vom Ausgang des gegen den Verwaltungsrat angestrengten Verantwortlichkeitsprozesses ab.
C.-
Am 22. Dezember 1983 stellte Jürg D., der sich von der Schweizerischen Revisionsgesellschaft, der Liquidatorin der X. Bank AG, die Verantwortlichkeitsansprüche gegen Margrit G. hatte abtreten lassen, beim Friedensrichteramt Zürich 9 das Begehren, Margrit G. sei zur Bezahlung von 3,9 Mio. Franken zu verpflichten. Mit seiner am 12. April 1984 beim Bezirksgericht Zürich eingereichten Klage forderte Jürg D. sodann "als Anteil für die Wiedergutmachung des Schadens... namens der X. Bank Fr. 500'000.-- zuzüglich 5% Zins seit 1. Dezember 1983". Das Bezirksgericht schützte die Klage mit Urteil vom 24. Juni 1987 im Umfang von Fr. 30'390.45 und wies sie im Mehrbetrag ab. Auf Berufung beider Parteien hob das Obergericht des Kantons Zürich am 14. April 1989 diesen Entscheid auf und sprach dem Kläger Fr. 500'000.-- nebst 5% Zins seit dem 22. Dezember 1983 zu.
D.-
Das Bundesgericht weist die von der Beklagten gegen das obergerichtliche Urteil eingelegte eidgenössische Berufung ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt den angefochtenen Entscheid.
BGE 117 II 432 S. 435
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) aa) Das Bezirksgericht geht in Anlehnung an
BGE 111 II 182
ff. davon aus, ein Gläubiger, dem aktienrechtliche Verantwortlichkeitsansprüche der Masse abgetreten worden seien, mache einerseits gestützt auf
Art. 260 SchKG
die Ansprüche der Gesellschaft gegenüber den verantwortlichen Organen und anderseits gestützt auf
Art. 756 Abs. 2 OR
Ansprüche aus eigenem Recht geltend. Die Gesellschaftsklage unterscheide sich von der Klage auf Ersatz des mittelbaren Gläubigerschadens gemäss
Art. 756 Abs. 2 OR
insbesondere dadurch, dass ihr gegenüber eingewendet werden könne, die Gesellschaft habe den schädigenden Handlungen ihrer Organe zugestimmt (volenti non fit iniuria). Eine solche Zustimmung liege im vorliegenden Fall vor, da B., der die Gesellschaft wirtschaftlich beherrscht habe, mit der Begründung der Eventualverpflichtungen zulasten der X. Bank AG einverstanden gewesen sei. Der Kläger könne sich demnach bloss auf seine eigenen Ansprüche gemäss
Art. 756 Abs. 2 OR
, nicht hingegen auf die Ansprüche der Gesellschaft berufen. Er könne folglich nur seinen eigenen mittelbaren Schaden geltend machen. Das widerspreche zwar der vom Bundesgericht in
BGE 111 II 184
f. vertretenen Auffassung. Die Lehre stehe jedoch zu Recht auf dem Standpunkt, der aus eigenem Recht klagende Gläubiger könne nur Ersatz seines eigenen Schadens verlangen. Diese Auffassung könne sich zudem auf den Wortlaut von
Art. 755 und 756 OR
sowie auf frühere Bundesgerichtsentscheide stützen.
bb) Das Obergericht nimmt ebenfalls an, dem Gläubiger könne gestützt auf
Art. 756 Abs. 2 OR
mittelbarer Schaden bloss im Umfang seines eigenen Verlustes zugesprochen werden. Es hält jedoch dafür, dass dem Kläger im vorliegenden Fall auch die Klage aus dem Recht der Gesellschaft zustehe. Im Gegensatz zum Bezirksgericht gelangt die Vorinstanz zum Ergebnis, dass von einer Einwilligung der Gesellschaft nicht gesprochen werden könne, da zwei Verwaltungsräte, die über je fünf, ihnen von B. fiduziarisch übertragene Pflichtaktien verfügt hätten, keine Kenntnis von den Eventualverpflichtungen gehabt hätten. Nach der Auffassung des Obergerichts erfordert die Einwilligung der Gesellschaft in schädigende Handlungen ihrer Organe das Wissen und die Zustimmung aller Aktionäre, woran es im vorliegenden Fall fehle. Insoweit sei
BGE 111 II 183
E. b zu relativieren.
BGE 117 II 432 S. 436
cc) Die Beklagte schliesst sich den Erwägungen des Bezirksgerichts an. Die gegenteilige Auffassung des Obergerichts verstösst ihrer Ansicht nach gegen Bundesrecht. Sie wirft dem Obergericht eine formaljuristische Betrachtungsweise vor, da es ungeachtet des wirklichen Willensbildungsprozesses darauf abstelle, ob auch der hinterste und letzte nominelle Aktionär, selbst wenn er lediglich als Pflichtaktionär und rein fiduziarisch für den wirtschaftlichen Eigentümer fungiere, sein Einverständnis zur fraglichen Handlung gegeben habe. Ferner rügt die Beklagte eine Verletzung von
Art. 756 Abs. 2 OR
.
b) aa) In
BGE 111 II 182
ff. hat das Bundesgericht unter Berufung auf Forstmoser (Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 1. Aufl. 1978, N. 94) ausgeführt, der Gläubiger, der sich von der Masse aktienrechtliche Verantwortlichkeitsansprüche habe abtreten lassen, könne sowohl aufgrund eigener Ansprüche als auch aufgrund von Ansprüchen der Gesellschaft klagen. Dabei handle es sich um zwei verschiedene Klagen, die je unterschiedlichen Regeln und Voraussetzungen unterstünden. Aufgrund der konkreten Umstände hielt das Bundesgericht im dortigen Fall bloss die Voraussetzungen der Klage aus eigenem Recht für erfüllt. Dennoch hat es die Klage aber im Umfang nicht nur des von den klagenden Gläubigern selbst erlittenen mittelbaren Schadens, sondern des gesamten Schadens, den die verantwortlichen Organe der Gesellschaft zugefügt hatten, geschützt.
Dieser Entscheid hat bei einem Teil der Lehre insoweit Zustimmung gefunden, als er die Klage aus dem eigenen Recht des Abtretungsgläubigers klar von derjenigen aus dem Recht der Gesellschaft unterscheide (FORSTMOSER, Der mittelbare Schaden im aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrecht und seine Geltendmachung im Konkurs, in SAG 1986, S. 76; BÄR, ZBJV 123/1987, S. 254). Kritisiert wurde jedoch gleichzeitig, dass es das Bundesgericht unterlassen habe, in bezug auf die Bestimmung des massgebenden Schadens die Konsequenzen aus dieser Unterscheidung zu ziehen, indem es aufgrund einer Klage aus eigenem Recht mehr zugesprochen habe als den eigenen Schaden des Klägers (FORSTMOSER, a.a.O., S. 77; FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl. 1987, S. 91 N. 243; BÄR, a.a.O., S. 257; SCHUBARTH, Zur Rechtsprechung der I. Zivilabteilung 1983-1986, in ZSR 106/1987 Bd. I, S. 487). Daran ist soviel richtig, dass sich ein - vorausgesetzter - eigener Rechtsanspruch eines geschädigten Gläubigers gegen die verantwortlichen Organe vernünftigerweise
BGE 117 II 432 S. 437
nur auf den von ihm selbst erlittenen Schaden beziehen kann. Auf der anderen Seite wird in
BGE 111 II 184
E. c aber mit Recht darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des Gesetzes dafür spricht, dem gestützt auf eine Abtretung gemäss
Art. 756 Abs. 2 OR
klagenden Gläubiger, wenn sich seine Klage als begründet erweist, Ersatz für den gesamten Schaden zuzusprechen, den die in Anspruch genommenen Organe der Gesellschaft zugefügt haben. Andernfalls bliebe insbesondere unerklärlich, weshalb die genannte Bestimmung auf die Regeln des SchKG verweist, wonach ein vom Kläger erstrittener Betrag, der über seine eigene Konkursforderung hinausgeht, an die Masse abzuliefern ist (
Art. 260 SchKG
). Dieser Verweis wäre unnötig, wenn der Abtretungsgläubiger von vornherein nur seinen eigenen Schaden einklagen könnte.
All das drängt zur Frage, ob es überhaupt richtig sei, zwischen einer Klage aus eigenem Recht und einer solchen aus dem Recht der Gesellschaft zu unterscheiden. FORSTMOSER gesteht denn auch zu, dass die von ihm vertretene, auf dieser Unterscheidung beruhende Ansicht nicht "allseits befriedigend und konsequent" sei, versucht sie jedoch damit zu verteidigen, dass sie zumindest für die praktisch weitaus bedeutsamsten Fälle eine stichhaltige und in den Konsequenzen befriedigende Antwort zu geben vermöge (SAG 1986, S. 74). RASCHEIN zieht demgegenüber die Berechtigung der Unterscheidung zweier verschiedener Klagegrundlagen mit beachtlichen Argumenten grundsätzlich in Zweifel (Die Abtretung aktienrechtlicher Verantwortlichkeitsansprüche im Konkurs, in FS 100 Jahre SchKG, S. 357 ff.). Es rechtfertigt sich, die Frage erneut zu prüfen.
bb) Die gesetzliche Regelung der Geltendmachung von aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüchen ist teilweise unklar, lückenhaft und in einigen Punkten sogar widersprüchlich (RASCHEIN, a.a.O., S. 357; FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl., S. 91 f.; Botschaft über die Revision des Aktienrechts, BBl 1983 II, S. 851). Bei ihrer Auslegung darf daher nicht unbesehen auf den Wortlaut und auf die vom Gesetz verwendeten Begriffe abgestellt werden. Vielmehr ist vom Sinn und Zweck der Regelung auszugehen.
cc) Pflichtwidriges Verhalten der Organe einer AG schädigt einerseits die Gesellschaft, beeinträchtigt anderseits aber auch die Vermögensinteressen der Aktionäre und der Gesellschaftsgläubiger. Die Vermögenseinbusse der Gesellschaft hat zur Folge, dass das Anteilsrecht des Aktionärs, der Wert seiner Aktien vermindert
BGE 117 II 432 S. 438
wird. Der Gesellschaftsgläubiger erleidet einen mittelbaren Schaden dadurch, dass die Bonität seines Schuldners beeinträchtigt wird. Der der Gesellschaft direkt zugefügte Schaden ist dabei deckungsgleich mit dem Schaden, welcher den Aktionären und Gläubigern insgesamt indirekt entsteht (RASCHEIN, a.a.O., S. 359).
Daran, dass die verantwortlichen Organe zur Rechenschaft gezogen werden können, haben somit neben der unmittelbar geschädigten Gesellschaft auch die Aktionäre und die Gesellschaftsgläubiger ein berechtigtes Interesse. Sicherzustellen ist deshalb insbesondere, dass die verantwortlichen Organe auch dann belangt werden können, wenn die Gesellschaft auf die Geltendmachung ihrer Schadenersatzansprüche verzichtet, die schädigenden Handlungen genehmigt oder zum voraus darin eingewilligt hat oder wenn die Mehrheit der Aktionäre gar mit den verantwortlichen Organen unter einer Decke steckt. Diesen Zweck hat das Gesetz im Auge, wenn es sowohl die Gesellschaft als auch die Aktionäre und Gläubiger als anspruchsberechtigt bezeichnet (vgl. SCHLAEPFER, Abtretung streitiger Rechtsansprüche im Konkurs, Diss. Zürich 1990, S. 224 und 227). Das darf indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die der Gesellschaft, den Aktionären und den Gläubigern zustehenden Ansprüche ihrer Natur nach sehr verschieden sind und dass deshalb auch die Möglichkeiten ihrer Geltendmachung ganz unterschiedlich ausgestaltet sind. Ihre Bedeutung hängt dabei entscheidend davon ab, ob die Gesellschaft aufrecht steht oder in Konkurs gefallen ist.
dd) Solange die Gesellschaft aufrecht steht, geht es darum, den Bestand des Gesellschaftsvermögens zu sichern und damit die Lebensfähigkeit der Gesellschaft sowie den Wert der Beteiligungsrechte der Aktionäre zu erhalten. Die Interessen der Gesellschaftsgläubiger bleiben demgegenüber vorerst zwangsläufig im Hintergrund, da ein mittelbarer Gläubigerschaden gar nicht nachweisbar ist, solange die Gesellschaft zahlungsfähig ist (RASCHEIN, a.a.O., S. 359; FORSTMOSER, a.a.O., S. 59 f.; SCHLAEPFER, a.a.O., S. 224 f. und 242).
Das Gesetz gesteht daher das Recht, Verantwortlichkeitsansprüche ausser Konkurs geltend zu machen, in erster Linie der Gesellschaft zu. Diese kann allerdings auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche verzichten, insbesondere indem sie die schädigenden Handlungen genehmigt und den verantwortlichen Organen die Entlastung (Decharge) erteilt. Der Gefahr, die daraus für
BGE 117 II 432 S. 439
Minderheitsaktionäre erwächst, begegnet das Gesetz dadurch, dass es dem einzelnen Aktionär ebenfalls ein Klagerecht gegen die verantwortlichen Organe verleiht. Dieser Aktionärsanspruch geht jedoch nur auf Leistung an die Gesellschaft (
Art. 755 OR
). Er unterscheidet sich aber vom Anspruch der Gesellschaft dadurch, dass ihm eine Entlastung der verantwortlichen Organe durch die Generalversammlung bloss entgegengehalten werden kann, wenn der klagende Aktionär dem Entlastungsbeschluss - ausdrücklich oder stillschweigend - zugestimmt hat (
Art. 757 OR
).
Die Gesellschaftsgläubiger können, solange die Gesellschaft aufrecht steht, nach
Art. 758 OR
keinen mittelbaren Schaden geltend machen.
ee) Die Situation ändert sich grundsätzlich, sobald die Gesellschaft in Konkurs fällt. Nach der Konkurseröffnung kann es nicht mehr Ziel des Verantwortlichkeitsrechts sein, die Lebensfähigkeit der Gesellschaft und den Wert der Beteiligungsrechte der Aktionäre zu erhalten. Es kann vielmehr einzig noch darum gehen, im Interesse der Gesellschaftsgläubiger das zur Masse gehörende Vermögen erhältlich zu machen. Die Durchsetzung der Verantwortlichkeitsansprüche kann dabei jedoch nicht den einzelnen Gläubigern überlassen werden. Der einzelne Gläubiger hat gar keine unmittelbaren Ansprüche gegen die verantwortlichen Organe, sondern bloss einen Anspruch gegen die Konkursmasse auf anteilmässige Befriedigung seiner Forderung aus deren Aktiven.
Der Anspruch, den das Gesetz den Gläubigern verleiht (Art. 753/754 OR), ist daher nicht als individueller Anspruch des einzelnen Gläubigers gegen die verantwortlichen Organe aufzufassen. Das zeigt sich auch darin, dass nach
Art. 756 Abs. 1 OR
im Konkurs einzig die Konkursmasse befugt ist, Verantwortlichkeitsansprüche geltend zu machen. Leitet die Konkursmasse die Klage ein, so stützt sie sich deshalb nicht auf individuelle Rechte der einzelnen Gläubiger, sondern auf einen einheitlichen Anspruch der Gläubigergesamtheit. Das Prozessergebnis wird später nach Massgabe des Kollokationsplans auf die Gläubiger verteilt.
Für einen Anspruch aus dem Recht der Gesellschaft bleibt im Konkurs neben dem Anspruch der durch die Konkursmasse vertretenen Gläubigergesamtheit kein Raum mehr. Ein Anspruch von Aktionären ist, wie RASCHEIN (a.a.O., S. 361 f.) darlegt, ebenfalls nicht mehr denkbar.
ff) Verzichtet die Konkursmasse auf die Geltendmachung der Verantwortlichkeitsansprüche, so kann gemäss
Art. 756 Abs. 2
BGE 117 II 432 S. 440
OR
jeder Gläubiger deren Abtretung verlangen. Erfolgt eine solche Abtretung, so lebt dadurch nicht etwa ein individuelles Klagerecht des Gläubigers wieder auf (SCHLAEPFER, a.a.O., S. 237), hat doch ein solches gar nie bestanden (
Art. 758 OR
; E. dd hievor). Die Wirkung der Abtretung besteht vielmehr allein darin, dass dem Gläubiger das Klagerecht der Konkursmasse übertragen wird.
Art. 756 Abs. 2 OR
stellt insofern, wie RASCHEIN (a.a.O., S. 358 und 361 ff.) zutreffend festhält, lediglich einen Anwendungsfall von
Art. 260 SchKG
dar. Der Abtretungsgläubiger klagt daher wie die Konkursmasse einzig im Namen der Gläubigergesamtheit. Das Prozessergebnis wird allerdings vorab zur Befriedigung seiner rechtskräftig kollozierten Forderungen verwendet; den übrigen Gläubigern kommt lediglich ein allfälliger Überschuss zugute (
Art. 756 Abs. 2 Satz 2 OR
in Verbindung mit
Art. 260 Abs. 2 SchKG
). Das hat seinen Grund jedoch einzig darin, dass der klagende Abtretungsgläubiger das Prozessrisiko auf sich genommen hat, welches die Konkursmasse sowie andere Gläubiger scheuten (RASCHEIN, a.a.O., S. 363).
gg) Klagt der Abtretungsgläubiger somit ausschliesslich aus dem Recht der Gläubigergesamtheit, so ergibt sich daraus, dass er Ersatz des gesamten Schadens fordern kann, den die verantwortlichen Organe der Gesellschaft und damit mittelbar auch den Gläubigern zugefügt haben, und dass ihm dabei weder Einreden gegen ihn persönlich (
BGE 106 II 145
mit Hinweisen) noch solche gegen die Gesellschaft entgegengehalten werden können (RASCHEIN, a.a.O., S. 362). Hat beispielsweise der klagende Abtretungsgläubiger den Schaden mitverschuldet, steht dies seiner im Namen der Gläubigergesamtheit erhobenen Klage nicht entgegen; vielmehr bleiben die in Anspruch genommenen Organpersonen auf ihr Regressrecht gemäss Art. 50 Abs. 2 bzw.
Art. 759 Abs. 2 OR
verwiesen. Entsprechendes gilt für die Einrede der Einwilligung der Gesellschaft. Die Einwilligung hat bloss gesellschaftsinterne Bedeutung (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, Einführung in das schweizerische Aktienrecht, 2. Aufl., S. 145 Rz. 16). Die Berufung darauf kann daher nur gegenüber der Klage der - aufrecht stehenden - Gesellschaft selbst durchdringen, nicht jedoch gegenüber den Ansprüchen der Gläubigergesamtheit, die nach Ausbruch des Konkurses einzig noch in Frage stehen (E. ee hievor). Das entspricht denn auch allein dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung (E. cc hievor).
BGE 117 II 432 S. 441
hh) Die Rechtsprechung von
BGE 111 II 182
ff. ist demnach im Ergebnis zu bestätigen. Ihre Begründung ist indessen aufgrund der vorstehenden Erwägungen dahingehend zu präzisieren, dass die Klage der Konkursmasse oder des gestützt auf eine Abtretung nach
Art. 756 Abs. 2 OR
an ihrer Stelle klagenden Gläubigers nicht auf zwei verschiedenen Klagegrundlagen beruht, sondern als einheitliche Klage aus dem Recht der Gläubigergesamtheit aufzufassen ist, welcher Einreden, die den verantwortlichen Organpersonen gegen die Gesellschaft oder gegen einzelne Gläubiger zustünden, nicht entgegenstehen.
ii) Dieselben Grundsätze gelten entsprechend, wenn die geschädigte Gesellschaft - wie im vorliegenden Fall - nicht in einem Konkursverfahren, sondern aufgrund eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung liquidiert wird (RASCHEIN, a.a.O., S. 358).
c) Im vorliegenden Fall kann somit offenbleiben, ob im Einverständnis des B. mit den Eventualverpflichtungen der X. Bank AG eine Einwilligung der Gesellschaft zu sehen ist. Der Kläger ist als Abtretungsgläubiger so oder anders befugt, anstelle der Konkursmasse und im Namen der Gläubigergesamtheit den gesamten Schaden einzuklagen, den die Beklagte der Gesellschaft zugefügt hat. Insoweit ist das angefochtene Urteil im Ergebnis richtig und erweist sich die Berufung mithin als unbegründet.
2.
Die Beklagte wendet ferner ein, sie habe keine Organstellung besessen und könne daher nicht aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit belangt werden. Indem die Vorinstanz dies verkenne, verletze sie Bundesrecht.
a) Das Obergericht hat zur Begründung seiner Auffassung, dass die Beklagte als Organ gehandelt habe, ergänzend auf das Urteil des Bezirksgerichts verwiesen und sich damit auch dessen Erwägungen zu eigen gemacht. Ob darin eine selbständige Alternativbegründung des angefochtenen Entscheids, welche die Beklagte ebenfalls hätte anfechten müssen (
BGE 115 II 72
E. 3, 302 E. 2a mit Hinweis), zu erblicken ist, kann indessen dahingestellt bleiben, da sich die Rüge einer Verletzung von Bundesrecht ohnehin als unbegründet erweist.
b) Nach
Art. 754 Abs. 1 OR
, welchem
Art. 41 BankG
entspricht, sind der Gesellschaft und deren Gläubiger alle mit der Verwaltung oder Geschäftsführung betrauten Personen für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten verursachen. Als mit der Verwaltung oder Geschäftsführung betraut im Sinne dieser
BGE 117 II 432 S. 442
Bestimmung gelten nicht nur Entscheidungsorgane, die ausdrücklich als solche ernannt worden sind, sondern auch Personen, die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen (
BGE 107 II 353
E. 5 mit Hinweisen). Es genügt somit, wenn die in Anspruch genommenen Personen tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben, den Schaden zu verursachen oder zu verhindern, d.h. den Geschäftsgang der Gesellschaft massgebend zu beeinflussen (
BGE 111 II 484
). In der bankenrechtlichen Literatur, auf die das Obergericht verweist, wird daraus zu Recht abgeleitet, dass Geschäftsführung im Sinne von
Art. 41 BankG
und
Art. 754 Abs. 1 OR
dann gegeben ist, wenn eine Person Geschäfte abwickelt und Entscheide trifft, welche nicht mehr zur Routine des Alltagsgeschäfts gehören, sondern von unternehmerischer Bedeutung sind, d.h. sich spürbar auf den Status der Bank auswirken (BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz, N. 22 zu Art. 41).
c) Das Obergericht hält dafür, die Beklagte habe eindeutig in Organstellung gehandelt, indem sie die Bank neben B. mittels Bürgschaften und Garantien in Millionenhöhe verpflichtet habe. Auch wenn es sich dabei zunächst nur um Eventualverpflichtungen gehandelt habe, sei dadurch der Status der Bank massiv beeinflusst worden. Dem Entscheid, Privatdarlehen an B. durch Garantien der X. Bank AG abzusichern, sei unternehmerische Bedeutung zugekommen. Ebenso habe die Beklagte als Organ, nämlich in Geschäftsführungsfunktion, gehandelt, als sie am 31. Mai 1974 in einer Vollständigkeitserklärung zuhanden der Kontroll- und bankengesetzlichen Revisionsstelle der X. Bank AG unterschriftlich bestätigt habe, "eine Haftung für fremde Verbindlichkeiten (z.B. aus der Begebung und Weitergabe von Wechseln und Checks, aus Bürgschaften und bürgschaftsähnlichen Rechtsverhältnissen sowie aus der Bestellung von Sicherheiten an Sachen oder Rechten der Bank für fremde Verbindlichkeiten) bestehe nicht und sei bis heute nicht eingegangen worden", obgleich die Bürgschaften und Garantien zugunsten der Darlehensgläubiger von B. errichtet worden seien.
Diesen Ausführungen ist in jeder Hinsicht beizupflichten. Die Beklagte hat Kompetenzen wahrgenommen, die typischerweise den Organen im formellen Sinne vorbehalten sind. Damit hat sie die Geschäftsführung der X. Bank AG wesentlich mitbestimmt. Ob sie dies aus eigenem Antrieb oder auf Weisung von B. tat, hat
BGE 117 II 432 S. 443
das Obergericht zu Recht nicht als entscheidend erachtet. Der Beklagten musste bewusst sein, dass sie mit der Begründung von Eventualverpflichtungen in Millionenhöhe geschäftsführende Kompetenzen wahrnahm. Der damit verbundenen Verantwortung kann sie sich nicht entziehen, indem sie behauptet, sie habe bloss als willenlose Befehlsempfängerin gehandelt. Das Obergericht hält mit Recht fest, dass die Beklagte verpflichtet war, ihre Verantwortung bei der Abwicklung von Geschäften mit unternehmerischer Bedeutung selbständig wahrzunehmen. Entscheidend ist, dass die Beklagte aufgrund ihrer Stellung in der Bank die Möglichkeit hatte, den Schaden zu verursachen oder zu verhindern. Inwiefern Bundesrecht dadurch verletzt sein soll, dass die Vorinstanz darauf abstellt, an welcher Art von Geschäften die Beklagte mitgewirkt hat, ist nicht einzusehen. Das Obergericht geht zutreffend davon aus, dass die Organstellung der Beklagten in den Kompetenzen zum Ausdruck gelangt, die sie beim Abschluss von Geschäften und bei der Abgabe von Erklärungen im Namen der Bank wahrgenommen hat. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fbc75415-c214-4a29-8b33-666b4d7789f0 | Urteilskopf
99 Ia 747
86. Arrêt du 7 novembre 1973 dans la cause Etienne contre Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois. | Regeste
Persönliche Freiheit. Obligatorische Schutzimpfung gegen Diphterie.
1. Recht auf körperliche Unversehrtheit (Erw. 2).
2. Öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeitsprinzip (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 747
BGE 99 Ia 747 S. 747
A.-
La loi vaudoise sur l'organisation sanitaire (en abrégé: LOS) du 9 décembre 1952, modifiée notamment en 1957 et 1963, déclare obligatoire la vaccination des enfants contre la variole et contre la diphtérie (art. 115). Au sujet de cette dernière vaccination, les al. 2 et 3 de l'art. 115 disposent:
"La vaccination contre la diphtérie est obligatoire. Elle doit être effectuée après le 3e mois de la vie et le plus rapidement possible. Elle doit néanmoins être séparée par un intervalle d'au moins 6 semaines de la vaccination antivariolique.
Une troisième injection dite "de rappel" antidiphtérique est faite aux enfants commençant leur scolarité, lorsqu'ils ont été vaccinés en bas âge. S'ils n'ont pas encore été vaccinés, l'on procédera à ce moment-là à une primo-vaccination."
L'obligation de faire vacciner l'enfant en temps voulu incombe à son représentant légal (art. 116 LOS). Selon l'art. 117 LOS, aucun enfant ne peut être admis dans les écoles publiques et privées ou autres établissements d'éducation, s'il ne produit un certificat constatant qu'il a été vacciné contre la diphtérie; le département compétent peut toutefois accorder des dérogations. Quiconque contrevient aux dispositions de la loi est passible d'une amende de 10 à 10 000 francs (art. 122 LOS).
BGE 99 Ia 747 S. 748
L'arrêté du Conseil d'Etat du 4 décembre 1962 sur les vaccinations contre la variole et la diphtérie contient des dispositions analogues aux art. 1er, 6, 7 et 25. L'art 7 reprend en son premier alinéa le texte de l'art. 117 LOS et désigne en son second alinéa les autorités chargées du contrôle de cette disposition.
B.Sur demande du Service de la santé publique, Pierre-André Etienne a produit le 5 octobre 1970 un certificat du Dr Vulliemin, médecin traitant de son fils Yves né le 27 juin 1966. Le médecin indiquait, dans ce certificat, qu'il y avait lieu de surseoir à toute vaccination non urgente, notamment à la vaccination antidiphtérique, et relevait qu'il avait prévenu les parents de l'obligation de faire procéder à cette vaccination dans un ou deux ans. Le Service de la santé publique a accordé à Etienne, le 8 octobre 1970, un délai jusqu'au 30 octobre 1971 pour faire vacciner son fils. Interpellé à nouveau en novembre 1971, Etienne a informé le service en question, sans produire de nouveau certificat médical, qu'il ne ferait pas vacciner son fils contre la diphtérie.
Sur dénonciation du Service de la santé publique, le Préfet de Lausanne a prononcé contre Etienne, le 25 janvier 1972, une amende de 30 fr. pour violation des
art. 115 à 117
LOS et des art. 1er et 7 de l'ACE du 4 décembre 1962. Etienne ayant fait opposition, le Juge informateur de Lausanne l'a déféré au Tribunal de police du district de Lausanne qui l'a condamné le 1er novembre 1972 à une peine de 10 fr. d'amende pour n'avoir pas fait vacciner son enfant contre la diphtérie.
C.-
Saisie d'un recours contre le jugement du 1er novembre 1972, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois l'a rejeté par arrêt du 24 novembre 1972. Constatant que le recourant contestait le bien-fondé de la loi elle-même, sur la base de laquelle il avait été condamné, et non la manière dont elle avait été appliquée, elle soulignait que ce grief échappait à son examen et ne constituait pas un moyen valable de réforme, le recours étant ainsi manifestement mal fondé au sens de l'art. 431 al. 2 CPP.
D.-
Agissant par la voie du recours de droit public, Pierre-André Etienne demande au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt rendu le 24 novembre 1972 par la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal. Il allègue la violation de la garantie constitutionnelle de la liberté personnelle, soutenant
BGE 99 Ia 747 S. 749
qu'il n'existe pas d'intérêt public suffisant d'imposer une telle vaccination.
Le Procureur général de l'Etat de Vaud conclut au rejet du recours.
Le Juge délégué a demandé au Service fédéral de l'hygiène publique un rapport sur la vaccination des enfants contre la diphtérie. Déposé le 25 juillet 1973, ce rapport a été communiqué au recourant pour observation.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Recevabilité).
2.
La liberté personnelle, droit constitutionnel non écrit de la Confédération, garantit notamment le droit du citoyen à son intégrité corporelle (RO 91 I 34 consid. 2, 89 I 98 consid. 4). Alors même qu'elle est rangée parmi les droits constitutionnels imprescriptibles et inaliénables, la liberté personnelle n'est cependant pas absolue, pas plus que les autres libertés constitutionnelles. Elle peut être limitée par les exigences de l'intérêt public; mais ces restrictions doivent se fonder sur une base légale, respecter le principe de la proportionnalité et ne pas aller jusqu'à vider ce droit de sa substance (RO 99 Ia 266 s. et les arrêts cités, 97 I 50 et 842).
En ce qui concerne la liberté physique, la jurisprudence admet qu'il peut y avoir atteinte à l'intégrité corporelle même si aucune lésion dommageable n'a été provoquée. Ainsi en est-il d'une prise de sang, qui généralement ne produit guère de douleur et ne compromet pas la santé de celui qui en est l'objet (cf. RO 99 Ia 412 consid. 4, 91 I 34, 89 I 98 s., 82 I 238). Tel est également le cas de la vaccination des enfants contre la variole et la diphtérie, qui a été rendue obligatoire dans plusieurs cantons suisses (BERSIER, La liberté personnelle, thèse, Lausanne 1968, p. 43 s: et 76; SCHNETZLER, L'intervention pratiquée contre le gré du patient par les médecins d'un établissement hospitalier public, RDAF 1967 p. 63).
3.
Le recourant ne conteste pas en l'espèce l'existence d'une base légale, mais il soutient que l'obligation légale de vacciner les enfants contre la diphtérie n'est pas justifiée par un intérêt public suffisant. Il prétend que depuis quarante ans, il n'existe plus de cas de diphtérie en Suisse et qu'il n'y a aucune différence statistique entre les populations des cantons
BGE 99 Ia 747 S. 750
où la vaccination est obligatoire et les habitants des cantons qui ne l'imposent pas. De plus, la vaccination aurait été supprimée en Grande-Bretagne et aux Etats-Unis et serait facultative aux Pays-Bas. Le recourant en conclut que la vaccination obligatoire contre la diphtérie ne se justifierait plus et qu'elle ne serait plus en rapport avec l'atteinte portée à la liberté personnelle.
a) Pour juger du bien-fondé de ces allégations, il faut se référer au rapport du Directeur du Service fédéral de l'hygiène publique, du 25 juillet 1973.
Ce rapport relève tout d'abord que les publications jointes au dossier du recourant sont pour la plupart anciennes ou se rapportent à des faits anciens dont certains remontent au début de l'ère pasteurienne, et qu'elles contiennent nombre d'affirmations dont on cherche en vain les bases scientifiques objectives.
Au sujet de la diphtérie, il précise que l'agent étiologique - une bactérie - se rencontre encore dans tous les pays du monde, contrairement à la variole, dont l'agent étiologique est un virus et qui, grâce à la vaccination, ne se trouve plus en permanence que dans quelques pays d'Asie et d'Afrique. Même si la diphtérie est actuellement en régression en Suisse, la bactérie n'en demeure pas moins présente et constitue pour la collectivité une menace d'autant plus grave que la population est insuffisamment vaccinée. Certes, relève l'expert, la vaccination contre la diphtérie a largement contribué à la diminution de cette maladie, mais il est inexact de soutenir qu'elle a disparu de Suisse depuis 40 ans. L'expert fait état de statistiques couvrant les années 1941 à 1970, d'où il résulte que s'il y a eu une très forte régression de la diphtérie en Suisse durant cette période, il n'en demeure pas moins qu'elle n'a pas disparu, puisque durant la période de 1961 à 1965 on a encore enregistré 35 cas par année en moyenne ou 175 cas au total et qu'au cours de la période de 1966 à 1970 il y a eu en moyenne 13 cas par année ou 65 cas en tout. Il y a d'ailleurs des variations cycliques, saisonnières ou aussi au cours de décennies, ce qui implique à tout moment le danger d'une recrudescence.
D'autre part l'expert compare la morbidité (nombre de personnes atteintes de diphtérie pour 100 000 habitants) dans les cantons où la vaccination est obligatoire (Genève, Neuchâtel,
BGE 99 Ia 747 S. 751
Vaud, Tessin, Fribourg) avec celle des cantons où elle ne l'est pas, pour les décennies 1950-1959 et 1960-1969. Il constate que pour 10 personnes qui ont contracté la diphtérie dans le groupe des cantons à vaccination obligatoire, il y en a 17 et 14 dans le groupe des cantons à vaccination facultative, compte tenu du nombre d'habitants dans chaque groupe. Il précise de plus, en ce qui concerne ces résultats, que dans le premier groupe on trouve non seulement des enfants non vaccinés mais aussi des personnes dont la vaccination est ancienne et donc insuffisante, et dans le second groupe un certain nombre d'enfants vaccinés, circonstances qui contribuent à atténuer la différence entre les deux groupes de cantons. Il est d'ailleurs pour le moins curieux, ajoute-t-il, de constater que les deux dernières épidémies de diphtérie en Suisse ont eu lieu, l'une dans le canton de Soleure (13 cas) en 1966, l'autre dans le canton de Zurich (22 cas) en 1969, cantons où la vaccination contre la diphtérie n'est pas obligatoire.
L'expert relève en outre que si la protection conférée par la vaccination n'est pas absolue et diminue d'efficacité avec le temps, on a en revanche observé qu'une personne atteinte de cette maladie aura moins de probabilité d'en mourir si elle a été vaccinée. Il cite à ce sujet les études faites par Stuart au Royaume-Uni, selon lesquelles la vaccination réduit le risque de contracter la diphtérie de 4 fois et celui d'en mourir de 25 fois. En Allemagne, on a observé des diminutions des mêmes risques de 4 fois et de plus de 10 fois. L'expert souligne encore que, pour rendre très difficile la transmission continue du bacille diphtérique entre sujets réceptifs, il est nécessaire de conférer l'immunité à une proportion assez élevée de la population. Ainsi, dans les conditions des pays anglo-saxons, le pourcentage des enfants qui doivent être vaccinés à cet effet est d'au moins 70%.
L'expert note enfin qu'avec l'accroissement des voyages à l'étranger, l'augmentation des risques d'épidémie est notable.
b) Il s'agit d'examiner si, au vu du rapport précité, l'atteinte à l'intégrité corporelle que constitue la vaccination obligatoire contre la diphtérie est justifiée par l'intérêt public.
Le rapport a mis en lumière que si la diphtérie a subi une régression générale, la présence de la bactérie signalée dans tous les pays du monde constitue encore un sérieux danger pour les populations non vaccinées ou insuffisamment vaccinées,
BGE 99 Ia 747 S. 752
même dans des pays qui, comme la Suisse, connaissent des conditions d'hygiène très développées. En tout cas, c'est manifestement à tort que le recourant prétend qu'il n'y a plus eu d'épidémie depuis plus d'une génération.
Il est vrai que la vaccination n'a pas une efficacité absolue. Mais elle produit en règle générale des résultats positifs. En tant que mesure préventive, elle réduit le risque de contracter la diphtérie. Si un enfant contracte tout de même cette affection, le fait d'avoir été vacciné diminue sérieusement la probabilité d'en mourir.
Le recourant allègue en outre qu'il n'y a aucune différence, quant au nombre de cas de diphtérie, entre les cantons qui ont institué la vaccination obligatoire et ceux qui ne l'ont pas fait. Ici encore, une telle affirmation est inexacte, comme le démontre le rapport de l'expert. Le nombre de cas est encore nettement supérieur dans les cantons où la vaccination est facultative, même si l'on fait également entrer dans le calcul le nombre des enfants qui y sont vaccinés, ce qui favorise la statistique de ces cantons. Il est en tout cas symptomatique que les dernières épidémies se soient manifestées dans les cantons où la vaccination n'est pas obligatoire (Zurich et Soleure).
Il faut en définitive constater que la diphtérie reste une maladie contagieuse redoutable, malgré sa très nette régression durant ces dernières décennies, régression due d'ailleurs à la vaccination. On ne saurait négliger le fait que la bactérie qui en est l'agent étiologique se rencontre encore dans tous les pays et qu'on ne peut dès lors exclure d'emblée la survenance de nouvelles épidémies à l'avenir. Il y a donc lieu de rester vigilant et de protéger, par des moyens appropriés, les populations et en particulier les enfants contre de pareilles contagions, moyens dont la vaccination (sérum antitoxique mélangé à la toxine) est, en l'état actuel de la science médicale, sans contredit le plus efficace. La lutte contre ces épidémies de diphtérie par la vaccination préventive obligatoire constitue donc une mesure importante pour la sauvegarde de la santé publique et répond de ce point de vue à un intérêt public certain.
c) Reste à examiner la question sous l'angle du principe de la proportionnalité. On ne saurait soutenir à cet égard que la vaccination est un moyen qui dépasse la mesure de ce qui est
BGE 99 Ia 747 S. 753
nécessaire pour la protection des intérêts de la collectivité, qu'elle pourrait être remplacée, avec des résultats semblables, par des mesures moins rigoureuses et qu'en conséquence elle ne constituerait pas un moyen proportionné au but visé.
A ce sujet, il faut rappeler que la vaccination contre la diphtérie est en général inoffensive et peu douloureuse. Même si elle devait laisser subsister une cicatrice insuffisamment résorbée, on ne pourrait encore parler d'atteinte grave à l'intégrité corporelle. Au demeurant, lorsqu'il y a une contre-indication médicale justifiée, l'autorité cantonale permet de déroger au principe de la vaccination obligatoire. Il s'agit donc d'une limitation tout à fait admissible de la liberté personnelle, laquelle n'est pas atteinte gravement dans sa substance. Il s'agit de plus d'une mesure adèquate, étant donné l'intérêt prépondérant que représente la sauvegarde de la santé publique. L'expert est formel à cet égard lorsqu'il souligne que le danger d'épidémie n'est pas écarté et qu'il peut menacer à tout moment une agglomération ou une région, d'autant plus que l'intense brassage actuel des populations est un facteur d'augmentation des risques d'épidémie.
Ces éléments sont décisifs. Ils permettent de conclure que, même si l'on ne peut pas dire que l'obligation de vacciner est d'une nécessité absolue, elle n'en constitue pas moins une mesure propre à favoriser la réalisation du but d'intérêt public poursuivi. La fin recherchée par le législateur vaudois, à savoir une protection accrue de la santé publique, l'emporte manifestement sur le sacrifice qui est imposé au citoyen par l'obligation de faire vacciner ses enfants. Le moyen tiré d'une prétendue violation de la liberté personnelle est donc mal fondé.
d) Les pièces déposées par le recourant le 14 septembre 1973, en guise de détermination sur le rapport du Service fédéral de l'hygiène publique, ne permettent pas d'arriver à une autre conclusion. La controverse des milieux médicaux sur l'efficacité de la vaccination antidiphtérique et sur son innocuité ne suffit pas à faire déclarer inconstitutionnelles les dispositions critiquées de la loi vaudoise.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
fbc772df-df33-49d9-952b-30b36a0938ff | Urteilskopf
97 II 7
2. Arrêt de la IIe Cour civile du 17 juin 1971 dans la cause McLeod contre McLeod. | Regeste
Entschädigung im Falle der Ehescheidung.
Art. 151 ZGB
.
Die der Ehefrau als Entschädigung im Sinne von
Art. 151 ZGB
zugesprochene Rente kann zeitlich beschränkt werden, wenn der erlittene Schaden selbst vorübergehender Natur ist. Zur Ermittlung dieses Schadens ist die Lage der Ehefrau nach der Scheidung mit der Lage zu vergleichen, in der sie sich während der ehelichen Gemeinschaft befand. Dabei ist nicht massgebend, wie die Ehegatten sich diese Lage nach ihren eigenen Anschauungen vorstellen mochten, sondern wie das Gesetz diese Lage ordnet (Erw. 3).
Folgen der kurzen Dauer des ehelichen Lebens (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 8
BGE 97 II 7 S. 8
Les époux McLeod-Müller, "qui auraient contracté à Tijuana (Mexique), en 1963, une union qui n'était pas légalement valable", se sont mariés à Bâle le 17 mai 1966. Un enfant est né à Genève le 16 juin suivant. McLeod est ressortissant des Etats-Unis, sa femme a gardé sa nationalité suisse après son mariage.
Le mari a quitté sa femme, le jour même du mariage selon elle. Dame McLeod habite à Genève, chez sa mère, avec son enfant. A trois reprises depuis 1966, elle aurait vu son mari, qui a refusé de reprendre la vie commune. Depuis juin 1969, elle ne l'a plus revu et ignore ce qu'il est devenu.
McLeod ne se soucie absolument pas de sa femme ni de son enfant.
Par jugement du 29 octobre 1970, le Tribunal de première instance de Genève a prononcé le divorce sur demande de la femme, le mari ayant fait défaut. Il a attribué l'enfant à la mère et mis à la charge de McLeod une pension pour l'enfant et une rente mensuelle de 1000 fr. à payer à la demanderesse pendant cinq ans.
La demanderesse a appelé de ce jugement tant en ce qui concerne la pension pour l'enfant que l'indemnité pour elle-même. Sur ce dernier point, elle entend obtenir 1200 fr. sans limite de durée.
Par arrêt du 19 février 1971, la Cour de justice de Genève a modifié le jugement en ce qui concerne la pension pour l'enfant. Elle l'a confirmé pour le surplus, soit notamment en ce qui concerne l'indemnité.
Dame McLeod-Müller a formé un recours en réforme contre cet arrêt. Son recours tend uniquement à faire prononcer que la rente mensuelle de 1000 fr. est due sans limitation de durée. McLeod, invité par voie édictale à déposer une réponse, n'a pas procédé.
La recourante a obtenu le bénéfice de l'assistance judiciaire.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Sur les indemnités, seul point demeurant en litige, le Tribunal de première instance constate que la demanderesse,
BGE 97 II 7 S. 9
qui ne travaille que la moitié de la journée, gagne plus de 1000 fr. par mois et partant ne peut invoquer l'art. 152 CC. C'est sur la base de l'art. 151 CC qu'il alloue une rente de 1000 fr. par mois pendant cinq ans, sans motiver davantage sa décision.
La Cour de justice s'est bornée à deux considérants:
"que les circonstances du mariage, célébré pour légitimer l'enfant devant naître un mois plus tard, sont telles que la Cour ne saurait aller au-delà de ce que le premier juge a accordé en application de l'art. 151;
que le divorce qu'a sollicité dame McLeod lui rend une liberté qu'elle n'avait pas dans un mariage sans grande signification pour son avenir et qui n'a pas comporté de vie commune."
2.
La recourante conteste que le mariage ait été célébré uniquement pour légitimer l'enfant. Elle s'efforce, dans son mémoire de recours, de démontrer que le mariage qu'elle aurait contracté au Mexique en 1963 était valide au Mexique et qu'elle s'est toujours considérée dès ce mariage mexicain comme la femme légitime de McLeod.
Mais ce sont là de simples affirmations qui sortent du cadre des faits de l'arrêt déféré, lequel n'a pas retenu qu'un mariage ait jamais été réellement célébré au Mexique. La recourante ne soutient pas que la cour cantonale aurait, par une inadvertance manifeste, omis de prendre en considération un document ni qu'une réquisition de preuve sur ce point aurait été rejetée au mépris de l'art. 8 CC.
Le Tribunal fédéral doit donc s'en tenir aux circonstances du mariage telles que les constate l'arrêt de la Cour (art. 63 OJ).
3.
Le mariage est une institution dont le contenu est impérativement fixé par la loi. L'échange des consentements devant l'officier de l'état civil est générateur d'un statut du droit de la famille: il crée l'union conjugale (art. 159 al. 1 CC) avec tous les effets que la loi - et la loi seule - y attache, sans qu'il soit possible aux époux, même de leur consentement mutuel, de s'affranchir des devoirs et obligations qu'il comporte. Réservés les cas de nullité, limitativement énumérés, et dont il n'est pas question dans la présente cause, les "circonstances du mariage", quelles qu'elles soient, sont sans conséquence sur les effets du mariage. En particulier, les motifs, les mobiles respectifs des époux ne sauraient influer sur leurs obligations réciproques. La portée, la signification que les époux ont attachée à leur mariage n'affecte en rien leurs devoirs légaux.
BGE 97 II 7 S. 10
Les deux considérants, reproduits ci-dessus, par lesquels la Cour de justice limite l'indemnité à cinq ans contredisent cette conception et partant violent le droit fédéral. Certes, l'indemnité due en vertu de l'art. 151 CC peut être limitée dans le temps. Mais cette limitation doit se justifier par des motifs tirés de la nature et de la durée du dommage, dommage qui doit lui-même être déterminé en comparant la situation de la femme divorcée avec celle que lui aurait procurée l'union conjugale, non pas telle que les parties pouvaient se la représenter ou même la vouloir effectivement lors du mariage, selon leurs conceptions propres, mais telle que l'organise la loi, avec les devoirs et les droits que comporte le statut Iégal.
4.
En l'espèce, il ressort de l'arrêt qu'ingénieur électronicien, le défendeur gagne largement sa vie. Il était en mesure d'offrir à sa femme des conditions de vie aisée.
Si le divorce rend à la demanderesse sa liberté, l'usage qu'elle en peut faire est restreint par l'obligation où elle est de gagner sa vie et par ses devoirs de mère. La recourante ne subit pas un préjudice passager, qu'une rente transitoire suffit à réparer.
Il n'y a dès lors pas de motifs de limiter la rente dans le temps. L'arrêt n'en articule d'ailleurs pas d'autre que celui tiré des "circonstances du mariage", lequel ne peut pas être retenu. La seule circonstance objective qui aurait pu être prise en considération, la courte durée de la vie conjugale, ne serait pertinente que si l'on pouvait en déduire que, par sa brièveté, le mariage n'avait pas été de nature à modifier réellement les habitudes de vie de la demanderesse. Mais tel n'est pas le cas. Au demeurant, la naissance de l'enfant, issu de cette union, change complètement les conditions de vie de la demanderesse.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours et réforme l'arrêt déféré en ce sens que le défendeur servira à la demanderesse une rente viagère de 1000 fr. par mois en application de l'art. 151 CC;
Confirme l'arrêt déféré pour le surplus. | public_law | nan | fr | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fbcc0f86-d587-42bc-ab4a-9a12cb6a4011 | Urteilskopf
110 V 248
40. Urteil vom 6. August 1984 i.S. Kündig gegen Ausgleichskasse VATI und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Art. 23, 25 AHVG
,
Art. 38 ZGB
.
- Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Verschollenerklärung (Erw. 1).
- Die Verschollenerklärung entfaltet die gesetzlichen Wirkungen vom Zeitpunkt der Todesgefahr oder der letzten Nachricht an bis zu ihrer richterlichen Aufhebung. Für diese Zeitspanne ist die Ehefrau des Verschollenen als Witwe im Sinne von
Art. 23 AHVG
zu betrachten. Im Falle der Aufhebung der Verschollenerklärung ist sie für die während der Verschollenheit bezogenen Witwenrenten nicht rückerstattungspflichtig (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 248
BGE 110 V 248 S. 248
A.-
Bruno Kündig wurde am 27. Juli 1977 vom Einzelrichter des Bezirksgerichts X. wegen langer nachrichtenloser Abwesenheit als seit dem 16. Januar 1970 verschollen erklärt. Seiner Ehefrau Ilse Kündig sprach die Ausgleichskasse VATI aufgrund einer Anmeldung vom 31. März 1977 ab 1. März 1972 eine Witwenrente zu (Verfügungen vom 6. Juni und 7. November 1977). Nachdem die Ausgleichskasse Meldungen erhalten hatte, dass sich Bruno Kündig in Spanien aufhalte, stellte sie die Rentenzahlungen auf
BGE 110 V 248 S. 249
Ende April 1982 ein (Verfügung vom 27. April 1982) und forderte von Ilse Kündig die geleisteten Renten im Betrag von insgesamt Fr. 94 400.-- gestützt auf
Art. 47 AHVG
zurück (Verfügung vom 11. Mai 1982). Am 8. Juli 1982 widerrief der Einzelrichter des Bezirksgerichts X. die Verschollenerklärung des Bruno Kündig.
B.-
Die gegen die beiden Verfügungen vom 27. April und 11. Mai 1982 erhobene Beschwerde wies die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich mit Entscheid vom 4. November 1982 ab.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Ilse Kündig beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der beiden angefochtenen Kassenverfügungen sei ihr bis Ende Juli 1982 eine Witwenrente auszurichten und es sei von einer Rückerstattung abzusehen.
Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Gewährung von Witwen- und Waisenrenten setzt den Tod des Ehemannes bzw. eines oder beider Elternteile voraus. Dem Tod gleichgestellt ist in Anknüpfung an
Art. 38 ZGB
die Verschollenerklärung (EVGE 1967 S. 237 Erw. 3, 1960 S. 97, 1953 S. 230 Erw. 2; ZAK 1960 S. 178 Erw. 1, 1952 S. 170 ff., 1951 S. 41, 1948 S. 488; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, L'état civil et l'assurance-vieillesse et survivants, SZS 1962, S. 16-19; JEAN-DANIEL DUCOMMUN, Problèmes juridiques actuels de l'assurance-vieillesse et survivants, ZSR 74/1955 II, S. 270a-274a). Von der Regelung des
Art. 38 ZGB
ist das Sozialversicherungsrecht insofern abgewichen, als bereits vor der Verschollenerklärung im Sinne einer "vorgängigen sozialen Massnahme" Leistungen erbracht werden können, sofern im Falle der langen nachrichtenlosen Abwesenheit das Gesuch um Verschollenerklärung bereits gestellt bzw. dies nicht zumutbar ist oder wenn bei Verschwinden in Todesgefahr die Stellung des Gesuchs noch nicht möglich ist (EVGE 1960 S. 98; vgl. EVGE 1967 S. 235 Erw. 1 sowie Wegleitung des BSV über die Renten vom 1. Januar 1980, Rz. 128.2 - in der Fassung gemäss Nachtrag 2 - und Rz. 176). Eine weitere Abweichung vom Zivilrecht besteht darin, dass zwar die Wirkung der Verschollenerklärung entsprechend
Art. 38 Abs. 2 ZGB
grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Todesgefahr bzw. der letzten Nachricht zurückbezogen wird, jedoch der Frist des
Art. 46 Abs. 1 AHVG
Rechnung
BGE 110 V 248 S. 250
zu tragen ist, wonach der Anspruch auf Nachzahlung mit dem Ablauf von 5 Jahren seit Ende des Monats, für welchen die Leistung geschuldet war, erlischt; diese Frist bleibt gewahrt, wenn das Leistungsgesuch vor ihrem Ablauf eingereicht wird, auch wenn die Verschollenerklärung durch den Richter noch nicht ausgesprochen ist (EVGE 1967 S. 236 Erw. 2 und 3; ZAK 1960 S. 178 Erw. 1).
2.
Das Eidg. Versicherungsgericht hat bisher nicht entscheiden müssen, welche Wirkung der richterlichen Aufhebung einer Verschollenerklärung im Sozialversicherungsrecht zukommt. Vorliegend ist umstritten, ob die Aufhebung der Verschollenerklärung die Pflicht zur Rückerstattung der während der Verschollenheit ausgerichteten Witwenrenten nach sich zieht und ob die Ausgleichskasse die Rentenzahlungen bereits vor der richterlichen Aufhebungsverfügung vom 8. Juli 1982 einstellen durfte.
a) Der Zweck der Verschollenerklärung besteht darin, der Ungewissheit über das Schicksal eines Vermissten im Interesse der mit ihm verbundenen Personen rechtlich ein Ende zu bereiten. Diesen Personen wird im Sinne einer Umkehrung der Beweislast der Nachweis des Todes erlassen, damit sie die aus dem Tode abgeleiteten Rechte geltend machen können, wie wenn der Tod bewiesen wäre (
Art. 38 Abs. 1 ZGB
). Folgerichtig löst die Verschollenerklärung in der AHV einen Anspruch auf Witwen- und Waisenrenten aus, weil mit ihr der Beweis für eine dem Tod des Versicherten gleichzustellende Tatsache erbracht wird (EVGE 1967 S. 237 Erw. 3 mit Hinweis).
Die Verschollenerklärung entfaltet ihre Wirkung vom Zeitpunkt der Todesgefahr oder der letzten Nachricht an (
Art. 38 Abs. 2 ZGB
), bis der Nachweis erbracht werden kann, dass der Vermisste lebt, oder wenn die Tatsache und der Zeitpunkt seines Todes festgestellt werden können (JACQUES-MICHEL GROSSEN, Das Recht der Einzelpersonen, Schweizerisches Privatrecht, Bd. II, S. 308). Die Aufhebung der Verschollenerklärung hat im Interesse der Rechtssicherheit durch den Richter zu erfolgen; bis dahin bleibt der Vermisste auch im Todesregister als verschollen eingetragen (
Art. 51 ZGB
,
Art. 91 Abs. 3 ZStV
). Damit wird jenen Unsicherheiten begegnet, mit denen neue Anhaltspunkte über das Schicksal des Vermissten behaftet sind. Bis alle Zweifel über die Identität ausgeräumt sind, hat der Richter - wie vorliegend - unter Umständen eingehende Abklärungen zu treffen, weshalb auch in zeitlicher Hinsicht auf seinen Entscheid abzustellen ist. Für den Zeitraum der rechtsgültigen Verschollenerklärung treten daher die
BGE 110 V 248 S. 251
daran geknüpften Rechtsfolgen ein. Demnach sind Witwen- und Waisenrenten bis zur richterlichen Aufhebung der Verschollenerklärung auszurichten. Dies entspricht auch der Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts, wonach eine Witwe ihren Status so lange beibehält, als sie nicht wieder heiratet (
BGE 105 V 10
Erw. 1, 211) oder der Zivilrichter nicht ihre durch den Tod aufgelöste Ehe als ungültig erklärt (EVGE 1965 S. 74). Ob anders zu entscheiden ist, wenn die Rentenberechtigten die richterliche Aufhebung der Verschollenerklärung schuldhaft hinauszögern, kann vorliegend offenbleiben.
b) Verwaltung und Vorinstanz gehen davon aus, die Voraussetzungen für die Ausrichtung einer Witwenrente seien rückwirkend nicht erfüllt gewesen. Die Vorinstanz begründet dies im wesentlichen damit, dass die Verschollenerklärung "gänzlich widerrufen" und dadurch festgestellt worden sei, dass die Beschwerdeführerin nie Witwe im Sinne des
Art. 23 AHVG
gewesen sei. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Abgesehen davon, dass die aus der Verschollenerklärung abgeleiteten Rechte bis zum richterlichen Aufhebungsentscheid bestehen und die Beschwerdeführerin bis zu diesem Zeitpunkt sozialversicherungsrechtlich als Witwe zu betrachten ist (Erw. a hievor), lässt sich eine Rückwirkung mit dem Zweck der Sozialversicherung nicht vereinbaren. Denn Renten der AHV und IV bezwecken die Deckung des Existenzbedarfs der Betagten, Hinterlassenen sowie Invaliden und sind für den Unterhalt und bei Jugendlichen zusätzlich für die Erziehung bestimmt (
BGE 107 V 213
; ZAK 1982 S. 95 mit Hinweisen). Dies kommt insbesondere auch darin zum Ausdruck, dass Rentenleistungen unter gewissen Voraussetzungen bereits vor einer Verschollenerklärung im Sinne einer vorgängigen Sozialmassnahme erbracht werden können (Erw. 1 hievor). In diesen Fällen ist allerdings eine Rückerstattungspflicht anzunehmen, wenn der Richter die Verschollenerklärung nicht ausspricht (AUBERT, a.a.O., S. 19), da die Wirkungen des
Art. 38 ZGB
gar nie eingetreten sind.
Zu Unrecht leitet das BSV aus der im Erbrecht vorgesehenen Sicherstellungs- und Herausgabepflicht (
Art. 546 ff. ZGB
) ab, für den Bereich der AHV sei ebenfalls eine Rückerstattungspflicht anzunehmen. Im Erbrecht sind im Gegensatz zur AHV nicht nur die Interessen der Hinterlassenen, sondern auch diejenigen des Verschollenen und besser berechtigter Dritter zu berücksichtigen. Das Zivilrecht regelt die Wirkungen der umgestossenen Verschollenerklärung ohnehin nicht einheitlich, lebt doch z.B. eine durch
BGE 110 V 248 S. 252
den Richter nach
Art. 102 ZGB
aufgelöste Ehe nicht wieder auf (EGGER, N. 2 zu
Art. 102 ZGB
; GÖTZ, N. 4 und 8 zu
Art. 102 ZGB
).
c) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Beschwerdeführerin bis zur Verfügung des Einzelrichters des Bezirksgerichts X. vom 8. Juli 1982, d.h. bis Ende Juli 1982 Anspruch auf eine Witwenrente hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 4. November 1982 und die Verfügungen der Ausgleichskasse VATI vom 27. April und 11. Mai 1982 aufgehoben, und es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin bis Ende Juli 1982 Anspruch auf eine Witwenrente hat. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fbd3bca7-2897-430e-aef9-34e5990a3a31 | Urteilskopf
125 V 435
71. Auszug aus dem Urteil vom 20. Dezember 1999 i.S. H. gegen Visana und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | Regeste
25 Abs. 1,
Art. 41 und 42 Abs. 1 KVG
; Art. 163 Abs. 1 sowie
Art. 276 Abs. 1 und 2 ZGB
: Ärztliche Behandlung durch einen Elternteil.
Die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erstreckt sich auch auf ärztliche Behandlungen durch einen Elternteil des versicherten Kindes. | Erwägungen
ab Seite 435
BGE 125 V 435 S. 435
Aus den Erwägungen:
1.
Streitig und zu prüfen ist, ob und bejahendenfalls inwieweit die Krankenversicherung für die medizinischen Leistungen, die eine Ärztin oder ein Arzt dem eigenen Kind erbringt, aufzukommen hat.
3.
a) Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (
Art. 25 Abs. 1 KVG
). Haben Versicherer und Leistungserbringer nichts anderes vereinbart, so schulden gemäss
Art. 42 KVG
die Versicherten den Leistungserbringern die Vergütung der Leistung, wobei sie gegenüber dem Versicherer einen Anspruch auf Rückerstattung (im Sinne der Erstattung oder Vergütung) haben (System des Tiers garant). Ein Anspruch auf Erstattung des Honorars eines freipraktizierenden
BGE 125 V 435 S. 436
Leistungserbringers durch den Versicherer besteht jedoch nur, wenn eine solche Honorarforderung nach den zivilrechtlichen Voraussetzungen gegeben ist (vgl. EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Rz. 327 Fn. 787).
b) Gemäss
Art. 163 Abs. 1 ZGB
sorgen die Ehegatten gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. Sie haben insbesondere auch für den Unterhalt des Kindes aufzukommen (
Art. 276 Abs. 1 ZGB
), wobei dieser üblicherweise in natura geleistet wird, indem dem Kind in der häuslichen Gemeinschaft Pflege und Erziehung erwiesen werden. Zum gebührenden Unterhalt gehört auch die Bezahlung von Beiträgen an die Sozialversicherungen (BRÄM/HASENBÖHLER, Zürcher Kommentar, N. 34 zu
Art. 163 ZGB
). Mit der Argumentation, wonach die durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung gedeckten Behandlungskosten zum gebührenden Familienunterhalt gemäss
Art. 163 und 276 ZGB
zu zählen seien, verkennt die Vorinstanz, dass dieser Unterhalt in einer Rechtsordnung mit dem System der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, welche die fraglichen Leistungen abdeckt, durch die Bezahlung der Versicherungsprämien und der Kosten des Selbstbehaltes sowie der Franchise geleistet wird. (...). Von den Eltern kann deshalb unter dem Gesichtswinkel der familienrechtlichen Unterhaltspflicht nicht gefordert werden, dass sie die ärztliche Behandlung für ihr Kind neben der gemeinsamen Tragung der Prämien und übrigen Kosten leisten. Zum Unterhalt nach
Art. 163 und 276 ZGB
gehören zwar auch die Gesundheitskosten; mit dem Versicherungsobligatorium ist aber die Frage, inwieweit medizinische Behandlungen zum Unterhalt zu zählen sind, weitgehend hinfällig geworden (vgl. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, N. 16a zu
Art. 163 ZGB
). Diejenigen Behandlungen des eigenen Kindes durch einen Elternteil, die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen sind, können somit nicht als Beitragsart betrachtet werden. (...)
4.
Zu prüfen ist des Weiteren, ob sich ein Kind statt von einem andern Arzt von einem Elternteil zu Lasten der Krankenversicherung behandeln lassen kann.
a)
Art. 41 KVG
garantiert den Versicherten freie Arztwahl. Diese Bestimmung sieht in keiner Weise eine Einschränkung dahingehend vor, dass ein Kind nicht durch einen Elternteil ärztlich behandelt werden könnte, sondern einem Dritten zugeführt werden müsste.
BGE 125 V 435 S. 437
b) Bezüglich Gültigkeit des Rechtsgeschäfts und einer allfällig daraus resultierenden Honorarforderung ist zu prüfen, ob die Eltern als gesetzliche Vertreter das der ärztlichen Behandlung zu Grunde liegende Auftragsverhältnis überhaupt begründen können. Diese Frage ist zu bejahen, weil das Kind durch das Vertragsverhältnis nur begünstigt, nicht aber verpflichtet wird und deshalb das Selbstkontrahieren erlaubt ist (HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 12 zu altArt. 282 ZGB).
6.
Zusammengefasst gilt das Recht auf freie Arztwahl auch im Eltern-Kind-Verhältnis. Da den entsprechenden medizinischen Leistungen ein Rechtsverhältnis zu Grunde liegt und in einer Rechtsordnung mit dem System der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nicht verlangt werden kann, dass unter dem Gesichtswinkel der familienrechtlichen Unterhaltspflicht die ärztliche Behandlung neben der Tragung der Prämien und übrigen Kosten geleistet wird, ist der Mutter der Versicherten als Leistungserbringerin auch für die Kosten der Behandlung ein Honoraranspruch entstanden, wobei grundsätzlich ein Anspruch auf Rückerstattung gegenüber dem Versicherer besteht. Dem Krankenversicherer obliegt die massliche Überprüfung der Forderung. | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fbd47b99-9d57-488a-a95c-7687c1edeea6 | Urteilskopf
115 IV 137
30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. April 1989 i.S. E. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Anwendung des Ordnungsbussenverfahrens.
Bedarf die Ermittlung des Täters bei unklarer bzw. bestrittener Täterschaft weiterer Untersuchungshandlungen, so ist dafür grundsätzlich nicht das Ordnungsbussen-, sondern das ordentliche Verfahren einzuschlagen. | Sachverhalt
ab Seite 137
BGE 115 IV 137 S. 137
A.-
Anlässlich einer Geschwindigkeitskontrolle wurde ein Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ausserorts durch einen Personenwagen festgestellt; Halter des Fahrzeuges ist T. W., dem in der Folge ein Verzeigungsvorhalt mit Einzahlungsschein und Bussenliste zugestellt wurde; der Vorhalt wies darauf hin, dass der Betrag von Fr. 100.-- bezahlt, oder aber das ordentliche Verfahren verlangt werden könne. Der Aufforderung, den verantwortlichen Lenker zu nennen, kam T. W. nicht nach. Die Kantonspolizei Baselland befragte in der Folge T. W. und dessen Ehefrau E. W. dazu; auch Vergleichsphotographien wurden erstellt, die indessen keinen sicheren Aufschluss darüber ergaben, wer das Fahrzeug gelenkt hatte. Gegen den daraufhin gestützt auf eine Aussage ihres Ehemannes erlassenen Strafbefehl gegen E. W. erhob diese Einsprache.
Am 20. April 1988 sprach das Bezirksgericht Aarau E. W. der Missachtung der Höchstgeschwindigkeit ausserorts schuldig und verurteilte sie zu einer Busse von Fr. 100.--.
BGE 115 IV 137 S. 138
Die dagegen erklärte Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau am 21. September 1988 ab.
B.-
Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt E. W., das Urteil des Obergerichts aufzuheben.
C.-
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichteten auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für Polizeiwesen schliesst in seinem Amtsbericht sinngemäss auf die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die vom Bundesrat gestützt auf Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Ordnungsbussen im Strassenverkehr vom 24. Juni 1970 (OBG; SR 741.03) bezeichneten Übertretungen sind grundsätzlich im Ordnungsbussenverfahren zu erledigen (
BGE 105 IV 139
E. 2).
Art. 2 lit. b der Verordnung über Ordnungsbussen im Strassenverkehr vom 22. März 1972 (OBV; SR 741.031)
bestimmt, dass die Polizeiorgane von einer Ordnungsbusse abzusehen haben, wenn dem Täter, der eine Übertretung im rollenden Verkehr begangen hat, der Sachverhalt nicht an Ort und Stelle vorgehalten werden kann; ausgenommen von dieser Regelung sind u.a. Geschwindigkeitsübertretungen (bis 15 km/h; vgl.
BGE 105 IV 140
f. E. 4).
b) Ordnungsbussen sind trotz ihrer Abhängigkeit von der Zustimmung des Täters echte Strafen; abgesehen davon, dass Vorleben und persönliche Verhältnisse nicht berücksichtigt werden, gelten die Grundsätze des Strafrechts; vor allem wird eine Schuld des Täters vorausgesetzt (BBl 1969 I/2 1093).
Dass die Anwendung des Ordnungsbussenverfahrens dennoch zulässig sei, wird damit begründet, dass man es bei den in Betracht kommenden Tatbeständen durchwegs mit einem problemlosen Verschulden zu tun habe, das weitgehend im objektiven Sachverhalt zum Ausdruck komme; bei diesen Fällen erübrige es sich durchwegs, näher auf das Verschulden einzugehen (BBl 1969 I/2 1094).
c) Hätte sich die Beschwerdeführerin in ihrer Einsprache darauf beschränkt, die Durchführung des Ordnungsbussenverfahrens zu verlangen, so hätte ihr ein Ordnungsbussen-Zettel mit Bedenkfrist gemäss
Art. 7 OBV
ausgestellt werden müssen. Die Beschwerdeführerin bestritt indessen ausdrücklich, das Fahrzeug im fraglichen Zeitpunkt gesteuert zu haben; ihre Behauptung, sie hätte eine
BGE 115 IV 137 S. 139
allfällige Ordnungsbusse "wahrscheinlich bezahlt", steht damit im Widerspruch zu ihrem ganzen bisherigen Prozessverhalten. Die Täterschaft bezüglich der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung war somit von Anfang an bestritten.
Die ungeschmälerte Geltung der allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze führt dazu, dass nur der Täter bzw. der Teilnehmer der Widerhandlung strafbar ist, nicht aber der Fahrzeughalter an dessen Stelle; es geht deshalb nicht an, jemanden ausschliesslich in seiner Eigenschaft als Halter des von der Radaranlage erfassten Fahrzeuges zur Rechenschaft zu ziehen und zu büssen (
BGE 102 IV 257
f. E. 2). Ist daher - wie hier - nicht klar, wer Täter der Geschwindigkeitsüberschreitung ist, so gebietet das Erfordernis eines Verschuldens die Ermittlung eines Täters, dem dieses zugewiesen werden kann. Dies ist - insbesondere wenn wie hier die beiden einzigen in Frage kommenden Personen nichts zur Klärung des Sachverhaltes beitragen - nicht mehr auf dem Wege des Ordnungsbussenverfahrens möglich, denn bei unklarer bzw. bestrittener Täterschaft liegt nicht mehr jenes problemlose Verschulden vor, welches noch im Ordnungsbussenverfahren - aus Gründen der Vereinfachung des Verfahrens bei zweifelsfrei feststellbaren Widerhandlungen - geahndet werden kann. Bedarf daher die Ermittlung des Täters weiterer Untersuchungshandlungen wie Einvernahmen usw., so ist dafür grundsätzlich das ordentliche Verfahren einzuschlagen.
d) Indem die Vorinstanz im vorliegenden Fall die Ahndung der durch die Beschwerdeführerin begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung im Strafbefehlsverfahren bzw. im ordentlichen Verfahren bestätigte, hat sie daher kein Bundesrecht verletzt. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fbd8652c-84ea-408a-b33d-6bd0dee09b1d | Urteilskopf
122 III 101
21. Arrêt de la Ire Cour civile du 11 mars 1996 dans la cause F. contre X. (recours en réforme) | Regeste
Art. 61 Abs. 1 OR
und Art. 2 ÜbBest. BV. Haftung der an öffentlichen Spitälern arbeitenden Ärzte für die Behandlung von Privatpatienten; Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Tätigkeit.
Zulässigkeit der Berufung (E. 1).
Art. 61 Abs. 1 OR
erlaubt den Kantonen, alle in einem öffentlichen Spital an den Patienten vorgenommenen medizinischen Pflege- und Behandlungsmassnahmen einer einheitlichen Regelung zu unterstellen. Im Einzelfall ist deshalb in erster Linie aufgrund des kantonalen öffentlichen Rechts zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und gegen wen ein Patient eine Haftungsklage erheben kann (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 102
BGE 122 III 101 S. 102
F. a consulté, en tant que patiente privée, le professeur X., médecin-chef de l'Hôpital cantonal universitaire de Genève. Devant être opérée pour une maladie héréditaire à transmission dominante, elle a demandé par écrit à celui-ci de lui ligaturer les trompes utérines au cours de cette opération. Près de dix ans plus tard, F. a reproché au professeur X. d'avoir procédé à sa stérilisation sans que celle-ci ait été justifiée du point de vue médical et sans s'être préalablement assuré qu'elle y avait consenti librement et en toute connaissance de cause.
F. a ouvert action en paiement contre X. pour un montant de 336'000 fr., comprenant notamment le remboursement de ses frais de psychothérapie, une indemnité pour perte de gain et la réparation de son tort moral. Considérant que l'action était prescrite en vertu de l'
art. 60 al. 1 CO
, appliqué à titre de droit cantonal supplétif, le Tribunal de première instance du canton de Genève a rejeté la demande. Saisie d'un appel de la demanderesse, la Cour de justice du canton de Genève a confirmé le jugement attaqué.
Parallèlement à un recours de droit public qui a été rejeté, dans la mesure où il était recevable, par arrêt séparé de ce jour, la demanderesse interjette, contre l'arrêt de la Cour de justice, un recours en réforme au Tribunal fédéral. Elle conclut à l'annulation de l'arrêt cantonal, à ce que ses prétentions soient déclarées non prescrites et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision sur le fond. Le défendeur conclut, à la forme, à l'irrecevabilité du recours et, au fond, au rejet de celui-ci.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La demanderesse a ouvert action contre le défendeur devant le Tribunal de première instance du canton de Genève et a fondé sa prétention sur les
art. 394 ss et 127 CO
. Considérant que la cause était de nature publique, les juges genevois, qui, en vertu des règles d'organisation judiciaire genevoises, sont également compétents pour trancher les litiges relevant de la responsabilité de l'Etat pour les actes de ses fonctionnaires, l'ont jugée en faisant application du droit public cantonal. Dans son recours en réforme, la demanderesse reproche à la Cour de justice d'avoir appliqué à tort le droit public cantonal au lieu du droit privé fédéral.
Dans la mesure où la demanderesse soutient que son action est de nature civile et qu'elle se plaint d'une violation du principe de la force dérogatoire du droit fédéral (art. 2 Disp. trans. Cst.), le Tribunal
BGE 122 III 101 S. 103
fédéral doit examiner son grief dans la procédure sur le recours en réforme (POUDRET, COJ, n. 1.6.1. ad
art. 43 OJ
). Le choix de la voie de recours ne saurait dépendre de la nature du droit appliqué par la cour cantonale, en l'occurrence le droit public cantonal. La juridiction de réforme doit donc vérifier si la Cour de justice a violé le droit privé fédéral en admettant que le défendeur a agi comme fonctionnaire dans l'exercice de sa charge officielle et, partant, en appliquant le droit public cantonal à la responsabilité de celui-ci.
2.
Selon la cour cantonale, la responsabilité du défendeur découle du droit public cantonal car, même à l'égard de ses patients privés, le médecin-chef d'un hôpital public agit comme fonctionnaire. L'acte prétendument dommageable ayant été exécuté en 1981, la responsabilité du défendeur est régie par l'ancienne loi genevoise sur la responsabilité civile de l'Etat et des communes du 23 mai 1900 (ci-après: aLR), qui prévoit une responsabilité concurrente de l'Etat et des fonctionnaires envers le lésé. Comme l'art. 3 aLR renvoie aux dispositions générales du code des obligations, le délai de prescription est de un an selon l'
art. 60 al. 1 CO
, appliqué à titre de droit cantonal supplétif, et l'action de la demanderesse est prescrite. Celle-ci critique cette argumentation. Elle soutient que, puisqu'elle était une patiente privée, son action ne vise pas l'activité officielle, mais l'activité médicale exercée à titre privé du défendeur. La responsabilité de celui-ci devrait donc être jugée selon le droit privé fédéral, soit selon les règles du mandat des
art. 394 ss CO
, et, partant, le délai de prescription serait de dix ans en vertu de l'
art. 127 CO
.
a) En principe, les fonctionnaires et employés publics répondent du dommage qu'ils causent selon le droit fédéral (
art. 41 ss CO
). En vertu de l'
art. 61 CO
, la législation cantonale peut déroger aux dispositions sur les obligations résultant des actes illicites des
art. 41 ss CO
en ce qui concerne la responsabilité encourue par des fonctionnaires et employés publics pour le dommage ou le tort moral qu'ils causent dans l'exercice de leur charge (al. 1); elle ne peut y déroger, toutefois, s'il s'agit d'actes se rattachant à l'exercice d'une industrie (al. 2).
Il s'agit donc de déterminer dans quelle mesure les cantons peuvent déroger aux règles de la responsabilité délictuelle, quels actes ils peuvent soumettre à leur propre droit. En particulier, il faut examiner si, sans violer le principe de la force dérogatoire du droit fédéral, ils peuvent régler la responsabilité des médecins autorisés à avoir une clientèle
BGE 122 III 101 S. 104
privée pour les actes que ceux-ci accomplissent à l'égard de leurs patients privés.
aa) Selon la jurisprudence, le traitement des malades dans les hôpitaux publics ne relève pas de l'exercice d'une industrie, mais bien de l'exécution d'une tâche publique. Les dommages qui peuvent y survenir sont causés dans l'exercice d'une activité de puissance publique; ils ne constituent pas la violation d'un contrat de droit privé, et ce même si la relation nouée entre le patient et l'hôpital est semblable à un rapport contractuel puisque le premier accepte la prise en charge du second et lui verse une rémunération (
ATF 115 Ib 175
consid. 2,
ATF 111 II 149
consid. 3a). Par conséquent, c'est donc en premier lieu sur la base du droit public cantonal que l'on détermine contre qui et à quelles conditions le patient peut agir en réparation de son dommage et de son tort moral en cas de traitement inadéquat (
ATF 115 Ib 175
consid. 2). Dans les
ATF 82 II 324
,
ATF 102 II 45
et
ATF 112 Ib 334
, le Tribunal fédéral a aussi qualifié la relation entre le patient privé et le médecin-chef de l'hôpital en se basant d'abord sur le droit cantonal. Dans le dernier de ces arrêts, alors qu'il s'agissait pour lui d'interpréter, en en précisant l'étendue, une disposition légale cantonale, il a en outre jugé que l'on ne saurait parler d'une activité de médecin privé lorsque plusieurs médecins participent à une opération. La loi sur la responsabilité de l'Etat serait vidée de sa substance si on admettait que le dommage, dont toute une équipe de médecins de l'hôpital doit répondre, n'engage pas la responsabilité de l'Etat en raison du caractère prétendument privé de l'activité du médecin-chef; la victime ou ses successeurs ne sont, en règle générale, pas en mesure de déterminer le rôle joué par chacune des personnes qui participent à une opération. Tout en laissant ouverte la question de la qualification des soins ambulatoires donnés aux patients privés et des expertises effectuées par les médecins-chefs, le Tribunal fédéral a ainsi jugé qu'une réglementation différenciée semble incompatible avec l'esprit de la loi sur la responsabilité de l'Etat dans le cas de patients hospitalisés, qu'en d'autres termes une réglementation globale s'impose (
ATF 112 Ib 334
consid. 2c p. 337-338).
bb) L'
art. 61 al. 1 CO
contient une réserve facultative ou habilitante en faveur du droit public cantonal (HUBER, Berner Kommentar, n. 103 ad
art. 6 CC
; LIVER, Berner Kommentar, n. 18 ad
art. 5 CC
; DESCHENAUX, Le Titre préliminaire du Code civil, in Traité de droit privé suisse, tome II/1, Fribourg 1969, p. 38). Les cantons sont donc libres de soumettre les actes des médecins fonctionnaires au droit public cantonal et ils peuvent le
BGE 122 III 101 S. 105
faire également pour les actes des médecins à l'égard de leurs patients privés. Si les cantons ne font pas usage de cette faculté, les actes des médecins sont régis directement par les
art. 41 ss CO
, à titre subsidiaire.
Dans l'arrêt non publié du 18 avril 1989, dans la cause R. contre le canton de Schaffhouse, le Tribunal fédéral s'est montré favorable à une réglementation globale, en particulier sous l'angle de la responsabilité, pour tous les soins et traitements médicaux donnés aux patients hospitalisés dans un hôpital public, sans égard à la personne du patient ou à la section dans laquelle celui-ci est hospitalisé. Il ne se justifie donc nullement d'interdire aux cantons d'adopter, en dérogation à l'
art. 61 al. 1 CO
, une réglementation uniforme de ce type. L'activité privée des médecins-chefs est une occupation accessoire que le canton doit pouvoir qualifier d'activité officielle et soumettre à une réglementation uniforme, et ce sans distinguer si elle est exercée à titre individuel ou en collaboration avec d'autres fonctionnaires. Une telle réglementation est manifestement dans l'intérêt des patients.
cc) Par conséquent, la délimitation dans un cas particulier entre droit privé et droit public ne s'effectue pas selon les théories habituelles, notamment de la subordination, de l'intérêt en cause ou des personnes impliquées, mais selon l'usage que le canton a fait de la réserve de l'
art. 61 al. 1 CO
. Le droit cantonal détermine donc si le rapport juridique entre l'hôpital et ses usagers est exclusivement de nature publique ou s'il a partiellement un caractère privé. C'est lui qui fixe si et dans quelle mesure les médecins-chefs autorisés à exercer une activité privée répondent des dommages causés à leurs patients privés. Le droit cantonal et, cas échéant, son interprétation n'ont cependant pas à être examinés dans la procédure de recours en réforme. Ce n'est que s'il devait se révéler que le canton n'a pas fait usage de la faculté que lui laisse l'
art. 61 al. 1 CO
, qu'il n'a pas soumis l'acte dommageable litigieux du médecin au droit public cantonal, que la violation des
art. 41 ss CO
devrait être examinée par la juridiction de réforme.
b) Par arrêt séparé de ce jour, le recours de droit public interjeté par la demanderesse a été rejeté dans la mesure où il était recevable. La cour cantonale n'ayant pas arbitrairement appliqué le droit public cantonal genevois à la présente cause, l'application à titre subsidiaire des
art. 41 ss CO
ne peut intervenir. Aucune violation du droit privé fédéral n'étant avérée, le présent recours en réforme doit être rejeté et l'arrêt attaqué confirmé. | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
fbdccd54-d603-48dc-ac23-db53773f93ae | Urteilskopf
99 Ia 247
29. Urteil vom 13. August 1973 i.S. Jost gegen Studienkonsortium Kernkraftwerk Kaiseraugst und Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. | Regeste
Bewilligung eines Kernkraftwerkes;
Art. 4 BV
,
Art. 22ter BV
, Gemeindeautonomie.
1. Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden; Verhältnis zwischen
Art. 86 und 87 OG
(Erw. 1).
2. Kognition bei Beschwerden wegen Verletzung der Eigentumsgarantie (Erw. 2).
3. Umfang und Schutz der Autonomie der aargauischen Gemeinden im Bereiche der Rechtsanwendung (Erw. 3).
4. Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Erteilung der Baubewilligung an einen Dritten (Erw. 4 u. 6).
5. Kompetenzen von Bund und Kanton bei der Bewilligung von Kernkraftwerken. Ob die Umgebung eines Kernkraftwerkes vor den meteorologischen Auswirkungen und Lärmimmissionen der Kühltürme genügend geschützt ist, wird im bundesrechtlichen Bewilligungsverfahren nach Atomenergiegesetz abschliessend geprüft (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 248
BGE 99 Ia 247 S. 248
A.-
Am 15. Dezember 1969 erteilte das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) dem Studienkonsortium Kernkraftwerk Kaiseraugst gestützt auf Art. 4 des Bundesgesetzes über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz vom 23. Dezember 1959 die Bewilligung, in Kaiseraugst gemäss den vorgelegten Plänen ein Atomkraftwerk vom Druckwasser- oder Siedewassertyp mit einer Leistung von etwa 600 MWe zu erstellen (Standortbewilligung), wobei die von der Eidgenössischen Kommission für die Sicherheit von Atomanlagen (KSA) für das definitive Projekt zu stellenden Bedingungen sowie eine Reihe weiterer eidgenössischer und kantonaler Bewilligungen vorbehalten wurden.
Nachdem in der Folge aus Gründen des Gewässerschutzes anstelle der ursprünglich vorgesehenen direkten Flusswasserkühlung eine Kühlturmkühlung projektiert werden musste und die Bauherrschaft beschlossen hatte, ein Werk mit etwas höherer Leistung zu erstellen (850 MWe statt 600 MWe) und dessen Standort um etwa 600 m in nordöstlicher Richtung in das ebenfalls in der Industriezone von Kaiseraugst liegende Gebiet "Schützenhölzli-Schofbaum" zu verschieben, stellte das EVED auf Gesuch hin mit Verfügung vom 28. August 1972 fest, dass die bereits erteilte Standortbewilligung auch für das geänderte Projekt gelte. Das EVED hatte vor Erlass dieser Verfügung je einen Bericht der KSA und der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission sowie eine Stellungnahme des aargauischen Regierungsrates eingeholt, die alle grundsätzlich positiv lauteten.
B.-
Am 6. Juli 1971 reichte das Studienkonsortium beim Gemeinderat Kaiseraugst für das berichtigte Kernkraftwerkprojekt, welches u.a. die Erstellung von zwei je 115 m hohen Kühltürmen vorsieht, ein Baugesuch ein. Der Gemeinderat lehnte das Gesuch am 19. Juni 1972 ab, im wesentlichen mit der
BGE 99 Ia 247 S. 249
Begründung, dass die Ausführung des Projektes dem erklärten Willen der Bevölkerung widerspräche. Der Regierungsrat des Kantons Aargau hob auf Beschwerde der Bauherrschaft hin diesen Entscheid am 27. November 1972 auf und wies den Gemeinderat Kaiseraugst an, die nachgesuchte Baubewilligung unter den erforderlichen und im Sinne der regierungsrätlichen Erwägungen zulässigen Bedingungen und Auflagen zu erteilen. Gleichzeitig wurde das kantonale Baudepartement eingeladen, die Frage zu prüfen, ob "zum Zwecke der Minimalisierung der zu erwartenden Immissionen" weitere Auflagen und Bedingungen anzubringen seien.
Der Entscheid des Regierungsrates wurde unter anderem von neun privaten Grundeigentümern aus Kaiseraugst, die gemeinsam durch einen Anwalt vertreten sind, beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau angefochten. Dieses wies die Beschwerde, soweit es darauf eintrat, am 10. Mai 1973 ab.
C.-
Gegen dieses Urteil des aargauischen Verwaltungsgerichtes richtet sich die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde, mit der die erwähnten neun Grundeigentümer - Leonhard Jost, Dr. Richard Casty, Willy Meyer, Max Berger, Hermann Walder sen., Heidi Suter, Robert Waltert, Ernst Waltert und Hans Künzli, alle wohnhaft in Kaiseraugst - eine Verletzung von
Art. 4 und 22ter BV
sowie der Gemeindeautonomie geltend machen. Der Antrag lautet auf Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils sowie der staatsrechtlichen Beschwerde geht, soweit nötig, aus den folgenden Erwägungen hervor.
D.-
Eine Vernehmlassung der kantonalen Instanzen und der Bauherrschaft wurde nicht eingeholt (
Art. 93 Abs. 1 OG
).
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtes schliesst das kantonale Baubewilligungsverfahren nicht ab; es bestätigt nur die Anweisung des Regierungsrates an den Gemeinderat, die nachgesuchte Baubewilligung unter noch festzusetzenden Auflagen und Bedingungen zu erteilen, und stellt damit einen blossen Zwischenentscheid dar. Ein solcher kann gemäss
Art. 87 OG
nur dann gesondert wegen Verletzung von
Art. 4 BV
angefochten werden, wenn er für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. Dies
BGE 99 Ia 247 S. 250
trifft hier nicht zu, da das angefochtene Urteil keine Wirkungen entfaltet, die durch eine erst im Anschluss an den Endentscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde nicht mehr behoben werden könnten. Es stellt sich jedoch die Frage, wieweit
Art. 87 OG
hier überhaupt zur Anwendung gelangt. Die Beschwerdeführer rügen nicht nur eine Verletzung des
Art. 4 BV
, sondern auch eine solche der Eigentumsgarantie und der Gemeindeautonomie, und für Beschwerden, sie sich auf die letztgenannten beiden Verfassungsrechte stützen, gilt die Einschränkung des
Art. 87 OG
nicht; sie sind nicht nur gegenüber letztinstanzlichen Endentscheiden, sondern auch gegenüber letztinstanzlichen Zwischenentscheiden zulässig. Im Rahmen einer solchen unter
Art. 86 OG
fallenden Beschwerde kann grundsätzlich auch eine Verletzung des
Art. 4 BV
gerügt werden, ohne dass durch den angefochtenen Zwischenentscheid ein unheilbarer Nachteil drohen müsste. Voraussetzung ist aber, dass die zusätzliche, unter
Art. 86 OG
fallende Verfassungsrüge neben der Rüge der Missachtung des allgemeinen Willkürverbotes selbständige Bedeutung besitzt und dass sie nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, da andernfalls die der Prozessökonomie dienende Vorschrift des
Art. 87 OG
ihren Zweck nicht erfüllen würde und durch die blosse Anrufung irgendeines andern Verfassungsartikels umgangen werden könnte. In diesem Sinne ist die bisherige Rechtsprechung zu präzisieren (vgl.
BGE 99 Ia 44
E. 1;
BGE 95 I 443
E. 1;
BGE 76 I 393
E. 3).
Die genannte Voraussetzung trifft, wie sich zeigen wird, wenigstens in bezug auf die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie zu, weshalb
Art. 87 OG
keinen Platz greift und die Beschwerde insoweit zulässig ist.
2.
Die Beschwerdeführer erblicken eine Verletzung der Eigentumsgarantie in erster Linie darin, dass durch die grundsätzliche Bewilligung des Kernkraftwerkprojektes kantonale Bauvorschriften verletzt worden seien. Diese Frage prüft das Bundesgericht auch auf Anrufung der Eigentumsgarantie hin in der Regel nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür; lediglich dann, wenn es um einen besonders schweren Eingriff geht, untersucht es dessen gesetzliche Grundlage mit freier Kognition (
BGE 99 Ia 49
;
BGE 98 Ia 38
E. 2, 392;
BGE 97 I 795
E. 3 a). Ob der angefochtene Eingriff in das Eigentum besonders schwer ist oder nicht, hängt nicht von der Auffassung der Parteien ab, sondern wird vom Gericht von Amtes wegen nach
BGE 99 Ia 247 S. 251
objektiven Gesichtspunkten entschieden, wobei die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Ein besonders schwerer Eingriff liegt in der Regel dann vor, wenn Grundeigentum zwangsweise entzogen wird oder wenn durch Verbote oder Gebote der bisherige oder künftig mögliche bestimmungsgemässe Gebrauch des Grundstückes verunmöglicht oder stark erschwert wird (vgl.
BGE 98 Ia 46
;
BGE 97 I 641
f, 796;
BGE 94 I 56
, 133;
BGE 93 I 250
;
BGE 92 I 284
;
BGE 91 I 332
f). Weniger weit gehende Eingriffe gelten nicht als besonders schwer und werden daher nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür auf ihre gesetzliche Grundlage hin geprüft (vgl.
BGE 99 Ia 49
,
BGE 98 Ia 38
f, 590;
BGE 95 I 553
;
BGE 93 I 260
). Die meisten Beschwerden betreffen Fälle, in denen unmittelbar in die Rechtsstellung des Grundeigentümers eingegriffen wird. Eine Eigentumsbeschränkung kann aber auch darin liegen, dass ein Grundeigentümer durch die Bewilligung einer Drittbaute zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich in der Nutzung seines Eigentums beeinträchtigt wird. Er kann hiegegen unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls staatsrechtliche Beschwerde führen und geltend machen, es seien baupolizeiliche Vorschriften, auf deren Schutzwirkung er Anspruch hat, missachtet worden (
BGE 91 I 411
ff). Auch im vorliegenden Fall steht nur eine derart mittelbare, d.h. aus den allfälligen Immissionen einer Drittbaute herrührende Eigentumsbeschränkung in Frage. Das Bundesgericht hat in seiner bisherigen Praxis solche Eingriffe nicht als besonders schwer angesehen und die Anwendung der einschlägigen kantonalen Bauvorschriften dementsprechend nur auf Willkür hin geprüft (vgl.
BGE 91 I 422
; nicht publizierte Urteile vom 8. Juli 1970 i.S. Mühlematter und vom 25. November 1970 i.S. Wegmann und Konsorten). Ob es Immissionen gibt, die derart schwer wiegen, dass sich im Sinne der erwähnten Praxis eine freie Prüfung der gesetzlichen Grundlage rechtfertigt, mag dahingestellt bleiben. Was den vorliegenden Fall anbelangt, steht jedenfalls fest, dass die beschwerdeführenden Grundeigentümer durch die allfälligen Auswirkungen des geplanten Atomkraftwerkes nicht derart einschneidend betroffen werden, dass von einem besonders schweren Eingriff gesprochen werden könnte. Das gilt auch für die Beschwerdeführer Waltert und Künzli, deren Liegenschaften in der engeren Nachbarschaft des geplanten Werkes liegen.
Dies führt dazu, dass das Bundesgericht die Handhabung
BGE 99 Ia 247 S. 252
der als verletzt bezeichneten kantonalen und kommunalen Bauvorschriften, soweit sie überhaupt anwendbar sind, auch auf Anrufung der Eigentumsgarantie hin nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür zu prüfen hat. Die gleiche Einschränkung der Kognition gilt auch hinsichtlich der im angefochtenen Entscheid enthaltenen tatsächlichen Feststellungen (
BGE 98 Ia 279
; betr. Würdigung eines Gutachtens über künftig zu erwartende Immissionen vgl. nicht publiziertes Urteil vom 2. Mai 1973 i.S. Steiner, E. 2 b). Trotzdem fällt hier die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie mit derjenigen des Verstosses gegen
Art. 4 BV
nicht völlig zusammen. Denn das Bundesgericht prüft bei Anrufung von
Art. 22ter BV
unabhängig von der Schwere des Eingriffes grundsätzlich frei, ob die angefochtene Anordnung auf einer richtigen Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen beruht (
BGE 99 Ia 38
E. 3 a;
BGE 98 Ia 376
;
BGE 97 I 584
;
BGE 95 I 554
;
BGE 94 I 134
ff. 340 f). Da die Beschwerdeführer nicht nur eine falsche Handhabung kantonalen Baupolizeirechtes rügen, sondern auch die Frage der Interessenabwägung aufwerfen (S. 13-16, 23 und 26 der Beschwerdeschrift), hat die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie insoweit selbständige Bedeutung.
3.
Die Beschwerdeführer machen, wie schon im Verfahren vor Verwaltungsgericht, geltend, dass der angefochtene Entscheid die Gemeinde Kaiseraugst in ihrer Autonomie verletze. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist der einzelne Bürger, der wegen Verletzung anderer verfassungsmässiger Rechte staatsrechtliche Beschwerde führt, befugt, vorfrageweise auch eine Verletzung der Gemeindeautonomie zu rügen (
BGE 94 I 131
;
BGE 91 I 412
E. 2; ZIMMERLI, ZBl 1972, S. 272 f). Ob im vorliegenden Fall die Rüge in einer den Anforderungen des
Art. 90 OG
genügenden Weise begründet worden ist, erscheint allerdings fraglich; die Beschwerdeführer haben es namentlich unterlassen, sich mit den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil auseinanderzusetzen. Doch kann dies dahingestellt bleiben.
Art. 44 der aargauischen Kantonsverfassung gibt den Gemeinden das Recht, ihre Angelegenheiten unter Aufsicht des Staates selbständig zu ordnen. Welches die Angelegenheiten der Gemeinden sind, geht aus der Kantonsverfassung nicht hervor. Ihr Autonomiebereich bestimmt sich somit nach dem kantonalen Gesetzesrecht, dessen Auslegung durch die zuständige
BGE 99 Ia 247 S. 253
kantonale Behörde das Bundesgericht, auch soweit der Umfang der Gemeindeautonomie in Frage steht, nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür prüft (
BGE 99 Ia 75
mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall ist streitig, wieweit den Gemeinden bei der Rechtsanwendung ein geschützter Spielraum verbleibt. Das Bundesgericht hat in einem andern Fall kürzlich entschieden, aus §§ 49 und 56 des aargauischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 9. Juli 1968 (VRPG) lasse sich ohne Willkür ableiten, dass das aargauische Baudepartement als verwaltungsinterne Beschwerdeinstanz die in Anwendung kantonalen Rechtes ergangenen Entscheide der Gemeinden nicht nur auf Rechtsverletzung, sondern auch auf den Gebrauch des Ermessens hin überprüfen könne; ob den Gemeinden wenigstens bei der Anwendung ihres eigenen autonomen Rechtes ein der Kontrolle durch die kantonalen Beschwerdeinstanzen entzogener Ermessensspielraum verbleibe, wurde offengelassen (nicht publiziertes Urteil vom 28. Juni 1972 i.S. Gemeinde Meisterschwanden gegen Baudepartement und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau). Diese offengelassene Frage ist nunmehr zu entscheiden, da die Beschwerdeführer behaupten, mit der Anweisung zur Erteilung der streitigen Baubewilligung habe der Regierungsrat unbefugterweise in den der Gemeinde bei der Anwendung ihres autonomen Rechtes zustehenden Ermessens- und Beurteilungsspielraum eingegriffen.
Gemäss § 49 VRPG können mit der kantonalen Verwaltungsbeschwerde, sei es an den Regierungsrat oder an eine Regierungsdirektion, "alle Mängel" des angefochtenen Entscheides geltend gemacht werden; vorbehalten bleiben allfällige besondere gesetzliche Bestimmungen. Demgegenüber lässt § 56 Abs. 1 VRPG die Beschwerde an das als letzte Instanz eingesetzte Verwaltungsgericht nur zu wegen "Rechtsverletzung" einschliesslich "Ermessensmissbrauch" und "Ermessensüberschreitung" sowie wegen "unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des Sachverhaltes"; die Handhabung des Ermessens prüft das Verwaltungsgericht nur in bestimmten, ausdrücklich genannten Fällen (§ 56 Abs. 2 und 3 VRPG). Das kantonale Baugesetz vom 2. Februar 1971 enthält in bezug auf die Kognition keinerlei Sondervorschriften und verweist in seinen §§ 5 und 6 ohne Vorbehalt auf die Regelung des VRPG. Aufgrund dieser Gesetzesbestimmungen konnte das Verwaltungsgericht ohne Willkür annehmen, dass in Bausachen die Verwaltungsbeschwerde,
BGE 99 Ia 247 S. 254
im Gegensatz zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit keiner Einschränkung der Kognition verbunden ist und die betreffende kantonale Verwaltungsbehörde den Entscheid der Gemeinde in jeder Hinsicht frei überprüfen und gegebenenfalls ihr Ermessen anstelle desjenigen der Gemeindebehörde setzen darf, und zwar unabhängig davon, ob es um die Anwendung autonomen Gemeinderechtes geht oder nicht, da das VRPG und das kantonale Baugesetz diesbezüglich keine Unterscheidung treffen.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich damit wesentlich von demjenigen, der dem von den Beschwerdeführern angerufenen Urteil 96 I 372 ff. zugrunde lag. Die Erwägungen des genannten Entscheides betrafen einen Kanton, in dem die Beschwerdeinstanz lediglich eine Rechtskontrolle auszuüben hatte, was es rechtfertigte, der Gemeinde nicht nur bei der Handhabung des Ermessens, sondern auch bei der Auslegung der dem autonomen Gemeinderecht angehörenden unbestimmten Rechtsbegriffe einen geschützten Spielraum zuzuerkennen. Wo jedoch wie hier den untern kantonalen Beschwerdeinstanzen von Gesetzes wegen völlig freie Kognition zusteht, greift die erwähnte Rechtsprechung nicht Platz. Aufgrund der dargelegten, vor dem Willkürverbot standhaltenden Auslegung des kantonalen Gesetzesrechtes können die aargauischen Verwaltungsbehörden in Bausachen einen Entscheid der Gemeinde auch dann aufheben, wenn dieser in bezug auf die Handhabung des Ermessens oder der unbestimmten Rechtsbegriffe als vertretbar erscheint. Der Schutz der Gemeindeautonomie besteht in diesem Falle einzig darin, dass der Entscheid der Beschwerdeinstanz seinerseits nicht auf einer willkürlichen Anwendung autonomen Gemeinderechtes beruhen darf (vgl. ZIMMERLI, a.a.O., S. 267, mit Hinweisen). Die Rüge der Verletzung der Gemeindeautonomie hat demnach neben derjenigen der Missachtung von
Art. 4 BV
keine selbständige Bedeutung. Ob und wieweit überhaupt autonomes Gemeinderecht zur Anwendung gelangte, kann offen bleiben.
4.
Zu prüfen bleibt die Frage der Legitimation. Nach der neuern Rechtsprechung des Bundesgerichtes sind die Nachbarn befugt, die Erteilung der Baubewilligung mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten, soweit es um die Anwendung von Bauvorschriften geht, die ausser den Interessen der Allgemeinheit auch oder in erster Linie dem Schutz des Nachbarn dienen
BGE 99 Ia 247 S. 255
(
BGE 95 I 197
E. 1;
BGE 92 I 208
E. 2;
BGE 91 I 414
ff). Dies trifft in der Regel zu bei den öffentlichrechtlichen Immissionsbeschränkungen. Es genügt jedoch nicht, dass die angerufene Vorschrift an sich bestimmt ist, den Nachbar zu schützen; wer Beschwerde führen will, muss vielmehr dartun, dass er sich im Schutzbereich der Vorschrift befindet und durch die behaupteten widerrechtlichen Auswirkungen der Baute betroffen wird. Darauf, ob der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren zum Baurekurs zugelassen worden ist, kommt es nicht an. Durch die Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde wird ein neues, andersartiges Verfahren eröffnet, und die Frage, wer zur Ergreifung dieses Rechtsmittels befugt ist, beurteilt sich nicht nach den kantonalen Verfahrensvorschriften, sondern einzig nach
Art. 88 OG
(
BGE 98 Ia 5
;
BGE 96 I 547
;
BGE 91 I 416
).
Von den neun Beschwerdeführern besitzen nur deren zwei Grundeigentum in der näheren Nachbarschaft des Baugrundstückes. Der Beschwerdeführer Hans Künzli ist Eigentümer einer unbebauten, unmittelbar südöstlich angrenzenden Parzelle, die ebenfalls in der Industriezone liegt und heute als Ackerland benutzt wird. Die Beschwerdeführer Robert und Ernst Waltert besitzen ein etwa 425 m nordöstlich vom geplanten Kraftwerk liegendes landwirtschaftliches Gehöft, das sich im "übrigen Gemeindegebiet" befindet.
Für diese beiden nahegelegenen Grundstücke wäre die Legitimation, soweit es um die vom Atomkraftwerk ausgehenden Immissionen geht, an sich wohl zu bejahen. Doch stellt sich die Frage, wieweit die diesbezüglichen Einwände im kantonalen Baubewilligungsverfahren überhaupt zu prüfen waren.
5.
a) Gemäss
Art. 24quinquies Abs. 1 BV
ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Atomenergie Bundessache.
Art. 24quinquies Abs. 2 BV
gibt dem Bund die Kompetenz, Vorschriften zum Schutz vor ionisierenden Strahlen zu erlassen. - Gestützt auf diese Verfassungsbestimmung erging am 23. Dezember 1959 das Bundesgesetz über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz (Atomenergiegesetz, AtG). Nach
Art. 4 AtG
bedürfen die Erstellung und der Betrieb von Atomanlagen einer Bewilligung des Bundes. Die Bewilligung ist zu verweigern oder von der Erfüllung geeigneter Bedingungen oder Auflagen abhängig zu machen, wenn dies notwendig ist zur Wahrung der äusseren Sicherheit der Schweiz, zur Einhaltung der von ihr übernommenen völkerrechtlichen
BGE 99 Ia 247 S. 256
Verpflichtungen oder zum Schutze von Menschen, fremden Sachen oder wichtigen Rechtsgütern (
Art. 5 Abs. 1 AtG
). Die Bewilligungsbehörde hat dementsprechend vor ihrem Entscheid durch Einholung von Gutachten insbesondere abzuklären, ob das Projekt alle zumutbaren Massnahmen zum Schutze von Menschen, fremden Sachen und wichtigen Rechtsgütern vorsieht; sie hat ausserdem eine Stellungnahme des Kantons einzuholen, in dem die Atomanlage erstellt werden soll (
Art. 7 AtG
).
Art. 8 AtG
überträgt den zuständigen Stellen des Bundes die Aufsicht über die Atomanlagen und gibt ihnen die Befugnis, jederzeit diejenigen Anordnungen zu treffen, die zur Erreichung des in
Art. 5 Abs. 1 AtG
umschriebenen Zweckes notwendig sind. Zuständig zur Erteilung der Bewilligung für Atomanlagen, in denen elektrische Energie erzeugt werden soll, ist das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (Art. 3 der Verordnung über die Begriffsbestimmungen und Bewilligungen im Gebiet der Atomenergie vom 13. Juni 1960, neue Fassung seit 1. März 1969).
b) Aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des
Art. 24quinquies BV
geht hervor, dass die Kompetenz des Bundes auf dem Gebiet der Atomenergie eine ausschliessliche ist und die Kantone in dem vom AtG geregelten Bereich daher nicht mehr legiferieren dürfen (BBl 1957 I 1139, 1156; HUBER, Die Bewilligung von Kernkraftwerken, in: NZZ vom 4. Juli 1973 Morgenausgabe Nr. 303, S. 23; vgl. auch AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, I, Nr. 702). Angesichts der grossen Bedeutung, die die Nutzung der Kernenergie im schweizerischen Energiehaushalt künftig haben wird, sowie im Hinblick auf die mit dem Betrieb von Atomanlagen verbundenen besonderen Probleme, zu deren sachgerechten Bewältigung viele Kantone gar nicht in der Lage wären, erwies es sich als unumgänglich, für die Erstellung und den Betrieb von Atomanlagen einheitliche bundesrechtliche Vorschriften zu schaffen und deren Vollzug den Organen des Bundes zu übertragen, um so mehr, als durch den Betrieb einer Atomanlage häufig nicht nur die Interessen des Standortkantons, sondern auch diejenigen von Nachbarkantonen und ausländischen Staaten berührt werden. Diese Kompetenzordnung soll einerseits gewährleisten, dass beim Bau und Betrieb von Atomanlagen sämtliche nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik möglichen und notwendigen Schutzmassnahmen getroffen werden; sie soll aber andererseits
BGE 99 Ia 247 S. 257
auch verhindern, dass die im gesamten Landesinteresse liegende Nutzung der Kernenergie durch unsachgerechte Bedingungen und Auflagen übermässig erschwert wird. Insoweit dient das AtG auch dem Zweck, die Nutzung der Kernenergie zu fördern und den Bau von Atomkraftwerken zu ermöglichen (BBl 1957 I 1141 f, 1157;
1958 II 1522
f, 1525).
c) Gemäss
Art. 4 ff. AtG
ist für die Erstellung und den Betrieb von Atomanlagen sowie für andere damit zusammenhängende Tätigkeiten eine - dem Grundsatz nach - polizeiliche Bewilligung des Bundes erforderlich. Diese Bewilligungspflicht dient u.a. dem Schutz von Menschen, fremden Sachen und wichtigen Rechtsgütern (
Art. 5 Abs. 1 AtG
), d.h. sie soll die Sicherheit und Unschädlichkeit der Atomanlage unter allen wesentlichen Aspekten gewährleisten. Im Vordergrund steht zweifellos die nukleare Sicherheit, namentlich der Schutz vor Strahlenschäden (BBl 1958 II 1538). Von einer Atomanlage können aber auch anderweitige Wirkungen ausgehen. So ergeben sich bei Kernkraftwerken, wie übrigens bei allen Wärmekraftwerken, besondere Probleme hinsichtlich der überschüssigen Wärme, die auf irgendeine Weise an die Umgebung abgegeben werden muss, sei es in ein Gewässer oder an die Atmosphäre. Dementsprechend bildet auch die zum Betrieb einer Atomanlage notwendige Kühlanlage Gegenstand des bundesrechtlichen Bewilligungsverfahrens nach
Art. 4 ff. AtG
, und die zuständigen Bundesbehörden haben zu prüfen, ob das Projekt in bezug auf das Kühlsystem alle zumutbaren Massnahmen zum Schutze von Menschen, fremden Sachen und wichtigen Rechtsgütern vorsieht (Art. 5 Abs. 1 und 7 Abs. 1 AtG; HUBER, a.a.O.; HUG, in: Schweizerisches Umweltschutzrecht, Zürich 1973, S. 382).
Mit dem Bau von Atomanlagen verbundene Fragen, die im bundesrechtlichen Bewilligungsverfahren zu prüfen und zu entscheiden sind, können nicht auch Gegenstand eines zusätzlichen kantonalrechtlichen Bewilligungsverfahrens bilden; das folgt aus dem ausschliesslichen Charakter der dem Bund auf dem Gebiet der Atomenergie zustehenden Gesetzgebungskompetenz und aus dem Zweck des AtG, welches in bestimmten Bereichen eine einheitliche Ordnung schaffen wollte. Der Kanton kann daher die Erstellung oder den Betrieb einer Atomanlage nicht verbieten unter Geltendmachung solcher öffentlicher Interessen, deren Wahrung ins bundesrechtliche
BGE 99 Ia 247 S. 258
Bewilligungsverfahren nach AtG verwiesen ist. Insoweit ergibt sich aus
Art. 24quinquies BV
und dem AtG eine Schmälerung der kantonalen Polizeihoheit. Zwar behält
Art. 4 Abs. 3 AtG
u.a. "die polizeilichen Befugnisse... der Kantone, insbesondere mit Bezug auf die Bau-, Feuer- und Gewässerpolizei" vor. Dieser Vorbehalt hat indessen keine selbständige Bedeutung. Es wird damit lediglich in allgemeiner Weise auf die den Kantonen verbleibenden Polizeibefugnisse verwiesen. Ihr Umfang ergibt sich nicht aus
Art. 4 Abs. 3 AtG
, sondern aus der bereits dargelegten Kompetenzordnung; er kann nicht weiter reichen, als dies mit dem Sinn und Zweck des AtG und mit den übrigen Vorschriften des Bundesrechtes vereinbar ist.
d) Wo die Grenze der kantonalen Polizeihoheit in bezug auf die Atomanlagen zu ziehen ist und welche sonstigen Befugnisse den Kantonen in diesem Bereich noch zustehen, braucht im vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht abschliessend geprüft zu werden (eine Aufzählung der für Kernkraftwerke erforderlichen bundesrechtlichen und kantonalrechtlichen Bewilligungen findet sich bei FISCHER, ZBl 1973, S. 89 ff). Ausser den Vorschriften des AtG fallen noch andere bundesrechtliche Bestimmungen in Betracht, so zum Beispiel diejenigen des Gewässerschutzgesetzes, des Arbeitsgesetzes und des Natur- und Heimatschutzgesetzes, deren Vollzug zum Teil dem Bund, zum Teil den Kantonen obliegt, was die Kompetenzausscheidung auf dem Gebiet der Atomenergie noch zusätzlich erschwert. - Es ist jedenfalls anzunehmen, dass nicht nur die nukleare Sicherheit der Atomanlage, sondern auch die Frage des Umweltschutzes, soweit es um die von den Kühltürmen ausgehenden meteorologischen Einflüsse und allfälligen Lärmimmissionen geht, ausschliesslich im Verfahren nach AtG zu prüfen ist. Das Kühlsystem ist untrennbarer Bestandteil des Kernkraftwerkes; seine Gestaltung ist technisch determiniert und seine Auswirkungen auf die Umgebung hängen unmittelbar mit dem Betrieb des Atomkraftwerkes zusammen. Die Kühlanlage bildet demzufolge, wie erwähnt, Gegenstand der Bewilligungspflicht nach AtG, und die zuständigen Bundesbehörden haben sowohl im Bewilligungsverfahren als auch im Rahmen ihrer Aufsicht zu prüfen, ob in bezug auf das Kühlsystem alle zumutbaren Massnahmen zum Schutze von Menschen, fremden Sachen und wichtigen Rechtsgütern getroffen werden, wobei selbstverständlich auf die jeweiligen konkreten Gegebenheiten
BGE 99 Ia 247 S. 259
abgestellt werden muss. Es würde dem dargelegten Zweck des AtG widersprechen, wenn der Kanton gestützt auf kantonale Immissionsvorschriften zum Schutze der Bevölkerung oder einzelner Nachbarn, d.h. aus Gründen, die schon im Verfahren nach AtG zu prüfen sind, eine technische Änderung des Projektes erzwingen oder dieses überhaupt verhindern könnte. Soweit es um Auswirkungen geht, die unmittelbar mit der technischen Gestaltung oder dem Betrieb des Atomkraftwerkes zusammenhängen, besteht für eine Anwendung kantonaler Immissionsvorschriften kein Raum mehr. Ob die nähere oder weitere Umgebung vor den von den Kühltürmen ausgehenden meterologischen Auswirkungen und Lärmimmissionen genügend geschützt ist, wird im Verfahren nach AtG abschliessend beurteilt, und auch die Befugnis, im Rahmen der fortwährenden Aufsicht in diesem Punkte weitergehende Massnahmen anzuordnen, steht ausschliesslich den zuständigen Organen des Bundes zu (
Art. 8 AtG
).
Auch im vorliegenden Falle wurde und wird die Frage der mit den Kühltürmen verbundenen Lärmimmissionen sowie das Problem der meteorologischen Auswirkungen im Rahmen des bundesrechtlichen Bewilligungsverfahrens nach AtG von einer besonderen Kommission (eidg. Kühlturmkommission) geprüft, welche hiezu zusätzliche Experten beigezogen und Fachausschüsse gebildet hat (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtes S. 26-31). Der abweichenden Auffassung des Verwaltungsgerichtes, welches in den erwähnten Fragen dem Kanton eine selbständige Prüfungsbefugnis zuerkannt hat, kann nicht beigepflichtet werden. Den Beschwerdeführern hilft dies jedoch nichts. Soweit sie das Urteil des Verwaltungsgerichtes anfechten mit der Begründung, es seien kantonale oder kommunale Vorschriften über Immissionsbeschränkungen missachtet bzw. die zu erwartenden Lärmimmissionen und meteorologischen Auswirkungen ungenügend abgeklärt worden, vermag ihre Beschwerde schon deshalb nicht durchzudringen, weil diese Fragen im kantonalen Baubewilligungsverfahren gar nicht zu prüfen waren. Auch der Einwand der Beschwerdeführer, die Inkaufnahme der betreffenden Immissionen beruhe auf einer unrichtigen Interessenabwägung, kann dementsprechend in diesem staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht gehört werden.
6.
Ob und wieweit die Kantone durch
Art. 24quinquies BV
und das Atomenergiegesetz in ihrer Baupolizeihoheit noch in
BGE 99 Ia 247 S. 260
anderer Hinsicht eingeschränkt worden sind (vgl. dazu FISCHER, a.a.O., und HUBER, a.a.O.), kann offen bleiben, da sich alle übrigen in der Beschwerde erhobenen Rügen ohnehin als offensichtlich unzulässig oder unbegründet erweisen.
a) In der staatsrechtlichen Beschwerde wird geltend gemacht, dass die Dimensionen der beiden geplanten Kühltürme - 115 m Höhe und 92 m Basisdurchmesser - mit den für die Industriezone geltenden kommunalen Normen in Widerspruch stünden. Vorschriften über die Abmessungen einer Baute können zwar auch dazu dienen, die Interessen der Nachbarn zu wahren, indem sie zum Beispiel verhindern, dass den umliegenden Grundstücken in übermässiger Weise Licht entzogen wird. Im vorliegenden Fall ist aber nicht dargetan und auch nicht ersichtlich, inwiefern einer der Beschwerdeführer durch eine allfällige Überschreitung des nach der Zonenordnung zulässigen Baukubus einen rechtserheblichen Nachteil erleiden könnte. Auch die beiden in der näheren Umgebung des Kraftwerkes befindlichen Grundstücke der Beschwerdeführer Künzli und Waltert sind nicht so gelegen, dass ihnen durch die Erstellung der Kühltürme in nennenswertem Ausmass Licht entzogen würde. Die Beschwerdeführer fallen demnach nicht in den Schutzbereich der Vorschriften über Höhe und Kubatur der Bauten, weshalb sie in dieser Frage nicht zur Beschwerde legitimiert sind. Selbst wenn man die Beschwerdebefugnis wenigstens für die beiden nahe gelegenen Grundstücke bejahen und davon ausgehen wollte, dass die angerufenen Zonenvorschriften auch für Atomkraftwerke vollumfänglich anwendbar seien, vermöchte die Beschwerde nicht durchzudringen. § 37 der Bauordnung von Kaiseraugst und § 10 Ziff. 3 der dazugehörigen Zonenordnung enthalten keine positive Vorschrift über die in der Industriezone zulässige Bauweise, sondern übertragen es dem Gemeinderat, die maximale Gebäudehöhe sowie die einzuhaltenden Grenz- und Gebäudeabstände unter Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen von Fall zu Fall festzulegen. In den vom Gemeinderat Kaiseraugst am 3. Mai 1971 erlassenen "Richtlinien" wird die "normal zulässige" Gebäudehöhe auf 20 bzw. 40 m festgelegt, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass diese Grenzen überschritten werden können, wenn dies für den Betrieb unerlässlich ist (Ziff. 6). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt, hat sich die Anwendung dieser Richtlinien im Rahmen des Ermessensspielraumes zu halten, den die Zonenordnung
BGE 99 Ia 247 S. 261
vorsieht. In Anbetracht dessen, dass die Nutzung der Kernenergie im öffentlichen Interesse liegt und die Höhe der Kühltürme technisch bedingt ist, konnte der Regierungsrat als Beschwerdeinstanz die projektierten Ausmasse bewilligen bzw. eine entsprechende Anweisung erteilen, ohne die erwähnten Zonenvorschriften zu verletzen; jedenfalls kann von Willkür in diesem Punkt keine Rede sein. Soweit die Beschwerdeführer geltend machen wollen, die Zulassung überdimensionierter Bauten störe das Landschaftsbild, kann auf Ziff. 6 c der Erwägungen verwiesen werden.
b) Die Beschwerdeführer rügen weiter, dass die beiden geplanten Kühltürme den aus dem kantonalen und kommunalen Recht sich ergebenden Anforderungen an die Baustatik nicht entsprächen. Diese Rüge wurde vor Verwaltungsgericht nicht erhoben und ist schon aus diesem Grunde unzulässig. Zudem ist fraglich, wieweit diese Vorschriften überhaupt anwendbar sind (vgl. Ziff. 5 der Erwägungen). Doch ist dies ohne Belang, da die Beschwerdeführer gar nicht behaupten, dass die geplanten Kühltürme einsturzgefährdet seien und ihnen bzw. ihren Grundstücken dadurch eine Gefahr drohe.
c) Schliesslich behaupten die Beschwerdeführer, dass das Kernkraftprojekt gegen kantonale und kommunale Vorschriften über den Natur- und Heimatschutz verstosse. Auch dieser Einwand ist offensichtlich unbehelflich. Die Vorschriften über die ästhetische Eingliederung der Bauten in das Orts- und Landschaftsbild haben keine nachbarschützende Funktion, sondern dienen den Interessen der Allgemeinheit, weshalb der Nachbar - zumindest im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren - in dieser Frage nicht legitimiert ist (vgl. IMBODEN, Verwaltungsrechtsprechung, 4. A., Bd. II, Nr. 632, S. 678). Wieweit die Belange des Natur- und Heimatschutzes im kantonalen Baubewilligungsverfahren überhaupt noch zu prüfen waren, kann offen bleiben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
fbe13f67-67f8-4526-a437-54d32c21d317 | Urteilskopf
96 I 255
44. Urteil vom 20. Februar 1970 i.S. Zugerland Verkehrsbetriebe AG gegen Generaldirektion der PTT-Betriebe. | Regeste
Beiträge des Bundes an die Deckung der Defizite konzessionierter Automobilunternehmungen (Verordnung vom 15. Oktober 1965).
1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).
2. Wann sind Autobuslinien "unentbehrlich"? (Erw. 3).
3. Was ist unter dem "Orts-" und dem "Vorortsverkehr" zu verstehen? (Erw. 4-6). | Sachverhalt
ab Seite 256
BGE 96 I 255 S. 256
A.-
Der Bundesrat erliess am 15. Oktober 1965 eine "Verordnung über Defizitdeckung bei konzessionierten Automobilunternehmungen" (VDKA), die am 1. Januar 1966 in Kraft trat. Sie ist anwendbar auf konzessionierte Automobilunternehmungen, die fahrplanmässige Verbindungen sicherstellen und nebst Personen auch Gepäck, Güter oder Postsendungen befördern (Art. 3). Solchen Unternehmungen gewährt der Bund "zur Aufrechterhaltung unentbehrlicher öffentlicher Verkehrsverbindungen" Beiträge an die Defizitdeckung (Art. 1). Linien, "die überwiegend dem Orts-, Vororts- oder touristischen Verkehr dienen", fallen für die Defizitdeckung ausser Betracht (Art. 5 Abs. 3).
B.-
Am 2. Dezember 1965 fragte die Zugerland Verkehrsbetriebe AG (ZVB) die Generaldirektion der PTT an, ob die von ihr geführten Autobuslinien unter die Verordnung fielen. Die Anfrage wurde vom Direktor der Postdienste als vorsorgliches Gesuch um Gewährung der Hilfe behandelt und bejaht für die Linien Zug-Menzingen, Zug-Oberägeri und Cham-Hünenberg, dagegen verneint für die Linien Zug-Baar, Zug-Steinhausen-Cham und Zug-Kollermühle-Cham.
Eine Beschwerde der ZVB gegen den ablehnenden Teil dieses Entscheids wurde von der Generaldirektion der PTT am 6. August 1968 abgewiesen mit der Begründung, die Linie Zug-Baar diene dem Ortsverkehr und die beiden Linien zwischen Zug und Cham trügen den Stempel des Vorortsverkehrs.
C.-
Gegen diesen Entscheid erhebt die ZVB Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ihre Autobuslinien Zug-Baar, Zug-Steinhausen-Cham und Zug-Kollermühle-Cham seien in die Defizitdeckung aufzunehmen.
Es wird geltend gemacht, ein enger baulicher Zusammenhang zwischen Zug und Baar bestehe nicht. Wohl näherten sich von beiden Orten her längs der Hauptstrasse Häuserzeilen, doch lägen dahinter grosse Flächen unüberbauten Wieslandes, die nach der beidseitigen Ortsplanung erhalten werden sollten.
BGE 96 I 255 S. 257
Beide Städte seien wirtschaftlich, sozial und kulturell eigenständig. Im Jahre 1958 seien die Verkehrsverhältnisse im Raume Zug eingehend überprüft und die Linien des Überlandverkehrs, mit Einschluss der Linie Zug-Baar, der ZVB zugewiesen worden. Diese Strecke sei ein Teilstück der Überlandverbindungen Baar-Zug-Ägeri und Baar-Zug-Menzingen. Bis 1953 habe die Strassenbahn von Zug über Baar nach Ägeri und Menzingen geführt; bei der Umstellung auf den Autobusbetrieb sei die direkte Verbindung Baar-Talacher aufgehoben und durch den Umweg über Zug ersetzt worden; damals sei für die Strecke Baar-Zug der Anspruch auf Defizitdeckung gemäss Eisenbahngesetz anerkannt worden; er könne daher heute gerechterweise auch nach der VDKA nicht abgelehnt werden.
Als Vorortslinien gälten nach den Richtlinien der PTT Verbindungen, deren Endstationen in der gleichen Agglomeration liegen. Der Raum Zug-Steinhausen-Cham bilde aber keine Agglomeration. Diese Orte ständen offensichtlich nicht in baulicher Verbindung miteinander und führten ein gesundes wirtschaftliches, soziales und kulturelles Eigenleben. Dabei werde es auch bleiben; die Regionalplanung sehe zwischen der Stadt Zug und dem Ennetsee mit Cham eine klare Trennung vor, und Steinhausen entwickle sich nicht gegen Zug, sondern gegen Knonau hin. Die Autobuslinien Zug-Steinhausen-Cham und Zug-Kollermühle-Cham seien gleich wie die an sie anschliessende Linie Cham-Hünenberg typische Überlandverbindungen.
Das gesamte Netz der ZVB sei auf dem Grundgedanken aufgebaut, die Verbindung zwischen den zugerischen Landgemeinden unter sich und mit der Stadt Zug herzustellen. Alle dazu gehörenden Linien seien für Kanton und Gemeinden lebenswichtig. Sie müssten in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden; es gehe nicht an, einzelne Teilstrecken isoliert zu betrachten und von der Defizitdeckung auszuschliessen.
D.-
Die Generaldirektion der PTT beantragt Abweisung der Beschwerde.
Sie führt aus, zwischen Baar und Zug bestehe zumindest entlang der Hauptstrasse ein baulicher Zusammenhang. Dass dahinter unüberbaute Flächen liegen und erhalten werden sollen, ändere daran nichts; die Schaffung von Grünzonen gehöre zu einer vernünftigen Städteplanung. Die Linie Zug-Baar sei somit keine Überlandlinie, sondern diene dem Ortsverkehr.
BGE 96 I 255 S. 258
Auf jeden Fall sei sie eine Vorortsverbindung, da ihr Anfangs- und Endpunkt in der gleichen Agglomeration lägen. Zwar habe das Eidg. Statistische Amt nach der Volkszählung 1960 darauf verzichtet, Zug und die angrenzenden Gemeinden als Agglomeration aufzuführen; doch habe sich seither die Region rasant entwickelt, so dass heute mindestens die Gemeinden Zug und Baar zweifellos eine Agglomeration bildeten.
Nach Art. 1 VDKA werde die Hilfe nur zur Aufrechterhaltung unentbehrlicher öffentlicher Verkehrsverbindungen gewährt, und nach Art. 5 Abs. 3 müsse es sich um Überlandverbindungen handeln; die betreffende Linie müsse also eine unentbehrliche öffentliche Überlandverkehrsverbindung sein. Das treffe aber weder für die Linie Zug-Steinhausen-Cham noch für die Linie Zug-Kollermühle-Cham zu; denn Cham und Steinhausen seien durch zahlreiche SBB-Kurse mit Zug verbunden, die den Bedürfnissen des Überlandverkehrs vollauf genügten. Die Autobuslinien Zug-Steinhausen-Cham und Zug-Kollermühle-Cham mit ihren vielen Haltestellen dienten nicht dem Überlandverkehr zwischen den Ortskernen, sondern dem Orts- und Vorortsverkehr. Einzig das Teilstück Steinhausen-Cham könnte unter Umständen mangels anderer direkter öffentlicher Verkehrsverbindung als unentbehrlich anerkannt werden.
E.-
Eine Delegation des Bundesgerichts nahm am 24. November 1969 einen Augenschein vor, wobei die umstrittenen Linien der ZVB befahren wurden.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 99 OG
(in der hier anwendbaren ursprünglichen Fassung) ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht u.a. zulässig gegen nicht an das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement weiterziehbare Entscheide der Generaldirektion der PTT über Ansprüche, die sich auf das Postverkehrsgesetz und die zugehörigen Vollziehungsordnungen stützen (Ziff. XI). Die VDKA ist eine solche Vollziehungsverordnung; der Bundesrat hat sie in Ausführung des Postverkehrsgesetzes erlassen.
Unter den Ansprüchen im Sinne von
Art. 99 Ziff. XI OG
sind nach ständiger Praxis der Bundesbehörden Rechtsansprüche zu verstehen, denen nach der massgebenden Ordnung entsprochen
BGE 96 I 255 S. 259
werden muss, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Ist dagegen der Entscheid in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellt, so ist nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern die Beschwerde innerhalb der Verwaltung gegeben (vgl.
BGE 85 I 266
; nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 20. November 1957 i.S. Bloch und vom 10. April 1963 i.S. Walser und Janser). Sofern man es hier mit einer Streitigkeit über einen Rechtsanspruch zu tun hat, ist daher das Bundesgericht zur Beurteilung der Beschwerde zuständig; in der Tat ist dann die Generaldirektion der PTT nach Art. 15 lit. c der Vollziehungsverordnung vom 26. Mai 1961 zum PTT-Organisationsgesetz Mittelinstanz im Sinne des Art. 23 des BG über die Organisation der Bundesverwaltung, mit der Folge, dass ihr Entscheid direkt mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden kann.
Die VDKA regelt die Voraussetzungen der Gewährung von Beiträgen des Bundes an die Defizitdeckung in bestimmter Weise. Sie umschreibt einlässlich den Kreis der Begünstigten (Art. 3 und 4), den Umfang der Defizitdeckung (Art. 5) und die Art und Weise der Berechnung des zu deckenden Defizits (Art. 6). Ausserdem macht sie die Gewährung von Bundesbeiträgen davon abhängig, dass auch die Kantone oder die Gemeinden oder andere Interessenten sich an der Defizitdeckung beteiligen (Art. 2). Nach Art. 1 "gewährt" der Bund Beiträge; diese Bestimmung ist eine Muss-Vorschrift, die einen Rechtsanspruch der Unternehmung begründet. Wohl lässt der Text der Verordnung den zuständigen Verwaltungsbehörden einen gewissen Beurteilungsspielraum (vgl. Art. 1: "unentbehrliche öffentliche Verkehrsverbindung"; Art. 5 Abs. 3: "Linien, die überwiegend dem Orts-, Vororts- oder touristischen Verkehr dienen"). Dies bedeutet aber nicht, dass die Verwaltung nach Ermessen über die Gewährung von Bundesbeiträgen befinden kann; vielmehr handelt es sich um unbestimmte, der Auslegung bedürftige Rechtsbegriffe, d.h. um Rechtsfragen. Wenn und soweit eine konzessionierte Automobilunternehmung die in der Verordnung umschriebenen Voraussetzungen erfüllt, hat sie somit einen Rechtsanspruch auf Hilfeleistung des Bundes.
Daraus folgt, dass der hier angefochtene Entscheid der Generaldirektion der PTT nicht der Beschwerde innerhalb der Verwaltung, sondern der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt, wie das Bundesgericht und das Eidg. Verkehrs- und
BGE 96 I 255 S. 260
Energiewirtschaftsdepartement im durchgeführten Meinungsaustausch festgestellt haben.
2.
Die Beschwerdeführerin ist eine konzessionierte Automobilunternehmung, die fahrplanmässige Verbindungen sicherstellt und nebst Personen auch Gepäck, Güter und Postsendungen befördert (Art. 3 VDKA). Ihre Rechnung ist seit Jahren defizitär. Es ist nicht bestritten, dass hinsichtlich ihrer Linien Zug-Menzingen, Zug-Oberägeri und Cham-Hünenberg alle Voraussetzungen für die Ausrichtungen von Bundesbeiträgen nach den Bestimmungen der VDKA erfüllt sind. Streitig ist, ob dies auch für die Linien Zug-Baar, Zug-Kollermühle-Cham und Zug-Steinhausen-Cham zutreffe. Sie sind in die Defizitdeckung dann einzubeziehen, wenn sie unentbehrliche öffentliche Verkehrsverbindungen (Art. 1 VDKA) darstellen und nicht überwiegend dem Orts- oder Vorortsverkehr dienen (Art. 5 Abs. 3 VDKA).
3.
Ob eine öffentliche Verkehrsverbindung unentbehrlich im Sinne des Art. 1 VDKA sei, ist nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu beurteilen. Da die ZVB für die von ihr geführten Linien eine Konzession erhalten hat, liegt die Annahme nahe, dass alle diese Linien für die Bevölkerung unentbehrlich sind. Denn die Konzession konnte nur für Fahrten erteilt werden, die einem Bedürfnis entsprechen und durch die der Betrieb bestehender öffentlicher Transportunternehmungen nicht wesentlich konkurrenziert wird (Vollziehungsverordnungen I und II zum Postverkehrsgesetz: Art. 3 VV I vom 23. Dezember 1955, nun ersetzt durch Art. 11 VV I vom 1. September 1967; Art. 11 VV II vom 4. Januar 1960). Die Generaldirektion der PTT bestreitet offenbar nicht, dass diese Voraussetzungen auch hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin betriebenen Linien Zug-Baar, Zug-Kollermühle-Cham und Zug-Steinhausen-Cham erfüllt sind. Wohl verkehren auf den SBB-Strecken Zug-Baar, Zug-Steinhausen und Zug-Cham zahlreiche Züge, die in diesen Orten halten; doch werden durch diese Verbindungen die Bedürfnisse der Bevölkerung bei weitem nicht voll befriedigt. Die Siedlungen sind zum Teil von den Bahnhöfen ziemlich weit entfernt. Die heutigen Lebensgewohnheiten bringen es mit sich, dass der Bevölkerung der Zugang zu den Arbeits-, Bildungs-, Einkaufs- und Erholungsstätten nach Möglichkeit durch das Angebot günstiger Verkehrsverbindungen erleichtert wird. Ein reiches Verkehrsangebot ist auch im Interesse der Siedlungspolitik
BGE 96 I 255 S. 261
erwünscht. Eine Linienführung, die einem ins Gewicht fallenden Bedürfnis der Einwohnerschaft entspricht, hat deshalb als unentbehrlich zu gelten. Der Verzicht darauf ist der Bevölkerung nicht zuzumuten. Nur dort, wo das Bedürfnis nach einer bestimmten Linienführung bloss gelegentlich auftritt oder von wenig zahlreichen Kreisen geäussert wird, ist anzunehmen, dass die Linie entbehrlich sei. Die streitigen Linien der ZVB weisen viele Haltestellen auf, und es werden auf ihnen zahlreiche Kurse geführt, besonders in Stosszeiten. Daraus ist zu schliessen, dass alle diese Linien einem erheblichen Verkehrsbedürfnis entsprechen, also unentbehrlich im Sinne des Art. 1 VDKA sind. Zu prüfen bleibt, ob sie überwiegend dem Orts- oder Vorortsverkehr dienen (Art. 5 Abs. 3 VDKA).
4.
Nach Art. 2 Abs. 1 lit. b des Postverkehrsgesetzes ist die Beförderung von Postsendungen im Ortsverkehr vom Postregal ausgenommen. Als Ortsverkehr im Sinne dieser Bestimmung gilt nach Art. 8 Abs. 1 VV I vom 1. September 1967 - wie schon nach Art. 7 Abs. 1 VV I vom 23. Dezember 1955 - in der Regel der Verkehr innerhalb der politischen Gemeinde, in der der Absender seinen Wohn- oder Geschäftssitz hat; wo die örtlichen Verhältnisse es rechtfertigen, können die PTT-Betriebe eine Einschränkung oder Ausdehnung anordnen. Es ist anzunehmen, dass in der VDKA, welche wie die VV I ein Ausführungserlass zum Postverkehrsgesetz ist, der Begriff des Ortsverkehrs eine ähnliche Bedeutung hat. Das ist auch die Auffassung der Generaldirektion der PTT. In der von ihr aufgestellten Wegleitung für den Vollzug der VDKA bezeichnet sie als Linien des Ortsverkehrs "Linien innerhalb einer politischen Gemeinde sowie solche in baulich zusammenhängenden, dicht besiedelten Gebieten zweier oder mehrerer politischen Gemeinden", wobei sie eine Ausnahme vorsieht für Linien, "die innerhalb einer politischen Gemeinde unentbehrliche, ganzjährige Verbindungen zu abgelegenen geschlossenen Siedlungen in Berggegenden und Seitentälern sicherstellen" und nicht "überwiegend touristischen Zwecken dienen". Diese Umschreibung entspricht nicht nur dem allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch dem Sinn und Zweck der Ausnahme, die Art. 5 Abs. 3 VDKA für Linien des Ortsverkehrs vorsieht. Denn dieser Ordnung liegt der Gedanke zugrunde, dass Beiträge des Bundes an die Defizitdeckung dann nicht gerechtfertigt sind, wenn die Linien mindestens überwiegend dem
BGE 96 I 255 S. 262
Verkehr innerhalb eines zusammenhängenden Siedlungsraumes dienen; in solchen Fällen soll es mit den Hilfeleistungen der an der Aufrechterhaltung der Linien interessierten örtlichen Kreise - Zuwendungen der politischen Gemeinden, des Kantons usw. - sein Bewenden haben.
Art. 5 Abs. 3 VDKA stellt dem Ortsverkehr den Vorortsverkehr gleich. Die beiden Begriffe sind miteinander verwandt und sind daher nach ähnlichen Gesichtspunkten auszulegen. Vorortsverkehr ist der Verkehr zwischen einem Vorort und einem als Zentrum geltenden anderen, benachbarten Ort oder zwischen Vororten unter sich. Als Vorort wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Ort bezeichnet, der zwar administrativ vom Zentrum getrennt ist, aber mit ihm ein zusammenhängendes Siedlungsgebiet bildet. Eine Aussengemeinde, die in einer solchen engen räumlichen Beziehung zum Zentrum steht, ist auch dann als Vorort anzusehen, wenn sie in kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt. Der den Vorort kennzeichnende Zusammenhang mit einem Zentrum kann auch bestehen, wenn zwischen den beiden Orten Grünflächen, die nicht überbaut werden dürfen, belassen werden; wird es doch heute allgemein als erwünscht betrachtet, dass innerhalb von Siedlungen städtischen Charakters Grünzonen ausgespart werden. Der in Art. 5 Abs. 3 VDKA verwendete Begriff des Vorortsverkehrs ist im Sinne dieser Ausführungen zu verstehen.
Die Generaldirektion der PTT bezeichnet in der erwähnten Wegleitung als Linien des Vorortsverkehrs "Linien, deren Anfangs- und Endpunkt innerhalb der gleichen Agglomeration liegen"; sie fügt bei: "Massgebend sind die vom Eidg. Statistischen Amt anlässlich der Volkszählung festgestellten Agglomerationen." Dazu führt sie aus, Vororte entständen dann, wenn eine Stadt über ihre politischen Grenzen hinauswachse. Wenn eine Stadt mit den Vororten ein mehr oder weniger geschlossenes Siedlungsgebiet bilde, fasse das Eidg. Statistische Amt schon seit Jahrzehnten die Bevölkerung dieses Raumes in einer Agglomeration zusammen. Indessen wendet das Statistische Amt diesen Agglomerationsbegriff nicht immer folgerichtig an, noch hält sich die Generaldirektion der PTT stets an die von ihr aufgestellte Richtlinie; sie hat auch schon Linien in die Defizitdeckung einbezogen, die innerhalb eines vom Statistischen Amt als Agglomeration bezeichneten Gebietes liegen,
BGE 96 I 255 S. 263
während sie im vorliegenden Fall umgekehrt einen Raum, den das Statistische Amt anlässlich der letzten Volkszählung nicht als Agglomeration zusammengefasst hat, doch als solche betrachtet. Zudem erheben sich gegen die Verwendung des Agglomerationsbegriffs, wie ihn das Eidg. Statistische Amt versteht, grundsätzliche Bedenken. Wie es scheint, soll er die Feststellung ermöglichen, wie weit die Schweiz "verstädtert" ist. Seine Umschreibung ist nach statistischen und soziologischen Gesichtspunkten orientiert, die für die Anwendung der VDKA nicht massgebend sein können. In der Wissenschaft besteht übrigens keine Einhelligkeit darüber, nach welchen Kriterien Siedlungen als Agglomerationen zusammengefasst werden sollen; der vom Eidg. Statistischen Amt verwendete Agglomerationsbegriff hat daher nicht allgemeine Zustimmung gefunden (vgl. EICHENBERGER, Die Agglomeration Basel in ihrer raumzeitlichen Struktur, 1968, S. 39 f.; STAEDELI, Die Stadtgebiete der Schweiz, Diss. Zürich 1969, S. 29 ff.). Nach alledem ist dieser Begriff nicht eine taugliche Grundlage für die Bestimmung, was zum Vorortsverkehr im Sinne der VDKA gehöre.
Eher noch könnte als Vorortsverkehr ein Verkehr zwischen nicht allzu weit voneinander abliegenden Orten betrachtet werden, der quantitativ und seiner Art nach stark durch wirtschaftliche Gegebenheiten beeinflusst wird und darum besonders intensiv ist, weil einer der Orte wirtschaftlich und verkehrsmässig einen ausgesprochenen Schwerpunkt darstellt. Anzeichen dafür wären ein starker Pendlerverkehr von Arbeitskräften und Schülern und ein reger Verkehr zur Ausnützung der im Zentrum gebotenen reichhaltigeren Einkaufsmöglichkeiten. Vorortszone wäre dann ein ökonomisch und verkehrsmässig auf die Stadt eingestellter Randgürtel, der auch noch nicht mit dem Zentrum verschmolzene Gemeinden umfasst (vgl. EICHENBERGER a.a.O. S. 31). Von dieser mehr funktionellen als siedlungsgeographischen Umschreibung scheint die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid auszugehen. Eine solche Betrachtungsweise würde aber dazu führen, dass der Begriff des Vorortsverkehrs in einem Masse ausgedehnt würde, das mit dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Sinn der VDKA nicht vereinbar wäre; der Anwendungsbereich der Verordnung würde dadurch allzu stark eingeengt. Es ist daran festzuhalten, dass Vorortsverkehr nur dort angenommen werden kann, wo Orte miteinander ein zusammenhängendes Siedlungsgebiet bilden.
BGE 96 I 255 S. 264
5.
Wie der Augenschein gezeigt hat, hängen die Siedlungen auf dem Gebiete der Gemeinden Zug und Baar entlang der die beiden Orte verbindenden Hauptstrasse (Baarerstrasse-Zugerstrasse), auf der die Autobusse der ZVB verkehren, eng zusammen. Zwar bestehen dort noch einige kleinere Lücken in der Überbauung, doch befinden sie sich nicht an der Grenze zwischen den beiden Orten, sondern in einiger Entfernung davon auf dem Boden der Gemeinde Baar. Es trifft auch zu, dass die Überbauung längs der Hauptstrasse ausserhalb der Ortskerne nur von geringer Tiefe ist und sich dahinter Grünflächen ausdehnen, die nach den beidseitigen Ortsplanungen jedenfalls zum Teil erhalten werden sollen. Das ändert aber nichts daran, dass der Übergang zwischen den Orten Zug und Baar fliessend ist; der Ortsunkundige würde ohne Hinweis nicht bemerken, wo die Grenze liegt und wo die eine Siedlung aufhört und die andere beginnt. Wie erwähnt, gehören nach heutiger Auffassung zu einer Siedlung städtischen Charakters auch Grünzonen. Die Überbauung im Raum zwischen den Ortskernen von Zug und Baar ist immerhin so dicht, dass es sich als notwendig erwies, dort mehrere Haltestellen der ZVB in regelmässigen, kurzen Abständen vorzusehen. Der Eindruck des Zusammenhanges wird noch dadurch verstärkt, dass die Hauptstrasse zwischen Zug und Baar bis in die Ortskerne hinein völlig gerade verläuft. Unter diesen Umständen kommt die Linie Zug-Baar der ZVB nach Art. 5 Abs. 3 VDKA für die Defizitdeckung nicht in Betracht, weil sie entweder ausschliesslich dem Ortsverkehr oder, falls Baar als Vorort von Zug betrachtet wird, zum Teil dem Vorortsverkehr und im übrigen dem Ortsverkehr dient. Ob Baar ein blosser Vorort von Zug sei, kann daher offen gelassen werden. Auf jeden Fall kann die Autobuslinie Zug-Baar wegen des engen räumlichen Zusammenhangs der Siedlungen der beiden Orte nicht in die Defizitdeckung einbezogen werden.
Allerdings hätte für diese Linie eine Hilfeleistung des Bundes nach Art. 58 und 95 Abs. 2 des Eisenbahngesetzes auch noch nach der Umstellung vom Strassenbahn- auf den Autobusbetrieb beansprucht werden können. Indessen sagt Art. 4 VDKA ausdrücklich, dass "die Bestimmungen dieser Verordnung", also auch Art. 5 Abs. 3, auf solche konzessionierte Automobilunternehmen, die aus der Umstellung von Bahnen des allgemeinen Verkehrs hervorgegangen sind und die Hilfeleistung nach Eisenbahngesetz nicht beanspruchen können oder wollen,
BGE 96 I 255 S. 265
ebenfalls anwendbar sind. Es kann auch nicht eingewendet werden, dass durch den Ausschluss der Linie Zug-Baar von der Defizitdeckung eine der Voraussetzungen für die seinerzeitige Umstellung vom Bahn- auf den Autobusbetrieb nachträglich dahinfalle; denn die Defizitdeckung, die nun in der VDKA vorgesehen ist, war im Zeitpunkt, in dem die Umstellung beschlossen wurde, nicht einmal in Aussicht genommen.
Unerheblich ist auch, dass im Jahre 1958, als die Zuger Berg- und Strassenbahn AG (nachmals Zuger Bergbahn und Bus AG) und die Beschwerdeführerin sich über die künftige Ausscheidung ihrer Tätigkeit einigten, die Strecke Zug-Baar als Überlandstrecke qualifiziert und dementsprechend der Beschwerdeführerin überlassen wurde. Eine solche Vereinbarung vermag die Behörde, welche die VDKA anzuwenden hat, nicht zu verpflichten.
Zu Unrecht behauptet die Beschwerdeführerin, die Linie Zug-Baar sei Bestandteil der Überlandlinien von Baar über Zug nach Menzingen und Oberägeri. Von einem durchgehenden Verkehr zwischen Baar und diesen Berggemeinden ist keine Rede mehr. Die meisten Kurse Baar-Zug haben in Zug keinen Anschluss nach Menzingen und Oberägeri. Der Fahrplan führt denn auch die Strecken Zug-Baar, Zug-Menzingen und Zug-Oberägeri als gesonderte Linien auf.
Die Vorinstanz hat es daher mit Recht abgelehnt, die Linie Zug-Baar in die Defizitdeckung einzubeziehen.
6.
Anders verhält es sich mit den Linien Zug-Kollermühle-Cham und Zug-Steinhausen-Cham. Sie dienen überwiegend dem Verkehr zwischen Cham und Steinhausen einerseits und Zug anderseits. Dieser Verkehr ist aber weder Orts- noch Vorortsverkehr im Sinne des Art. 5 Abs. 3 VDKA. Denn weder Cham noch Steinhausen bilden mit Zug ein zusammenhängendes Siedlungsgebiet. Die beidseitigen Siedlungen sind durch ausgedehnte unüberbaute Flächen deutlich voneinander getrennt, wie der Augenschein gezeigt hat.
Da die Linien Zug-Kollermühle-Cham und Zug-Steinhausen-Cham somit nicht dem Vorortsverkehr und auch nicht überwiegend dem Ortsverkehr dienen (Art. 5 Abs. 3 VDKA), anderseits aber unentbehrliche öffentliche Verkehrsverbindungen darstellen (Art. 1 VDKA), sind sie bei der Defizitdeckung mitzuberücksichtigen.
BGE 96 I 255 S. 266
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der ange fochtene Entscheid dahin abgeändert, dass die Linien Zug-Steinhausen-Cham und Zug-Kollermühle-Cham in die Defizitdeckung einzubeziehen sind. Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fbedc110-b229-4f7a-85a6-61623b4829b8 | Urteilskopf
94 IV 60
17. Urteil des Kassationshofes vom 8. März 1968 i.S. Glaas gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Art. 129 Abs. 1 StGB
, Gefährdung des Lebens.
1. Unmittelbare Lebensgefahr (Erw. 2).
2. Wissentlichkeit (Erw. 3)
a) Wille ebenfalls erforderlich,
b) Eventualvorsatz genügt nicht.
3. Gewissenlosigkeit (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 60
BGE 94 IV 60 S. 60
A.-
Der 1944 geborene Beschwerdeführer Charles Glaas, der bei seinen Eltern wohnt, hatte mit dem Vater schon seit längerer Zeit Zwistigkeiten. Am Abend des 31. Dezember 1966
BGE 94 IV 60 S. 61
befand er sich, nachdem er schon vorher reichlich dem Alkohol zugesprochen hatte, mit seinem Freund Erwin Anneler in der von ihm eingerichteten Kellerbar. Gegen 20.30 Uhr erschien auch Vater Glaas in der Bar, worauf es zwischen ihm und dem Sohn wieder zu einer Auseinandersetzung kam. Als der Sohn sich kurz entfernte und dann zurückkam, verliess der Vater die Bar und begab sich in die Wohnung hinauf. Anneler berichtete hierauf dem Sohn, dass sich der Vater abfällig über ihn geäussert habe. Glaas geriet in Wut, leerte in kürzester Zeit eine Flasche Bier und holte im Zimmer der Schwester Beatrice sein Sturmgewehr, das er zuerst mit einer und dann mit elf weitern Patronen lud. Mit der Schwester wieder in den Keller hinabgestiegen, wies er diese an, den Vater zu holen.
Als er Schritte auf der Treppe hörte, nahm er das Gewehr in Anschlag, entsicherte es und umspannte mit dem Zeigfinger den Abzug. Die Kellertüre öffnend, blickte Vater Glaas direkt in den Gewehrlauf. Der Sohn erklärte, jetzt könne man miteinander reden, und auf die Aufforderung des Vaters, doch abzudrücken, fragte er ihn, ob er denn nicht glaube, dass das Gewehr geladen sei. Noch bevor der Vater antworten konnte, schwenkte der Sohn den Gewehrlauf leicht nach rechts und drückte ab. Der Schuss drang auf Brusthöhe etwa 1,2 m neben dem Vater in die Mauer ein. Unmittelbar darauf schwenkte Glaas das Gewehr, den Finger immer noch am Abzug, auf den Vater zurück. Dieser sprang im gleichen Augenblick die Treppe hinauf und brachte sich in Sicherheit.
B.-
Das Strafgericht Basel-Stadt sprach Charles Glaas am 27. Juli 1967 der Gefährdung des Lebens (
Art. 129 Abs. 1 StGB
) sowie des Missbrauchs und der Verschleuderung von militärischem Material (
Art. 73 MStG
) schuldig und verurteilte ihn zu sechs Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug bei zwei Jahren Probezeit.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte am 8. November 1967 das erstinstanzliche Urteil gestützt auf dessen tatsächliche und rechtliche Ausführungen.
C.-
Gegen das Urteil des Appellationsgerichts führt Glaas Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Hauptantrag auf Freisprechung von der Anklage der Gefährdung des Lebens.
Das Appellationsgericht und die Staatsanwaltschaft beantragen Abweisung der Beschwerde.
BGE 94 IV 60 S. 62
Erwägungen
Der Kassationshofzieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 129 Abs. 1 StGB
ist strafbar, wer einen Menschen wissentlich und gewissenlos in unmittelbare Lebensgefahr bringt.
2.
Der Begriff unmittelbare Lebensgefahr ist nicht ohne weiteres klar. Es kann sich nur um eine konkrete Gefahr handeln. Diese ist ein Zustand, aufgrund dessen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Verletzung des geschützten Rechtsgutes besteht (
BGE 71 IV 100
,
BGE 72 IV 27
,
BGE 73 IV 101
f.,
BGE 80 IV 182
,
BGE 83 IV 30
), wobei nicht eine mathematische Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% vorausgesetzt ist (
BGE 61 I 206
). Die unmittelbare Gefahr muss mehr sein. Anderseits muss der Eintritt der Rechtsgutverletzung, des Todes, nicht unausweichlich erscheinen, sonst würde Art. 129 vom Gefährdungs- zum Verletzungstatbestand. Innerhalb dieser Grenzen lässt sich die Höhe der Gefahr näher bestimmen, indem man das Tatbestandsmerkmal der Gewissenlosigkeit heranzieht. Die beiden Tatbestandselemente der vorgestellten Gefahr und der Gewissenlosigkeit des Trotzdemhandelns stehen zueinander in so enger Beziehung, dass das eine sich nicht ohne den Blick auf das andere beurteilen lässt. Eine unmittelbare Lebensgefahr im Sinne von Art. 129 besteht somit nicht erst dann, wenn die Wahrscheinlichkeit des Todes grösser ist als die Wahrscheinlichkeit seiner Vermeidung, sondern schon dann, wenn überhaupt eine nahe Möglichkeit der Tötung vorliegt, eine Möglichkeit, über die wissentlich sich hinwegzusetzen als gewissenlos erscheint (NOLL, ZStrR 1954 S. 22 f.).
Wer, wie der Beschwerdeführer, mit geladener und entsicherter Schusswaffe, den Finger am Abzug, auf einen lebenswichtigen Körperteil wie Kopf oder Brust eines Menschen zielt, setzt damit dessen Leben einer sehr nahen Gefahr aus. Das traf hier umsomehr zu, als sich der Beschwerdeführer in angetrunkenem und stark erregtem Zustande befand, bei dem der leiseste äussere oder innere Anlass genügen konnte, um den Druck auf den Abzug auszulösen. Der Schuss 1,2 m neben dem Vater gegen die Mauer aber rückte wegen der Möglichkeit des Rikoschettierens den Tod in äusserst bedrohliche Nähe. Diese hochgradigen Gefahren hat der Beschwerdeführer wissentlich
BGE 94 IV 60 S. 63
(s. unten) geschaffen. Das war gewissenlos. Damit sind die Voraussetzungen der unmittelbaren Lebensgefahr erfüllt.
3.
Weiter fordert Art. 129 Abs. 1 eine wissentliche Gefährdung.
a) InBGE 73 IV 230(zu
Art. 230 Ziff. 1 StGB
) und
BGE 85 IV 132
(zu Ar t. 221 Abs. 2; auchBGE 76 IV 247oben zu Art. 237 Ziff. 1) wurde ausgeführt, dass nur dort, wo das Gesetz die Gefährdung als objektives Tatbestandsmerkmalnenne, ohne sich über den subjektiven Tatbestand besonders auszusprechen, der Täter nicht nur um die Gefährdung wissen, sondern sie auch wollen müsse. Für Fälle, in denen die subjektiven Erfordernisse der Tat im besonderen Teil umschrieben seien, gelte dies nicht. Bei Bestimmungen, in denen ausdrücklich bloss von wissentlicher Gefährdung die Rede sei, genüge es deshalb, dass der Täter die durch seine Tat herbeigeführte Gefahr kenne, zu wollen brauche er sie nicht.
Wer indessen mit Wissen und Willen einen Zustand schafft, aus dem sich eine Gefahr ergibt, die er kennt, der will notwendig auch diese Gefahr (
BGE 73 IV 168
f.; ZUERCHER, Erläuterungen VE 1908 S. 128; GERMANN, ZStrR 1940 S. 367, 1961 S. 391; NOLL, ZStrR 1954 S. 20; LOGOZ,
Art. 129 N 3
b; SCHWANDER, 2. Aufl., Nr. 667; THORMANN-v. OVERBECK,
Art. 18 N 26
,
Art. 129 N 5
). Der Gefährdungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter die Gefahr kennt und trotzdem handelt (ohne auf ihren Nichteintritt zu vertrauen, in welchem Fall nur bewusste Fahrlässigkeit vorliegt). Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Täter die Verwirklichung der Gefahr, sei es auch nur eventuell, gewollt hat, denn dann wäre er wegen vorsätzlicher Begehung des entsprechenden Verletzungsdelikts (z.B. Tötung) strafbar. Da Gefahr die Möglichkeit des Verletzungseintritts ist, schliesst freilich das Wissen um die Gefahr notwendig das Wissen um den möglichen Verletzungseintritt in sich. Auf der Vorstellungsseite ist die eventuelle Verletzung im Gefährdungsvorsatz stets enthalten. Der Unterschied zwischen Gefährdungsvorsatz und eventuellem Verletzungsvorsatz liegt einzig im Willensinhalt. Weil aber als konkrete Gefahr eine nahe Möglichkeit des Verletzungseintritts (auch bei Art. 129) genügt, braucht der Täter, obwohl er den gefährlichen Zustand willentlich herbeiführt, den Verletzungserfolg nicht notwendig zu wollen (
BGE 70 IV 142
; NOLL, S. 23, 26; GERMANN, ZStrR 1961 S. 390 f.; LOGOZ, a.a.O.).
BGE 94 IV 60 S. 64
In diesem Sinne ist somit die bisherige Auffassung, dass dort, wo das Gesetz von wissentlicher Gefährdung spricht, der Wille nicht zur Erfüllung des Straftatbestandes gehöre, richtigzustellen. Der Wille zur Gefährdung ist mit dem Wissen um ihren sicheren Eintritt notwendig verbunden. Für Art. 129 gilt dies umsomehr, als er eine hohe Strafdrohung enthält und das weitere Tatbestandsmerkmal der Gewissenlosigkeit aufstellt; beides wäre ohne den entsprechenden Willen nicht verständlich (GERMANN, ZStrR 1961, S. 391 N 11).
b) Anderseits genügt Eventualvorsatz nicht. Es geht nicht um das Wissen von der Möglichkeit eines Verletzungserfolges, sondern um die Gewissheit, dass eine Gefahr hervorgehe aus dem Verhalten des Täters. Dieser muss sich bewusst sein, dass er das geschützte Rechtsgut tatsächlich gefährdet, dass sein Handeln die Gefährdung notwendig zur Folge hat (ZÜRCHER a.a.O.; LOGOZ a.a.O.). Genügte eventueller Gefährdungsvorsatz, so würde das heissen, dass der Täter schon dann strafbar ist, wenn er die Gefahr nicht sicher kennt, sondern bloss für möglich hält. Da das Bewusstsein der Gefahr das Wissen um die Möglichkeit der Verletzung ist, wäre der Eventualvorsatz, als Bewusstsein der Möglichkeit einer Gefahr, das Wissen um die Möglichkeit einer Möglichkeit (und der Einbezug dieser Möglichkeit in den Willensinhalt). Damit wäre der Eventualvorsatz praktisch nicht mehr von der Fahrlässigkeit zu unterscheiden (NOLL S. 30). Fahrlässigkeit aber ist nur strafbar, wo es das Strafgesetz ausdrücklich bestimmt (Art. 18 Abs. 1), was z.B. bei Art. 129 nicht zutrifft.
Müsste sich der Täter nur bewusst sein, dass er die Möglichkeit einer Gefährdung schafft, dann wäre der Ausdruck "wissentlich" überflüssig, denn das Wissen um die Möglichkeit der Gefahr ist schon im Eventualvorsatz enthalten und hätte daher nicht besonders erwähnt werden müssen.
c) Das Strafgericht erklärt in seinen vom Appellationsgericht übernommenen Erwägungen, dass beim Beschwerdeführer, der die Handhabung des Sturmgewehres vom Militärdienst her gekannt habe, das Bewusstsein der Gefährdung vorausgesetzt werden müsse. Das kann nichts anderes heissen, als dass er sich ihrer tatsächlich bewusst war, womit das Wissen verbindlich festgestellt ist. Etwas anderes wäre auch kaum denkbar; um die Gefahr zu erkennen, bedurfte es nicht einmal der Vertrautheit mit dem Sturmgewehr aus dem Militärdienst.
BGE 94 IV 60 S. 65
War sich der Beschwerdeführer aber bewusst, den Vater mit seiner Handlungsweise in unmittelbare Lebensgefahr zu bringen, so hat er diese Gefährdung auch gewollt.
4.
Schliesslich ist zur Erfüllung des Tatbestandes von Art. 129 das Merkmal der Gewissenlosigkeit erforderlich. Gewissenlos ist eine Gefährdung, deren Motive sittlich zu missbilligen sind. Je höher die dem Täter bewusste Gefahr ist, und je weniger seine Beweggründe Achtung verdienen, desto eher ist die Gewissenlosigkeit anzunehmen (NOLL, S. 28 f.; GERMANN, Verbrechen, S. 247).
Der Beschwerdeführer bestreitet die Gewissenlosigkeit seines Vorgehens mit Recht nicht. Er hat das Leben seines Vaters aus blosser Wut und dem, wenn auch an sich verständlichen Bedürfnis, ihm einmal den Meister zu zeigen, einer schweren Gefahr ausgesetzt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fbee7638-4560-43f8-b6ee-6366395c2997 | Urteilskopf
95 IV 1
1. Urteil des Kassationshofes vom 25. Februar 1969 i.S. Hassan gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau. | Regeste
Art. 41 Ziff. 3 StGB
,
Art. 90 Ziff. 2 SVG
. Widerruf des bedingten Strafvollzuges.
Im Vergehen des
Art. 90 Ziff. 2 SVG
, das vorsätzlich wie grob fahrlässig begangen werden kann, liegt, wenn vorsätzliche Begehung nicht festgestellt ist, jedenfalls eine Täuschung des richterlichen Vertrauens. Verneinung des besonders leichten Falles. | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 95 IV 1 S. 1
A.-
Hassan erlitt am 27. Juni 1965 in Kalchrain/TG einen Autounfall, indem sein Wagen in einer Doppelkurve ins Schleudern und über die Strassenböschung geriet und sich überschlug, wobei die drei Mitfahrer verletzt wurden, einer von ihnen schwer. Am 29. September 1966 verurteilte das Obergericht des Kantons Thurgau Hassan wegen fahrlässiger Körperverletzung zu zehn Tagen Gefängnis, bedingt aufgeschoben mit einer Probezeit von zwei Jahren.
B.-
Am 21. Februar 1968 fuhr Hassan auf der Kantonsstrasse Dombresson - St-Imier in einer Linkskurve, die wegen Schneehaufen an den Strassenrändern unübersichtlich war, vollständig auf der linken Strassenhälfte, wodurch ein entgegenkommendes Auto gefährdet wurde.
Hassan wurde deswegen am 27. Februar 1968 durch Strafbefehl des Staatsanwaltes des Kantons Neuenburg in Anwendung der
Art. 34 Abs. 1 und 90 Ziff. 2 SVG
zu einer Busse von Fr. 200.-- verurteilt.
BGE 95 IV 1 S. 2
C.-
Am 12. Dezember 1968 ordnete das Obergericht des Kantons Thurgau den Vollzug der am 29. September 1966 bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe an.
D.-
Hassan führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer geht davon aus, dass das Vergehen des
Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG
überhaupt nur fahrlässig begangen werden könne. Diese Auffassung geht fehl (
BGE 90 IV 151
); sie stützt sich irrtümlich auf
BGE 91 IV 216
. In diesem Entscheid wurde lediglich festgestellt, dass
Art. 237 Ziff. 1 StGB
entgegen dem Wortlaut des
Art. 90 Ziff. 2 Abs. 2 SVG
auch dann anwendbar bleibt, wenn die vorsätzliche Störung des öffentlichen Verkehrs durch Verletzung von Verkehrsregeln begangen wird. Daraus folgt nicht, dass das Vergehen des
Art. 90 Ziff. 2 SVG
, wenn es vorsätzlich begangen wird, immer nach
Art. 237 Ziff. 1 StGB
zu ahnden sei. Wer eine Verkehrsregel vorsätzlich grob verletzt, kann die damit verbundene konkrete Gefährdung anderer, worauf in
BGE 91 IV 217
hingewiesen wurde, auch bloss fahrlässig herbeiführen, indem er darauf vertraut oder damit rechnet, dass eine Verkehrsgefährdung nicht eintreten werde. Im Gegensatz zu
Art. 237 StGB
ist zudem beim Tatbestand des
Art. 90 Ziff. 2 SVG
eine konkrete Gefährdung anderer nicht erforderlich; es genügt schon die Verursachung einer ernstlichen abstrakten Gefahr (
BGE 92 IV 144
Erw. II/1).
Unzutreffend ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, dass der neuen Tat kein schweres Verschulden zugrundeliege, da bei einem solchen das Strafbefehlsverfahren nach der neuenburgischen Strafprozessordnung nicht zulässig gewesen wäre. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, dass ein schweres Verschulden, mindestens grobe Fahrlässigkeit, Tatbestandserfordernis des
Art. 90 Ziff. 2 SVG
ist (
BGE 92 IV 145
Erw. 3).
2.
Der Richter, der über den Widerruf des bedingten Strafvollzuges entscheidet, hat sich an das über die neue Tat ergangene rechtskräftige Urteil zu halten und darf die ihm zugrunde gelegten Feststellungen auf ihre materielle Richtigkeit nicht überprüfen (
BGE 74 IV 17
Erw. 3,
BGE 80 IV 215
). Wie es sich bei Fragen verhält, über die das Sachurteil keinen Aufschluss gibt, war bisher nicht zu entscheiden. Auch im vorliegenden Fall kann
BGE 95 IV 1 S. 3
offen bleiben, ob die Annahme des Obergerichtes, dass der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Vergehen des
Art. 90 Ziff. 2 SVG
eventualvorsätzlich begangen habe, zulässig war, da der angefochtene Entscheid sich subsidiär auch auf den Widerrufsgrund der Täuschung des richterlichen Vertrauens stützt.
In der groben Verletzung von Verkehrsregeln (
Art. 90 Ziff. 2 SVG
) liegt unzweifelhaft ein Verhalten, das so verwerflich ist, dass sich der Beschwerdeführer der Pflichtwidrigkeit seines Handelns auch ohne besondere Mahnung bewusst sein musste und dass dadurch das in ihn gesetzte Vertrauen, er werde sich des bedingten Strafaufschubes würdig erweisen, getäuscht wird (
BGE 90 IV 178
und dort angeführte Entscheidungen). Diese Täuschung ist umso erheblicher, als die frühere Tat, für die dem Beschwerdeführer der bedingte Strafvollzug gewährt wurde, ebenfalls ein Verkehrsdelikt war, bei dem er auf einem gefährlichen Strassenstück infolge übersetzter Geschwindigkeit und Nichtbeachtung zweier Gefahrensignale die Herrschaft über sein Fahrzeug verlor und mehrere Personen Verletzungen erlitten.
Das neue Vergehen ist weder objektiv noch subjektiv so geringfügig, dass es als besonders leichter Fall im Sinne von
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB
betrachtet werden könnte; der Beschwerdeführer macht dies übrigens selber nicht geltend. Nach dem Polizeibericht, auf den der Strafbefehl abstellt, hat der Beschwerdeführer in der unübersichtlichen Linkskurve vollständig die linke Fahrbahn benützt, nicht bloss die Strassenmitte, wie er behauptet. Das Linksfahren an unübersichtlicher Stelle verstösst gegen eine der grundlegenden Regeln der Verkehrssicherheit und ist sehr oft Ursache schwerster Unfälle; dass es nicht zu einem solchen kam, ist in erster Linie der Aufmerksamkeit und Reaktion des entgegenkommenden Fahrzeuglenkers zuzuschreiben, der sich durch brüskes Bremsen der Gefahr entziehen konnte. Das zumindest grob fahrlässige Verhalten des Beschwerdeführers, das schon an sich nicht leicht war, wiegt umso schwerer, als die neue Verfehlung, im Zusammenhang mit dem vorausgehenden Unfall gesehen, auf Rücksichtslosigkeit und mangelnde Selbstbeherrschung schliessen lässt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fbf08c3f-2b31-435b-86c9-9612074d7a36 | Urteilskopf
125 II 585
59. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. November 1999 i.S. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement gegen A. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 17 Abs. 2 ANAG
,
Art. 8 EMRK
; Verweigerung des Nachzugs des jüngsten Sohnes aus der ersten Ehe einer Ausländerin.
Die Nachzugsregelung von Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG ist auf den Fall zugeschnitten, dass die eheliche Beziehung der gemeinsamen Eltern intakt ist. Bei einem nachträglichen Nachzug von Kindern getrennt lebender bzw. geschiedener ausländischer Eltern kann es daher zum Vornherein nur um eine analoge Anwendung dieser Bestimmung gehen.
Es widerspricht daher dem Gesetzeszweck nicht, wenn für den Nachzug solcher Kinder deren Beziehung zu Drittpersonen mitberücksichtigt wird (E. 2c). | Sachverhalt
ab Seite 586
BGE 125 II 585 S. 586
Die brasilianische Staatsangehörige A. wurde 1990 in Brasilien von ihrem Ehemann geschieden. Die vier aus der Ehe hervorgegangenen Kinder wurden unter ihre Obhut gestellt. Im Jahre 1992 heiratete sie den Schweizer Bürger B. und erhielt im Rahmen des Familiennachzugs zunächst eine Aufenthaltsbewilligung. Nach einem fünfjährigen Aufenthalt in der Schweiz erhielt sie die Niederlassungsbewilligung, und rund ein Jahr später wurde ihr das Schweizer Bürgerrecht verliehen.
Am 1. November 1996 stellte A. ein Familiennachzugsgesuch für ihren jüngsten Sohn F., das von der Fremdenpolizei des Kantons Aargau mit Verfügung vom 24. November 1997, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 9. Februar 1998, abgelehnt wurde. Eine dagegen eingereichte Beschwerde wurde vom Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau mit Urteil vom 9. April 1999 gutgeheissen, der Entscheid der Fremdenpolizei vom 9. Februar 1998 aufgehoben und das Familiennachzugsgesuch betreffend F. bewilligt; die Fremdenpolizei wurde angewiesen, den Aufenthalt von F. zu regeln.
Gegen dieses Urteil hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Verfügung der kantonalen Fremdenpolizei, mit welcher das Familiennachzugsgesuch für F. abgewiesen wurde, sei zu bestätigen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Zweck des Familiennachzugs gemäss Art. 17 Abs. 2 dritter Satz des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) ist es, das familiäre Zusammenleben zu ermöglichen. Sind die Eltern voneinander getrennt oder geschieden und hält sich der eine Elternteil in der Schweiz, der andere aber im Ausland auf, kann es nicht um eine Zusammenführung der Gesamtfamilie gehen. In solchen Fällen entspricht es dem Gesetzeszweck nicht, einen bedingungslosen Anspruch auf Nachzug der Kinder anzunehmen. Ein Nachzugsrecht setzt vielmehr voraus, dass das Kind zu dem in der Schweiz lebenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält. Dabei kommt es nicht nur auf die bisherigen Verhältnisse an, sondern es
BGE 125 II 585 S. 587
können auch nachträglich eingetretene oder gar künftige Umstände wesentlich werden. Namentlich kann nicht entscheidend sein, in welchem Land das Kind bisher seinen Lebensmittelpunkt hatte, bliebe doch sonst ein Nachzugsrecht praktisch immer wirkungslos. Zu berücksichtigen ist aber, bei welchem Elternteil das Kind bisher gelebt hat bzw. wem die elterliche Gewalt zukommt; wenn sich das Kindesinteresse in der Zwischenzeit geändert hat, so ist für eine Anpassung der familienrechtlichen Verhältnisse in der Regel zunächst der privatrechtliche Weg zu beschreiten. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen klare Anhaltspunkte für neue familiäre Abhängigkeiten oder für eine wesentliche Verlagerung der Beziehungsintensitäten bestehen, wie etwa beim Hinschied desjenigen Elternteils, der das Kind bisher betreut hat (
BGE 124 II 361
E. 3a S. 366;
BGE 118 Ib 153
E. 2b S. 159). Im Übrigen wird das gesetzgeberische Ziel von
Art. 17 Abs. 2 ANAG
, das familiäre Zusammenleben zu ermöglichen und rechtlich abzusichern, nicht erreicht, wenn der in der Schweiz niedergelassene Ausländer jahrelang von seinem Kind getrennt lebt und dieses erst kurz vor dem Erreichen des 18. Alters-jahrs in die Schweiz holt. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn die Familiengemeinschaft in der Schweiz aus guten Gründen erst nach Jahren hergestellt wird; solche Gründe müssen sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben (
BGE 119 Ib 81
E. 3a S. 88;
BGE 115 Ib 97
E. 3a S. 101).
b) Die Vorinstanz hat diese Grundsätze an sich nicht verkannt. Sie ist jedoch der Auffassung, es komme beim Familiennachzug nach Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG nicht darauf an, welcher Fürsorge das Kind noch bedürfe und ob die konkret erforderliche Fürsorge nicht besser weiterhin von einem sonstigen Verwandten, zu dem ein enges Verhältnis bestehe, erbracht werden könne. Der Familienbegriff von
Art. 17 ANAG
sei nicht identisch mit jenem von
Art. 8 EMRK
(SR 0.101). Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG statuiere einen Anspruch für ledige Kinder unter 18 Jahren auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern. Lebten die Eltern zusammen, sei nicht zu prüfen, ob das nachzuziehende Kind allenfalls zu einer im Ausland lebenden Drittperson eine vorrangige (familiäre) Beziehung unterhalte. Das Recht auf Nachzug eines Kindes stehe auch einem einzelnen Elternteil zu, wenn die Eltern getrennt lebten oder geschieden seien und die Zusammenführung der (Rest-) Familie bezweckt werde. Dies gelte jedoch nicht vorbehaltlos, sondern nur dann, wenn die Beurteilung der Eltern-Kind-Beziehung eine vorrangige familiäre Beziehung zum nachzugsberechtigten
BGE 125 II 585 S. 588
Elternteil ergebe. Eine andere Auslegung von Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG, insbesondere die Berücksichtigung einer vorrangigen (familiären) Beziehung zu einer Drittperson, widerspreche dem Zweck der rechtlichen Absicherung des Zusammenlebens der Gesamt- bzw. Teilfamilie. Die Berücksichtigung weiterer Bezugspersonen bei der Beurteilung der vorrangigen familiären Beziehung würde auch zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung alleinerziehender Eltern und ihrer Kinder führen. Es sei nicht einsichtig, weshalb Kindern, die nur noch über einen sorgeberechtigten Elternteil verfügen, der Familiennachzug mit dem Argument verweigert werden könnte, sie hätten zu einer Drittperson eine vorrangige (familiäre) Beziehung, wogegen bei Kindern in sogenannt intakten Familien diese Frage überhaupt nicht aufgeworfen werde. Einer derartigen Argumentation zu folgen, hiesse, den Ein-Eltern-Familien die Anerkennung zu verweigern. Weiter stehe einer solchen Argumentation entgegen, dass die Beziehung von Kindern zu Drittpersonen - insbesondere im Hinblick auf die Beurteilung unter dem Gesichtspunkt von
Art. 17 ANAG
- gar nicht als familiäre Beziehung bezeichnet werden könne, da diese Bestimmung lediglich die Kernfamilie (Eltern und ihre Kinder) schütze. Bei der Ergründung der vorrangigen familiären Beziehung seien demzufolge Beziehungen der Kinder zu Drittpersonen unbeachtlich. Einzig wenn kein Anspruch auf Familiennachzug gestützt auf
Art. 17 Abs. 2 ANAG
bestehe, sei eine weitergehende Prüfung gestützt auf
Art. 8 EMRK
angezeigt. Im Gegensatz zu
Art. 17 Abs. 2 ANAG
beschränke sich der Schutzbereich von
Art. 8 EMRK
nicht auf die Kernfamilie, sondern erstrecke sich auf die Beziehung zwischen allen nahen Verwandten, die in der Familie eine wesentliche Rolle spielen könnten. Beim Nachzug eines Kindes sei im Hinblick auf den erweiterten Familienbegriff dementsprechend nicht nur eine vorrangige (familiäre) Beziehung zum nachzugsberechtigten Elternteil im Vergleich zum andern Elternteil, sondern auch im Vergleich zu Drittpersonen erforderlich.
c) Eine solche Unterscheidung hat das Bundesgericht in seiner Praxis indessen nie gemacht. Es hat im Gegenteil bei einem nachträglichen Familiennachzug einer Teilfamilie unter dem Gesichtspunkt von
Art. 17 Abs. 2 ANAG
immer die Beziehungen der Kinder zu weiteren Betreuungspersonen ebenfalls in Betracht gezogen. So hat es in
BGE 124 II 361
E. 3a S. 366 ausgeführt, auch wenn Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG sowie
Art. 8 EMRK
unter anderem die familiäre Beziehung getrennt lebender Eltern zu ihren Kindern
BGE 125 II 585 S. 589
schützten, räumten diese Bestimmungen grundsätzlich nicht demjenigen Elternteil ein Recht auf Nachzug eines Kindes ein, der freiwillig ins Ausland verreist sei und ein weniger enges Verhältnis zum Kind habe als der andere Elternteil "oder sonstige Verwandte, die für das Kind sorgen", wenn er seine bisherigen Beziehungen zum Kind weiterhin pflegen könne. Im Urteil vom 23. Februar 1999 i.S. Rexhepallari hat es dementsprechend massgebend darauf abgestellt, dass die nachzuziehenden Kinder seit vielen Jahren (im Ausland) bei den Grosseltern gelebt und von diesen erzogen worden waren. Auch im Urteil vom 30. September 1998 i.S. Karagöz war entscheidend, dass die Grossmutter die vorrangige Beziehungsperson der Kinder gewesen war. In dem ebenfalls den Kanton Aargau betreffenden Urteil vom 26. Juli 1999 i.S. EJPD c. Krasniqi wurde der Nachzug eines Teils der Kinder nur deswegen bewilligt, weil die Grossmutter, welche die im Kosovo zurückgelassenen Kinder seit Jahren betreut hatte, inzwischen verstorben war und insofern neue Betreuungsbedürfnisse entstanden waren. Das Bundesgericht hat aber ausdrücklich darauf hingewiesen, es genüge nicht, dass im Verhältnis zwischen den Kindern und ihren Eltern eine vorrangige Beziehung der Kinder zum in der Schweiz wohnenden Vater bestehe; die Bewilligung des nachträglichen Familiennachzugs setze zusätzlich voraus, dass er sich als zu deren Pflege notwendig erweisen müsse; dies sei insbesondere dann nicht der Fall, wenn im Heimatland alternative Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, die dem Kindeswohl besser entsprächen, beispielsweise weil dadurch vermieden werden könne, die Kinder aus ihrer bisherigen Umgebung und dem ihnen vertrauten Beziehungsumfeld herauszureissen (E. 4c des zitierten Urteils).
Es besteht kein Anlass, von dieser Praxis abzuweichen. Mit ihrer gegenteiligen Auffassung verkennt die Vorinstanz (wie auch MARC SPESCHA, Handbuch zum Ausländerrecht, Bern/Stuttgart/Wien 1999, S. 172 ff., S. 174) letztlich namentlich, worauf das Bundesgericht schon in
BGE 118 Ib 153
E. 2b S. 159 hingewiesen hat, nämlich dass Wortlaut und Sinn von Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG auf den Nachzug gemeinsamer Kinder zugeschnitten sind und damit den Nachzug von Kindern getrennter bzw. geschiedener Eltern direkt gar nicht erfassen. Es kann daher in solchen Fällen zum Vornherein nur um eine analoge Anwendung gehen, weshalb auch nicht gesagt werden kann, die Berücksichtigung der Beziehungen der Kinder zu Drittpersonen widerspreche dem Gesetz. Zwar will
Art. 17 Abs. 2 ANAG
das familiäre Zusammenleben innerhalb der Kernfamilie
BGE 125 II 585 S. 590
(bestehend aus Eltern und gemeinsamen Kindern) gewährleisten; dies hat indessen nichts mit der Frage zu tun, welche Voraussetzungen für den Familiennachzug erforderlich sind, wenn diese Familie nicht mehr besteht. Insofern kommt es auf den der Bestimmung zugrunde liegenden Familienbegriff nicht an. In der Berücksichtigung der Beziehungen zu weiteren Betreuungspersonen liegt schliesslich auch keine Diskriminierung der Kinder getrennter bzw. geschiedener Eltern, denn solche Kinder befinden sich zum Vornherein nicht in der gleichen Lage wie die Kinder verheirateter Eltern, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers regelmässig zusammen mit dem vorerst in der Heimat zurückgebliebenen Elternteil nachgezogen werden (vgl. Art. 38 f. der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer vom 6. Oktober 1986, BVO, SR 823.21), weshalb sich bei ihnen die Frage der Beziehungen zu Drittpersonen im Normalfall gar nicht stellt.
d) Im vorliegenden Fall heiratete die Beschwerdegegnerin, deren Ehe im Jahre 1990 geschieden worden war, am 21. Februar 1992 den Schweizer Bürger B. und erhielt in der Folge die Aufenthaltsbewilligung. Die vier Kinder, die bei der Scheidung unter ihre Obhut gestellt worden waren, liess sie in ihrer brasilianischen Heimat zurück, wo sie offenbar von den Grosseltern betreut wurden. Ein Familiennachzugsgesuch stellte sie erst am 1. November 1996, und nur für den Sohn F., der damals als einziges der Kinder das 18. Alters- jahr noch nicht überschritten hatte, obwohl sie gestützt auf
Art. 8 EMRK
von Anfang an einen Anspruch auf Familiennachzug hätte geltend machen können. Hierzu wäre sie wirtschaftlich, jedenfalls nachdem ihr Ehemann im Jahre 1994 ein Einfamilienhaus erworben hatte, auch in der Lage gewesen. Plausible Gründe für den nachträglichen Familiennachzug bringt die Beschwerdegegnerin nicht vor. Insbesondere behauptet sie nicht, dass sich die Betreuungsverhältnisse in Brasilien, wo sich die Geschwister des Sohnes und dessen Vater weiterhin aufhalten, inzwischen geändert hätten. Unter diesen Umständen verstiess die kantonale Fremdenpolizei nicht gegen Bundesrecht, wenn sie das Familiennachzugsgesuch abwies. Sie durfte dabei auch berücksichtigen, dass es nicht dem Sinn und Zweck des Instituts des Familiennachzugs entspricht, wenn ein Kind erst nach Absolvierung der Schulpflicht nachgezogen wird, um ihm in der Schweiz eine bessere berufliche Ausbildung zu ermöglichen und das wirtschaftliche Fortkommen zu sichern. Ein eigentlicher Rechtsmissbrauch ist dabei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht erforderlich.
BGE 125 II 585 S. 591
e) Aus
Art. 8 EMRK
lassen sich in einem Fall wie dem vorliegenden keine weitergehenden Ansprüche ableiten. Im Übrigen hatte das nachzuziehende Kind schon im Zeitpunkt der Ausfällung des angefochtenen Entscheids das 18. Altersjahr überschritten, weshalb sich die Beschwerdegegnerin ohnehin nicht auf diese Bestimmung berufen kann (vgl.
BGE 120 Ib 257
E. 1e und f S. 261-263).
f) Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass der angefochtene Entscheid der Vorinstanz, gemäss welchem der Familiennachzug von F. bewilligt wurde, Bundesrecht verletzt. | public_law | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fbf518d3-176c-4cc3-80fd-7c28b61c675c | Urteilskopf
97 II 136
20. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Mai 1971 i.S. Wirz gegen Wirz. | Regeste
Verjährung.
1.
Art. 50 OG
. Berufung gegen einen Vorentscheid über die Verjährung (Erw. 1).
2.
Art. 60 Abs. 2 OR
. Beginn, Dauer und Unterbrechung der strafrechtlichen Verjährung, wenn diese auch für den Zivilanspruch gilt (Erw. 2 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 136
BGE 97 II 136 S. 136
A.-
Am 14. Januar 1962 kam es im Hotel Metzgern in Sarnen zwischen Gästen zu Auseinandersetzungen, in deren Verlauf die 62jährige Serviertochter Elise Wirz angeblich wegen eines Schlages zu Boden stürzte und verletzt wurde. Durch Urteil vom 3. Oktober 1963, das unangefochten blieb, fand der Kantonsgerichtsausschuss Obwalden den Metzgermeister Arthur Wirz der einfachen Körperverletzung im Sinne von
Art. 123 Ziff. 1 StGB
schuldig und büsste ihn mit Fr. 40.-. Das Gericht hielt für erwiesen, dass Wirz der Serviertochter einen Schlag auf den Kopf versetzt und sie verletzt habe. Die Schadenersatzansprüche der Geschädigten wurden auf den Zivilweg verwiesen.
B.-
Am 26. April 1968 klagte Elise Wirz gegen Arthur Wirz auf Bezahlung von Fr. 16 665.55. Sie verlangte Ersatz für Heilungskosten und andere Auslagen, Erwerbsausfall in
BGE 97 II 136 S. 137
den Jahren 1962 bis 1964 und erhob Anspruch auf Genugtuung. Der Beklagte bestritt die Klage und machte zudem geltend, die Schadenersatzansprüche seien verjährt.
Das Kantonsgericht Obwalden, das ein Beweisverfahren durchführte, verwarf die Verjährungseinrede und hiess die Klage am 16. Juli 1970 im Teilbetrage von Fr. 2353.-- nebst 5% Zins seit 1. Juli 1962 gut.
Beide Parteien appellierten an das Obergericht des Kantons Obwalden, das sich auf Begehren des Beklagten auf die Frage der Verjährung beschränkte. Mit Vorentscheid vom 11. Dezember 1970 verneinte es, dass die Verjährung eingetreten sei, und wies die Einrede ab.
C.-
Der Beklagte hat gegen diesen Entscheid die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er beantragt, ihn aufzuheben und die Klage wegen Verjährung abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das angefochtene Urteil ist ein selbständiger Vorentscheid. Gegen einen solchen ist nach
Art. 50 OG
ausnahmsweise die Berufung zulässig, wenn dadurch sofort ein Endentscheid herbeigeführt werden und ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichts als gerechtfertigt erscheint.
Die erste dieser Voraussetzungen ist hier offensichtlich erfüllt, da bei Gutheissung der vom Beklagten erhobenen Verjährungseinrede sich sofort ein Endentscheid auf Abweisung der Klage ergäbe. Der Beklagte hält auch die zweite Voraussetzung für gegeben. Die Klägerin widerspricht dem an sich nicht, weist aber darauf hin, dass die Frage von Amtes wegen zu prüfen sei.
Das Kantonsgericht hat die Verjährungseinrede im Einverständnis des Beklagten nicht zum Gegenstand eines Vorentscheides gemacht; es hat darüber vielmehr entschieden, als es nach Durchführung eines Beweisverfahrens in der Sache selber urteilte. In bezug auf die Folgen der Körperverletzung stellte das Kantonsgericht dabei vor allem auf schriftliche Arztzeugnisse ab. Die Klägerin rügte dies und beantragte dem Obergericht, zehn bereits vor erster Instanz angerufene, aber nicht abgehörte Zeugen, die mit einer Ausnahme Ärzte sind,
BGE 97 II 136 S. 138
zur Sache zu vernehmen. Da das Obergericht sein Urteil ausdrücklich als selbständigen Vorentscheid gemäss
Art. 50 OG
bezeichnet, muss angenommen werden, dass es ein weiteres Beweisverfahren im Sinne der Anträge der Klägerin für erforderlich hält. Dass diese Anträge unzulässig oder unerheblich wären, kann den Akten nicht entnommen werden, zumal der Beklagte vor Kantonsgericht die schriftlichen Arztzeugnisse bestritten und selber beantragt hat, die Ärzte als Zeugen einzuvernehmen. Von den zehn Zeugen wohnen neun ausserhalb des Kantons Obwalden und wären voraussichtlich auf dem Rechtshilfeweg zu befragen. Angesichts solcher Weiterungen, die vermutlich kostspielig und weitläufig wären, sich aber erübrigen, wenn die Verjährungseinrede begründet ist, muss auch die in
Art. 50 OG
genannte zweite Voraussetzung als erfüllt gelten. Auf die Berufung ist somit einzutreten.
2.
Wenn eine Klage auf Schadenersatz oder Genugtuung aus einer strafbaren Handlung hergeleitet wird, für die das Strafrecht eine längere Verjährung vorschreibt als
Art. 60 Abs. 1 OR
, gilt diese auch für den Zivilanspruch (
Art. 60 Abs. 2 OR
).
Der Beklagte ist wegen des Vorfalles, welcher der Zivilklage zugrunde liegt, am 3. Oktober 1963 rechtskräftig wegen einfacher Körperverletzung bestraft worden. Damit steht für den Zivilrichter verbindlich fest, dass eine strafbare Handlung im Sinne von
Art. 60 Abs. 2 OR
vorliegt (
BGE 93 II 501
,
BGE 96 II 43
). Das Vergehen der einfachen Körperverletzung verjährt ordentlicherweise in fünf Jahren (
Art. 70 und 123 Ziff. 1 StGB
). Diese Frist begann mit dem Tage der Tatbegehung (
BGE 96 II 44
/45) und lief am 13. Januar 1967 ab. Sie dauerte länger als die einjährige Frist des
Art. 60 Abs. 1 OR
, die im Juni 1964, als die Klägerin sich nach ihren eigenen Angaben über das Ausmass des Schadens Rechenschaft geben konnte, zu laufen begann und übrigens unbenützt verstrichen ist. Die Verjährungsfrist des Strafrechts gilt daher auch für den Zivilanspruch.
Das Bundesgericht nahm zunächst an, ob die strafrechtliche oder die zivilrechtliche Verjährung länger sei, beurteile sich nach den beiden Verjährungen eigenen Regeln; es gehe daher nicht an, die zivilrechtlichen Unterbrechungs- und Stillstandsgründe anstelle der strafrechtlichen oder zusammen mit diesen anzuwenden, wenn die Dauer der strafrechtlichen Verjährung zu ermitteln sei (
BGE 77 II 319
f.). Im Jahre 1965 rückte es
BGE 97 II 136 S. 139
unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte und den Zweck des
Art. 60 Abs. 2 OR
von dieser Auffassung ab und erklärte, die Verjährung des Zivilanspruches richte sich mit Bezug auf Beginn und Dauer zwar nach dem Strafrecht, beurteile sich im übrigen aber nach den Vorschriften des Zivilrechts (
Art. 127 ff. OR
), da sonst das Schicksal des Zivilanspruches von Zufälligkeiten des Strafverfahrens abhängig gemacht würde, auf das der Geschädigte im allgemeinen keinen Einfluss habe. Das gelte insbesondere für die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung. Wenn der Schaden auf eine strafbare Handlung zurückzuführen ist, müsse der Geschädigte daher den Zivilanspruch während der vollen Dauer der strafrechtlichen Verjährungsfrist geltend machen und die Frist durch Mittel des Zivilrechts unterbrechen können, unbekümmert darum, ob ein Strafverfahren eingeleitet werde und, wenn ja, ob die Strafverfolgung mit einer Verurteilung, einem Freispruch oder mit einer Einstellung des Verfahrens ende (
BGE 91 II 434
ff.). Im gleichen Sinn hat das Bundesgericht 1970 im Falle Huwiler entschieden (
BGE 96 II 44
f.). Dass der Beklagte bereits am 3. Oktober 1963 rechtskräftig verurteilt wurde, hinderte die Klägerin somit nicht, sich bis 13. Januar 1967 auf die ordentliche Verjährungsfrist des Strafrechts zu berufen. Der Beklagte bestreitet dies nicht; er anerkennt im Gegenteil, dass die ordentliche Verfolgungsverjährung von fünf Jahren "durch verschiedene Handlungen" der Klägerin unterbrochen worden ist.
3.
Streitig ist dagegen, welche Bedeutung der absoluten strafrechtlichen Verjährungsfrist, die für einfache Körperverletzung 7 1/2 Jahre beträgt (
Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB
), nach
Art. 60 Abs. 2 OR
zukommt. Das Obergericht nimmt an, die Klägerin habe ihre Zivilansprüche innert dieser bis zum 13. Juli 1969 dauernden Frist geltend machen können. Das ist auch die Meinung des Beklagten, der sich jedoch im Gegensatz zur Vorinstanz auf den Standpunkt stellt, mit dem Ablauf der absoluten Verfolgungsverjährung seien die Ansprüche der Klägerin, wie sich aus
Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB
ergebe, "in jedem Fall" verjährt.
Art. 60 Abs. 2 OR
bezwecke bloss, die Forderung aus unerlaubter Handlung solange nicht untergehen zu lassen, als die Strafverfolgung nicht verjährt sei; ob und um wieviel diese Verjährung länger sei als die des Zivilrechts, sage das Strafgesetzbuch, das die strafrechtliche Verjährung abschliessend regle. Die Klägerin vertritt demgegenüber die Ansicht,
BGE 97 II 136 S. 140
nach
Art. 60 Abs. 2 OR
sei einzig die ordentliche Verjährung des Strafrechts massgebend.
a) Der Auffassung des Beklagten ist vorweg entgegenzuhalten, dass die Forderung des Geschädigten mit dem Ablauf der Verjährung nicht untergeht; sie bleibt bestehen, kann aber nicht mehr gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt werden. Dadurch unterscheidet sich die zivilrechtliche Verjährung denn auch von derjenigen des Strafrechts, wo der Strafanspruch des Staates mit dem Zeitablauf von Gesetzes wegen untergeht. Der Strafanspruch verjährt zudem trotz Unterbrechungen, wenn die ordentliche Verjährungsfrist um die Hälfte, bei Ehrverletzungen und bei Übertretungen um ihre ganze Dauer überschritten ist (
Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB
). Das Zivilrecht kennt dagegen keine absolute Verjährung in diesem Sinne. Bei drohendem Ablauf der Verjährung dürfen nicht nur die einjährige Frist des Art. 60 Abs. 1, sondern auch die zehn- und fünfjährigen Fristen der
Art. 127 und 128 OR
stets von neuem durch Mittel des Zivilrechts unterbrochen werden, ohne dass der Beklagte sich auf eine absolute Schranke berufen könnte.
Die absolute Verjährungsfrist des Strafrechts auf den Zivilanspruch anzuwenden, wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt. Es wäre insbesondere stossend, wenn der Anspruch wegen der Dauer des Zivilprozesses verjähren könnte, obschon der Geschädigte ihn rechtzeitig geltend machte. Diese Gefahr bestände namentlich dann, wenn die absolute Verjährungsfrist des Strafrechts wie hier 7 1/2 Jahre beträgt, der Geschädigte mit seinem Anspruch auf den Zivilweg verwiesen wird und die Klage von mehreren Instanzen beurteilt werden muss. Dass der Geschädigte diesfalls, wie der Beklagte behauptet, den Nachteil der Verjährung seiner eigenen Säumnis zuzuschreiben habe, wenn der Anspruch innert der Frist nicht mehr rechtskräftig beurteilt werden könne, lässt sich nicht sagen, da die Dauer des Verfahrens auch von Umständen abhängt, die er nicht zu vertreten hat; der Geschädigte kann insbesondere nicht verhindern, dass das Verfahren durch Rechtsmittel des Belangten in die Länge gezogen wird.
Die vom Beklagten befürwortete Lösung widerspräche zudem nicht nur dem Zweck des
Art. 60 Abs. 2 OR
, den Geschädigten besser zu stellen, sondern auch der 1965 eingeleiteten Rechtsprechung. Dass der Geschädigte eine allenfalls längere Verjährungsfrist des Strafrechts nur bis zum Eintritt der absoluten
BGE 97 II 136 S. 141
Verfolgungsverjährung unterbrechen könne, ist dieser Rechtsprechung entgegen der Annahme des Beklagten nicht zu entnehmen. In
BGE 91 II 429
ff. wurde mit einlässlicher Begründung dargetan, warum der im Falle Perrin (
BGE 77 II 314
ff.) aufgestellte Grundsatz, die zivilrechtliche und die strafrechtliche Verjährung nach den ihnen eigenen Regeln zu beurteilen, zu Widersprüchen führte und sich gerade mit Bezug auf die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nicht aufrechterhalten liess. In
BGE 96 II 39
ff. sodann wurde verdeutlicht, dass die nach
Art. 60 Abs. 2 OR
auf den Zivilanspruch anwendbare längere Verjährungsfrist des Strafrechts mit der Tatbegehung beginnt; im übrigen wurde jedoch bestätigt, dass der Geschädigte diese Frist durch Mittel des Zivilrechts unterbrechen kann und die Unterbrechung den Vorschriften der
Art. 135 ff. OR
untersteht. Nach diesen Bestimmungen bleibt, wenn der Geschädigte die ordentliche Verfolgungsverjährung rechtzeitig durch Betreibung oder Klage unterbricht, für eine absolute Verjährung im Sinne des Strafrechts aber kein Raum mehr; nach
Art. 137 Abs. 1 OR
beginnt die Verjährung vielmehr von neuem, und zwar mit ihrer ursprünglichen Dauer. Gleich verhält es sich gemäss
Art. 138 Abs. 1 und 2 OR
bei Unterbrechungen während des Rechtsstreites oder des Betreibungsverfahrens (
BGE 75 II 231
Erw. 3,
BGE 85 II 508
/9).
b) Im vorliegenden Fall wurde die ordentliche Strafverfolgungsfrist von fünf Jahren insbesondere am 13. Januar 1967 durch Betreibung und am 26. April 1968 durch die Klage unterbrochen. Da die Frist jeweils mit der ursprünglichen Dauer von neuem begann, sind die Zivilansprüche der Klägerin nicht verjährt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 11. Dezember 1970 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fbf95e23-c6e5-4584-9ded-6e8eeee0f1c5 | Urteilskopf
100 II 270
39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. November 1974 i.S. Roduner und Mitbeteiligte gegen Klaeger und Mitbeteiligte. | Regeste
Internationales Ehegüterrecht:
Art. 31 Abs. 3 NAG
.
Schweizerische Ehegatten, die aus dem Ausland in die Schweiz zurückgekehrt sind und deren güterrechtlichen Verhältnisse vom ausländischen Recht beherrscht werden, können sich nicht nur durch eine Erklärung im Sinne von
Art. 20 NAG
, sondern auch durch den Abschluss eines Ehevertrages, in dem ein schweizerischer Güterstand gewählt wird, dem schweizerischen Ehegüterrecht unterstellen (Erw. 3).
Ehevertragliche Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten (
Art. 214 Abs. 3 ZGB
)
Rückwirkung auf die gesamte Dauer der Ehe? (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 270
BGE 100 II 270 S. 270
A.-
Die Schweizerbürger Walter Schoch und Olga Künzli heirateten im Jahre 1916 im damaligen St. Petersburg, wo sie auch ihren ersten ehelichen Wohnsitz begründeten. 1918 übersiedelten sie definitiv in die Schweiz. Ihre Ehe blieb kinderlos. Beide Ehegatten waren bei der Verheiratung ohne Vermögen und haben später auch keine Erbschaften erworben. Beim
BGE 100 II 270 S. 271
Wegzug aus Russland war kein Vermögen vorhanden. In der Schweiz dagegen konnten die Eheleute ansehnliche Ersparnisse erzielen.
Am 10. Februar 1954 errichtete Walter Schoch ein eigenhändiges Testament, worin er seine Gattin zur Alleinerbin als Vorerbin einsetzte. Als Nacherben für den Überrest bestimmte er zu gleichen Teilen Maja Roduner-Krauss, Silvia Hiltbold-Krauss, Richard Krauss und Asta Lindholm-Seege. Am 12. September 1957 schlossen die Eheleute Schoch-Künzli beim Bezirksamt See/SG einen Ehevertrag mit folgendem Wortlaut:
"I.
Die Vertragsparteien vereinbaren im Sinne von
Art. 214 Abs. 3 ZGB
, dass der eheliche Vorschlag in Abweichung von der gesetzlichen Regelung des
Art. 214 Abs. 1 ZGB
ganz und ungeteilt dem überlebenden Ehegatten zu Eigentum zufallen soll.
II.
Dieser Vertrag bedarf der Genehmigung der Vormundschaftsbehörde Eschenbach."
Der Vertrag wurde am gleichen Tag öffentlich beurkundet und am 17. September 1957 vom Waisenamt Eschenbach im Sinne von
Art. 421 Ziff. 9 ZGB
genehmigt.
Am 18. Juni 1959 verstarb Walter Schoch. Seine Ehefrau übernahm das gesamte vorhandene Vermögen. Die Abrechnung über die Erbschaftssteuer basierte auf der Zuwendung von 2/3 des Vorschlags (gleich Nachlass) gemäss Ehevertrag. Das Testament blieb unerwähnt und wurde nicht eröffnet.
Olga Schoch starb ihrerseits am 7. Februar 1971. Als gesetzliche Erben hinterliess sie drei Schwestern bzw. Halbschwestern, nämlich Margarethe Klaeger-Künzli, Anita Bachmann-Künzli und Ellinor Pellaton-Künzli, sowie den Sohn einer vorverstorbenen Schwester, Cyrill N. Waldmann. Dieser gab eine Verzichterklärung zugunsten seiner Miterben ab, die daraufhin eine Erbbescheinigung erhielten und sich in den Besitz des Nachlasses setzen konnten.
B.-
Mit gerichtlicher Klage gegen die gesetzlichen Erben der Olga Schoch verlangten die im Testament des Walter Schoch aufgeführten Nacherben die Aufteilung der vorhandenen Werte in einen Nachlass Walter Schoch und in einen Nachlass Olga Schoch und die anschliessende Zuweisung der
BGE 100 II 270 S. 272
beiden Nachlässe an sie bzw. an die Beklagten. Das Bezirksgericht See sowie auf Berufung hin am 2. Oktober 1973 das Kantonsgericht St. Gallen wiesen die Klage ab. Das Kantonsgericht ging in seinem Urteil davon aus, der Ehevertrag vom 12. September 1957 sei auch als Unterstellungserklärung unter das schweizerische Recht im Sinne von
Art. 20 NAG
zu verstehen, zu deren Entgegennahme das Waisenamt Eschenbach zuständig gewesen sei. Die güterrechtlichen Verhältnisse seien daher nach schweizerischem Recht zu beurteilen. Da die Ehegatten Schoch-Künzli nichts in die Ehe eingebracht hätten, sei durch den Ehevertrag das gesamte eheliche Vermögen als Vorschlag dem überlebenden Ehegatten zugewiesen worden, wodurch das Testament gegenstandslos geworden sei.
C.-
Gegen das Urteil des Kantonsgerichts führten die Kläger Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen sowie Berufung ans Bundesgericht. Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde am 18. April 1974 abgewiesen, worauf die Kläger staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Diese wurde mit Urteil vom heutigen Tag ebenfalls abgewiesen.
Mit der Berufung beantragen die Kläger, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen sei aufzuheben, der Nachlass des Walter Schoch sei nach dessen Testament ihnen zuzusprechen und der Streitfall sei an das Kantonsgericht zurückzuweisen zur Aufteilung des vorhandenen Vermögens in die beiden Nachlässe. Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
- a) Nach
Art. 31 Abs. 1 NAG
bestimmen sich die güterrechtlichen Verhältnisse schweizerischer Ehegatten, die ihren ersten ehelichen Wohnsitz im Ausland haben, nach dem Recht des Heimatkantons, soweit nicht das ausländische Recht für sie massgebend ist. Das Heimatrecht hat somit immer dann zurückzutreten, wenn das Recht des ersten ausländischen Domizils die fraglichen Rechtsverhältnisse für sich beansprucht. Die Eheleute Schoch hatten ihren ersten ehelichen Wohnsitz im zaristischen Russland. Die Vorinstanz stellt unter Hinweis auf ein von den Beklagten eingereichtes Gutachten von Prof. Schnitzer fest, dass das zaristische Recht
BGE 100 II 270 S. 273
ebenso wie das heutige Sowjetrecht auf dem Boden des Territorialprinzips stand, d.h. auch Geltung für das Ehegüterrecht von Ausländern mit Wohnsitz im Inland beanspruchte (vgl. auch VEB 1944/45 Nr. 88; GAUTSCHI, Über das internationale interne Ehegüterrecht, SJZ 1919 S. 51). Da es sich bei dieser Frage um Inhalt und Auslegung ausländischen Rechts handelt, entzieht sie sich der Überprüfung durch das Bundesgericht im Berufungsverfahren. Somit unterstanden die güterrechtlichen Verhältnisse der Eheleute Schoch nach deren Verheiratung dem zaristischen Recht. Dieses sah, wie im angefochtenen Entscheid ferner verbindlich festgestellt wird, als ordentlichen Güterstand die Gütertrennung vor. Es ist daher davon auszugehen, dass die Eheleute Schoch in St. Petersburg unter diesem Güterstand lebten.
b) Kehren schweizerische Ehegatten, die ihren ersten ehelichen Wohnsitz im Ausland hatten, in die Schweiz zurück, so setzen sie untereinander das Güterrechtsverhältnis fort, das im Ausland für sie Geltung hatte (
Art. 31 Abs. 3 NAG
). Im Verhältnis zu Dritten (externer Güterstand) ist indessen schweizerisches Recht massgebend (Art. 31 Abs. 3 in Verbindung mit
Art. 19 Abs. 2 NAG
).
Unter den Parteien ist die Tragweite der in
Art. 31 Abs. 3 NSG
enthaltenen Verweisung auf das Recht des ersten ehelichen Wohnsitzes streitig. Die Kläger machen gestützt auf den Wortlaut dieser Bestimmung geltend, das Güterrechtsverhältnis werde durch das beim Wegzug der Ehegatten geltende materielle Auslandsrecht endgültig geregelt und spätere Änderungen dieses Rechts seien unbeachtlich. Mit der Rückkehr in die Schweiz sei der frühere Anknüpfungspunkt an das ausländische Recht hinfällig geworden, so dass dessen Änderungen keinen Einfluss mehr ausüben könnten auf die güterrechtlichen Verhältnisse der zurückgewanderten Ehegatten.
Demgegenüber steht die Vorinstanz mit den Beklagten auf dem Standpunkt, das dem Recht des ersten ehelichen Wohnsitzes unterstellte Ehegüterrechtsverhältnis folge auch nach der Rückkehr der Eheleute in die Schweiz den Änderungen der es beherrschenden ausländischen Rechtsordnung. Die güterrechtlichen Verhältnisse der Eheleute Schoch hätten sich daher nach der russischen Revolution nicht mehr nach altem zaristischem Recht bestimmt, sondern nach dem jeweils geltenden Recht der Sowjetunion. Dieses habe als ordentlichen
BGE 100 II 270 S. 274
Güterstand die Errungenschaftsgemeinschaft eingeführt, und zwar für alle bestehenden Ehen mit Rückwirkung auf den Eheabschluss. Die Eheleute Schoch hätten somit nach ihrer Rückkehr in die Schweiz nicht unter dem Güterstand der Gütertrennung sondern unter demjenigen der Errungenschaftsgemeinschaft gemäss sowjetischem Recht gelebt.
Die Frage, ob auf die güterrechtlichen Verhältnisse von in die Schweiz zurückgekehrten Auslandschweizern, für die nach
Art. 31 Abs. 3 NAG
ausländisches Recht massgeblich ist, das im Zeitpunkt des Wegzuges geltende Recht anzuwenden sei oder ob auch die seitherigen Änderungen des Auslandrechts zu berücksichtigen seien, musste das Bundesgericht bis jetzt noch nie entscheiden. Sie kann auch heute offen bleiben, da es für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht darauf ankommt, ob die Eheleute Schoch nach ihrer Abreise aus Russland unter dem Güterstand der Gütertrennung oder demjenigen der Errungenschaftsgemeinschaft lebten.
3.
Nach
Art. 31 Abs. 3 NAG
können schweizerische Ehegatten, die aus dem Ausland in die Schweiz zurückgekehrt sind, ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch eine gemeinsame Erklärung im Sinne von
Art. 20 NAG
dem schweizerischen Recht unterstellen. Die Vorinstanz geht davon aus, der Ehevertrag vom 12. September 1957 sei auch als solche Erklärung zu verstehen. Dieser Vertrag enthält indessen, wie die Kläger zu Recht geltend machen, keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute Schoch eine Unterstellungserklärung im Sinne von
Art. 20 NAG
hätten abgeben wollen. Auch deutet nichts darauf hin, dass das Waisenamt Eschenbach etwas anderes als einen gewöhnlichen Ehevertrag genehmigt hat.
Nach herrschender Lehre können sich jedoch die aus dem Ausland zurückgekehrten Auslandschweizer nicht nur durch eine eigentliche Unterstellungserklärung im Sinne von
Art. 20 NAG
, sondern auch durch den Abschluss eines Ehevertrages, in dem ein schweizerischer Güterstand gewählt wird, dem schweizerischen Recht unterstellen (LEMP, N. 67 der Vorbemerkungen zum sechsten Titel des ZGB; STAUFFER, Kommentar zum NAG, N. 49 zu Art. 19/20; LALIVE, Le régime matrimonial des étrangers en Suisse, in Mémoires publiés par la Faculté de droit de Genève, Nr. 16, 1963, S. 104; R. SCHMID, Das eheliche Güterrecht der Ausländer in der Schweiz, Diss.
BGE 100 II 270 S. 275
Bern 1962, S. 64, 66, 103 f.; C. WIELAND, Das internationale Ehegüterrecht der Ausländer in der Schweiz, in Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1920, S. 13 f.; vgl. auch die Bescheide der Eidgenössischen Justizabteilung in VEB 1974 Nr. 28 und 1932 Nr. 95). Und zwar können sie selbst dann einen Ehevertrag nach schweizerischem Recht schliessen, wenn das ausländische Ehegüterrecht, dem sie unterstehen, den nachträglichen Abschluss eines Ehevertrages nicht zulässt. Denn ein solches Verbot könnten die Ehegatten dadurch ausschalten, dass sie sich vorerst durch eine Erklärung im Smne von
Art. 20 NAG
dem schweizerischen Recht unterstellten und hernach den ordentlichen schweizerischen Güterstand durch Abschluss eines Ehevertrages abänderten. Für diesen Umweg über die Unterstellungserklärung besteht jedoch kein vernünftiger Grund. Der in
Art. 20 NAG
mit der behördlichen Genehmigung der Unterstellungserklärung beabsichtigte Zweck kann durch die in
Art. 181 Abs. 2 ZGB
für den Ehevertrag vorgesehene Zustimmung der Vormundschaftsbehörde ebensogut erreicht werden. Die öffentliche Beurkundung des Ehevertrages (
Art. 181 Abs. 1 ZGB
) gewährleistet zudem die klare Feststellung und Formulierung des Parteiwillens (
BGE 99 II 360
). Ein Anlass zu etappenweisem Vorgehen (zunächst Unterstellungserklärung und danach Abschluss eines Ehevertrages, die durch zwei verschiedene Behörden zu genehmigen wären) besteht daher nicht. Somit steht nichts entgegen, dass vom Ausland zurückgekehrte Ehegatten, deren interne güterrechtliche Verhältnisse gemäss
Art. 31 Abs. 3 NAG
vom ausländischen Recht beherrscht sind, durch Abschluss eines Ehevertrages direkt einen schweizerischen Güterstand wählen. Ein solcher Vertrag untersteht dann aber in vollem Umfang dem schweizerischen Recht (C. WIELAND, a.a.O.).
Im vorliegenden Fall haben die Eheleute Schoch im Sinne von
Art. 214 Abs. 3 ZGB
vereinbart, dass der Vorschlag dem überlebenden Ehegatten zufallen soll. Sie haben damit eine Modifikation des ordentlichen schweizerischen Güterstandes der Güterverbindung gewählt. Diese Vereinbarung ist nach dem Gesagten zulässig, ohne dass geprüft werden müsste, ob sie auch nach zaristischem bzw. sowjetischem Ehegüterrecht, dem die Ehegatten damals unterstanden, hätte abgeschlossen werden können.
4.
Die Kläger machen geltend, die im Ehevertrag vorgenommene
BGE 100 II 270 S. 276
Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten wirke nicht auf den Zeitpunkt der Eheschliessung zurück, sondern betreffe nur die Vermehrung des ehelichen Vermögens, die nach Vertragsabschluss eingetreten sei.
Wechseln Eheleute im Verlauf ihrer Ehe vertraglich ihren Güterstand, so steht es ihnen frei, diesen Wechsel im internen Verhältnis auf den Beginn der Ehe zurückwirken zu lassen (VEB 1932 Nr. 56; LEMP, N. 33 zu Art. 179 und N. 70 zu
Art. 189 ZGB
; KAPPELER, Die güterrechtliche Auseinandersetzung bei Wechsel des Güterstandes während der Ehe, Diss. Bern 1939, S. 10). Die Eheleute Schoch waren sich indessen offensichtlich nicht bewusst, dass sie einem ausländischen Ehegüterrecht unterstanden und dass sie demzufolge mit dem Abschluss des Ehevertrages einen Güterstandswechsel vornahmen, sondern sie glaubten vielmehr, sie lebten bereits unter dem ordentlichen schweizerischen Güterstand der Güterverbindung, den sie lediglich modifizieren wollten. Demgemäss vereinbarten sie ausdrücklich, dass der Vorschlag "in Abweichung von der gesetzlichen Regelung des
Art. 214 Abs. 1 ZGB
" dem überlebenden Ehegatten zufallen solle. Wären sie der Ansicht gewesen, sie unterstünden zaristischem bzw. sowjetischem Güterrecht, so hätten sie den Vertrag zweifellos anders formuliert. Gingen sie aber davon aus, sie lebten unter dem Güterstand der Güterverbindung, so muss angenommen werden, sie hätten sich nicht bloss den zukünftigen Vorschlag zuweisen wollen, denn eine Vereinbarung über die Vorschlagsbeteiligung gilt, auch wenn der Ehevertrag erst im Laufe der Ehe geschlossen wird, in aller Regel für den gesamten, vom Beginn bis zur Auflösung der Ehe entstehenden Vorschlag (LEMP, N. 84 zu
Art. 214 ZGB
). Wieso es sich hier anders verhalten sollte, ist nicht ersichtlich. Bei der Ermittlung des Vorschlags ist daher davon auszugehen, der Ehevertrag wirke auf den Beginn der Ehe zurück.
Was die Kläger hiegegen vorbringen, dringt nicht durch. Sie machen geltend, die Eheleute Schoch seien mit den Beklagten verfeindet gewesen und hätten ihnen daher nichts zukommen lassen wollen, was gegen eine Rückwirkung spreche. Die Vorinstanz hat diese Behauptungen zu Recht als unwesentlich nicht näher untersucht. Der Abschluss des Ehevertrages beweist an sich schon, dass allfällige Spannungen zu Verwandten für die Dispositionen der Eheleute Schoch nicht massgebend
BGE 100 II 270 S. 277
waren. Wären die Spannungen so gross gewesen, wie die Kläger behaupten, so wäre es unverständlich, warum überhaupt eine ehevertragliche Vereinbarung über den Vorschlag getroffen wurde, selbst wenn sie sich nur auf künftigen Vorschlag bezogen hätte. Dazu kommt, dass keiner der Ehegatten nach Abschluss des Ehevertrages durch letztwillige Verfügung die gesetzliche Erbfolge geändert hat. Insbesondere hat Olga Schoch während ihrer Witwenzeit von 1959-1971 nie eine Verfügung errichtet, durch die die Beklagten von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden wären, obwohl ihr bewusst sein musste, dass sie ehevertraglich in den Besitz von Vorschlag gelangt war, der somit nicht dem Testament des Ehemannes unterliegen konnte. Zutreffend weist die Vorinstanz auch darauf hin, dass beim Tode von Walter Schoch dessen Testament weder vorgelegt noch eröffnet, sondern dass auf den Ehevertrag Bezug genommen wurde, was ebenfalls darauf schliessen lässt, dass jenem Testament keine Bedeutung mehr zugemessen wurde.
Weiter wird im angefochtenen Urteil mit Recht hervorgehoben, dass eine Vorschlagszuweisung mit Wirkung ex nunc praktisch sinnlos gewesen wäre. Die Vorinstanz stellt für das Bundesgericht verbindlich fest, dass der Gesundheitszustand der Eheleute Schoch im Herbst 1957 so schlecht war, dass für die Folgezeit überhaupt keine Vermehrung des ehelichen Vermögens mehr erwartet werden konnte. Der Ehevertrag, der nach Darstellung der Kläger einen zusätzlichen Schutz für Olga Schoch hätte bringen sollen, hätte somit bei Wirkung ex nunc deren Stellung nicht verbessert. Es ist schlechterdings nicht einzusehen, aus welchen Gründen sich die Eheleute Schoch die Umtriebe und Kosten der Vertragsschliessung, Verurkundung und waisenamtlichen Genehmigung gemacht hätten, wenn sie nicht mehr hätten erreichen wollen. Entgegen der Ansicht der Kläger besteht deshalb kein Grund zur Annahme, dass die Ehegatten mit dem Ehevertrag vom 12. September 1957 nicht eine Regelung mit Rückwirkung auf die gesamte Ehedauer haben treffen wollen.
5.
Die ehevertragliche Zuweisung des gesamten Vorschlags an den überlebenden Ehegatten ist - unter Vorbehalt von
Art. 2 Abs. 2 ZGB
- als zulässig zu betrachten (
BGE 82 II 477
ff.,
BGE 58 II 1
ff.; vgl. auch
BGE 99 II 9
ff.). Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch liegen nicht vor. Da kein
BGE 100 II 270 S. 278
eingebrachtes Gut vorhanden war, ging somit beim Tod von Walter Schoch das ganze vorhandene Vermögen kraft Ehevertrags auf dessen Ehefrau über. Diese erwarb das Vermögen nicht erbrechtlich, sondern güterrechtlich; ein Nachlass des Ehemannes bestand nicht mehr. Damit fehlte es aber auch an einem Objekt für die Nacherbeneinsetzung der Kläger. Durch den Ehevertrag wurde demnach der letztwilligen Verfügung vom 10. Februar 1954 die Substanz entzogen. Die Klage, die sich auf diese Verfügung stützt, wurde deshalb von den kantonalen Instanzen zu Recht abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fbfa42be-8dcb-479b-91b2-ff739c4164c4 | Urteilskopf
115 II 340
62. Estratto della sentenza 18 agosto 1989 della II Corte civile nella causa X e Y contro Dipartimento di giustizia della Repubblica e Cantone del Ticino (ricorso di diritto amministrativo) | Regeste
Errichtung einer Dienstbarkeit auf gemeinschaftlichen Teilen, die das Reglement für die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer den einzelnen Stockwerkeigentümern zur besonderen Nutzung zuweist; Verweigerung der Eintragung im Grundbuch (Art. 712b Abs. 2 Ziff. 3 und 712g Abs. 1 ZGB in Verbindung mit Art. 647b Abs. 1 und 648 Abs. 2 ZGB).
Ein einzelner Stockwerkeigentümer kann nicht ohne Zustimmung aller anderen Stockwerkeigentümer eine Dienstbarkeit für ein besonderes Nutzungsrecht (im vorliegenden Fall ein Recht zum Parkieren) einräumen, welches das Reglement ihm auf gemeinschaftlichen Teilen zuweist; er kann ein solches Recht nur durch Miete oder Pacht einräumen unter der Voraussetzung, dass das Reglement dies gestattet oder dass die Versammlung der Stockwerkeigentümer zustimmt. | Sachverhalt
ab Seite 341
BGE 115 II 340 S. 341
A.-
Il 17 ottobre 1988 X ha costituito sulla sua proprietà per piani n. 8971 a Caslano (pari a 40/1000 del fondo base n. 240 RFD) un "diritto di posteggio" a favore della proprietà per piani n. 7528 (pari a 500/1000 del fondo base n. 131 RFD, sempre a Caslano) appartenente a Y. La servitù avrebbe dovuto esercitarsi, contro versamento di Fr. 20'000.--, su un posto auto attribuito alla proprietà per piani n. 8971 nell'ambito del condominio esistente sul fondo base n. 240. L'Ufficio dei registri del Distretto di Lugano ha rifiutato di iscrivere la servitù, la costituzione della stessa esigendo - a giudizio dell'ufficiale - l'accordo dell'assemblea dei condomini e la modifica del regolamento della comproprietà. Insorte al Dipartimento di giustizia del Cantone Ticino, autorità di vigilanza sul registro fondiario, le parti si sono viste confermare la decisione di rigetto il 3 febbraio 1989.
B.-
X e Y hanno esperito il 2 marzo 1989 un ricorso di diritto amministrativo al Tribunale federale. Chiedono, nel merito, che la decisione cantonale sia annullata e che all'ufficiale del registro fondiario sia dato ordine di iscrivere la servitù così com'è stata
BGE 115 II 340 S. 342
costituita. Il Dipartimento cantonale di giustizia e l'Ufficio federale di giustizia propongono di respingere il gravame.
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
Nel merito i ricorrenti affermano che l'iscrizione della servitù litigiosa, non gravando parti comuni dell'immobile, non soggiace al consenso dell'assemblea dei condomini né a una modifica del regolamento della comproprietà. Il titolare di una proprietà per piani, del resto, può sempre cedere a titolo obbligatorio i suoi diritti d'uso particolare su parti comuni (posteggi): niente impedisce quindi che ciò avvenga a titolo di servitù. Se si pensa dipoi ch'egli potrebbe gravare di usufrutto l'intera sua proprietà senza far capo all'assemblea dei condomini, non si capisce perché tale consenso dovrebbe occorrere nel caso in cui la servitù gravi solo un diritto d'uso particolare.
a) Il regolamento della comproprietà esistente sul fondo base n. 240 RFD di Caslano (complesso di case monofamiliari a sistemazione individuale), del 1982, attribuisce a ogni singola proprietà per piani un diritto d'uso particolare su un'area di giardino e su determinati posteggi di un'autorimessa, precisando che tale diritto è indissociabile dalla quota di comproprietà e non può essere venduto separatamente. I condomini inoltre hanno un "diritto di prelazione qualora delle parti comuni venissero assegnate a terzi". La portata di quest'ultima norma, adottata nel 1986, non è chiara. Certo è che nella fattispecie l'autorimessa è una parte comune (ciò non è sempre e necessariamente il caso: v. WEBER, Die Stockwerkeigentümergemeinschaft, tesi, Zurigo 1979, pag. 178 segg.; HABS, La propriété par étages sur des maisons familiales en habitat groupé, tesi, Losanna 1989, pag. 125 segg.). I posteggi non possono dunque spettare in diritto esclusivo ai titolari delle proprietà per piani (art. 712b cpv. 2 n. 3 CC). Possono bensì essere oggetto di diritti d'uso particolare o - eventualmente - di altri diritti, sia reali sia obbligatori (al proposito... MEIER-HAYOZ/REY in: Berner Kommentar, note 49 segg. ad art. 712g CC). In concreto la questione è di sapere se il beneficiario di un diritto d'uso particolare, previsto cioè dal regolamento, abbia la facoltà di concedere il diritto medesimo (o una frazione di esso) in servitù a un terzo.
b) La risposta non può che essere negativa. Anzitutto i ricorrenti equivocano sui termini quando pretendono che la
BGE 115 II 340 S. 343
servitù da loro voluta gravi la proprietà per piani cui si riferisce il diritto d'uso (foglio PPP n. 8971). La servitù deve esercitarsi sui posteggi dell'autorimessa, non sull'abitazione. La facoltà di usare i posteggi è un attributo del diritto esclusivo che il titolare della proprietà per piani ha sull'abitazione, ma non conferisce al condomino né un diritto esclusivo sull'autorimessa, né fa rientrare i posteggi nella singola proprietà per piani. È dato che la costituzione di una servitù su una parte comune della comproprietà esige l'accordo di tutti i condomini (art. 712g cpv. 1 con rinvio all'art. 648 cpv. 2 CC), bene ha fatto l'ufficiale del registro fondiario a rifiutare l'iscrizione chiesta dai ricorrenti. Ciò premesso, il gravame potrebbe essere respinto senza altra disamina. Resta da chiarire, per completezza, se un diritto d'uso particolare non possa essere ceduto senza la proprietà per piani cui esso è vincolato.
c) Nella fattispecie l'eventualità appare, come che sia, esclusa. Anche lasciando irrisolto il quesito di sapere se - per principio - sia lecito cedere a terzi un diritto d'uso particolare senza la contemporanea alienazione, allo stesso soggetto giuridico, della proprietà per piani (cfr. MEIER-HAYOZ/REY, op.cit., nota 47 ad art. 712g CC; WEBER, op.cit., pag. 170 segg.), è indubbio che un'operazione del genere non può avvenire senza il permesso dell'assemblea dei condomini. Tanto meno se il regolamento vi osta in maniera esplicita. Nell'ipotesi contraria, terzi estranei alla comunione dei comproprietari potrebbero acquisire diritti reali (seppure limitati) da esercitare su parti comuni, e ciò con l'accordo di un solo condomino, quando invece per costituire una servitù su parti comuni occorre - si è detto (art. 648 cpv. 2 CC) - l'assenso di tutti. L'aggravio reale di parti comuni non è prerogativa di un singolo comproprietario. Un divieto generale di cessione si applica, del resto, ai diritti d'uso costituiti non per regolamento, ma in forma di servitù prediale o di servitù personale regolare (ENGEL, La cession des droits réels et des droits personnels annotés, in: RNRF 54/1973, pag. 326 seg.). Nel caso in oggetto una cessione separata del diritto di posteggio non è quindi prospettabile.
d) I ricorrenti pretendono che la facoltà di concedere a terzi un diritto d'uso particolare attraverso un contratto di natura obbligatoria, segnatamente di locazione, implichi anche quella di concedere il diritto in servitù. Trascurano però che un condomino non può, da solo, appigionare parti comuni (art. 712g cpv. 1 in
BGE 115 II 340 S. 344
relazione con l'art. 647b cpv. 1 CC): essi partono dunque da presupposti erronei. È vero invece che, riservato l'art. 712c cpv. 2 CC, il singolo condomino può costituire un usufrutto sulla sua proprietà per piani (art. 745 segg. CC): l'usufrutto grava nondimeno il diritto esclusivo con tutti gli attributi legati alla titolarità del medesimo, non le parti comuni. Il beneficiario viene a trovarsi nella stessa situazione del condomino e il diritto d'uso particolare non è scorporato dalla rispettiva proprietà per piani. L'obiezione non giova così ai ricorrenti. | public_law | nan | it | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fbfb8041-4640-4a6d-b6b3-a47a76820192 | Urteilskopf
118 V 206
27. Urteil vom 14. September 1992 i.S. T. gegen Ausgleichskasse des Kantons Graubünden und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 51 Abs. 1 IVG
,
Art. 90 Abs. 3 IVV
.
- Grundlagen der Reisekostenvergütung nach Gesetz und Verwaltungspraxis (Erw. 3a, b).
-
Art. 90 Abs. 3 Satz 2 IVV
, wonach Anspruch auf Reisekostenvergütung für Besuchsfahrten im Zusammenhang mit der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen besteht, ist gesetzeskonform (Erw. 4a-c).
Art. 8 IVG
,
Art. 8 EMRK
. Zur Konkretisierung des Anspruchs auf Vergütung der Kosten von Besuchsfahrten der Eltern. Abwägung zwischen der gesetzlichen Einfachheits- und Zweckmässigkeitsanforderung einerseits und grundrechtlichen Gesichtspunkten anderseits. Stellungnahme zur Verwaltungspraxis (Erw. 5a-c). | Sachverhalt
ab Seite 207
BGE 118 V 206 S. 207
A.-
A. T., geboren 18. April 1981, leidet an einem Missbildungssyndrom (Ehlers-Danlos-Syndrom), welches mehrere Organsysteme betrifft und das laut Ziff. 485 GgV als Geburtsgebrechen anerkannt ist. Durch Mitteilung vom 28. November 1990 sprach die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen dem früher in diesem Kanton, nunmehr im Kanton Graubünden wohnhaften Versicherten die zur Behandlung seines angeborenen Leidens notwendigen medizinischen Massnahmen zu.
Im Zusammenhang mit dem Geburtsgebrechen war A. T. vom 26. November bis 11. Dezember 1990 in der Klinik für Orthopädische Chirurgie des Kantonsspitals St. Gallen hospitalisiert, wo eine dorso-laterale Spondylodese durchgeführt wurde. Nach vorübergehender Entlassung musste er sich in der Zeit vom 29. bis 31. Dezember 1990 im Kantonsspital Chur und vom 14. bis 23. Januar 1991 erneut im Kantonsspital St. Gallen weiteren medizinischen Abklärungen und Massnahmen unterziehen. Auf Gesuch seiner Eltern um Vergütung der Reiseaufwendungen erklärte sich die Invalidenversicherung bereit, die Fahrtkosten für präoperative Arztkontrollen vom 4. September, 20. und 28. Oktober 1990 sowie für die jeweiligen Spitaleintritte und -austritte vom 26. November/11. Dezember, 29./31. Dezember 1990 und 14./23. Januar 1991, insgesamt neun Fahrten von je 274 km zu Fr. 0.45 im Betrage von total Fr. 1'109.70, zu übernehmen; hingegen lehnte sie die Bezahlung der Auslagen für die täglichen Besuchsfahrten der Mutter während der Spitalaufenthalte ihres Sohnes ab (Schreiben vom 20. März 1991). Nachdem der Vertreter der Eltern, Leiter Beratungs- und Sozialdienst des Kantonsspitals St. Gallen, an seinem spezifizierten Antrag um Erstattung sämtlicher Reiseaufwendungen in der Höhe von Fr. 2'745.90 festgehalten hatte, lehnte die Ausgleichskasse des Kantons Graubünden das Leistungsbegehren am 22. Oktober 1991 verfügungsweise ab.
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 6. Dezember 1991 ab.
C.-
Die Eltern von A. T. lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Invalidenversicherung zu verpflichten, die ihnen in der Zeit vom 27. November 1990 bis 22. Januar 1991 entstandenen Fahrtkosten von Fr. 2'259.90 zu bezahlen.
Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
BGE 118 V 206 S. 208
Auf die Vorbringen der Parteien wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Kognition)
2.
Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer in den Kantonsspitälern St. Gallen und Chur zur medizinischen Behandlung seines Geburtsgebrechens untergebracht war. Aufgrund der Akten steht ferner fest, dass die Verwaltung dem Gesuch um Übernahme der Reisekosten insoweit stattgegeben hat, als es um die Fahrten zum Spitaleintritt/Austritt sowie um die Fahrten für notwendige Arztvisiten vor der Hospitalisation geht. Es sind dies insgesamt neun Fahrten im Betrage von total Fr. 1'109.70 (vgl. Reisekostenabrechnung vom 20. März 1991). Streitig und zu prüfen ist einzig, ob ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung der Reisekosten der täglichen Besuchsfahrten der Eltern während des Spitalaufenthaltes ihres Kindes besteht.
3.
a) Gemäss
Art. 51 Abs. 1 IVG
werden dem Versicherten u.a. die für die Durchführung von Eingliederungsmassnahmen notwendigen Reisekosten im Inland vergütet. Als notwendige Reisekosten im Rahmen dieser Bestimmung gelten die Kosten von Fahrten zur nächstgelegenen Durchführungsstelle (
Art. 90 Abs. 1 Satz 1 IVV
). Vergütet werden die Kosten, die den Preisen der öffentlichen Transportmittel für Fahrten auf dem direkten Wege entsprechen. Ist der Versicherte wegen Invalidität auf die Benützung eines andern Transportmittels angewiesen, so werden ihm die daraus entstehenden Kosten ersetzt; nicht vergütet werden geringfügige Auslagen für Fahrten im Ortskreis (
Art. 90 Abs. 2 IVV
).
Art. 90 Abs. 3 IVV
bestimmt sodann, dass ausser den Fahrauslagen ein Zehrgeld und die notwendigen Nebenkosten, insbesondere die Fahrauslagen und das Zehrgeld für eine unerlässliche Begleitperson, vergütet werden. Bei Urlaubs- oder Besuchsfahrten wird kein Zehrgeld ausgerichtet.
b) Gemäss Kreisschreiben des BSV über die Vergütung der Reisekosten, gültig ab 1. März 1982, werden nur Kosten übernommen, die hinsichtlich der durchgeführten Massnahmen als notwendig und zweckmässig erscheinen und den erstrebten Zweck auf einfache Weise zu erreichen suchen. Dient eine Fahrt überwiegend anderen Zwecken als der Durchführung von Massnahmen, welche die Invalidenversicherung angeordnet hat, werden keine Reisekosten vergütet
BGE 118 V 206 S. 209
(Rz. 2). Anspruchsbegründend sind unter bestimmten Voraussetzungen auch Besuchsfahrten Angehöriger von Versicherten: Kann oder soll der Versicherte infolge seiner Behinderung oder aus medizinischen, pädagogischen oder aus anderen beachtlichen Gründen das Schulinternat, die Eingliederungsstätte oder das Spital nicht verlassen oder ist die Fahrt angesichts des zu verwendenden Transportmittels sehr kostspielig, so sind die Besuchsfahrten von Angehörigen zu vergüten. Bei alleinstehenden Versicherten, insbesondere bei Kindern, geben Fahrten eines Elternteils Anspruch auf Vergütung. Der Anspruch auf Vergütung besteht jedoch nur bei einem Aufenthalt von voraussichtlich mehr als 30 Tagen und umfasst zwei Hin- und Rückfahrten je Kalendermonat (Rz. 12i). Die Rechtsprechung hat diese Verwaltungspraxis verschiedentlich als gesetzeskonform bestätigt (nicht veröffentlichtes Urteil K. vom 10. Mai 1983; zum früheren, in diesem Punkt gleichlautenden Kreisschreiben: ZAK 1974 S. 296).
4.
a) Gestützt auf diese Praxis sind Verwaltung und Vorinstanz zum Schluss gekommen, der Beschwerdeführer habe keinen rechtlichen Anspruch auf Vergütung der Kosten für die Besuchsfahrten seiner Eltern, weil er immer weniger als 30 Tage hospitalisiert gewesen sei. In seiner Erwägung führte das kantonale Gericht u.a. aus, das Gesetz sehe "zumindest ausdrücklich ... die Vergütung der Reisekosten von Angehörigen zum Besuche des Versicherten nicht vor"; in bezug "auf die Reisekostenvergütung (gingen) die Verwaltungsweisungen des Bundes weiter als die gesetzlichen Bestimmungen".
b) Dieser Auffassung, wonach ein Leistungsanspruch für Besuchsfahrten in grundsätzlicher Hinsicht verneint wird, kann nicht beigepflichtet werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass medizinische Massnahmen bei Kindern, insbesondere bei Klein- und schulpflichtigen Kindern im Alter des Beschwerdeführers, ohne Beistand und Mitwirkung ihrer Eltern häufig gar nicht in zumutbarer Weise durchgeführt werden können. So besehen lässt
Art. 51 Abs. 1 IVG
es ohne weiteres zu, dass der Verordnungsgeber in den anspruchsbegründenden Tatbestand der für die Durchführung von Eingliederungsmassnahmen notwendigen Reisekosten auch Besuchsfahrten eingeschlossen hat. Das ist mit der Revision des
Art. 90 Abs. 3 IVV
vom 29. November 1976, in Kraft seit 1. Januar 1977, geschehen, indem damals ein zweiter Satz beigefügt wurde, der lautet: Bei Urlaubs- oder Besuchsfahrten wird kein Zehrgeld ausgerichtet. Daraus erhellt, dass Besuchsfahrten im Zusammenhang mit der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen grundsätzlich zu
BGE 118 V 206 S. 210
Lasten der Invalidenversicherung gehen. In die gleiche Richtung weisen auch die Erläuterungen des BSV zu dieser Verordnungsänderung in ZAK 1977 S. 25, wo bemerkt wird, eine weitere Einschränkung (gegenüber der früheren Regelung) bestehe darin, dass bei Urlaubs- oder Besuchsfahrten des Versicherten oder seiner Angehörigen kein Zehrgeld mehr entrichtet werde. Damit hat die frühere Verwaltungspraxis, wonach die Vergütung von Fahrtkosten für Besuche des Versicherten (oder seiner Angehörigen) seit je im erwähnten Rahmen möglich war, eine indirekte Verordnungsgrundlage gefunden: Es gibt zwar keinen Anspruch auf Zehrgeld mehr, was von der Rechtsprechung als gesetzmässig beurteilt wurde (erwähntes Urteil K. vom 10. Mai 1983); jedoch besteht grundsätzlich Anrecht auf das Fahrgeld bei Besuchsfahrten gestützt auf
Art. 90 Abs. 3 IVV
in der ab 1. Januar 1977 gültigen Fassung (Satz 2). Insofern hat sich die Rechtslage seit dem in ZAK 1974 S. 296 publizierten Urteil geändert.
c) Nach dem Gesagten bildet
Art. 90 Abs. 3 Satz 2 IVV
, welcher mit
Art. 51 Abs. 1 IVG
konform ist, die rechtliche Grundlage für die Vergütung der Reisekosten von Besuchsfahrten während der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen. In Rz. 12i des erwähnten Kreisschreibens (Erw. 3b) hat das BSV den Umfang dieses Anspruches dahingehend konkretisiert, dass es die Vergütung einerseits nur für Aufenthalte, die voraussichtlich mehr als 30 Tage dauern, zubilligt und sie anderseits auf zwei Hin- und Rückfahrten je Kalendermonat beschränkt. Dabei handelt es sich um eine von der Aufsichtsbehörde für richtig befundene Auslegung von Gesetz und Verordnung. Diese Weisung ist ihrer Natur nach keine Rechtsnorm, sondern eine im Interesse der gleichmässigen Gesetzesanwendung abgegebene Meinungsäusserung der sachlich zuständigen Aufsichtsbehörde (vgl.
BGE 110 V 267
Erw. 1a). Solche Verwaltungsweisungen sind wohl für die Durchführungsorgane, nicht aber für die Gerichtsinstanzen verbindlich. Der Richter soll sie bei seiner Entscheidung mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Er weicht aber insoweit von Weisungen ab, als sie mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sind (
BGE 116 V 19
Erw. 3c mit Hinweisen).
5.
a) Es fragt sich somit, ob die erwähnte Weisung rechtsbeständig ist. Im Lichte der eben dargelegten Rechtsprechung (Erw. 4c) ist davon nur abzuweichen, wenn stichhaltige Gesichtspunkte ins Feld geführt werden können, welche die von der Aufsichtsbehörde vertretene Auffassung als rechtlich nicht überzeugend
BGE 118 V 206 S. 211
erscheinen lassen. Diesbezüglich beruft sich der Rechtsvertreter u.a. auf die persönliche Freiheit als ungeschriebenes verfassungsmässiges Recht des Bundes und auf
Art. 8 EMRK
, welcher den Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens garantiert. Freilich sei es den Eltern nicht untersagt gewesen, ihr Kind im Spital zu besuchen. Es gehe vielmehr um die Frage, ob die Invalidenversicherung die in diesem Zusammenhang stehenden Kosten tragen müsse, welche aufzubringen die Eltern nicht in der Lage waren. Die Praxis der Versicherungsorgane, lediglich bei längerfristigen Spitalaufenthalten zwei monatliche Besuche zu bezahlen, möge gegenüber hospitalisierten erwachsenen Versicherten noch vertretbar erscheinen, nicht aber bei Kindern. Diese hätten einen grundrechtlichen Anspruch auf tägliche Elternbesuche. Wenn ihnen die gleiche Regelung wie bei Erwachsenen entgegengehalten werde, bedeute dies eine gleiche Behandlung grundlegend verschiedener Sachverhalte, was gegen das Gleichbehandlungsgebot verstosse.
b) Zu Unrecht spricht die Ausgleichskasse in ihrer Vernehmlassung diesen Vorbringen jegliche rechtliche Bedeutung ab. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in anderem Zusammenhang mit der Eingliederung (
Art. 8 IVG
) entschieden hat, stellt die Ablehnung von Versicherungsleistungen zwar keinen Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne dar; doch kann die Ablehnung der Versicherungsleistungen die grundrechtlich geschützten Tätigkeiten erschweren oder verunmöglichen, wodurch der Versicherte in der Wahrnehmung seiner Grundrechte mittelbar beeinträchtigt wird; es kann daraus eine faktische Grundrechtsverletzung resultieren (
BGE 113 V 31
Erw. 4d mit zahlreichen Hinweisen). Das gilt auch in bezug auf die Garantie des Anspruchs auf Achtung des Familienlebens nach
Art. 8 EMRK
, in deren Schutzbereich die Gemeinschaft von Eltern und Kindern - mit der daraus fliessenden Verpflichtung zu gegenseitigem Beistand (
Art. 272 ZGB
), insbesondere in Notsituationen (HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, 3. A., Bern 1989, S. 119 Rz. 18.04) - fällt (FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl am Rhein/Strassburg/Arlington, 1985, S. 200 N. 13).
Im Lichte dieser Grundsätze, an denen festzuhalten ist, stellt sich hier die Frage, ob die Verwaltungspraxis durch die Beschränkung der Reisekostenvergütung auf zwei Besuchsfahrten Angehöriger bei Eingliederungsaufenthalten von mehr als einem Monat Dauer dem grundrechtlich geschützten Interesse des Kindes auf Beistand seiner Eltern in kritischer Zeit genügend Rechnung trägt. Dabei gilt es gegeneinander abzuwägen einerseits die gesetzlichen Erfordernisse
BGE 118 V 206 S. 212
der Einfachheit und Zweckmässigkeit, wie sie für das gesamte Leistungsrecht der Invalidenversicherung - bezüglich der Eingliederungsmassnahmen in
Art. 8 Abs. 1 IVG
speziell festgelegt - und mithin auch für die Reisekostenvergütung bedeutsam sind, anderseits die Grundrechtspositionen des Versicherten.
c) Dieser Abwägung, in Form einer Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe "Einfachheit" und "Zweckmässigkeit", kommt letztlich Ermessenscharakter zu, was an und für sich dafür spräche, die Vergütungsfrage, in Beachtung der konkreten Umstände, von Fall zu Fall zu beantworten. Insbesondere würde es sich unter den Aspekten von Einzelfallgerechtigkeit und zielgerichteter Mittelverwendung aufdrängen, zu berücksichtigen, ob und inwieweit die Angehörigen des Kindes aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage sind, die Fahrtkosten aus eigenen Mitteln zu begleichen. Dem Invalidenversicherungsrecht ist indessen, von einzelnen Ausnahmen abgesehen (vgl.
Art. 28 Abs. 1bis IVG
in Verbindung mit
Art. 28bis IVV
), das Bedarfsprinzip fremd, welches im übrigen den Durchführungsorganen einen im Vergleich zu den auf dem Spiel stehenden Kosten übermässigen und kaum zu bewältigenden Vollzugsaufwand verursachen würde. Die Abwägung hat daher in allgemeiner Weise zu erfolgen. Dabei fällt die Übernahme täglicher Besuchsfahrten ausser Betracht, weil auch unter grundrechtlichem Blickwinkel kein Anspruch auf die bestmögliche Eingliederung besteht (
BGE 110 V 102
). Anderseits erscheint die Verwaltungspraxis doch als zu restriktiv. Namentlich trägt sie dem legitimen, grundrechtlich geschützten Anliegen auch von durchschnittlich verdienenden - und erst recht von wirtschaftlich schwächeren - Eltern, in der schweren Zeit eines stationären Aufenthaltes bei ihrem Kind anwesend zu sein, nur in unzureichendem Masse Rechnung. Dies wird gerade im vorliegenden Fall deutlich, indem wiederholt anfallende Fahrtkosten von mehr als Fr. 120.--, als unvorhergesehene Auslagen, für einen Ehemann und Vater dreier Kinder mit einem monatlichen Bruttolohn von rund Fr. 4'500.-- nur schwerlich oder überhaupt nicht zu verkraften sind.
Aus diesen Überlegungen heraus ist Versicherten im vorschul- und schulpflichtigen Alter ein Anspruch auf Vergütung der Kosten für Besuche an jedem dritten Tag einzuräumen; d.h. ein Drittel der Eingliederungstage (ohne den ersten und letzten Tag mit ohnehin übernommener An- und Rückreise) begründet Anspruch auf vergütungsfähige Besuchsfahrten. Wann und in welchem Rhythmus diese stattfinden, ist unerheblich. Die Zahl der vergütungsfähigen
BGE 118 V 206 S. 213
Besuchsfahrten ergibt sich somit aus den Eingliederungstagen, abzüglich zwei Tage (für Hin- und Rückfahrt), geteilt durch drei, wobei Bruchteile nach den Rundungsregeln auf- oder abzurunden sind. Dieser Anspruch setzt somit eine Eingliederung von wenigstens vier Tagen (4 - 2 = 2:3 = 0,66 ~ 1 Besuchsfahrt) voraus und besteht im übrigen unabhängig von der Dauer der Eingliederungsmassnahme. Ferner ist er beschränkt auf Besuche der Eltern oder - bei deren Fehlen - anderer Angehöriger oder Dritter, die als dem versicherten Kind oder Jugendlichen nahestehende Bezugspersonen Elternfunktionen ausüben.
d) Demnach steht dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Fahrtkostenvergütung für Besuche seiner Eltern im folgenden Rahmen zu:
- Aufenthalt vom 26. November bis 11. Dezember 1990 im Kantonsspital
St. Gallen: 16 - 2 = 14:3 = 4,66; fünf Besuche;
- Aufenthalt vom 29. bis 31. Dezember 1990 im Kantonsspital Chur: 3 - 2 =
1:3 = 0,33; kein Anspruch auf Vergütung von Besuchsfahrten;
- Aufenthalt vom 14. bis 23. Januar 1991 im Kantonsspital St. Gallen:
10 - 2 = 8:3 = 2,66; drei Besuche.
Somit gehen insgesamt acht zusätzliche Besuchsfahrten (vgl. Erw. 2) zu Lasten der Invalidenversicherung.
6.
(Kostenpunkt)
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 6. Dezember 1991 und die angefochtene Ablehnungsverfügung vom 22. Oktober 1991 aufgehoben, und es wird die Sache an die Ausgleichskasse des Kantons Graubünden zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen über den Anspruch auf Vergütung von Fahrtkosten für acht Besuche befinde. | null | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fbff4e63-54bb-4d36-8866-304675361661 | Urteilskopf
91 II 395
56. Estratto della sentenza 22 maggio 1965 della II Corte civile nella causa B contro X | Regeste
Begriff der Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne der Artikel 44 und 46 OG (Erw. 1).
Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsbeschwerde nach
Art. 68 und 71 OG
(Erw. 2 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 395
BGE 91 II 395 S. 395
A, già cittadino italiano, acquisì la cittadinanza degli Stati Uniti d'America nel 1928 a Philadelphia.
Il 9 ottobre 1944, A, già vedovo e padre di C e D, si unì in matrimonio con B, cittadina italiana. Il matrimonio venne trascritto negli atti di stato civile di Venezia. Subito dopo, i coniugi si trasferirono a Philadelphia. Nel 1950, la moglie essendo ritornata in Italia, A chiese e ottenne il divorzio. Il 7 novembre 1955, A contrasse matrimonio a Parigi con X, cittadina italiana, e nel 1962 si stabilì a Lugano, ove morì il 9 febbraio 1964.
Con testamento del 29 novembre 1963, A aveva dichiarato di voler sottoporre la sua successione al diritto degli Stati Uniti d'America e aveva istituita come sua unica erede la sua terza moglie, su richiesta della quale, il Pretore rilasciò un certificato ereditario, attestante che era l'unica erede istituita, e aggiungendo:
"§ Di conseguenza, essa viene immessa nel possesso, godimento e libera disposizione dei beni relitti dal precitato defunto ad eccezione dei beni immobili situati negli Stati Uniti d'America per i quali il presente certificato non è valido."
B si aggravò alla Camera civile del Tribunale di appello, che, considerando la ricorrente non legittimata a interporre opposizione,
BGE 91 II 395 S. 396
respinse il ricorso, ma ordinò di completare il certificato ereditario, aggiungendovi la menzione degli eredi legittimari, residenti in America.
B ha tempestivamente interposto al Tribunale federale un ricorso per riforma, chiedendo che il punto N. 2 della sentenza cantonale, concernente la menzione degli eredi necessari, sia annullato. Le sue motivazioni possono essere riassunte come segue.
L'art. 22 cpv. 2 LR permette al testatore svizzero di sottomettere la sua successione al diritto del cantone d'origine e, per analogia, l'art. 32 autorizza gli stranieri a sottometterla al diritto della loro nazione. La Corte cantonale, fondandosi sul trattato Svizzera /U.SA, non poteva pertanto ordinare che nel certificato fossero menzionati gli eredi aventi diritto alla legittima secondo il diritto svizzero. Sarebbe illogico che quel trattato dovesse prevalere sulla legge entrata in vigore quaranta anni dopo. Peraltro, l'applicazione integrale dell'art. VI conseguirebbe, in antitesi con lo spirito del trattato, una disparità di trattamento degli Americani rispetto agli altri stranieri, che possono valersi degli art. 22 cpv. 2 e 32 LR.
Anche applicando la legge svizzera, la menzione degli eredi necessari urta contro l'art. 559 CC, perchè in concreto gli stessi, quantunque avvertiti, non hanno interposto opposizione al rilascio del suindicato certificato ereditario.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Riservati i casi previsti dagli art. 44 lett. a, b, c, 45 lett. a, b OG, in concreto evidentemente inapplicabili, il ricorso per riforma è ammissibile solo nelle cause civili (RU 78 II 180, 81 II 251 consid. 2, 90 II 379 consid. 1). Per cause civili nel senso degli art. da 44 a 46 OG s'intendono i procedimenti tendenti a far statuire in modo definitivo su rapporti di diritto civile e che si svolgono in contradditorio, davanti a un giudice o altra giurisdizione, tra due o più persone fisiche o giuridiche nella loro qualità di titolari di diritti privati, oppure fra siffatte persone e un'autorità alla quale la legge attribuisce qualità di parte (RU 81 II 251 consid. 2, 90 II 379 consid. 1, 91 II 54).
Il procedimento relativo al rilascio di un certificato ereditario non adempie le suindicate condizioni perchè, lasciando impregiudicate le azioni di nullità e di petizione di eredità (art. 559 cpv. 1 CC), non può essere inteso a far statuire in modo definitivo
BGE 91 II 395 S. 397
su rapporti di diritto civile. L'autorità competente non vi pronuncia il riconoscimento di un diritto materiale, ma si limita a conferire alle persone menzionate nel certificato una legittimazione provvisoria a disporre degli oggetti dell'eredità (cfr. commentari ESCHER e TUOR/PICENONI N. 1 all'art. 559). Inoltre, il relativo procedimento non presuppone necessariamente un contradditorio fra più parti interessate ma, così come peraltro prescrive anche il codice di procedura civile ticinese (art. 534 combinato con l'art. 2 della legge di applicazione CC), si svolge nella giurisdizione non contenziosa, i cui atti non possono costituire oggetto di ricorso per riforma (RU 70 II 165, 82 II 364 consid. 2, 84 II 326).
La ricorrente riconosce che, in genere, la giurisprudenza non ammette il ricorso per riforma nei procedimenti di giurisdizione non contenziosa (RU 57 II 400), ma pretende che, nei casi in cui siano stati invocati i combinati art. 22 cpv. 2 e 32 LR e 'art. 559 CC, sarebbero state fatte delle eccezioni. In realtà, nei procedimenti di giurisdizione non contenziosa, il Tribunale federale non ha mai ammesso il ricorso per riforma, neppurecome lo dimostra la stessa sentenza citata dalla ricorrente-sotto l'impero della vecchia OG. D'altronde non si vede quali motivi potrebbero giustificare una siffatta eccezione. Il ricorso per riforma non è dato per ogni violazione di diritto federale, ma soltanto per quelle fatte valere nelle cause civili. La ricorrente ha comunque la possibilità di invocare le norme suindicate nelle azioni di nullità e di petizione di eredità.
Come ricorso per riforma, il gravame della ricorrente è pertanto irricevibile.
2.
Secondo la giurisprudenza (RU 81 II 141/142, consid. 1, 327, consid. 2), il gravame designato dal ricorrente come ricorso per riforma e irricevibile come tale può nondimeno essere esaminato come ricorso per nullità, se di questo rimedio adempie le condizioni; la denominazione inesatta di un ricorso non lo rende irricevibile (RU 86 II 142).
La legge (
art. 69, 71 OG
) non prescrive per il ricorso per nullità delle esigenze formali più rigorose di quelle stabilite per il ricorso per riforma (
art. 54 e 55
OG). Al contrario, l'
art. 71 OG
non prescrive, come per il ricorso per riforma (art. 55 cpv. 1 OG), che l'atto di ricorso debba contenere, oltre alla designazione della decisione impugnata, anche quella della controparte. Ciò stante, il fatto rilevato dalla parte intimata,
BGE 91 II 395 S. 398
che la ricorrente ha designato controparte invece di C e D, è irrilevante agli effetti della ricevibilità del ricorso per nullità. Il ricorso è tempestivo e, contenendo la designazione della sentenza impugnata, le conclusioni del ricorrente, il tenore di detta decisione, nonchè la motivazione dell'asserita violazione della legge, adempie i presupposti stabiliti all'
art. 71 OG
.
3.
Anche il ricorso per nullità è però ammissibile, non per ogni violazione del diritto federale, ma soltanto nei procedimenti e in quelle materie che sono chiaramente definiti dalla legge. Esso ha parzialmente sostituito nella vigente OG il ricorso di diritto civile della vecchia legge (BIRCHMEIER, p. 249). Ma l'attuale
art. 68 OG
non contiene l'esplicita possibilità di valersi di tale rimedio per le violazioni della LR, espressa nell'art. 87 num. 2 della vecchia OG, sotto il cui impero venne pronunciata la sentenza citata dalla ricorrente (RU 57 II 400).
Secondo l'art. 68 cpv. 1 OG, il ricorso per nullità è ammissibile solo contro le decisioni pronunciate in ultima istanza cantonale, nei procedimenti civili nei quali non può essere interposto ricorso per riforma:
"a) quando sia stato applicato diritto cantonale o straniero in luogo del diritto federale applicabile;
b) quando siano state violate prescrizioni del diritto federale, come pure dei trattati internazionali conchiusi dalla Confederazione, sulla competenza delle autorità per materia o per territorio."
È pacifico, ed è certo, che il diritto ticinese non prevede una possibilità di ricorso contro le sentenze del Tribunale di appello in applicazione dell'art. 534 cpv. 3 CPC. La sentenza impugnata è quindi di ultima istanza cantonale; è pure escluso che, come suesposto, possa costituire oggetto di ricorso per riforma. D'altronde è pacifico e indubbio che la sentenza impugnata è stata pronunciata in un procedimento civile (RU 72 II 309 consid. 2). Occorre tuttavia esaminare se le violazioni della legge fatte valere dalla ricorrente concernano le materie di cui alle lettere a, b dell'
art. 68 OG
.
a) La ricorrente si limita a impugnare la menzione nel certificato ereditario dei figli del de cuius come eredi legittimari. A questo riguardo, essa rivolge alla Corte cantonale due censure: in via principale, di aver violato gli art. 22 cpv. 2 e 32 LR applicando diritto svizzero invece di diritto americano; in via subordinata, di aver erroneamente interpretato l'art. 559 CC.
BGE 91 II 395 S. 399
Ora, il ricorso per nullità è ammissibile secondo l'art. 68 cpv. 1 lett. a quando sia stato applicato diritto straniero in luogo del diritto federale, ma non nel caso inverso, vale a dire quando sia stato applicato diritto federale invece di diritto straniero. Ciò risulta dalla chiara e compiuta dizione del testo di legge ed è conforme allo scopo della norma legale, risultante dai materiali legislativi, di garantire soltanto l'applicazione del diritto federale (Messaggio del CF nel FF ed. tedesca 1943, p. 131 e seg.; RU 82 II 124, consid. 2; BIRCHMEIER, p. 258).
La censura subordinata della ricorrente concerne l'interpretazione e non l'applicabilità del diritto federale, onde non può, evidentemente, essere ammissibile a'sensi dell'art. 68 cpv. 1 lett. a OG.
b) L'art. 68 cpv. 1 lett. b OG concerne le prescrizioni delle leggi federali e dei trattati internazionali, solo per quanto concernono la "competenza" delle autorità per materia e per territorio.
La ricorrente afferma che la Corte cantonale avrebbe dovuto applicare la legge degli Stati Uniti d'America, la quale misconosce la parte legittima dei figli, ma non ha impugnato la competenza dell'autorità ticinese ad applicare in concreto detta legge. Anche a proposito dell'art. 68 cpv. 1 lett. b, il ricorso è pertanto irricevibile. | public_law | nan | it | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fc082850-721f-4b1a-a13e-6cd367382a05 | Urteilskopf
108 Ia 11
4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. April 1982 i.S. X. gegen S. und Obergericht Uri (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
; unentgeltliche Rechtspflege, Anwaltsrecht.
1. Der Armenanwalt ist nicht befugt, von der von ihm vertretenen Partei eine zusätzliche Entschädigung zu verlangen, auch wenn die ihm aus der Staatskasse ausgerichtete Entschädigung nicht einem vollen Honorar entspricht (E. 1).
2. Die Rechnungsstellung an die verbeiständete Partei stellt eine Standeswidrigkeit dar, die mit einem Verweis geahndet werden darf (E. 3).
3.
Art. 4 BV
verlangt nicht, dass der Anwalt, der sich zum Vorwurf der Verletzung der Standesregeln äussern konnte, vor dem Erlass einer solchen Disziplinarmassnahme noch besonders angehört wird (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 108 Ia 11 S. 11
Im Scheidungsprozess der Eheleute S. bewilligte das Landgericht Uri dem Ehemann die unentgeltliche Rechtspflege. Rechtsanwalt X. übernahm am 10. März 1981 von einem andern Anwalt die Vertretung des Ehemannes und führte sie bis zu der am 29. Juni 1981 erfolgten Einreichung eines Berichtigungsbegehrens bezüglich des Kostenpunktes des Scheidungsurteils. In Abänderung dieses Urteils sprach das Landgericht Uri mit Verfügung vom 7. Juli 1981 Rechtsanwalt X. als Armenanwalt eine Entschädigung von Fr. 3'173.60 (Fr. 2'925.-- Honorar plus Fr. 248.60 Barauslagen) zulasten der Staatskasse zu.
BGE 108 Ia 11 S. 12
Am 4. August 1981 stellte Rechtsanwalt X. für seine Bemühungen im Scheidungsprozess Rechnung im Betrag von Fr. 4'500.-- Honorar und Fr. 287.10 Barauslagen. Im Vergleich zur armenrechtlichen Entschädigung machte er somit einen zusätzlichen Honoraranspruch von Fr. 1'575.-- und weitere Barauslagen im Betrag von Fr. 38.50 geltend.
In Gutheissung einer Beschwerde des S. verpflichtete das Obergericht Uri als Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte mit Entscheid vom 18. September 1981 Rechtsanwalt X., "die beanstandete Honorarrechnung vom 4. August 1981 zurückzuziehen". Ferner wurde Rechtsanwalt X. mit einem Verweis disziplinarisch bestraft.
Gegen diesen Entscheid erhob Rechtsanwalt X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Nach Auffassung des Obergerichts ist der Armenanwalt nicht befugt, von der von ihm vertretenen Partei eine zusätzliche Entschädigung zu verlangen, auch wenn die ihm aus der Staatskasse ausgerichtete Entschädigung nicht einem vollen Honorar entspricht. Dieses Verbot ergebe sich aus Sinn und Zweck des Instituts der unentgeltlichen Rechtspflege und namentlich auch aus
Art. 97 Abs. 1 ZPO
/UR, wonach der Kanton für die bedürftige Partei die Parteientschädigung bezahlt.
Diese Auffassung entspricht der einhelligen Lehre (GUGGENHEIM, Die unentgeltliche Verbeiständung in den kantonalen Zivilprozessrechten, Diss. Zürich 1943 S. 96; ZEMP, Das Luzerner Anwaltsrecht, Diss. Freiburg 1967 S. 109; WEGMANN, Die Berufspflichten des Rechtsanwaltes unter besonderer Berücksichtigung des zürcherischen Rechts, Diss. Zürich 1969 S. 118; MARTIN-ACHARD, La discipline des professions libérales, ZSR 70/1951 S. 275a mit Hinweis auf das unveröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 23. September 1948 i.S. X. gegen Kantonsgericht St. Gallen, E. 3) und wird allein dem Wesen der unentgeltlichen Verbeiständung gerecht. Ob es richtig sei, den Armenanwalt mit einem geringeren Honorar als dem üblichen zu entschädigen (das allein wird in dem vom Beschwerdeführer angeführten Werk von SALZMANN, Das besondere Rechtsverhältnis zwischen Anwalt und Rechtsstaat, Diss. Freiburg 1976 S. 305-307, beanstandet), berührt
BGE 108 Ia 11 S. 13
nur das Verhältnis zwischen Armenanwalt und Staat. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, hätte der Anwalt kein Recht, von der verbeiständeten Partei eine zusätzliche Entschädigung zu verlangen.
Die Ansicht des Obergerichts ist somit nicht nur nicht willkürlich, sondern richtig.
3.
Die Rechnungsstellung an die verbeiständete Partei stellt klarerweise eine Standeswidrigkeit dar. Eine Disziplinarmassnahme in Form des Verweises war daher durchaus am Platz. Die verhängte Massnahme war auch keineswegs unverhältnismässig (vgl.
BGE 106 Ia 121
E. 13c,
BGE 103 Ia 431
E. 4b,
BGE 102 Ia 29
E. 1a,
BGE 100 Ia 360
E. 3b).
4.
Der Beschwerdeführer hat im Aufsichtbeschwerdeverfahren eine Vernehmlassung eingereicht.
Art. 4 BV
verlangt nicht, dass er sich zu der ins Auge gefassten Disziplinarmassnahme vor deren Ausfällung noch speziell hätte äussern können. Auch unter dem Gesichtspunkt der Tragweite und Schwere der Massnahme drängte sich eine solche Anhörung nicht auf (vgl.
BGE 98 Ia 132
E. 3). Aus
BGE 98 Ia 257
kann der Beschwerdeführer im übrigen nichts für sich ableiten. Der vorliegende Verstoss des Beschwerdeführers gegen die Standespflichten wiegt nicht leicht und ist nicht auf Unkenntnis oder Unachtsamkeit zurückzuführen. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
fc09767f-2ef2-4aad-a1c7-30a7f1422544 | Urteilskopf
95 II 364
50. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. März 1969 i.S. YGNIS Kessel AG gegen IDAG Aktiengesellschaft. | Regeste
Art. 67 OG
. Zulässigkeit und Bedeutung eines Privatgutachtens im Berufungsverfahren (Erw. 2).
Richterliche Einschränkung des Patentes nach Art. 27 Abs. 1 und 24 Abs. 1 lit. c PatG. Keine zeitliche Befristung der Einschränkung nach
Art. 24 Abs. 2 PatG
(Erw. 4).
Voraussetzungen der Einschränkung im vorliegenden Fall verneint (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 365
BGE 95 II 364 S. 365
A.-
Die YGNIS Kessel AG fabriziert und verkauft Heizkessel. Sie besitzt unter anderem folgende Patente:
a) Schweizer Patent 355 554, Verfahren zur Verfeuerung von Brennstoffen, insbesondere flüssiger oder gasförmiger Brennstoffe, und Heizkessel zur Ausübung des Verfahrens, mit Patentanspruch I nebst Unteransprüchen 1-3 sowie Patentanspruch II nebst Unteransprüchen 4-15. Die Anmeldung erfolgte am 24. September 1957, unter Beanspruchung einer deutschen Priorität vom 28. Juni 1957, die Eintragung am 15. Juli 1961;
b) Schweizer Patent 373 129, Einsatz für Rauchrohre von Heizkesseln mit Unteransprüchen 1-4. Die Anmeldung erfolgte am 16. November 1959, unter Beanspruchung einer deutschen Priorität vom 21. November 1958, die Eintragung am 15. November 1963;
c) Schweizer Patent 372 781, Türe für insbesondere unter Überdruck arbeitende Heizkessel, mit Unteransprüchen 1 und 2. Die Anmeldung erfolgte am 15. Januar 1960, unter Beanspruchung einer deutschen Priorität vom 14. März 1959, die Eintragung am 31. Oktober 1963.
Die Aktiengesellschaft IDAG verkauft Heizkessel, die sie von der Firma NYEBOE & NISSEN, Kopenhagen, bezieht. Am 24. März reichte die YGNIS AG Strafklage gegen die IDAG AG sowie deren Geschäftsführer Emil Julier - einen früheren Angestellten der YGNIS AG - und den Verwaltungsratspräsidenten Willi Dahinden wegen Verletzung des Fabrikationsgeheimnisses nach
Art. 162 StGB
, unlauteren Wettbewerbes nach
Art. 13 UWG
und Diebstahls ein.
Am 17. August 1964 ergänzte die YGNIS AG die Strafklage wegen Verletzung der erwähnten Patente.
BGE 95 II 364 S. 366
Da Julier und Dahinden die Einrede der Nichtigkeit der drei Patente erhoben, setzte ihnen der Untersuchungsrichter im Sinne von
Art. 86 PatG
Frist an zur Anhebung der Nichtigkeitsklage.
B.-
Mit Klage vom 18. Dezember 1964 beantragte die IDAG AG beim Obergericht des Kantons Luzern die gerichtliche Feststellung, dass die drei Patente 355 554, 373 129 und 372 781 nichtig seien.
Das Obergericht des Kantons Luzern holte zwei technische Gutachten (Expertise und Oberexpertise) ein und fällte am 14. Februar 1968 folgendes Urteil:
"1. Der Hauptanspruch I und die Unteransprüche 1-3 sowie der Hauptanspruch II und die Unteransprüche 4-9 des Schweizer Patentes 355 554, der Hauptanspruch und die Unteransprüche 1 und 2 des Schweizer Patentes 372 781 sowie der Hauptanspruch und die Unteransprüche 1-4 des Schweizer Patentes 373 129 werden nichtig erklärt.
2. Das Begehren um Nichtigerklärung der Unteransprüche 10-15 zum Hauptanspruch II des Schweizer Patentes 355 554 wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
3. ... (Kosten)."
Das Obergericht hat die Neufassung des Patentanspruchs 355 554 als Folge der Teilnichtigkeit bis zur Erledigung eines allfälligen Berufungsverfahrens zurückgestellt; denn es würde sich seines Erachtens um einen unnützen Aufwand handeln, wenn das Bundesgericht im Gegensatz zum Obergericht entweder die Nichtigkeitsklage bezüglich des Schweizer Patentes 355 554 abweisen oder die Teilnichtigkeit des Patentes in einem grösseren oder kleineren Umfang als das Obergericht aussprechen oder die Nichtigkeitsklage vollumfänglich schützen sollte.
C.-
Die Beklagte beantragt mit der Berufung, Dispositiv Ziff. 1 und 3 des vorinstanzlichen Urteils aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen, als der Hauptanspruch I und die Unteransprüche 1-3 des Schweizer Patentes 355 554 nichtig erklärt wurden; ferner sei der Hauptanspruch I dieses Patentes teilweise nichtig zu erklären mit folgender Neufassung:
"Verfahren zur Verfeuerung von Brennstoffen, insbesondere flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen, in einem von einem Wassermantel umgegebenen Feuerungsraum mit mindestens feuerfestmaterialfreiem Mantel, welcher Feuerungsraum am hintern Ende
BGE 95 II 364 S. 367
geschlossen ist, und bei welchem die Flamme unter Gebläsewirkung in den Feuerungsraum eingeführt wird, wobei der Rauchabgang brennerseitig angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Flamme unter derart hohem Gebläsedruck in den Feuerungsraum eingeführt wird, dass im hintern Ende des Feuerungsraumes eine Umkehrung der Verbrennungsheizgase erfolgt und (was eventuell hinzuzufügen ist: 'durch die Sogwirkung an der Zündstelle') ein Teil der im Gegenstrom zurückströmenden Verbrennungsheizgase der Zündstelle zugeleitet wird;"
Eventuell beantragt die Beklagte, den Hauptanspruch I des Schweizer Patentes 355 554 nach Ermessen des Gerichtes teilweise nichtig zu erklären; subeventuell sei das Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zwecks Einschränkung des Hauptanspruches I des erwähnten Patentes.
Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Damit ist die Nichtigkeit von Hauptanspruch II und der Unteransprüche 4-9 rechtskräftig geworden.
D.-
Mit Verfügung vom 4. Oktober 1968 ordnete der Instruktionsrichter des Bundesgerichtes gemäss
Art. 67 Ziff. 1 OG
die Befragung des Oberexperten zwecks Erläuterung seines zuhanden der Vorinstanz erstatteten Gutachtens an.
Die Instruktionsverhandlung fand am 23. Oktober 1968 statt. Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 28. Oktober 1968 wurde den Parteien das Protokoll der Instruktionsverhandlung zugestellt und nach
Art. 61 Abs. 5 OG
ein weiterer Schriftenwechsel angeordnet.
Am 16. November 1968 reichte die Beklagte beim Obergericht des Kantons Luzern ein Revisionsgesuch ein.
Mit Eingabe vom gleichen Tage beantragte sie dem Bundesgericht, das Berufungsverfahren bis zur Erledigung des kantonalen Revisionsverfahrens zu sistieren (Antrag A); eventualiter sei die Oberexpertise aus den Akten zu weisen, die Gültigkeit des Streitpatentes Nr. 355 554 durch einen neuen Experten bzw. ein neues Expertenkollegium begutachten zu lassen und den Parteien Gelegenheit zu geben, genauere Expertenfragen zu stellen (Antrag B); subeventualiter sei die Oberexpertise durch Patentanwalt X. selber zu ergänzen, unter Mitwirkung eines vom Gericht bezeichneten Fachmannes der Feuerungstechnik, und den Parteien Frist zur Stellung von Ergänzungsfragen zu setzen (Antrag C).
BGE 95 II 364 S. 368
Das Berufungsverfahren wurde mit Verfügung des Instruktionsrichters sistiert. Die Anträge B und C wurden somit gegenstandslos.
Das Obergericht des Kantons Luzern hat am 14. Januar 1969 das Revisionsbegehren der Beklagten abgewiesen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beklagte beruft sich im Berufungsverfahren nicht mehr darauf, die Erhebung einer Nichtigkeitsklage sei rechtsmissbräuchlich. Diese Frage ist daher nicht zu prüfen.
2.
Die Beklagte hat mit der Berufung ein Gutachten eingereicht, das ihr Prof. X., ETH Zürich, am 8. Dezember 1966 erstattet hat. Das Gutachten befasst sich unter anderem mit der Frage, ob das im Schweizer Patent 355 554 angegebene Verfahren eine patentwürdige Erfindung wiedergebe. Die Beklagte erklärt dieses Gutachten zum Bestandteil der Berufung. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zulässig, doch hat ein solches Gutachten nicht die Bedeutung eines Beweismittels, sondern enthält ausschliesslich Parteivorbringen (
BGE 82 II 245
,
BGE 86 II 196
,
BGE 89 II 162
).
3.
Die Vorinstanz stellt auf Grund des Obergutachtens fest, dass der den Gegenstand des Patentes 355 554 bildenden Erfindung primär die Aufgabe zu Grunde lag, zum Zwecke der vollständigen Verbrennung flüssiger oder gasförmiger Brennstoffe einen Teil der Rauchgase auf eine einfachere und insbesondere solche Weise der Flamme zuzuführen, dass auf besondere Rauchgasrückführungsrohre verzichtet und eine möglichst gedrängte Kesselbauweise erreicht werden konnte (Aufgabe A). Ferner sollte zur Erreichung eines stabilen Betriebes der Feuerung eine optimale Abgabe von Strahlungswärme an die Feuerbüchse erzielt werden (Aufgabe B). Diese beiden Aufgaben sollten mittels eines entsprechenden Verfahrens und eines zu dessen Verwirklichung geeigneten Heizkessels gelöst werden.
Das Obergericht gelangt auf Grund der Darlegungen der beiden Gutachten zum Schluss, dass die Neuheit und der technische Fortschritt des Hauptanspruches I des Schweizer Patentes 355 554 samt den Unteransprüchen 1-3 durch das entgegengehaltene deutsche Patent 277 329 (Hundt) und das amerikanische Patent 2 674 981 (Clarkson) vorweggenommen sei, weil in diesen Patenten ebenfalls eine Rückführung der
BGE 95 II 364 S. 369
Flamme vorgesehen sei. Das Obergericht verneint in Übereinstimmung mit den amtlichen Experten auch die Erfindungshöhe des Streitpatentes.
4.
Die Beklagte bestreitet nicht, dass der im Berufungsverfahren noch umstrittene Patentanspruch I und die Unteransprüche 1-3 keine schutzfähige Erfindung definieren. Sie wirft aber dem Obergericht vor, es habe
Art. 27 PatG
dadurch verletzt, dass es das Patent nicht teilweise nichtig erklärt und auf die beantragte Fassung eingeschränkt habe.
a) Nach
Art. 27 Abs. 1 PatG
ist das Patent durch den Richter entsprechend einzuschränken, wenn ein Nichtigkeitsgrund nur für einen Teil der patentierten Erfindung zutrifft.
Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG
, welche Bestimmung im Rahmen des
Art. 27 PatG
analog anwendbar ist (vgl.
BGE 92 II 286
Erw. 3 a), sieht vor, einen Patentanspruch auf einem anderen (als dem in Art. 24 Abs. 1 lit. a und b genannten) Wege einzuschränken, sofern der eingeschränkte Patentanspruch sich auf die gleiche Erfindung bezieht und eine Ausführungsart definiert, welche sowohl in der veröffentlichten Patentschrift als auch in der am Anmeldungsdatum vorgelegten Beschreibung vorgesehen ist. BLUM/PEDRAZZINI (Das schweizerische Patentrecht, Bd. II, Anm. 2 zu
Art. 27 PatG
, S. 224 und 227 je unter Ziff. 3) bezeichnen es als Selbstverständlichkeit, dass der durch die Einschränkung neu zu fassende Erfindungsgedanke schon in der Patentschrift, d.h. im Patentanspruch, in der Beschreibung oder in den Zeichnungen geoffenbart sein muss.
b) Wie das Handelsgericht des Kantons Zürich in einem Entscheid vom 20. Juni 1961, publiziert in SJZ 1965 S. 61 f., den das Bundesgericht im unveröffentlichten Urteil vom 7. Mai 1963 i.S. Elektrolux gegen Hämmerli in allen Teilen bestätigt hat, darlegt, steht einer solchen Einschränkung nach
Art. 24 Abs. 2 PatG
nichts im Wege. Diese Bestimmung schreibt vor, dass ein teilweiser Verzicht des Patentinhabers auf das Patent durch Stellung eines Antrages gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. c nach Ablauf von vier Jahren seit dem amtlichen Datum der Eintragung des Patentes ausgeschlossen sei. Es besteht indessen kein hinreichender Grund, diese zeitliche Begrenzug auf den Fall der richterlichen Einschränkung des Patentes nach
Art. 27 PatG
analog anzuwenden (USTERI in SJZ 57 [1961] S. 148; BLUM/PEDRAZZINI a.a.O. S. 235/36, Anm. 7 zu
Art. 27 PatG
). Da
Art. 108 PatG
vorschreibt, bei amtlich vorgeprüften Patenten
BGE 95 II 364 S. 370
gelte die zeitliche Schranke für den Teilverzicht gemäss
Art. 24 Abs. 2 PatG
nicht, drängt es sich auf, die richterliche Teilnichtigerklärung mit dieser Regelung zu vergleichen und nicht mit jener andern, die nur für den Teilverzicht auf ein ungeprüftes Patent gilt. Denn
Art. 27 PatG
geht davon aus, dass der Richter die Patentlage nach allen Seiten klärt, also eine Prüfung vornimmt, wie sie bei der Vorprüfung dem Amt und den Beschwerdeinstanzen zukommt (USTERI, a.a.O.; vgl. auch die Meinungsäusserung des Eidg. Amtes für geistiges Eigentum vom 17. Juli 1958, wiedergegeben bei BLUM/PEDRAZZINI, a.a.O. S. 233). Die Einschränkung des am 15. Juli 1961 eingetragenen Streitpatentes unterliegt somit der zeitlichen Befristung des
Art. 24 Abs. 2 PatG
nicht.
c) Bei der Beschränkung eines Patentes ist davon auszugehen, dass nach
Art. 50 und 51 PatG
der sachliche Geltungsbereich einer Erfindung durch die Patentansprüche (Haupt- und Unteransprüche) umschrieben wird und dass die Beschreibung der Erfindung sowie die zum Verständnis erforderlichen Zeichnungen nur zu ihrer Auslegung, nicht aber zur Ergänzung herangezogen werden dürfen. Diese Regelung war schon im alten Recht - Art. 5 aPatG - massgebend (vgl.
BGE 44 II 200
,
BGE 47 II 495
,
BGE 48 II 294
,
BGE 49 II 140
f.,
BGE 50 II 72
,
BGE 53 II 186
,
BGE 70 II 238
f.,
BGE 71 II 302
f.,
BGE 82 II 250
,
BGE 85 II 136
). Der Patentbewerber hat somit den Gegenstand der Erfindung im Patentanspruch genau zu umschreiben und trägt das Risiko für eine unrichtige, unvollständige oder widersprüchliche Definition. Der Fachmann muss auf Grund des Patentanspruches erkennen, wofür der Erfindungsschutz beansprucht wird (vgl.
BGE 85 II 136
Erw. 3a).
d) Mit Recht hat das Handelsgericht des Kantons Zürich (vgl. a.a.O.) ausgeführt, der richterlichen Einschränkung des Patentes seien aus dem Blickpunkt der Rechtssicherheit Schranken gesetzt: Dem Interesse des Patentinhabers, einen Teil des Patentes retten zu können, stehen die Interessen Dritter (Fachleute, Konkurrenten, Forscher) entgegen, in ihrem Vertrauen auf die Massgeblichkeit der im Patentanspruch gegebenen Erfindungsdefinition und des dadurch umschriebenen sachlichen Geltungsbereiches nicht enttäuscht zu werden. Die Rücksicht auf das Interesse der Fachleute, an die sich insbesondere die Patentschrift richtet, verpflichtet den Richter, das Patent nur insoweit einzuschränken, als dem Fachmann auf Grund der ganzen Patentschrift schon von Anfang an unmissverständlich
BGE 95 II 364 S. 371
erkennbar war, dass eine bisher nur in der Beschreibung oder in den Zeichnungen enthaltene und nunmehr als weiteres Merkmal in den Patentanspruch aufzunehmende Angabe einen wesentlichen Bestandteil der Erfindung bilde. Der eingeschränkte Patentanspruch muss aber die gleiche Erfindung, d.h. die gleiche Aufgabe und die Mittel derselben Gattung zum Gegenstand haben wie der alte; andernfalls läge eine andere und nicht eine eingeschränkte Erfindung vor (vgl. BLUM/PEDRAZZINI, a.a.O. S. 80, 81 und 228; Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes vom 15. Oktober 1957, in GRUR 1958 S. 177 f.).
e) Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Regelung in
Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG
in erster Linie im Hinblick darauf getroffen hat, dem Erfinder die Möglichkeit einzuräumen, allfällige Versehen bei der Formulierung des Patentanspruches zu beheben (vgl. Bericht zum Vorentwurf I des Eidg. Amtes für geistiges Eigentum vom September 1945, S. 31). Die genannte Vorschrift ist daher einschränkend auszulegen. So hat das Bundesgericht im nicht veröffentlichten Entscheid i.S. The Carlton Tyre Saving Company Ltd. gegen Pflüger und Mitbeteiligte vom 28. Oktober 1961 es abgelehnt, einen Patentanspruch dadurch teilweise einzuschränken, dass nur ein in einer Zeichnung der Patentschrift enthaltenes Element als weiteres Merkmal in den Patentanspruch aufgenommen werde; denn darin läge nicht eine Einschränkung, sondern eine Umgestaltung des Patentanspruches, welche
Art. 27 PatG
nicht erlaube. Allerdings scheint dieser Entscheid in der Begründung insofern zu eng zu sein, als er verlangt, dass die neue Definition des Patentanspruchs auf Grund der ursprünglichen Haupt- und Unteransprüche zu bilden sei. Er legt aber den entscheidenden Grundsatz dar, dass die auf dem Wege der Einschränkung zu schützende Erfindung vom ursprünglichen Patentanspruch erfasst sein muss.
f) Die in
Art. 27 lit. c PatG
vorgesehene Möglichkeit, den Patentanspruch durch Merkmale zu ergänzen, die der Beschreibung entnommen werden und weder im Haupt- noch in einem Unteranspruch enthalten sind, schafft eine "gewisse Rechtsunsicherheit" (vgl. Botschaft des Bundesrates S. 45; Bericht zum Vorentwurf des Eidg. Amtes für geistiges Eigentum vom September 1945, S. 45). Diese Gefahr darf nur in Kauf genommen werden, wenn die Einschränkung einer Erfindung in Frage
BGE 95 II 364 S. 372
steht, die durch den Patentanspruch klar definiert ist (vgl.
Art. 26 Abs. 1 Ziff. 4 PatG
). Der Richter hat somit in die neue Definition des eingeschränkten Patentanspruchs keine Merkmale aufzunehmen, die in der Beschreibung oder den Zeichnungen nur beiläufig erwähnt sind; vielmehr ist erforderlich, dass der Fachmann in der Beschreibung oder den Zeichnungen ein wesentliches Merkmal der Erfindung als klar geoffenbart zu erkennen vermag (vgl. Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich a.a.O.; Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes vom 15. Oktober 1957, a.a.O.).
5.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die vom Obergutachter als Erfindung bezeichnete Rückführung der Verbrennungsheizgase sowohl in der Patentschrift (S. 2, Zeilen 74 f.) als auch in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen beschrieben sei.
a) Die Vorinstanz stellt auf Grund der Oberexpertise fest, in der Patentschrift sei überhaupt nicht davon die Rede, die Verbrennungsheizgase so zurückzuleiten, dass damit eine bestimmte Stelle der Flamme, nämlich die Zündstelle abgeschirmt werde. Die Beklagte hält dieser Feststellung folgenden Passus des Obergutachtens entgegen:
"Dieses YGNIS-Verfahren, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass die Rückführung der Verbrennungsheizgase zur Zündstelle erfolgt, ist aber im schweizerischen Patent 355 554 wohl beschrieben, nicht aber geschützt, bzw. beansprucht."
Diese Stelle scheint angesichts der Wendung "... wohl beschrieben" mit der erwähnten Feststellung im angefochtenen Urteil im Widerspruch zu stehen. An anderer Stelle des Obergutachtens erklärte indessen der Experte, dass die Rückführung der Verbrennungsheizgase zur Zündstelle als Aufgabe in der Patentschrift nicht geoffenbart werde und dass die entsprechenden klaren Hinweise ausschliesslich den Rechtsschriften der Beklagten entstammen. Das gleiche treffe - so erklärt der Experte an verschiedenen Stellen seines Gutachtens - auch auf den Patentanspruch I und II zu. Der Fachmann sei nicht in der Lage, die Aufgabe B (stabiler Betrieb der Feuerung) und damit die Tatsache zu erkennen, dass die Zuleitung obligatorisch an der Zündstelle erfolgen müsse.
In der Instruktionsverhandlung vor Bundesgericht bestätigte der Experte ausdrücklich, dass in der Patentschrift weder von
BGE 95 II 364 S. 373
der Rückleitung zur Zündstelle noch den Mitteln zur Lösung dieser Aufgabe die Rede sei. Dabei stellte er klar, dass er im schriftlichen Gutachten nicht den Patentgegenstand gemäss Patentanspruch I als erfinderisch betrachtete, sondern eine besondere Ausführungsart des Heizkessels, wie sie in den Unteransprüchen 10 f. zum Hauptanspruch II gekennzeichnet sei. Die nach dem Experten in Fig. 8 f. enthaltenen Mittel für die Rückführung zur Zündstelle beziehen sich auf die erwähnten Unteransprüche, was aus der Beschreibung S. 3, Zeilen 80-101, hervorgeht. Auch das Obergericht ist der Auffassung, die Unteransprüche 10 f. definierten eine patentwürdige Erfindung. Sie sind aber nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Die Beklagte versucht auf Grund des Privatgutachtens darzutun, dass in der Beschreibung des Streitpatentes die Rückführung der Verbrennungsheizgase zur Zündstelle als Aufgabe geoffenbart sei. Der Gutachter führte aus, dass durch die erfindungsgemässe Ausbildung der Brennkammer allein oder eventuell zusammen mit besonderen Mitteln die Beimischung rückströmender Flammengase über die ganze Länge der Brennkammer, vor allem aber unmittelbar im Zündbereich der Flamme oder sogar noch vorher (in den Verbrennungsluftstrom) erreicht wird. Daraus lässt sich aber nicht entnehmen, die Ausdrücke "Zündstelle", "Einströmende Flamme" und "Flammenkern" seien für den Fachmann gleichwertig, und der Privatgutachter habe den "Zündbereich" dem Begriff "Flamme" gleichgesetzt. Wenn Prof. X. vom "Zündbereich der Flamme" spricht, so macht er wie der Oberexperte die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu treffende Unterscheidung zwischen Flamme und Zündstelle. Die von der Beklagten herangezogene Stelle aus dem Privatgutachten enthält somit keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Feststellung im angefochtenen Urteil unrichtig sei, die Rückführung zur Zündstelle werde in der Patentschrift als Aufgabe nicht erwähnt, und es habe der fachmännisch gebildete Leser keine Veranlassung gehabt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Bedeutung das Wort "Flamme" mit Bezug auf die Lösung dieser Aufgabe haben könnte.
Auch die Zusammenstellung der patentbegründenden Merkmale auf S. 8 des Privatgutachtens weicht von den Ergebnissen des Obergutachters nicht ab. Prof. X. betrachtet die Unteransprüche 10 f. des Hauptanspruches II als schutzwürdig.
BGE 95 II 364 S. 374
Das erhellt insbesondere aus folgender Feststellung: "Beim YGNIS-Heizkessel ist es vor allem die besondere Ausbildung der Brennkammer, die gerade eben diesen Zutritt der rückströmenden Flammengase in oder sogar noch vor der Zündzone bezweckt."
b) Die Beklagte will den Patentanspruch I in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen dahin umschrieben haben, "dass die Heizgase im Feuerungsraum im Gegenstrom in Richtung des Flammenkerns zurückgeleitet" werden.
Nach
Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG
muss, wie erwähnt, die Ausführungsart sowohl in der veröffentlichten Patentschrift als auch in der am Anmeldungsdatum vorgelegten Beschreibung vorgesehen sein. Da die Vorinstanz zu Recht angenommen hat, die erste Voraussetzung sei nicht erfüllt, brauchte sie die Anmeldungsunterlagen nicht zu prüfen. Im übrigen ist fraglich, ob Flammenkern gleichbedeutend sei wie Zündstelle. Der Flammenkern bedeutet die Mitte, die Zündstelle dagegen den Entstehungsort der Flamme.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 14. Februar 1968 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fc0db538-765d-4297-b1aa-b4330e0d64d6 | Urteilskopf
85 IV 76
19. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Mai 1959 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen X. und Y. | Regeste
Art. 191 Ziff. 3 StGB
.
Wann ist der Irrtum über das Alter des Kindes vermeidbar? | Erwägungen
ab Seite 76
BGE 85 IV 76 S. 76
1.
Art. 191 Ziff. 3 StGB
sieht eine mildere Strafe vor, wenn der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, gehandelt hat, aber bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum hätte vermeiden können. Der Täter bleibt somit strafbar, wenn er die falsche Vorstellung über das Alter des Opfers fahrlässig im Sinne von
Art. 18 Abs. 3 StGB
verschuldet hat, d.h. wenn er entweder an die Möglichkeit eines Irrtums nicht gedacht hat, sie bei pflichtgemässer Vorsicht aber hätte erkennen können, oder wenn er trotz dieser Erkenntnis pflichtwidrig darauf vertraut hat, das vorgestellte Alter treffe zu. Der Irrtum ist demnach vermeidbar und der Täter nach Art. 191 Ziff. 3 zu bestrafen, wenn er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht sicher sein konnte, dass das Kind mindestens 16 Jahre alt sei, sondern damit rechnen musste, dass es möglicherweise
BGE 85 IV 76 S. 77
noch im schutzwürdigen Alter stehe. Ob er Mittel zur Hand gehabt hätte, um das wirkliche Alter rechtzeitig und zuverlässig abzuklären, ist unerheblich. Nach Art. 191 Ziff. 3 wird er nicht deshalb bestraft, weil er nicht weitere Erkundigungen über das Alter des Kindes eingezogen hat, sondern weil die Zweifel, die er haben musste, ihn von der unzüchtigen Handlung nicht abgehalten haben.
2.
..... Die äussere Erscheinung, namentlich der Gesichtsausdruck des Mädchens Z., bot keine zuverlässige Grundlage zur Annahme, es sei mindestens 16 Jahre alt. Einen solchen Schluss hätte das Aussehen nur erlaubt, wenn das Mädchen eindeutig älter als 16 Jahre alt erschienen wäre und ein Alter von unter 16 Jahren hätte ausgeschlossen werden dürfen. Da diese Voraussetzung nicht zutraf, mussten die im Alter von 39 Jahren stehenden Angeklagten sich bewusst sein, dass die ihnen unbekannte Z. noch im Schutzalter stehen konnte (vgl.
BGE 84 IV 104
). Weil sie tatsächlich Zweifel hatten, hielten sie es auch für notwendig, das Mädchen ausdrücklich nach dessen Alter zu fragen. Auf die Angabe, es sei 17 Jahre alt, durften sie sich jedoch nicht verlassen. Die Angeklagten waren lebenserfahren genug, um zu wissen, dass junge Mädchen daran Gefallen finden, von reiferen Männern ernst genommen und umworben zu werden, und dass sie oft geneigt sind, ihr jugendliches Alter durch Angabe eines höheren zu tarnen, um das ihnen bekundete Interesse wach zu halten. Auch die übrigen Angaben der Z. waren nicht geeignet, die Zweifel, die sich angesichts ihrer jugendlichen Gesichtszüge einstellen mussten, zu beseitigen. Ihre Behauptung, sie sei Büroangestellte, war zu unbestimmt, um aus ihrer beruflichen Stellung einen sicheren Schluss auf ihr wirkliches Alter ziehen zu können. Und gegenüber der Angabe, sie sei auch schon mit einem Mann gegangen und sie habe einen Freund, war Vorsicht geboten, weil sie harmlos gemeint sein konnte, andernfalls aber, wenn sie als Hinweis auf geschlechtliche Erfahrung dienen sollte, auf die Möglichkeit schliessen liess, das Mädchen wolle sich
BGE 85 IV 76 S. 78
damit bewusst als älter ausgeben. Die Angeklagten konnten unter diesen Umständen nicht mit gutem Gewissen annehmen, Z. sei trotz ihrer jugendlichen Erscheinung über 16 Jahre alt. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fc0e9bc1-2e94-4d14-9833-f7c90bf191e8 | Urteilskopf
119 V 225
32. Urteil vom 24. März 1993 i.S. Eidg. Ausgleichskasse gegen E. und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 43ter Abs. 1 und 2 AHVG
. Ob ein über 65jähriger Gesuchsteller, der nach Erreichen des AHV-Rentenalters weiterhin eine Erwerbstätigkeit ausübt, Anspruch auf Hilfsmittelversorgung hat, ist im Lichte der AHV-rechtlichen Hilfsmittelregelung zu prüfen (E. 3a).
Art. 1 Abs. 1 HVI
, Art. 21 Abs. 1 letzter Satz IVG. Der Gesetzgeber unterscheidet die Durchführung der medizinischen Massnahme einerseits von ihrer wesentlichen Ergänzung durch Hilfsmittel anderseits. Die Abgabe der Hilfsmittel (Brillen, Zahnprothesen, Schuheinlagen) im Zusammenhang mit medizinischen Massnahmen ist wegen dieser Unterscheidung als Hilfsmittelversorgung und nicht als medizinische Massnahme zu betrachten (E. 3c).
Art. 4 HVA
,
Art. 21 und 21bis IVG
.
- Die Besitzstandsgarantie bezieht sich ohne sprachliche Einschränkung auf alle Hilfsmittel oder Ersatzleistungen nach den
Art. 21 und 21bis IVG
. Systematisch betrachtet sind mit dem Ausdruck "massgebende Voraussetzungen" in
Art. 4 HVA
die spezifisch IV-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des
Art. 21 IVG
gemeint und nicht die altersmässigen Voraussetzungen für Eingliederungsmassnahmen gemäss
Art. 10 Abs. 1 IVG
. Ein Hilfsmittel kann demnach auch dann noch eine wesentliche Ergänzung einer medizinischen Eingliederungsmassnahme bilden, wenn diese bereits abgeschlossen ist und - unabhängig vom Alter - kein Anspruch nach
Art. 12 IVG
mehr besteht. Dies gilt selbst dann, wenn der Versicherte zwischenzeitlich das AHV-Rentenalter erreicht hat (E. 4).
- Bezüglich der Voraussetzung, dass das Hilfsmittel für die (fortdauernde) Erwerbstätigkeit erforderlich sein muss, stellt sich die quantitative Frage, welche Erwerbstätigkeit als rechtlich erheblich zu betrachten ist. Dabei rechtfertigt es sich, die bundesrechtskonformen Einkommensgrenzen der Wegleitung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (Rz. 1006 WHMI) auch für die im Rahmen der Besitzstandsgarantie von der AHV abzugebenden Hilfsmittel anzuwenden. Zusätzlich ist eine fortdauernde Erwerbstätigkeit von einer gewissen Regelmässigkeit zu fordern (E. 5b). | Sachverhalt
ab Seite 227
BGE 119 V 225 S. 227
A.-
Franz E., geboren 1923, musste sich im Jahre 1975 einer Staroperation am rechten Auge unterziehen. Die Invalidenversicherung übernahm als medizinische Massnahme die Kosten für Operation, Spitalpflege und ambulante Nachbehandlung sowie als Hilfsmittel die optische Versorgung (Kontaktlinse rechts) und damit in Zusammenhang stehende augenärztliche Kontrollen. In der Folge erbrachte die Invalidenversicherung mehrmals Leistungen beim Ersatz der Kontaktlinsen. 1988 wurde Franz E. 65 Jahre alt. Mit Rechnung vom 27. Februar 1991 machte sein Optiker bei der Invalidenversicherung Kosten für zwei Kontaktlinsenkontrollen und zwei Ersatzlinsen (tränenbedingte Oberflächenveränderungen, Verlust) geltend. Das Sekretariat der Invalidenversicherungs-Kommission teilte Franz E. am 13. März 1991 mit, dass eine Kostenübernahme nur in Frage komme, wenn die Kontaktlinsen zur Ausübung der Erwerbstätigkeit erforderlich seien. Nachdem er im Juli 1988 pensioniert worden sei, würden Leistungen ausser Betracht fallen. Mit Schreiben vom 20. März 1991 legte Franz E. eine Bestätigung seines Arbeitgebers auf, wonach er von diesem nach Erreichen des AHV-Rentenalters im Teilpensum weiterbeschäftigt werde. Dennoch wies die Eidg. Ausgleichskasse das Leistungsgesuch mit
BGE 119 V 225 S. 228
Verfügung vom 7. Oktober 1991 ab. Sie begründete dies damit, dass Eingliederungsmassnahmen und in wesentlicher Ergänzung dazu abgegebene Hilfsmittel nur bis zum Erreichen des AHV-Pensionsalters übernommen werden könnten.
B.-
Eine hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit der Begründung gut, Franz E. habe vor Entstehen des Anspruchs auf eine AHV-Rente Hilfsmittel nach
Art. 21 oder 21bis IVG
erhalten, welche er zur Ausübung seiner fortdauernden beruflichen sowie der Tätigkeit im übrigen Aufgabenbereich benötige, weshalb er im Rahmen der in
Art. 4 HVA
verankerten Besitzstandsgarantie weiterhin Anspruch darauf in bisherigem Umfang habe (Entscheid vom 7. April 1992).
C.-
Die Eidg. Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und Wiederherstellung der angefochtenen Verfügung. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Franz E. beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung enthält sich eines Antrages.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Kognition)
2.
Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid die massgebenden Gesetzesbestimmungen, nach welchen in der Schweiz wohnhafte Bezüger von Altersrenten der AHV Anspruch auf die Abgabe von Hilfsmitteln haben (
Art. 43ter Abs. 1 AHVG
in Verbindung mit
Art. 66ter AHVV
und
Art. 2 HVA
) oder nach welchen ihnen der Anspruch auf vor Altersrentenbeginn nach
Art. 21 und 21bis IVG
ausgerichtete Hilfsmittel oder Ersatzleistungen in Art und Umfang erhalten bleibt (
Art. 43ter Abs. 2 AHVG
in Verbindung mit
Art. 4 HVA
), zutreffend dargelegt, so dass darauf verwiesen werden kann. Ebenfalls richtig sind die Ausführungen des kantonalen Gerichts, wonach die Invalidenversicherung Kontaktlinsen als Hilfsmittel abgibt (Ziff. 7.02* HVI Anhang), soweit diese für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder die Tätigkeit im Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung oder die funktionelle Angewöhnung notwendig sind (
Art. 2 Abs. 2 HVI
in Verbindung mit
Art. 21 Abs. 1 und Abs. 4 IVG
und
Art. 14 IVV
).
BGE 119 V 225 S. 229
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die AHV für Kontaktlinsenkontrollen und -ersatz aufzukommen hat.
a) Die Vorinstanz hat zutreffend erwogen, dass diese Frage grundsätzlich in Lichte der AHV-rechtlichen Hilfsmittelregelung zu prüfen sei. Dabei hat sie festgestellt, dass nach der Liste der Hilfsmittel in HVA Anhang kein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe, weil dort Kontaktlinsen nicht aufgeführt seien, sondern nur Lupenbrillen (Ziff. 8 HVA Anhang).
Gestützt auf die in
Art. 4 HVA
verankerte Besitzstandsgarantie hat die Vorinstanz den Anspruch des Beschwerdegegners auf Leistungen der AHV dennoch bejaht, da er auch nach Erreichen des AHV-Alters einer Erwerbstätigkeit nachgehe.
b) Die beschwerdeführende Eidg. Ausgleichskasse vertritt demgegenüber die Auffassung, Brillen (oder Kontaktlinsen) könnten gemäss Art. 21 Abs. 1 in fine IVG übernommen werden, wenn diese Hilfsmittel eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen bildeten. Sie würden einen integrierenden Bestandteil von medizinischen Eingliederungsmassnahmen darstellen und seien daher auch als solche (nach
Art. 12 IVG
) zu betrachten und nicht als Hilfsmittel (nach
Art. 21 IVG
), auf welche der Versicherte im Rahmen der Liste in HVI Anhang Anspruch habe. Entsprechend komme die Wahrung des Besitzstandes nach
Art. 4 HVA
nicht zur Anwendung.
c) Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
Art. 1 Abs. 1 HVI
umschreibt u.a. den Anspruch auf Hilfsmittel nach
Art. 21 IVG
. Abs. 1 letzter Satz dieser Bestimmung spricht klarerweise von der Kostenübernahme für Brillen (Zahnprothesen und Schuheinlagen), wenn diese Hilfsmittel eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen darstellen. Der Gesetzgeber unterscheidet somit die Durchführung der medizinischen Eingliederungsmassnahme einerseits von ihrer wesentlichen Ergänzung durch Hilfsmittel anderseits. Dass sich die Regelung, in welchen Fällen welche optischen Hilfsmittel abzugeben sind, im Kreisschreiben über die medizinischen Massnahmen und nicht in der Wegleitung über die Abgabe von Hilfsmitteln findet, vermag diese gesetzliche Abgrenzung nicht aufzubrechen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Abgabe von Brillen und Kontaktlinsen im Zusammenhang mit medizinischen Massnahmen daher ebenfalls als Hilfsmittelversorgung anzusehen ist (ZAK 1984 S. 128 E. 1).
4.
Vorliegendenfalls wurde die medizinische Eingliederungsmassnahme, nämlich die Staroperation am rechten Auge, Ende 1975
BGE 119 V 225 S. 230
durchgeführt. 1988 vollendete der Versicherte das 65. Altersjahr und erreichte damit das AHV-Rentenalter. Es stellt sich deshalb die Rechtsfrage, ob - nach diesem Zeitpunkt - hinsichtlich der Eingliederungswirksamkeit der Kontaktlinsenversorgung noch von einer wesentlichen Ergänzung einer früher erfolgten medizinischen Eingliederungsmassnahme gesprochen werden kann. Diese Frage ist gestützt auf
Art. 4 HVA
zu bejahen. Die Bestimmung lautet (in deutscher, französischer und italienischer Fassung), wie folgt:
"Für in der Schweiz wohnhafte Bezüger von Altersrenten, die bis zum Entstehen des Anspruchs auf eine Altersrente Hilfsmittel oder Ersatzleistungen nach den Artikeln 21 oder 21bis des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG) erhalten haben, bleibt der Anspruch auf diese Leistungen in Art und Umfang bestehen, solange die massgebenden Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind und soweit die vorliegende Verordnung nichts anderes bestimmt. Im übrigen gelten die entsprechenden Bestimmungen der Invalidenversicherung sinngemäss."
"Les bénéficiaires d'une rente de vieillesse domiciliés en Suisse qui bénéficient de moyens auxiliaires ou de contributions aux frais au sens des articles 21 et 21bis de la loi sur l'assurance-invalidité (LAI) au moment où ils peuvent prétendre une rente AVS, continuent d'avoir droit à ces prestations dans la même mesure, tant que les conditions qui présidaient à leur octroi sont remplies et autant que la présente ordonnance n'en dispose pas autrement. Pour le reste, les dispositions de l'assurance-invalidité relatives aux moyens auxiliaires sont applicables par analogie."
"I beneficiari di una rendita di vecchiaia domiciliati in Svizzera, assegnatari di mezzi ausiliari o di sussidi per le spese ai sensi degli articoli 21 e 21bis della legge sull'assicurazione per l'invalidità (LAI) nel momento in cui nasce il diritto a una rendita AVS continuano ad averne diritto nella medesima misura fintanto che le condizioni determinanti sono adempite e salvo disposizioni contrarie della presente ordinanza. Per il resto, le corrispondenti disposizioni dell'assicurazione per l'invalidità sono applicabili per analogia."
Die Besitzstandsgarantie bezieht sich ohne sprachliche Einschränkung auf alle Hilfsmittel oder Ersatzleistungen nach den
Art. 21 und 21bis IVG
, somit u.a. auch auf Brillen, die im Sinne von Art. 21 Abs. 1 in fine IVG eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen bilden. Die "massgebenden Voraussetzungen", die gemäss
Art. 4 HVA
erfüllt sein müssen, damit die fortgesetzte Hilfsmittelversorgung im Rentenalter möglich ist, können sich systematischerweise nur auf die spezifischen IV-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen der Art. 21 f. IVG beziehen: im Falle von
Art. 21 Abs. 1 IVG
darauf, dass die Hilfsmittel für die
BGE 119 V 225 S. 231
Ausübung der Erwerbstätigkeit oder die Tätigkeit im Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung erforderlich sind; bei Brillen u.a., dass sie zudem eine wesentliche Ergänzung medizinischer Eingliederungsmassnahmen bilden. Ein systematischer Bezug zu den altersmässigen Voraussetzungen für Eingliederungsmassnahmen, wie sie
Art. 10 Abs. 1 IVG
vorsieht, fehlt dagegen. Es können deshalb Kontaktlinsen auch dann noch eine wesentliche Ergänzung einer medizinischen Eingliederungsmassnahme bilden, wenn diese bereits abgeschlossen ist und - unabhängig vom Alter - kein Anspruch nach
Art. 12 IVG
mehr besteht. Dies gilt selbst dann, wenn der Versicherte zwischenzeitlich das AHV-Rentenalter erreicht hat.
5.
a) Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdegegner in bezug auf die von ihm während des Altersrentenbezugs geforderte Hilfsmittelversorgung die spezifischen IV-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Fraglos stellt die Kontaktlinse eine wesentliche Ergänzung der medizinischen Eingliederungsmassnahme dar, ersetzt sie doch die bei der Augenoperation entfernte, trüb gewordene Linse des rechten Auges.
b) Im Sinne der Voraussetzung der Erforderlichkeit für die Erwerbstätigkeit ist in quantitativer Hinsicht die Frage zu stellen, ob der Beschwerdegegner nach Erreichen des AHV-Rentenalters weiterhin einer rechtlich erheblichen Erwerbstätigkeit nachgeht.
Mit dem quantitativen Element der Erwerbstätigkeit hat sich das Eidg. Versicherungsgericht bislang erst im Zusammenhang mit der Kostenübernahme der Invalidenversicherung für invaliditätsbedingte Abänderungen an einem Motorfahrzeug beschäftigt (
BGE 105 V 63
). Dort ging es um die konkrete Definition der existenzsichernden Erwerbstätigkeit. Was als rechtlich erhebliche Erwerbstätigkeit zu betrachten ist, bei deren Vorliegen die in der Liste der HVI mit einem * bezeichneten Hilfsmittel im Rahmen der Besitzstandsgarantie auch bei Altersrentnern durch die AHV übernommen werden können, lässt sich indessen aus dem genannten Urteil nicht herleiten. Hand hiezu bietet die Wegleitung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (WHMI). Rz. 1006 WHMI (= Rz. 3 in der bis zum 1. Januar 1989 gültig gewesenen Fassung) besagt, dass Erwerbstätigkeit anzunehmen sei, wenn der Versicherte ohne Anrechnung von Soziallohn und Renten aus seiner Tätigkeit ein jährliches Einkommen erzielt, das dem Mindestbeitrag für Nichterwerbstätige gemäss
Art. 10 Abs. 1 AHVG
entspricht oder höher ist. Gemäss WHMI Anhang 2 Ziff. 6.1 beträgt das massgebende
BGE 119 V 225 S. 232
Einkommen Fr. 3'000.-- (1989) oder Fr. 3'208.-- (ab 1990). Diese Verwaltungsweisung, die für den Sozialversicherungsrichter nicht verbindlich ist, lässt ohne weiteres eine dem Einzelfall angepasste und diesem gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zu. Sie ist daher nicht zu beanstanden (
BGE 116 V 19
E. 3c mit Hinweisen). Es ist sodann gerechtfertigt, diesen Einkommensbetrag, welcher die rechtlich erhebliche Erwerbstätigkeit für die Abgabe der Hilfsmittel durch die Invalidenversicherung definiert, auch im Bereich der Hilfsmittelversorgung durch die AHV gelten zu lassen. Denn es sollen nicht Personen, welche lediglich ein kleines Einkommen erzielen, im Rahmen der Besitzstandsgarantie des Anspruchs auf Hilfsmittel nach
Art. 21 Abs. 1 IVG
verlustig gehen. Zu fordern ist dagegen, dass das massgebende Einkommen im Anschluss an die Pensionierung mit einer gewissen Regelmässigkeit erzielt wird, nämlich, dass es der Versicherte jedes Jahr erreicht (wobei unerheblich ist, wie die Tätigkeit auf das Jahr verteilt ist), und dass ausgeschlossen ist, dass er es lediglich im Hinblick auf die Hilfsmittelübernahme erzielt.
6.
Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdegegner im Juni 1988 65jährig geworden. Bezüglich seiner Erwerbstätigkeit im AHV-Rentenalter ist aufgrund der Akten lediglich bekannt, dass er 1990 während eines gut zweimonatigen Einsatzes bei der PTT einen Lohn von rund Fr. 4'100. - erzielt hat und daselbst ab 1. März 1991 bis auf weiteres bei einem Stundenlohn von Fr. 77.24 (inkl. Teuerungszulagen, Ortszuschlag, Ferienentschädigung und Krankenlohnabgeltung) beschäftigt war. Für die restliche Zeit (zweite Hälfte 1988 und 1989) liegen keine Unterlagen vor, welche die in der vorinstanzlichen Beschwerde geltend gemachten Arbeitseinsätze (1988 beim Weltpostverein; 1989 bei der Generaldirektion PTT) bestätigen und das damit erzielte Erwerbseinkommen ausweisen würden. Die Sache ist deshalb an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese die erwerbsmässigen Voraussetzungen seit Eintritt ins AHV-Alter überprüfe und nachher über den Anspruch des Beschwerdegegners auf Kontaktlinsenkontrolle und -ersatz neu verfüge. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fc1169d1-f951-4c60-b1c4-3476594b9a65 | Urteilskopf
94 I 441
60. Extrait de l'arrêt du 30 octobre 1968 dans la cause Machines de Bureau "Anker" SA contre Trésorerie de l'Etat de Fribourg. | Regeste
Kantonale Stempelabgabe auf Verträgen. Doppelbesteuerung.
Wenn ein schriftlicher Vertrag durch mehrere, in verschiedenen Kantonen unterzeichnete Urkunden abgeschlossen wird, steht die Steuerhoheit demjenigen Kanton zu, auf dessen Gebiet die letzte Unterschrift abgegeben wird (Erw. 3).
Das Doppelbesteuerungsverbot ist nicht anwendbar auf den freiburgischen Formatstempel auf Verträgen über Eigentumsvorbehalt (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 442
BGE 94 I 441 S. 442
A.-
a) La société "Machines de Bureau 'Anker', SA" (en abrégé: Anker SA), à Zurich, place ses marchandises par l'entremise de voyageurs de commerce. Ceux-ci ont pour instruction de faire signer au client un bulletin de commande, qui est transmis au siège de la société. L'acheteur reçoit par la suite une confirmation de commande signée par la venderesse à Zurich.
b) La loi fribourgeoise sur le timbre, du 13 mai 1936, prévoit d'une part un droit de timbre de dimension, de 30, 75 ou 150 ct. par feuille, selon le format, et un droit de timbre gradué, perçu au taux de 1 fr. 50 par 1000 fr., selon la "valeur de l'acte" frappé (arrondie aux 200 fr. supérieurs jusqu'à 1000 fr., puis aux 1000 fr. supérieurs). Le timbre de dimension s'applique à de nombreux documents, en particulier aux conventions - ou copies de conventions - remises au préposé au registre des pactes de réserve de propriété (art. 8 de la loi); le timbre gradué frappe divers titres et contrats, notamment les reconnaissances de dettes (art. 11).
c) Jacques Jamain, aux Rosalys (canton de Fribourg) a commandé le 16 octobre 1967 à Anker SA une caisse enregistreuse du prix de 7270 fr. Il a versé comptant 1470 fr. Anker SA a confirmé la commande par écrit le 26 octobre 1967. Elle a requis l'inscription du pacte de réserve de propriété sur le registre tenu par l'Office des poursuites de Châtel-St-Denis. Celui-ci lui a réclamé un droit de timbre gradué de 9 fr.
B.-
Anker SA a fait valoir, auprès du Département des finances du canton de Fribourg, que la dernière signature de ses contrats de vente était toujours apposée dans le canton de Zurich, auquel revenait en conséquence la compétence de les frapper d'un impôt. Par lettre du 29 juillet 1968, la Trésorerie de l'Etat de Fribourg lui a répondu, en substance, ce qui suit.
BGE 94 I 441 S. 443
Les contrats conclus par Anker SA ne sont, comme tels, frappés d'aucun droit de timbre dans le canton de Fribourg. En revanche, dès que la venderesse en fait usage auprès d'une autorité judiciaire du canton, ils sont assujettis d'une part au timbre de dimension (en tant que pactes de réserve de propriété: art. 8 de la loi) et d'autre part au timbre gradué (en tant que reconnaissances de dette: art. 1er et 11 lettre a).
C.-
Agissant par la voie du recours de droit public pour violation de l'art. 46 al. 2 Cst., Anker SA requiert le Tribunal fédéral de constater que les contrats qu'elle passe avec ses clients domiciliés dans le canton de Fribourg ne sont soumis à aucun droit fondé sur la loi du 13 mai 1936 sur le timbre, et d'inviter le canton de Fribourg à ne plus prélever à l'avenir de tels droits sur lesdits contrats.
D.-
La Trésorerie de l'Etat de Fribourg propose que le recours soit déclaré sans objet et, subsidiairement, qu'il soit rejeté.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
...
2.
...
3.
Le droit de timbre gradué, proportionnel à la valeur constatée dans un acte écrit, est un impôt auquel s'applique l'art. 46 al. 2 Cst. (RO 71 I 325
;
72 I 10
et 85
;
81 I 24
;
86 I 222
;
89 I 459
). Il frappe le rapport juridique documenté par l'acte (RO 81 I 24). Mais comme ne sont imposés que les rapports juridiques qui font l'objet d'un acte, le pouvoir de prélever l'impôt prend naissance avec la confection du document seulement. Il ne peut être perçu que par le canton sur le territoire duquel le document a été créé, c'est-à-dire rédigé et signé (RO 86 I 222). Lorsque plusieurs personnes doivent le signer, il ne devient parfait - toutes autres conditions étant remplies - que par l'apposition de la dernière signature. S'il a été signé dans plusieurs cantons, la souveraineté fiscale appartient à celui d'entre eux sur le territoire duquel la dernière signature a été donnée (RO 89 I 459). On doit appliquer la même règle lorsque, comme en l'espèce, les parties signent chacune dans son canton une pièce différente. Seul le canton où la dernière signature a été donnée bénéficie du droit d'imposition, en tant que cette signature est nécessaire pour que l'acte écrit, que forment ensemble les diverses pièces signées par les parties, soit parfait
BGE 94 I 441 S. 444
(arrêt non publié du 28 janvier 1968 dans la cause Anker SA, consid. 3; arrêt du 18 novembre 1964 dans la cause L. AG publié dans Archives, vol. 34, p. 219, consid. 4).
Le bulletin de commande est le plus souvent signé par le client de la recourante à son domicile; la confirmation de commande est toujours signée à Zurich. C'est donc le canton de Zurich qui est en droit d'imposer le rapport juridique documenté par ces deux pièces.
Le canton de Fribourg entend, il est vrai, frapper du timbre gradué la reconnaissance de dette souscrite par l'acheteur. Il n'en a pas le droit non plus. La recourante manifeste de façon non équivoque, par une clause insérée dans la formule de bulletin de commande, qu'elle n'entend être liée que moyennant confirmation écrite. Jusque-là, la commande de l'acheteur n'est qu'une offre. Le contrat ne vient à chef que par l'acceptation de cette offre, acceptation qui doit au surplus prendre la forme écrite voulue par les parties (art. 16 CO). Avant l'expédition de la confirmation de commande, il n'y a pas de contrat et, partant, pas de dette de l'acheteur. Dès lors, même si le contrat de vente n'est considéré que sous son aspect particulier de reconnaissance de dette de l'acheteur pour le prix de vente (éventuellement le solde du prix après déduction d'un acompte), la souveraineté fiscale appartient encore au canton de Zurich, sur le territoire duquel la dernière signature a été apposée.
On ne peut, au demeurant, contester à la recourante le droit de limiter les pouvoirs de représentation de ses commis et de faire dépendre la conclusion du contrat d'une confirmation écrite de sa part. Dans le genre de commerce qu'elle pratique, le procédé est d'usage courant. Il lui permet d'apprécier les risques qu'elle court (elle vend le plus souvent à crédit) et de fixer les délais de livraison en fonction de ses possibilités. Selon toute vraisemblance, il ne répond pas à l'intention d'éluder l'impôt. La recourante l'applique du reste même dans les cantons qui ne connaissent pas de droit de timbre. (Arrêt Anker déjà cité, consid. 3).
En tant qu'il vise la perception d'un droit de timbre gradué, le recours se révèle bien fondé et doit être admis.
4.
Le fisc fribourgeois a perçu en l'espèce un droit de timbre de dimension de 75 ct. Selon l'art. 8 de la loi sur le timbre, applicable aux actes créés hors du canton en vertu de l'art. 3 de la même loi, sont notamment soumises à ce droit les
BGE 94 I 441 S. 445
conventions remises au préposé au registre des pactes de réserve de propriété. La recourante tient ce droit pour contraire, lui aussi, à l'interdiction de la double imposition.
La règle qu'invoque la recourante ne s'applique qu'aux impôts, et non aux émoluments, ni aux charges de préférence (RO 90 I 80, 92 et les arrêt cités). Tandis que l'impôt est prélevé sans contrepartie, l'émolument est une contribution perçue, pour rémunérer un acte de l'administration, auprès de celui qui a provoqué cet acte, ou à l'occasion de l'usage d'une institution publique (RO 90 I 81, 93
;
93 I 634
). D'un montant en général modeste, il apparaît constituer une rétribution équitable du service rendu (RO 81 I 187). Le droit de timbre perçu en l'espèce a été mis à la charge de la partie qui a requis l'inscription, soit qui a fait usage de l'institution publique; d'un montant modéré, il apparaît adapté à la valeur de la prestation publique. Il a donc le caractère d'un émolument et échappe à la prohibition de la double imposition (RO 72 I 85/86). Sur ce point, en tant qu'il s'appuie sur l'art. 46 al. 2 Cst. le recours est mal fondé.
On pourrait se demander, il est vrai, si les cantons sont en droit de prélever un émolument spécial, en plus de ceux que détermine le tarif des frais applicables à la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite (cf. RO 76 III 72/73). La question, toutefois, n'est pas du ressort de la Cour de céans. Aussi bien la recourante ne l'a-t-elle pas soulevée.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet partiellement le recours et annule la décision attaquée en tant qu'elle prévoit la perception d'un droit de timbre gradué; Rejette le recours pour le surplus. | public_law | nan | fr | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fc1200a2-89d6-4887-9f78-af004902356c | Urteilskopf
85 IV 73
18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. Juni 1959 i.S. Loeser gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden. | Regeste
Art. 28 StGB
; Inhalt des Strafantrages.
Der Verletzte ist frei, durch entsprechende Umschreibung des Sachverhaltes, den er zur Verfolgung stellt, den Strafantrag beliebig zu beschränken. | Sachverhalt
ab Seite 73
BGE 85 IV 73 S. 73
A.-
Am 22. Juli 1957 stiessen auf der Kantonsstrasse zwischen Zernez und Brail die Personenwagen von Dr. Rudolf Schmid und von Paul Loeser zusammen. Dabei erlitt die Ehefrau Schmid Verletzungen, denen sie auf dem Weg ins Spital erlag; Loeser, seine Ehefrau und sein Sohn wurden leicht verletzt.
Das Kreisamt Obtasna führte gegen die beiden Fahrzeugführer ein Ermittlungsverfahren durch. In einer an diese Stelle gerichteten Eingabe vom 3. Oktober 1957 schrieb der von Loeser mit der Wahrung seiner Interessen beauftragte Anwalt den Unfall dem alleinigen Verschulden von Dr. Schmid zu und verlangte, dass dieser wegen Widerhandlung gegen Art. 25 MFG und Störung des öffentlichen Verkehrs nach
Art. 237 StGB
in Anklagezustand versetzt werde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden fällte am 11. November 1957 einen Kompetenzentscheid, in dem sie feststellte, dass mit Bezug auf Dr. Schmid die Straftatbestände der fahrrlässigen Tötung
BGE 85 IV 73 S. 74
im Sinne von
Art. 117 StGB
und der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs im Sinne von
Art. 237 Ziff. 2 StGB
in Betracht fallen. Mit Eingabe vom 8. November 1958 stellte der Vertreter Loesers beim Kreisamt unter Hinweis auf den Kompetenzentscheid vom 11. November 1957 das Begehren, Dr. Schmid sei wegen Verletzung von
Art. 117 und
Art. 237 StGB
, sowie wegen Widerhandlung gegen Art. 25 MFG in den Anklagezustand zu versetzen.
B.-
Durch Verfügung vom 10. April 1959 stellte das Untersuchungsrichteramt Samedan das Verfahren sowohl gegen Dr. Schmid, wie gegen Loeser ein. Die Staatsanwaltschaft genehmigte die Verfügung und gab den Parteien am 15. April 1959 davon Kenntnis.
C.-
Loeser liess durch. seinen Vertreter Nichtigkeitsbeschwerde erheben, mit der er beantragt, die Einstellungsverfügung gegenüber Dr. Schmid sei wegen Verletzung von
Art. 117, 125, 237 Ziff. 2 StGB
und Art. 25, 26 Abs. 1 und 2, eventuell Art. 17, sowie Art. 58 MFG aufzuheben und die Sache an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, damit sie gegen Dr. Schmid Anklage erhebe und den Fall an das zuständige Gericht überweise.
D.-
Die Staatsanwaltschaft beantragt, auf die Beschwerde sei mangels Legitimation des Beschwerdeführers nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
(Ausführungen darüber, dass Loeser gemäss
Art. 270 Abs. 1 und 3 BStP
zur Beschwerde nicht befugt ist, soweit damit eine Verletzung von Vorschriften des MFG, sowie
Art. 117 und 237 Ziff. 2 StGB
geltend gemacht wird.)
2.
Fragen kann sich nur noch, ob die Beschwerdelegitimation insoweit gegeben sei, als beanstandet wird, dass gegen Dr. Schmid nicht Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung nach
Art. 125 StGB
erhoben wird, die Antragsdelikt ist.
BGE 85 IV 73 S. 75
Der Beschwerdeführer hat in seiner Eingabe vom 3. Oktober 1957, mit der er erstmals und innert der Frist des
Art. 29 StGB
die Anklageerhebung gegen Dr. Schmid verlangte und die deshalb als Strafantrag in Betracht kommt, dem Beschuldigten übersetzte Geschwindigkeit und damit Verletzung von Art. 25 MFG, sowie Störung des öffentlichen Verkehrs nach
Art. 237 StGB
vorgeworfen. Von Körperverletzung ist in der Eingabe nicht die Rede.
Freilich ist es nicht Sache des Antragstellers, den Tatbestand rechtlich zu qualifizieren. Der Strafantrag besteht in der Willenserklärung des Verletzten, dass für die angezeigte Handlung die Strafverfolgung stattfinden solle (
BGE 78 IV 49
Erw. 2 und ständige Rechtsprechung). Die rechtliche Würdigung der Handlung obliegt der Strafbehörde, die dabei an die Auffassung des Antragstellers in keiner Weise gebunden ist (vgl.
BGE 68 IV 70
und zahlreiche seitherige Entscheidungen). Das schliesst aber nicht aus, dass der Verletzte einen Sachverhalt nur teilweise zur Verfolgung stelle. Er kann den Strafantrag in tatsächlicher Hinsicht nach Belieben beschränken, und er kann, wenn er eine Anzeige für Strafhandlungen einreicht, die von Amtes wegen zu verfolgen sind, darauf verzichten, die Strafverfolgung auch zu verlangen für Antragsdelikte, die daneben einhergehen.
Das hat der Beschwerdeführer getan, indem er in seiner Eingabe vom 3. Oktober 1957 an das Kreisamt Obtasna die Versetzung von Dr. Schmid in den Anklagezustand ausschliesslich wegen der übersetzten Fahrgeschwindigkeit (Art. 25 MFG) und der im Rammen seines Wagens liegenden Verkehrsstörung (
Art. 237 StGB
) beantragte. Im Gegensatz hiezu wird in der Eingabe nicht nur
Art. 125 StGB
nicht angeführt, sondern die Verletzung des Beschwerdeführers, seiner Ehefrau und seines Sohnes wird auch in tatsächlicher Hinsicht, bei der Darstellung des Unfalles, mit keinem Wort erwähnt. Daraus durfte die Staatsanwaltschaft schliessen, dass für die Körperverletzungen eine Strafverfolgung nicht verlangt werden wolle.
BGE 85 IV 73 S. 76
In dieser Auffassung musste sie auch die Eingabe vom 8. November 1958 bestärken, in der als Anklagetatbestände wiederum bloss diejenigen der
Art. 117 und 237 StGB
genannt wurden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fc16ce74-aa29-406a-8b64-7370ee879fea | Urteilskopf
87 I 146
24. Arrêt du 24 mars 1961 dans la cause Société de secours mutuel contre Etat de Vaud. | Regeste
Art. 31 KUVG
.
Steuerfreiheit der Krankenkassen.
Eine zur Anlage von Reserven erworbene Liegenschaft dient nicht unmittelbar dem Betriebe der Versicherung (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 147
BGE 87 I 146 S. 147
A.-
La Société vaudoise de secours mutuels est une caisse d'assurance en cas de maladie reconnue par le Conseil fédéral selon l'art. 1er al. 3 LAMA. Par acte du 31 juillet 1954, elle a acquis à Morges, pour le placement d'une part de ses réserves, un immeuble locatif avec garage. Avant de procéder à l'achat, la Société avait demandé à l'Administration cantonale des impôts si elle serait exonérée des droits de mutation. L'Administration avait répondu négativement, pour le motif que l'achat de cet immeuble devait être considéré comme un placement. La demanderesse paya, par la suite, les droits de mutation.
Récemment la demanderesse, ayant acquis un immeuble pour y loger ses bureaux, fut exonérée des droits de mutation. Sur quoi, le 16 février 1960, elle réclama au Département cantonal des finances le remboursement des droits qu'elle avait acquittés en 1954, pour l'achat de l'immeuble de Morges. Ayant été déboutée, elle se pourvut devant la Commission cantonale de recours en matière d'impôt, qui admit sa compétence, mais décida de surseoir au jugement et de renvoyer les parties à ouvrir devant le Tribunal fédéral l'action prévue par l'art. 111 litt. a OJ, afin de faire constater l'état de droit découlant de l'art. 31 al. 1 LAMA.
B.-
La Société vaudoise de secours mutuels a ouvert action devant le Tribunal fédéral par mémoire du 29 décembre 1960, en prenant les conclusions suivantes:
La Société Vaudoise de Secours Mutuels est exonérée de tous impôts, tant fédéraux que cantonaux, pour la part de sa fortune immobilière affectée à la constitution des réserves imposées par l'Office Fédéral des Assurances Sociales pour assurer le bon fonctionnement de l'assurance.
BGE 87 I 146 S. 148
En conséquence, ladite Société est exonérée de tout droit de mutation à l'occasion de l'acquisition faite par elle le 31 juillet 1954 de l'immeuble "Casablanca", sis à Morges, av. Marcelin."
La demanderesse soutient que les réserves, dans la mesure où elles ne dépassent pas le minimum jugé nécessaire par l'Office fédéral des assurances sociales, sont directement affectées au service de l'assurance, selon l'art. 31 LAMA. A son avis, cette interprétation est conforme au texte légal; elle s'appuie sur le message du Conseil fédéral et sur les débats qui ont eu lieu au Conseil national à propos de l'art. 31 LAMA. En outre, elle est la seule logique, car il ne serait pas rationnel de soumettre à l'impôt, lors de la constitution des réserves, les sommes investies dans les immeubles, alors que les placements en titres sont exonérés.
C.-
L'Etat de Vaud, représenté par l'administration cantonale des contributions, a requis le Tribunal fédéral de prononcer:
"La Société vaudoise de secours mutuels est exempte d'impôts fédéraux et cantonaux sur ses immeubles administratifs, mais cette exonération ne s'étend pas à ses immeubles de placement.
En conséquence, ladite Société n'est pas exonérée du droit de mutation prélevé à l'occasion de l'acquisition par elle le 31 juillet 1954 de l'immeuble "Casablanca", sis à Morges, Avenue Marcelin."
Se fondant sur le texte légal, elle soutient que seuls les immeubles administratifs d'une caisse d'assurance, à l'exclusion des immeubles de placement et de rapport, doivent être considérés comme "directement" affectés au service de l'assurance. La différence de traitement entre les placements mobiliers et immobiliers, quant à l'impôt, se justifie par le fait que l'investissement des réserves en immeubles n'est pas très indiqué pour les caisses-maladie. Le législateur a, en outre, voulu éviter de favoriser la spéculation immobilière par l'octroi d'un privilège fiscal.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Aux termes de l'art. 111 litt. a OJ, le Tribunal fédéral connaît, en instance unique, des contestations
BGE 87 I 146 S. 149
relatives à l'exemption ou à la limitation des contributions cantonales, lorsqu'elles sont prévues par le droit fédéral. L'exonération fiscale prévue par l'art. 31 LAMA était mentionnée à titre d'exemple dans le message du Conseil fédéral du 27 mars 1925, accompagnant le projet de la loi sur la juridiction administrative et disciplinaire, dont l'art. 18 a été repris à l'art. 111 OJ. La présente action entre donc incontestablement dans le cadre d'application de cette disposition légale, mais dans la mesure seulement où le litige concerne les contributions cantonales. Les conclusions de la demanderesse tendant à l'exonération des impôts fédéraux sont irrecevables dans l'action directe prévue à l'art. 111 OJ. Elles pourraient, en revanche, faire l'objet d'un recours de droit administratif (RO 78 I 188 consid. 1).
L'action directe de droit administratif prévue à l'art. 111 litt. a OJ peut être ouverte en tout temps, lorsqu'un contribuable estime que l'exigence d'un canton ou d'une commune est contraire à une exemption prévue dans la loi. Il n'est pas nécessaire que le contribuable ait formé un recours et épuisé les instances cantonales: L'action peut tendre seulement à faire constater l'état de droit (RO 67 I 49). Le demandeur doit avoir un intérêt juridique à cette constatation (RO 74 I 442 consid. 3). Dans la mesure où la présente demande concerne les droits de mutation perçus lors de l'achat de l'immeuble de Morges en 1954, la demanderesse a un intérêt juridique, puisqu'elle a requis le remboursement des droits payés et que la Commission cantonale de recours en matière d'impôt a suspendu l'affaire, afin que les parties fassent constater par le Tribunal fédéral l'état de droit qui servira de base à la décision. Ce chef des conclusions est donc recevable. Il n'en est pas de même des conclusions concernant les acquisitions futures, encore indéterminées, car la question est prématurée et l'intérêt juridique à la solution n'est pas actuel.
La demanderesse n'a pas pris de conclusions concernant
BGE 87 I 146 S. 150
l'immeuble occupé par ses bureaux. La conclusion prise par l'Administration cantonale des impôts sur ce point est sans intérêt, car il n'y a pas de contestation.
2.
L'art. 31 LAMA exempte d'impôts les caisses d'assurance maladie, "sauf en ce qui touche leur fortune immobilière non directement affectée au service de l'assurance". Il est constant que les immeubles acquis par une caisse en vue de placer ses réserves, servent d'une certaine manière à l'exploitation de l'assurance; aussi bien l'art. 28 LA oblige-t-il les caisses à affecter leurs ressources uniquement à des buts d'assurance. Mais l'immeuble n'est pas directement utilisé à cet effet. Pour mettre la réserve à contribution, il faudra hypothéquer ou vendre le bâtiment; ce n'est donc pas l'immeuble, mais sa valeur comme élément du patrimoine, qui est affectée à l'assurance. Il en est de même des revenus annuels, s'ils sont utilisés pour couvrir les dépenses d'assurance. Il n'y a pas lieu de faire une différence entre les réserves que l'Office fédéral des assurances sociales a estimées nécessaires pour créer la sécurité et celles qui dépasseraient cette limite. Les premières seront utilisées plus fréquemment; cependant lorsqu'elles le seront, leur affectation au service de l'assurance ne sera pas directe, puisque ce ne sera pas l'immeuble lui-même, mais sa valeur comme objet patrimonial que l'on utilisera. Dès lors, il apparaît que, si le législateur a expressément parlé de fortune immobilière "directement" affectée au service de l'assurance, c'était en vue d'exclure les immeubles de placement. Tel était, d'ailleurs, l'avis du Conseil fédéral qui, dans son message du 10 décembre 1906, présentant le projet de la loi, avait précisé qu'un immeuble de rapport dans lequel une caisse aurait investi ses réserves ne serait pas exempt d'impôts.
Cette interprétation est confirmée par la jurisprudence que le Tribunal fédéral a adoptée en appliquant l'art. 7 de la loi fédérale sur les garanties politiques et de police en faveur de la Confédération, qui a été repris dans l'art. 10
BGE 87 I 146 S. 151
de la loi du 26 mars 1934 sur le même objet. Formulé en des termes analogues à ceux de l'art. 31 LAMA, cet article exempte des impôts directs des cantons notamment "les immeubles, établissements et matériaux affectés directement à un but fédéral". Or, dans l'arrêt Confédération c. Berne, du 16 novembre 1928 (RO 54 I 428, 429), le Tribunal fédéral a jugé que les immeubles acquis pour servir de placement n'étaient pas affectés directement à un but fédéral. L'analogie entre les deux situations étant évidente, il n'y a aucune raison de s'écarter de cette interprétation en l'espèce.
La demanderesse estime illogique que les réserves investies en immeubles ne soient pas exemptées de l'impôt, alors que les placements en valeurs mobilières sont exonérés. Dans l'arrêt RO 54 I 429 déjà cité, le Tribunal fédéral a donné certains motifs de cette distinction. Elle se justifie parce que les propriétés immobilières constituent tout particulièrement la matière imposable des collectivités publiques sur le territoire desquelles elles se trouvent; au reste, elles grèvent le budget de ces collectivités de charges spéciales, notamment en matière de voirie et de police. En outre, si l'exonération était étendue à tous les immeubles, même à ceux qu'une caisse pourrait acheter dans une région où elle n'exerce aucune activité, on ne verrait plus le rapport entre ce privilège fiscal et le but poursuivi. L'investissement des réserves en immeubles ne paraît pas une nécessité pour les caisses. Preuvc en est que, durant son activité, la demanderesse a acquis un seul immeuble de rapport. Au contraire, fortes du privilège fiscal qui leur serait accordé, les caisses seraient tentées de spéculer sur les immeubles. Les textes que la demanderesse a relevés dans la discussion qui se déroula à la commission du Conseil national, à propos du projet de loi, montrent que l'on a pensé, alors, à ce danger. M. Steiger avait noté l'inconséquence qu'il y avait, à son avis, à exonérer les valeurs mobilières et à maintenir l'impôt sur les immeubles. Et M. Scherrer a expressément
BGE 87 I 146 S. 152
déclaré que si une caisse achetait un immeuble qui n'avait aucune relation avec l'assurance (das mit der Versicherung nichts zu tun hätte), par exemple pour faire une spéculation ou exploiter une ferme, cette propriété serait soumise à l'impôt. Or il sera toujours très difficile sinon impossible d'établir la différence entre un placement et une spéculation.
Par conséquent, l'art. 31 al. 1 LAMA, conformément à son texte, doit être interprété dans ce sens que les immeubles acquis par une caisse d'assurance pour placer ses réserves ne sont pas exempts des impôts cantonaux.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
La demanderesse n'est pas exempte, en vertu du droit fédéral, des impôts cantonaux, y compris les droits de mutation, en rapport avec l'acquisition et la propriété de l'immeuble qu'elle possède à Morges depuis 1954. | public_law | nan | fr | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fc308e4c-8e94-4cf7-9a29-5b988e23c94f | Urteilskopf
103 II 199
34. Arrêt de la Ire Cour civile du 7 mars 1977 dans la cause Gini contre Tissage de toiles de Langenthal S.A. | Regeste
Art. 642 Abs. 1 und Abs. 3 OR
. Gerichtsstand am Ort der Zweigniederlassung.
Begriff der Zweigniederlassung im Sinne der
Art. 642 Abs. 1 und
Art. 935 Abs. 1 OR
. Fall eines Detailverkaufsgeschäftes ohne die erforderliche Selbständigkeit. | Sachverhalt
ab Seite 199
BGE 103 II 199 S. 199
La société Leinenweberei Langenthal A.G. (Tissage de toiles de Langenthal S.A.) a son siège à Langenthal; elle est inscrite au registre du commerce d'Aarwangen. Elle exploite plusieurs magasins de vente en Suisse, dont un à Genève. En 1970/71, en vue du transfert de ce magasin dans les nouveaux locaux qu'elle avait loués 13, rue du Rhône, elle a chargé Jean-Jérôme Gini, entrepreneur, de divers travaux de rénovation et de transformation de ces locaux.
Gini a ouvert action contre "Tissage de toiles de Langenthal S.A., succursale de Genève" en paiement du solde impayé de sa facture (laquelle s'élevait à 170'600 fr. au total), soit 54'600 fr. avec intérêt.
La défenderesse a excipé de l'incompétence ratione loci des tribunaux genevois. Elle alléguait en substance qu'elle avait son siège social et sa fabrique à Langenthal et que ses divers points de vente dépendaient de ce siège, avec lequel le demandeur avait d'ailleurs toujours traité, pour tout ce qui avait quelque importance.
Statuant sur cet incident le 24 juin 1976, le Tribunal de première instance de Genève s'est déclaré compétent ratione loci.
La Cour de justice du canton de Genève a réformé ce jugement par arrêt du 19 novembre 1976 et prononcé que les
BGE 103 II 199 S. 200
tribunaux genevois étaient incompétents ratione loci pour connaître de la demande de Gini.
Le demandeur recourt en réforme au Tribunal fédéral en concluant à l'annulation de cet arrêt, à l'admission de la compétence ratione loci des tribunaux genevois et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale.
L'intimée propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le grief de violation de l'
art. 59 Cst.
, élevé par le demandeur contre l'arrêt déféré, est irrecevable en instance de réforme (art. 43 al. 1, 2e phrase, OJ;
ATF 98 II 370
s. consid. 2 et les références citées). Il est d'ailleurs mal fondé. L'
art. 59 Cst.
garantit le juge de son domicile au débiteur solvable domicilié en Suisse. Un créancier n'est pas protégé par cette disposition et ne saurait par conséquent se prévaloir de sa violation (
ATF 68 II 96
,
ATF 44 I 46
,
ATF 41 I 91
, 114). Au surplus, l'
art. 59 Cst.
ne crée pas un for fédéral du domicile, et ne peut être invoqué à l'encontre de l'application d'une règle de for fédérale (
ATF 101 Ia 41
,
ATF 96 III 136
,
ATF 84 II 43
,
ATF 81 II 338
s.).
2.
Le demandeur ne prétend pas que la créance litigieuse aurait le caractère d'une réclamation réelle qui pourrait être portée devant le juge de la situation de la chose (cf.
ATF 81 I 221
). Bien qu'elle découle d'un contrat d'entreprise ayant pour objet la transformation partielle d'un immeuble, elle reste une réclamation personnelle de l'entrepreneur dirigée contre le maître de l'ouvrage.
3.
Le recourant se prévaut de l'existence d'une succursale de la défenderesse à Genève, et invoque une violation des
art. 642 et 935 CO
.
a) L'art. 642 al. 1 prescrit l'inscription des succursales d'une société anonyme au registre du commerce du lieu où elles ont leur siège. Cette disposition correspond à la règle générale posée par l'
art. 935 al. 1 CC
pour les succursales suisses de maisons dont le principal établissement est en Suisse, règle également reprise par les art. 782 (société à responsabilité limitée) et 837 (société coopérative). L'inscription crée, pour les affaires de la succursale, un for à son siège, en sus du for de l'établissement principal (art. 642 al. 3).
BGE 103 II 199 S. 201
La notion juridique de la succursale est identique dans tous ces textes légaux. Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, elle vise tout établissement commercial qui, dans la dépendance d'une entreprise principale dont il fait juridiquement partie, exerce d'une façon durable, dans des locaux séparés, une activité similaire, en jouissant d'une certaine autonomie dans le monde économique et celui des affaires. L'établissement est autonome lorsqu'il pourrait, sans modifications profondes, être exploité de manière indépendante. Il n'est pas nécessaire que la succursale puisse accomplir toutes les activités de l'établissement principal. Il suffit que l'entreprise locale, grâce à son personnel spécialisé et à son organisation propre, soit à même, sans grande modification, d'exercer d'une façon indépendante son activité d'agence locale. Il s'agit d'une autonomie dans les relations externes, qui s'apprécie de cas en cas d'après l'ensemble des circonstances, quelle que soit la subordination ou la centralisation interne (
ATF 89 I 412
s. consid. 6 et les citations; cf. aussi
ATF 101 Ia 40
s.).
b) Le demandeur soutient à tort que sur le vu de cette jurisprudence, et de celle d'arrêts plus anciens (
ATF 50 I 123
,
ATF 34 I 702
ss consid. 3), la qualité de succursale devrait être reconnue à l'établissement genevois de la défenderesse. Le cas de cet établissement ne peut notamment pas être comparé avec celui de l'arrêt
ATF 89 I 407
ss, relatif à la "direction pour la Suisse romande" de la compagnie aérienne Lufthansa; le caractère de succursale de cette direction - ouverte à Genève après l'inscription au registre du commerce d'une première succursale à Zurich où était centralisée la comptabilité pour la Suisse -, qui traitait de façon indépendante des affaires importantes sous sa propre dénomination et recevait ses instructions directement d'Allemagne, n'était guère contestable. En l'espèce en revanche, l'organisation structurelle de la défenderesse démontre une centralisation administrative et financière très poussée au siège principal où se prennent toutes les décisions, à l'exception des ventes au détail exécutées dans les magasins, dont aucun n'est d'ailleurs inscrit au registre du commerce local. L'intégration des divers points de vente est quasi totale. Leur autonomie se limite pratiquement aux ventes au détail par du personnel subalterne, sous le contrôle d'une "première vendeuse" qui veille au bon fonctionnement du magasin mais n'a pas de pouvoir de décision quant à
BGE 103 II 199 S. 202
l'engagement de son personnel. Le magasin de Genève n'a pas de comptabilité; il envoie à Langenthal les rouleaux des caisses enregistreuses et un livre de caisse portant l'indication de petites dépenses courantes. Le contenu de la caisse est régulièrement versé sur un compte bancaire dont le solde est viré tous les quinze jours au siège de la société. Celle-ci paie toutes les charges (loyer, impôts, charges sociales, notes de téléphone).
Au point de vue de l'autonomie externe, aucun élément, sauf le magasin lui-même, ne crée à l'égard des tiers l'apparence de l'existence d'une succursale à Genève. Le magasin n'a pas de papier à lettres à son en-tête, ni de compte de chèques postal. Les commandes d'articles qui ne sont pas en stock au magasin sont transmises au siège de la société, qui expédie la marchandise, établit et encaisse la facture. Vu cette absence d'autonomie externe, peu importe le chiffre d'affaires réalisé, la surface des locaux, le nombre des vendeuses et la part du bénéfice de l'entreprise obtenue par le magasin de Genève.
S'agissant plus particulièrement des travaux de transformation de locaux destinés au transfert de ce magasin, le demandeur a traité exclusivement avec l'architecte Oberli, représentant de la société de Langenthal. C'est à cette société qu'il a adressé sa facture et son décompte détaillé et que son conseil a demandé le paiement du solde restant dû après le versement, également opéré à Langenthal, des trois acomptes de 116'000 fr. au total. Enfin, la correspondance relative aux contestations survenues après les travaux s'est échangée entre le demandeur, Oberli et la société défenderesse.
Vu l'ensemble de ces éléments, relatifs aux rapports entre le magasin de Genève et la société de Langenthal dont il dépend d'une part, les tiers d'autre part, ce magasin n'a pas le caractère d'une succursale au sens des
art. 642 et 935 al. 1 CO
, ainsi que l'a admis la Cour de justice. Il est sans importance que deux pièces isolées émanant de cette société fassent mention d'une "filiale" ou d'une "succursale" de Genève. L'arrêt déféré relève avec raison que le point de vue du demandeur reviendrait à faire de n'importe quel magasin qui reçoit des clients et leur vend de la marchandise une succursale, ce qui entraînerait notamment la désignation obligatoire d'un représentant selon l'art. 71 litt. f ORC.
c) La doctrine s'accorde d'ailleurs à admettre que la notion
BGE 103 II 199 S. 203
de succursale ne s'applique pas à n'importe quelle installation telle que magasin, dépôt, agence, fabrique, etc. (OSER/SCHÖNENBERGER, n. 16 ad
art. 460 CO
; HIS, n. 13 et 33 ad art. 935; GUHL/MERZ/KUMMER, p. 736; GAUCH, Der Zweigbetrieb im schweizerischen Zivilrecht, n. 62, 125, 192, 771).
4.
Les conditions de l'existence d'une succursale au sens des
art. 642 et 935 CO
n'étant pas remplies, il n'est pas nécessaire d'examiner encore si, comme l'admet la Cour de justice, le for de la succursale est déjà créé par la constitution de celle-ci, et non seulement par l'inscription au registre du commerce (question laissée ouverte par l'arrêt
ATF 98 Ib 103
s., avec références de jurisprudence et de doctrine).
On peut également se dispenser de juger si les travaux en question, représentant un investissement de l'ordre de 170'000 fr. en vue du transfert d'un magasin dans de nouveaux locaux, peuvent être considérés comme une "affaire de la succursale" au sens de l'
art. 642 al. 3 CO
et de la jurisprudence (cf.
ATF 77 I 123
ss, 126,
ATF 53 I 127
,
ATF 34 I 704
consid. 4).
Vu l'inexistence d'une succursale de la société défenderesse à Genève, la Cour de justice a admis avec raison que les tribunaux genevois étaient incompétents ratione loci pour connaître de la demande. Le recours doit partant être rejeté.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme l'arrêt rendu le 19 novembre 1976 par la Cour de justice du canton de Genève. | public_law | nan | fr | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fc30ef4f-7e28-45a9-8076-0bd2eabeb8f4 | Urteilskopf
124 I 203
25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Juli 1998 i.S. X. gegen die Direktion der Justiz des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Persönliche Freiheit (Recht des Gefangenen auf Bargeldbesitz; Zulässigkeit einer disziplinarischen Besuchssperre).
Die verfassungsrechtlichen Schranken für Eingriffe in die Freiheitsrechte gelten auch bezüglich des Bargeldbesitzes von Gefangenen (E. 2b-c). Die Weisung der Direktion der kantonalen Strafanstalt Pöschwies vom 20. Februar 1995 betreffend das Mitführen von Bargeld bei Besuchen liegt im öffentlichen Interesse und stützt sich auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage (E. 2d-f). Zulässigkeit von angemessenen Disziplinarsanktionen zur Durchsetzung der Weisung vom 20. Februar 1995. Das im vorliegenden Fall verhängte disziplinarische Besuchsverbot von einem Monat Dauer erscheint nicht als unverhältnismässiger Eingriff in die persönliche Freiheit des betroffenen Gefangenen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 204
BGE 124 I 203 S. 204
X. befindet sich seit 26. November 1997 in der kantonalen Strafanstalt Pöschwies im Strafvollzug. Die Direktion der Strafanstalt disziplinierte ihn mit Verfügung vom 19. Dezember 1997 wegen Widerhandlung gegen eine interne Weisung vom 20. Februar 1995 betreffend Mitführens von Bargeld bei Besuchen. Als Disziplinarsanktion wurde X. ein Monat Besuchssperre auferlegt. Gleichzeitig wurde die (den erlaubten Betrag von Fr. 20.-- übersteigende) Barschaft von Fr. 93.70 auf seinen Namen sichergestellt. Einen gegen die Disziplinarverfügung erhobenen Rekurs wies die Direktion der Justiz des Kantons Zürich mit Entscheid vom 4. Februar 1998 ab.
Dagegen gelangte X. mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 11. März 1998 an das Bundesgericht. Er rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit, von
Art. 4 BV
,
Art. 7 und
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
sowie des Grundsatzes "nulla poena sine lege" und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Der Beschwerdeführer rügt zunächst, es bestehe keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die fragliche Weisung vom 20. Februar 1995 (betreffend Mitführens von Bargeld bei Besuchen) und somit auch für die ausgesprochene Disziplinarsanktion. Der Gefängnisdirektor sei dazu von Gesetzes wegen gar nicht befugt. Ausserdem widerspreche die Weisung dem übergeordneten kantonalen Recht. Der Beschwerdeführer beanstandet in diesem Zusammenhang eine Verletzung der persönlichen Freiheit, von
Art. 7 und
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
sowie des Grundsatzes "nulla poena sine lege".
b) Nach ständiger Praxis des Bundesgerichtes darf die Beschränkung der Freiheitsrechte von Gefangenen nicht über das hinausgehen, was zur Gewährleistung der Haftzwecke und zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen Gefängnisbetriebes erforderlich ist (
BGE 123 I 221
E. I/4c S. 228 mit Hinweisen). Sie muss auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und
BGE 124 I 203 S. 205
verhältnismässig sein; zudem dürfen die verfassungsmässigen Freiheitsrechte weder völlig unterdrückt noch ihres Gehaltes als Institution der Rechtsordnung entleert werden (
BGE 124 I 40
E. 3a S. 42;
BGE 123 I 221
E. I/4 S. 226). Falls die Voraussetzungen für den Freiheitsentzug in einem formellen Gesetz ausreichend konkretisiert sind, können die Haftbedingungen in einem materiellen Gesetz (Gefängnisreglement) geregelt werden. Zur wirksamen Durchsetzung von Sicherheitsvorschriften kann das Gefängnisreglement auch eine Disziplinarordnung enthalten und für Widerhandlungen angemessene Disziplinarsanktionen vorsehen (
BGE 118 Ia 64
E. 3r-3t S. 88 ff.). Das Gefängnisreglement hat allerdings ein Mindestmass an Klarheit und Regelungsdichte aufzuweisen (
BGE 123 I 221
E. I/4a S. 226 mit Hinweisen). Die fragliche Rechtsnorm muss ausreichend zugänglich sein, und der Betroffene soll in hinreichender Weise erkennen können, welche rechtlichen Vorschriften auf einen gegebenen Fall anwendbar sind. Das Gesetz muss mithin so präzise formuliert sein, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach ausrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (
BGE 124 I 40
E. 3b S. 43 mit Hinweisen).
c) Im Lichte dieser Erwägungen kann der Auffassung der kantonalen Justizdirektion, der Bargeldbesitz gehöre zum vornherein "nicht zu den Rechten (...), die Strafgefangenen gemäss Verfassung oder Gesetz zustehen und die nur auf gesetzlicher Grundlage eingeschränkt werden dürften", offensichtlich nicht gefolgt werden. Vielmehr ist in den nachfolgenden Erwägungen zu prüfen, ob die streitige Weisung und die sich darauf stützende Disziplinarsanktion vor der Verfassung standhalten und insbesondere auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruhen.
Die ebenfalls angerufenen
Art. 7 und
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
haben in diesem Zusammenhang keine über das bereits Dargelegte hinausgehende selbständige Bedeutung. Analoges gilt für die Maxime "nulla poena sine lege". Soweit der Beschwerdeführer mit der Anrufung dieses in
Art. 1 StGB
ausdrücklich verankerten Grundsatzes sinngemäss eine Verletzung von materiellem Bundesstrafrecht rügt, kann darauf nicht eingetreten werden (
Art. 84 Abs. 2 OG
i.V.m Art. 268 f. BStP).
d) Die zürcherische Verordnung über die kantonale Strafanstalt Pöschwies vom 12. Februar 1975 (VoSP [LS 333.3]) regelt in §§ 17-21 die Verwendung der Arbeitsentschädigung (Verdienstanteil) und des dem Gefangenen gehörenden Bargeldes. Von seinem Verdienstanteil
BGE 124 I 203 S. 206
wird ihm monatlich ein von der Justizdirektion festzulegender Betrag, jedoch höchstens ein Drittel, bar ausbezahlt. Der Rest wird dem Gefangenen gutgeschrieben und angemessen verzinst (§ 18 VoSP). Über den ausbezahlten Barbetrag kann der Gefangene "im Rahmen der Hausordnung frei verfügen" (§ 19 Abs. 1 VoSP). Die Justizdirektion legt auch den maximalen Bargeldbetrag fest, den die Gefangenen besitzen dürfen. "Mehrbeträge sind sofort abzuliefern" (§ 19 Abs. 2 VoSP). Die Hälfte des Verdienstanteils wird auf einem Sperrkonto für die Entlassung reserviert (§ 20 VoSP). Der Rest wird dem Gefangenen als Reserve für besondere Aufwendungen gutgeschrieben und ebenfalls verzinst (§ 21 Abs. 1 VoSP). Beim Eintritt in die Strafanstalt vorhandenes Bargeld und während des Aufenthalts in der Strafanstalt eingehende Beträge werden je zur Hälfte der Reserve für besondere Aufwendungen und dem Sperrkonto gutgeschrieben (§ 21 Abs. 3 VoSP). Der Direktor der Strafanstalt ist ausserdem befugt, "die für die Wahrung der Sicherheit notwendigen Weisungen" zu erlassen, insbesondere betreffend Kontrollen von Gefangenen und Besuchern (§ 65 Abs. 1 VoSP). Der Direktor kann die Rechte, welche den Gefangenen aufgrund der Verordnung zustehen, vorübergehend einschränken, soweit dies zur Wahrung der Anstaltssicherheit erforderlich ist (§ 65 Abs. 2 VoSP).
Die streitige Weisung der Direktion der kantonalen Strafanstalt Pöschwies vom 20. Februar 1995 lautet wie folgt:
"1. Insassen dürfen beim Besuch nur noch einen Betrag von maximal Fr. 20.-- auf sich tragen.
2. Das auf sich getragene Geld von dagegen zuwiderhandelnden Insassen wird sichergestellt, und der fehlbare Insasse wird diszipliniert."
e) Die Weisung vom 20. Februar 1995 liegt im Interesse der Sicherheit des Gefängnisses und der Haftzwecke. Es handelt sich um eine sachlich angemessene Vorkehr gegen das Ein- und Ausschmuggeln grösserer Bargeldbeträge. Damit sollen insbesondere Kollusions- und Fluchtvorbereitungshandlungen sowie Aktivitäten im Hinblick auf illegale Geschäfte (namentlich Drogenhandel) unterbunden werden. Es stellt keine unzulässige Einschränkung der persönlichen Freiheit dar, wenn die Gefangenen vor dem Betreten des Besucherpavillons den Fr. 20.-- übersteigenden Betrag ihres Bargeldes vorübergehend in ihrer abschliessbaren Einzelzelle oder bei der Gefängnisleitung deponieren müssen. Die streitige Weisung kann sich somit auf § 65 VoSP stützen, wonach der Direktor der Anstalt die für die Wahrung der Sicherheit notwendigen Weisungen
BGE 124 I 203 S. 207
erteilen kann. Die streitige Weisung selbst ist ausreichend klar und deutlich formuliert. Die Anstaltsordnung als materielles Gesetz findet ihre formellrechtliche Grundlage wiederum im zürcherischen Straf- und Vollzugsgesetz vom 30. Juni 1974 (StVG [LS 331],
§ 29 Abs. 1 und
§ 30 Abs. 1 StVG
). Der Beschwerdeführer verkennt, dass die Weisung der Anstaltsdirektion das Recht der Gefangenen auf Bargeldbesitz nicht generell sondern lediglich für den Fall von Besuchen einschränkt. Während §§ 17-21 VoSP für den Anstaltsbetrieb im allgemeinen gelten, bezieht sich die Weisung lediglich auf den Spezialfall der Besuche. Die aus Sicherheitsgründen erlassene und auf die Dauer der Besuche beschränkte Weisung widerspricht demnach auch nicht § 19 Abs. 2 VoSP, wonach der im allgemeinen zulässige Bargeldbetrag von der Justizdirektion festgelegt wird.
f) Nach dem Gesagten erweist sich die Rüge, die Weisung vom 20. Februar 1995 habe keine ausreichende gesetzliche Grundlage, als unbegründet.
3.
... (Verfassungskonformität der Annahme eines Disziplinarvergehens bejaht.)
4.
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, die angefochtene disziplinarische Besuchssperre von einem Monat Dauer verstosse gegen das aus der persönlichen Freiheit abzuleitende (und in § 46 VoSP ausdrücklich verankerte) Recht des Gefangenen auf Empfang von Besuchen. Die Schwere der Sanktion sei zudem unverhältnismässig und sachlich unhaltbar. Auch diese Rüge erweist sich als unbegründet.
a) Wie bereits erwähnt, dürfen die Grundrechte der Gefangenen soweit eingeschränkt werden, als es zur Wahrung der Sicherheit des Gefängnisses sachlich notwendig erscheint (vgl. oben, E. 2b). Nötigenfalls sind zur Durchsetzung der Gefängnisordnung auch angemessene Disziplinarsanktionen zulässig (
BGE 118 Ia 64
E. 3r S. 88 f.). Wie in Erwägung 3 dargelegt, hat der Beschwerdeführer eine gültige Weisung der Anstaltsdirektion betreffend das Mitführen von Bargeld bei Besuchen missachtet; die Ausfällung einer disziplinarischen Besuchssperre ist nach dem anwendbaren kantonalen Recht zulässig.
b) Ein Besuchsverbot von einem Monat Dauer erscheint im vorliegenden Fall nicht als unverhältnismässig schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers. Die Gefangenen in der Strafanstalt Pöschwies dürfen grundsätzlich alle zwei Wochen einen Besuch naher Angehöriger empfangen (§ 46 Abs. 1 VoSP). Das
BGE 124 I 203 S. 208
Gesetz lässt eine disziplinarische Besuchssperre bis zu drei Monaten zu (§ 58 Abs. 1 lit. e VoSP). Angesichts der dargelegten Umstände liegt hier kein schwerer Disziplinarverstoss vor. Die Ausfällung einer einmonatigen Besuchssperre ist sachlich vertretbar. Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, seine Schwester sei vergeblich aus den USA in die Schweiz gereist und auch sein in Frankreich lebender Halbbruder habe ihn über Weihnachten 1997 besuchen wollen. Gemäss den Darlegungen der kantonalen Behörden hat der Beschwerdeführer die Gefängnisleitung jedoch nicht über die angeblich geplanten Besuche informiert. Ausserdem hat er sich am 20. Dezember 1997 mit dem sofortigen Vollzug der Besuchssperre unterschriftlich einverstanden erklärt. Wenn er die Erklärung vom 20. Dezember 1997 unterzeichnet hat, ohne deren Inhalt zu verstehen bzw. ohne deren Erläuterung oder Übersetzung in seine Muttersprache zu verlangen, kann er den kantonalen Behörden nicht vorwerfen, der sofortige Vollzug der Besuchssperre sei unverhältnismässig hart gewesen.
c) Unter den gegebenen Umständen hält die angefochtene Disziplinarverfügung vor der Verfassung stand. | public_law | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fc35a5da-4e57-413c-a006-6ef8afd33333 | Urteilskopf
125 III 169
31. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. April 1999 i.S. N. (Berufung) | Regeste
Art. 397a ff. ZGB
; Zwangsbehandlung in einer Anstalt.
Art und Durchführung der Betreuung im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung werden durch Bundesrecht nicht geregelt. Die
Art. 397a ff. ZGB
bieten für eine Zwangsbehandlung zu therapeutischen Zwecken keine Gesetzesgrundlage. | Sachverhalt
ab Seite 169
BGE 125 III 169 S. 169
N., Jahrgang 1951, hielt sich ab 1969 mehrmals in der Psychiatrischen Klinik X. auf. Seit 1971 ist er wegen Geisteskrankheit bevormundet. Im Dezember 1983 wurde er bezirksärztlich in die Klinik eingewiesen, woselbst er nach Rückzug einer Beschwerde freiwillig verblieb. Er leidet an Wahnvorstellungen. Ab Dezember 1984 wurden ihm Clopixol-Depotspritzen verabreicht, die er im Januar 1999 endgültig verweigerte.
Mit Verfügung vom 22. Januar 1999 ordnete der Bezirksarzt-Stellvertreter L. an, N. in der Psychiatrischen Klinik X. zurückzubehalten. Die Depot-Medikation wurde wieder aufgenommen. N. stellte im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren den Antrag, die Verabreichung von Medikamenten einzustellen und ihn auf eine Rehabilitationsabteilung für Allgemeinpatienten zu verlegen.
BGE 125 III 169 S. 170
Am 2. März 1999 wies das Verwaltungsgericht (1. Kammer) des Kantons Aargau die Beschwerde ab. In der Folge ernannte es Rechtsanwalt G. zum amtlichen Anwalt von N. zwecks Prüfung der Urteilsanfechtung und allfälliger Einreichung einer Berufung an das Bundesgericht.
N. beantragt dem Bundesgericht mit Berufung, das angefochtene Urteil und die Zurückbehaltungsverfügung vom 22. Januar 1999 betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung aufzuheben sowie der Klinik X. insbesondere zu verbieten, ihn medikamentös zwangszubehandeln. Sein Anwalt sei als notwendiger, unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestätigen. Er stellt den prozessualen Antrag, der Berufung die aufschiebende Wirkung zu erteilen und die Zwangsbehandlung zu verbieten. Das Verwaltungsgericht hat im Voraus auf Gegenbemerkungen zur Berufung verzichtet.
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung und um Erlass eines Behandlungsverbots ist abgewiesen worden (Präsidialverfügung vom 15. April 1999).
Auf die gegen das nämliche Urteil gleichzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der persönlichen Freiheit ist die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts mit Urteil vom heutigen Tag nicht eingetreten.
Das Bundesgericht hat die Berufung gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden konnte, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Verwaltungsgericht hat festgehalten, die fürsorgerische Freiheitsentziehung sei angeordnet worden, um die Behandlung zu ermöglichen, die nach Ansicht des Bezirksarzt-Stellvertreters und der Klinikärzte unbedingt erforderlich gewesen sei, gegen den Willen des Patienten aber nicht habe erfolgen dürfen. Unter Hinweis auf sein Urteil vom 2. April 1996 (nachzulesen in: ZBl 97/1996 S. 505 ff.), demzufolge eine endgültige Festlegung des Bundesgerichts fehle und in der Lehre verschiedene Ansichten dazu vertreten würden, hat das Verwaltungsgericht die unstreitig erforderliche Gesetzesgrundlage für eine Zwangsbehandlung in
Art. 397a ff. ZGB
gesehen. Es ist davon ausgegangen, im Vordergrund stehe die Erwägung, dass der Zweck der FFE-Bestimmungen des ZGB zu einem grossen Teil unterlaufen würde, wenn Behandlungen gegen den Willen des Betroffenen mangels kantonalgesetzlicher Grundlage
BGE 125 III 169 S. 171
als unzulässig erschienen. Die Folge wäre, dass zahlreichen Menschen, die eine Behandlung generell oder jedenfalls die nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft indizierte Behandlung ablehnten, die notwendige persönliche Fürsorge nicht erbracht werden dürfte, obwohl alle Voraussetzungen von
Art. 397a ZGB
erfüllt wären.
In seiner staatsrechtlichen Beschwerde hatte der Berufungskläger unter anderem gerügt, eine Zwangsbehandlung ohne gesetzliche Grundlage stelle einen unzulässigen Eingriff in die persönliche Freiheit dar. Entgegen der verwaltungsgerichtlichen Auffassung lasse sich auch aus den
Art. 397a ff. ZGB
keine Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung ableiten. Das Bundesgericht ist darauf nicht eingetreten mit der Begründung, die Regelung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung bilde der Sache nach eine Konkretisierung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (vgl. SCHNYDER, Zehn Jahre «fürsorgerische Freiheitsentziehung» bei Erwachsenen in der Schweiz, FS Lange, Stuttgart 1992, S. 939 ff., S. 941/942); eine Missachtung dieses Verfassungsrechts bedeute deshalb zunächst eine Verletzung der in das Zivilgesetzbuch aufgenommenen Bestimmungen, die vor Bundesgericht mit Berufung gerügt werden müsse (
Art. 44 lit. f OG
; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 11. September 1997 i.S. F., E. 2a; für die verfassungsmässig gewährleisteten Verfahrensgarantien bereits
BGE 118 II 249
E. 2 S. 251 mit Hinweisen).
Mit eidgenössischer Berufung wendet der Berufungskläger ein, die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung im Rahmen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung beurteile sich nach kantonalem Recht; die
Art. 397a ff. ZGB
könnten hiefür nicht als gesetzliche Grundlage herangezogen werden. Dass zu Unrecht Bundesrecht angewendet worden sei, wo kantonales Recht anwendbar gewesen wäre, ist ein zulässiger Berufungsgrund (
BGE 123 III 454
E. 3b S. 457). Die Auslegung des kantonalen Rechts, dass dieses keine gesetzliche Grundlage für eine Zwangsbehandlung gibt, ist für das Bundesgericht verbindlich (z.B.
BGE 93 II 189
E. a S. 191; POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, I, Bern 1990, N. 1.6.2 zu
Art. 43 OG
, S. 138 f.; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, N. 74 S. 104 mit Nachweisen in Anm. 13).
3.
Zur Streitfrage hat sich das Bundesgericht erstmals in einem Staatshaftungsfall geäussert und unter Hinweis auf den Wortlaut und die Gesetzesmaterialien festgehalten, dass
Art. 429a Abs. 1 ZGB
nur
BGE 125 III 169 S. 172
den Entzug der Bewegungsfreiheit, nicht aber Eingriffe in die körperliche oder psychische Integrität der betroffenen Person erfasst, und ebenso wenig wie Art. 5 Ziffer 5 EMRK die medikamentöse Behandlung oder die zu diesem Zweck vorgenommene Fixierung zum Gegenstand haben kann (
BGE 118 II 254
E. 6b S. 262 f.). Dass dieses Urteil auch auf die kantonale Gesetzgrundlage für die Zulassung körperlichen Zwangs in Notfällen Bezug genommen hat (
BGE 118 II 254
E. 6c S. 263) und dass in einem späteren nicht darüber entschieden werden musste, ob sich eine konkret umstrittene Behandlung auf die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über die fürsorgerische Freiheitsentziehung abstützen liesse (Urteil des Bundesgerichts vom 7. Oktober 1992, E. 6, in: ZBl 94/1993 S. 512), hätte aber keine Zweifel am bundesgerichtlichen Standpunkt zu dieser Frage wecken dürfen, zumal ein - wiederum in einem Staatshaftungsfall - kürzlich ergangenes Urteil als Grundsatz bestätigt hat, dass die Bestimmungen zur fürsorgerischen Freiheitsentziehung nur festlegen, unter welchen Voraussetzungen eine Person in eine Anstalt eingewiesen werden darf, während sie sich zur Art der Behandlung nicht äussern (
BGE 121 III 204
E. 2b S. 208 f. mit einem Vorbehalt betreffend die Haftung für die mit einer Anstaltseinweisung direkt zusammenhängende Behandlung). In der nicht amtlich veröffentlichten Rechtsprechung hat das Bundesgericht auch in Berufungsfällen stets betont, dass die Durchführung der Behandlung im Rahmen eines durch fürsorgerische Freiheitsentziehung begründeten Klinikaufenthalts grundsätzlich nicht von den
Art. 397a ff. ZGB
erfasst wird, sondern Gegenstand des kantonalen Rechts bildet, und dass dies namentlich auch bei der Frage der Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung der Fall ist (Urteile vom 17. Dezember 1998 i.S. N., vom 11. September 1997 i.S. F., E. 1a, und vom 16. September 1997 i.S. L., E. 2a); umgekehrt tritt das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerden ein, wenn die Zwangsbehandlung im Verlaufe eines Anstaltsaufenthalts als rechtswidrig und damit eine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts gerügt wird (Urteil vom 15. Mai 1998 i.S. B., E. 3b).
Von dieser Rechtsprechung abzurücken, geben die Ausführungen des Verwaltungsgerichts keinen Anlass, mag in der Lehre auch umstritten sein, ob sich eine stationäre Zwangsbehandlung im Rahmen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung auf
Art. 397a ff. ZGB
stützen lässt (STETTLER, Droit civil I: Représentation et protection de l'adulte, 4.A. Fribourg 1997, N. 462 S. 210 f. mit weiteren Nachweisen in Anm. 579 und 580). Freilich könnte der Zweck der
BGE 125 III 169 S. 173
fürsorgerischen Freiheitsentziehung, einer Person die nötige persönliche Fürsorge zu gewähren, nahelegen, der Gesetzgeber habe über die Beschränkung der Bewegungsfreiheit hinaus als weiteres Mittel die medizinische Zwangsbehandlung regeln wollen (z.B. BIGGER, Fürsorgerische Freiheitsentziehung (FFE) und Strafrechtliche Massnahme bei Suchtkranken aus rechtlicher Sicht (
Art. 397a ZGB
/44 StGB), ZVW 47/1992 S. 41 ff., S. 49/50). Ein entsprechender Wille des Gesetzgebers lässt sich den Materialien indessen nicht entnehmen (ausführlich: GEISER, Die fürsorgerische Freiheitsentziehung als Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung?, FS Schnyder, Freiburg i.Ö. 1995, S. 289 ff., S. 303 ff.). Gegenteils muss aus den Unterschieden zwischen Vorentwurf und Botschaft an das Parlament (BBl 1977 III 1, S. 5 f. Ziffer 122) sowie namentlich aus den Erläuterungen des Bundesrats geschlossen werden, dass nicht geregelt werden wollte, worin die Betreuung in der Anstalt im Einzelnen besteht (
BGE 118 II 254
E. 6b S. 263 mit Nachweisen, vorab auf das Votum Furgler, in: AB 1978 N 754 f.). Ferner bleiben doch erhebliche Zweifel, ob mit der verwaltungsgerichtlichen Auslegung von
Art. 397a ff. ZGB
für die Zwangsbehandlung überhaupt eine gesetzliche Grundlage gewonnen würde, die den Anforderungen an die Bestimmtheit der diesen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit rechtfertigenden Norm erfüllte (dazu GEISER, a.a.O., S. 308 f. mit Hinweisen auf die Lehre in Anm. 86; BORGHI, Les limites posées par l'Etat de droit au traitement forcé psychiatrique, ZVW 46/1991 S. 81 ff., S. 87 ff.); allein gestützt auf
Art. 397a ff. ZGB
kann das Problem der Zwangsbehandlung wohl nicht gelöst werden (vgl. Schnyder, FS Lange, S. 946 f. und Formelles Bundeszivilrecht - am Beispiel der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, FS P. Piotet, Bern 1990, S. 119 ff., S. 128). Schliesslich gilt es zu bedenken, dass gegenüber dem seinerzeitigen Vorentwurf, der unter anderem eine dem besonderen Zustand des Versorgten entsprechende Behandlung vorschreiben wollte, insbesondere die Kompetenz des Bundeszivilgesetzgebers zu einer abschliessenden Regelung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung in Frage gestellt wurde (Botschaft, BBl 1977 III 1, S. 6 Ziffer 123), und dass dem Bundesgesetzgeber heute vorzugreifen umso weniger Grund besteht, als die vorliegende Streitfrage Gegenstand der Revision des Vormundschaftsrechts bilden dürfte (STETTLER, a.a.O.).
Zusammenfassend ist daran festzuhalten, dass die Zwangsbehandlung im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung nicht durch Bundesrecht geregelt wird und dass die
Art. 397a ff. ZGB
BGE 125 III 169 S. 174
für eine solche Zwangsbehandlung zu therapeutischen Zwecken keine Rechtsgrundlage bieten. Die Kantone bleiben hiefür zuständig, bis der Bundesgesetzgeber selber eine Regelung aufstellt (D. PIOTET, Droit cantonal complémentaire, in: Schweizerisches Privatrecht, I/2, Basel 1998, N. 495 ff. S. 163 f.; MARTI, Zürcher Kommentar, N. 66 zu
Art. 6 ZGB
; vgl. SCHNYDER, Die Wirksamkeit der Patientenrechte im Bereich der unfreiwilligen psychiatrischen Einweisung: Versuch einer Bilanz, in: Die soziopsychiatrische Gesetzgebung. Eine Bilanz, Freiburg i.Ö. 1992, S. 251 ff., S. 259). Die abweichende Auffassung des Verwaltungsgerichts kann nicht geteilt werden. Bei diesem Ergebnis braucht auf die Indikation bzw. Verhältnismässigkeit der Behandlung, die der Berufungskläger ebenfalls anficht, nicht mehr eingegangen zu werden.
4.
Fehlt es für die Zwangsbehandlung an einer bundesgesetzlichen und - nach den verbindlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch - an einer kantonalen Rechtsgrundlage, so kann der Betroffene grundsätzlich nicht in der Anstalt behalten werden, wenn die Freiheitsentziehung die Therapierung zum Zweck haben soll (GEISER, a.a.O., S. 312). Indessen steht eine Entlassung des Berufungsklägers ausser Diskussion, zumal er dies auch selbst nicht verlangt. Im kantonalen Verfahren hatte er offenbar Antrag auf Verlegung in eine andere Abteilung der gleichen Klinik gestellt. Darüber ist nicht entschieden worden, und es fehlen die tatsächlichen Feststellungen zur Beurteilung, ob ihm dieser Wechsel durch fürsorgerische Freiheitsentziehung versagt werden muss. Es bleibt daher bei der Regel, dass bei Anwendung von Bundesrecht statt kantonalen Rechts das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen ist (
BGE 121 III 246
E. 3d S. 248; POUDRET/SANDOZ-MONOD, N. 1.6.2 zu
Art. 43 OG
, S. 139; MESSMER/IMBODEN, a.a.O., N. 122 S. 165 mit Nachweisen in Anm. 14). Einer weitergehenden Aufhebung der Zurückbehaltungsverfügung bedarf es allerdings nicht, da diese durch das angefochtene Urteil ersetzt worden ist, und für ein ausdrückliches Verbot der Behandlung fehlt die Rechtsgrundlage, nachdem sich ergeben hat, dass Bundesrecht nicht regelt, worin die persönliche Fürsorge im Einzelnen besteht; es könnte Letzteres höchstens formell im Dispositiv festgestellt werden, doch geben die Erwägungen hierüber genügend klar Aufschluss. | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
fc39c00d-31f6-4b9b-bd1d-abe6f69837e9 | Urteilskopf
121 I 155
22. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. Juni 1995 i.S. Stadt Zürich und S. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 85 lit. a OG
; Stimmrechtsbeschwerde gegen die Auslegung einer vom Volk beschlossenen Regelung.
Aus dem Stimmrecht ergibt sich kein Anspruch darauf, dass eine vom Volk erlassene Regelung von den rechtsanwendenden Behörden nur in einem ganz bestimmten Sinne ausgelegt werde (E. 2a).
Art. 48 der Zürcher Kantonsverfassung; Gemeindeautonomie.
Die Zürcher Gemeinden besitzen im Bereich der Prozessführung Autonomie (E. 4).
Aufsicht über die Gemeinden im Kanton Zürich.
Der Regierungsrat kann die Gemeinden mit einer aufsichtsrechtlichen Weisung dazu anhalten, eine Gesetzesbestimmung strenger anzuwenden als bisher (E. 5b).
§ 155 des Zürcher Gemeindegesetzes; Zuständigkeit zum Entscheid über die Ergreifung von Rechtsmitteln in den Zürcher Gemeinden.
Die Auslegung von § 155 des Zürcher Gemeindegesetzes, nach der über die Anfechtung eines Rechtsmittelentscheids stets das kommunale Legislativorgan entscheiden muss und eine Delegation dieser Kompetenz an das Exekutivorgan unzulässig ist, erscheint nicht als willkürlich (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 156
BGE 121 I 155 S. 156
Die Stimmberechtigten der Stadt Zürich haben am 17. Mai 1992 eine neue Bau- und Zonenordnung angenommen. Zur Abstimmungsvorlage gehörte auch der nachstehende Teil über die Ergreifung von Rechtsmitteln:
"3. Der Stadtrat wird verpflichtet, Rechtsmittelentscheide und Genehmigungsbeschlüsse, welche zu einer ganzen oder teilweisen Aufhebung dieser Bauordnung oder der zugehörigen Pläne führen, anzufechten, soweit es sich um eine erhebliche Änderung handelt und soweit eine Anfechtung nicht als aussichtslos erscheint. Vorbehalten bleibt ein anderslautender Entscheid des Gemeinderates im Einzelfall."
Gegen die neue Bau- und Zonenordnung wurden über 400 Rekurse eingereicht. Die Baurekurskommission I des Kantons Zürich hiess in der Zwischenzeit zahlreiche von ihnen gut und hob verschiedene Festsetzungen der vom Volk am 17. Mai 1992 angenommenen Bau- und Zonenordnung auf. Die Stadt Zürich focht mehrere Entscheide der Baurekurskommission mit Rekurs beim Regierungsrat an und berief sich dabei auf die oben angeführte Ziffer 3 des Gemeindebeschlusses vom 17. Mai 1992.
BGE 121 I 155 S. 157
Der Regierungsrat gab am 14. Dezember 1994 den zwei von B. und W. eingereichten Aufsichtsbeschwerden gegen Ziffer 3 des Gemeindebeschlusses vom 17. Mai 1992 im wesentlichen Folge. Er erklärte, dass dieser Bestimmung zwar eine rechtskonforme Auslegung gegeben werden könne und deshalb von ihrer Aufhebung abzusehen sei. Es sei jedoch klarzustellen, dass der Stadtrat vom Gemeinderat in einem geeigneten Verfahren die Zustimmung zu den bereits erhobenen und zu den künftigen Rekursen einzuholen habe.
Der Stadtrat von Zürich hat namens der Stadt Zürich gegen den aufsichtsrechtlichen Entscheid des Regierungsrats vom 14. Dezember 1994 eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie eingereicht. S. hat gegen den Entscheid des Regierungsrats vom 14. Dezember 1994 ebenfalls eine staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung seiner politischen Rechte und hilfsweise auch des Willkürverbots und der Gemeindeautonomie.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Stadt Zürich ab und tritt auf jene von S. nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer S. macht geltend, der angefochtene Aufsichtsentscheid des Regierungsrats missachte den Volksentscheid vom 17. Mai 1992 und verletze daher die politischen Rechte der Stimmbürger. Die damals vom Volk beschlossene Regelung, welche den Stadtrat verpflichte, die die Bau- und Zonenordnung ganz oder teilweise aufhebenden Rechtsmittelentscheide anzufechten, werde durch die regierungsrätlichen Anordnungen ihres Gehalts völlig entleert und faktisch ausser Kraft gesetzt.
a) Mit dem angefochtenen Entscheid wird die fragliche Ziffer 3 der vom Volk am 17. Mai 1992 angenommenen Vorlage über die Bau- und Zonenordnung nicht aufgehoben. Der Regierungsrat hat vielmehr erklärt, diese lasse sich so auslegen, dass sie mit den Vorgaben des übergeordneten Rechts von § 155 GemG in Einklang stehe. Dementsprechend hat er den Stadtrat von Zürich zu einer bestimmten Handhabung von Ziffer 3 des Beschlusses vom 17. Mai 1992 angehalten.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers greift die regierungsrätliche Anordnung nicht in die politischen Rechte der Stimmbürger ein. Wie erwähnt hebt sie Ziffer 3 des Beschlusses vom 17. Mai 1992 nicht auf. Zudem ergibt sich aus dem Stimmrecht kein Anspruch darauf, dass eine vom Volk erlassene
BGE 121 I 155 S. 158
Regelung von den rechtsanwendenden Behörden nur in einem ganz bestimmten Sinne verstanden und ausgelegt werde.
Selbst wenn im vorliegenden Fall die umstrittene Ziffer 3 aufgehoben worden wäre, stünde dagegen die Stimmrechtsbeschwerde als Rechtsmittel nicht zur Verfügung. Die staatsrechtliche Beschwerde nach
Art. 85 lit. a OG
ist nur zulässig, soweit die Rechtmässigkeit des Abstimmungsverfahrens oder die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses in Frage steht, jedoch nicht, wenn - wie hier - lediglich die mit den politischen Rechten nicht im Zusammenhang stehende Zulässigkeit eines Gemeindebeschlusses streitig ist (
BGE 117 Ia 66
E. 1d/cc S. 68;
BGE 111 Ia 134
E. 3 S. 137; Urteil des Bundesgerichts vom 12. Oktober 1988 in ZBl 90/1989 275 E. 2a). Soweit sich aus dem vom Beschwerdeführer genannten Entscheid des Bundesgerichts vom 14. Dezember 1988 (nicht veröffentlichte E. 1b von
BGE 114 Ia 413
ff.) auf die gegenteilige Auffassung schliessen lässt, kann daran nicht festgehalten werden.
Auf die geltend gemachte Verletzung der politischen Rechte ist somit nicht einzutreten.
b) Die ebenfalls gerügten Verletzungen von
Art. 4 BV
und der Gemeindeautonomie erhebt der Beschwerdeführer bloss hilfsweise. Es kommt ihnen daher neben der geltend gemachten Stimmrechtsverletzung keine selbständige Bedeutung zu, und es sind diese Rügen daher ebensowenig zulässig wie die behauptete Verletzung der politischen Rechte.
c) Aus diesen Gründen ist auf die Beschwerde von S. nicht einzutreten.
3.
Der Stadtrat von Zürich, das städtische Exekutivorgan, erhebt namens der Stadt Zürich eine staatsrechtliche Beschwerde. Er wirft dem Regierungsrat vor, in krasser Überschreitung seiner Aufsichtsbefugnisse und in willkürlicher Auslegung und Anwendung von § 155 GemG die Gemeindeautonomie verletzt zu haben.
W. und der Regierungsrat sind der Auffassung, dass auf die Beschwerde der Stadt Zürich nur eingetreten werden könne, wenn ein Beschluss des Gemeinderats von Zürich, dem städtischen Legislativorgan, im Sinne von § 155 Abs. 2 GemG nachgereicht werde.
Die Tragweite von § 155 GemG ist umstritten und bildet gerade Gegenstand des angefochtenen Entscheids des Regierungsrats. Die Stadt Zürich wehrt sich mit der vorliegenden Beschwerde dagegen, dass der Regierungsrat die Befugnis des Stadtrats, namens der Stadt Rechtsmittelentscheide anzufechten, einschränkend auslege. Um den Rechtsschutz nicht zu verkürzen,
BGE 121 I 155 S. 159
ist bei dieser Sachlage auf die Beschwerde einzutreten, ohne dass das umstrittene Erfordernis, das Hauptgegenstand des Rechtsmittels bildet, erfüllt sein müsste (vgl.
BGE 116 Ia 359
E. 3b S. 364;
BGE 114 Ia 263
E. 1b S. 264 f.). Es bedarf somit im vorliegenden Fall keines Beschlusses des Gemeinderats der Stadt Zürich.
Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die staatsrechtliche Beschwerde der Stadt Zürich einzutreten.
4.
Nach Art. 48 der Verfassung des Kantons Zürich vom 18. April 1869 (KV/ZH, SR 131.211) ordnen die Zürcher Gemeinden innerhalb der Schranken der Verfassung und Gesetze ihre Angelegenheiten selbständig. Die Organisation der Gemeinde und die Aufgaben der einzelnen Organe werden im Rahmen der kantonalen Vorgaben in einer Gemeindeordnung geregelt (vgl. für die Städte Zürich und Winterthur § 88 Abs. 2 GemG).
Die Führung von Prozessen zur Wahrung der Interessen der Gemeinde fällt gemäss § 64 Ziff. 2 in Verbindung mit § 110 GemG grundsätzlich in den Aufgabenbereich des kommunalen Exekutivorgans. In der Gemeindeordnung können jedoch besondere, vom allgemeinen Grundsatz abweichende Regelungen getroffen werden (HANS RUDOLF THALMANN, Kommentar zum Zürcher Gemeindegesetz, 2. Aufl. 1991, § 61 N. 4.6.6.1 ff.). Die Zürcher Gemeinden verfügen somit bezüglich der Prozessführung über eine erhebliche Entscheidungsfreiheit und damit über Autonomie. Diese wird durch § 155 GemG für die Anfechtung von Rechtsmittelentscheiden über Gemeindebeschlüsse zwar eingeschränkt, aber - wie auch der Regierungsrat einräumt - nicht völlig aufgehoben.
Die Beschwerdeführerin kann somit unter Berufung auf ihre Gemeindeautonomie geltend machen, der Regierungsrat habe im angefochtenen Aufsichtsentscheid seine Prüfungsbefugnis überschritten und das massgebliche kantonale Recht willkürlich ausgelegt und angewendet (vgl.
BGE 120 Ia 203
E. 2a S. 204).
5.
Die Stadt Zürich wirft dem Regierungsrat zunächst vor, er habe die umstrittene aufsichtsrechtliche Massnahme erlassen, ohne dass die Voraussetzungen dafür erfüllt gewesen seien. Ferner habe er die ihm dabei zustehenden Befugnisse unter anderem dadurch überschritten, dass er die Anforderungen an die Rekurserhebung durch die Gemeinde gegenüber der bisherigen Praxis verschärft habe.
a) Die Frage, welche Tragweite Ziffer 3 der Vorlage über die Bau- und Zonenordnung zukomme, wurde erst aktuell, als die Baurekurskommission in
BGE 121 I 155 S. 160
mehreren Entscheiden einzelne Teile dieses Planungswerks aufgehoben und die Stadt Zürich dagegen beim Regierungsrat Rekurs eingelegt hatte. Es trifft zwar zu, dass der Regierungsrat im Rahmen dieser Rechtsmittelverfahren ohnehin hätte prüfen müssen, ob die Rekurserhebung durch die Stadt Zürich vom zuständigen Organ beschlossen worden sei, und dass er somit in diesem Zusammenhang zur fraglichen Ziffer 3 der Vorlage über die Bau- und Zonenordnung hätte Stellung nehmen müssen. Der Regierungsrat durfte jedoch die beiden Aufsichtsbeschwerden von W. und B. zum Anlass nehmen, um der Stadt Zürich zur umstrittenen Zuständigkeitsfrage in allgemeiner Form aufsichtsrechtliche Weisungen zu erteilen (vgl. zum Oberaufsichtsrecht des Regierungsrats über die Gemeinden § 149 GemG und dazu THALMANN, a.a.O., § 149 N. 1). Dieses Vorgehen erschien vor allem deshalb gerechtfertigt, weil die Stadt Zürich beim Regierungsrat zahlreiche Rekurse erhoben hatte und über die Zuständigkeit zur Rekurserhebung Meinungsverschiedenheiten entstanden waren. Der angefochtene Aufsichtsentscheid diente damit der Beseitigung einer bedeutenden Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Weiterbehandlung der Bau- und Zonenordnung. Er stützte sich daher auf ein erhebliches öffentliches Interesse und griff keineswegs grundlos in die Autonomie der Stadt Zürich ein.
b) Der Stadtrat von Zürich hält das aufsichtsrechtliche Eingreifen auch deshalb für unzulässig, weil der Regierungsrat bisher mit Bezug auf die umstrittene Zuständigkeitsfrage eine weniger strenge Praxis verfolgt habe. Diese sei auch vom Bundesgericht für das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren gebilligt worden.
Es ist erwiesen, dass die Zuständigkeitsregelung von § 155 GemG bisher weder vom Regierungsrat noch vom Bundesgericht im Rahmen des staatsrechtlichen Beschwerdeverfahrens völlig konsequent gehandhabt wurde. Teilweise hängt dies damit zusammen, dass die Bestimmung mit der Revision des Gemeindegesetzes gegenüber früher eine etwas veränderte Tragweite erhalten hatte, über die sich die rechtsanwendenden Organe nicht immer ganz im klaren waren. Die Kontroverse über die Bau- und Zonenordnung in der Stadt Zürich hat - insbesondere seit den veränderten politischen Mehrheiten im Stadt- und Gemeinderat - die praktische Bedeutung von § 155 GemG erstmals in voller Schärfe hervortreten lassen. In dieser Situation war es dem Regierungsrat entgegen der Meinung des Stadtrats von Zürich nicht verwehrt, für eine gesetzestreue und konsequentere Anwendung von § 155 GemG als bisher zu sorgen. Dies gehörte vielmehr gerade zu seinen Aufgaben als
BGE 121 I 155 S. 161
Oberaufsichtsbehörde über die Gemeinden.
6.
Die im angefochtenen Aufsichtsentscheid vertretene Auslegung und Anwendung von § 155 GemG kritisiert die Stadt Zürich als krass willkürlich. So sei es unhaltbar, diese Norm auch bei Erlassen und insbesondere bei Bau- und Zonenordnungen für anwendbar zu erklären. Ausserdem gehe die erteilte aufsichtsrechtliche Anweisung weit über das von § 155 GemG Gebotene hinaus.
a) Gemäss § 155 Abs. 1 und 2 GemG bedarf in Gemeinden mit einem sog. Grossen Gemeinderat die Anfechtung eines Rechtsmittelentscheids, mit dem ein Gemeindebeschluss aufgehoben wird, eines Beschlusses eben dieses Grossen Gemeinderats (in der Stadt Zürich lediglich Gemeinderat genannt). § 155 Abs. 4 GemG erklärt es ausdrücklich als zulässig, dass das Exekutivorgan der Gemeinde ein Rechtsmittel vorsorglich zwecks Wahrung der Frist erhebt und den Beschluss des Grossen Gemeinderats erst nachträglich beibringt.
Der Wortlaut von § 155 GemG enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die in dieser Bestimmung aufgestellte Zuständigkeitsordnung nicht für alle Arten von Rechtsmittelentscheiden gelten solle (vgl. auch THALMANN, a.a.O., § 155 N. 4.1). Eine Differenzierung nach der Rechtsnatur des in Frage stehenden Gemeindebeschlusses oder nach dem Umfang der erfolgten Aufhebung wäre auch sachlich kaum zu rechtfertigen. Jedenfalls erscheint es gerade bei Bau- und Zonenordnungen angebracht, die Befugnis, Rechtsmittel zu ergreifen, dem kommunalen Legislativorgan zuzuweisen, da das Ermessen bei Planungsakten gross und dieser Entscheid für eine Gemeinde unter Umständen mit erheblichen Konsequenzen verbunden ist. Wie der Regierungsrat mit Recht erklärt, lassen sich dabei auftretende verfahrensmässige Probleme ohne weiteres lösen. § 155 Abs. 4 GemG erlaubt es dem kommunalen Parlament, bei einer Vielzahl von Rechtsmittelentscheiden die Beschlussfassung über deren Anfechtung verfahrensökonomisch und koordiniert vorzunehmen.
Die Auffassung des Regierungsrats, die Zuständigkeit zur Anfechtung von Rechtsmittelentscheiden über Bau- und Zonenordnungen richte sich nach § 155 GemG, kann deshalb keineswegs als willkürlich bezeichnet werden.
b) Der Regierungsrat verlangt im angefochtenen Entscheid, dass in jedem Fall der Gemeinderat, also das Legislativorgan, über den Weiterzug eines Rechtsmittelentscheids befinden müsse. Ziffer 3 der Vorlage über die Bau- und Zonenordnung müsse in diesem Sinne rechtskonform ausgelegt werden.
BGE 121 I 155 S. 162
Wie der Stadtrat von Zürich im einzelnen darlegt, entspricht diese Deutung nicht dem Willen der Organe, welche die Vorlage über die Bau- und Zonenordnung ausgearbeitet haben. Danach sollte der Entscheid über die Anfechtung von Rechtsmittelentscheiden grundsätzlich als an den Stadtrat delegiert gelten; einzig für den Verzicht auf den Weiterzug sollte die Zustimmung des Gemeinderats erforderlich sein.
Nach Ansicht des Regierungsrats ist eine solche Delegation mit § 155 GemG nicht vereinbar. Aus dem Wortlaut von § 155 GemG, der gegenüber dem früheren - vor dem 1. Januar 1985 - geltenden Recht weiter und klarer gefasst worden ist, gehe eindeutig hervor, dass stets das kommunale Legislativorgan entscheiden müsse, ob ein Rechtsmittelentscheid angefochten oder hingenommen werden solle. Weder generell noch im Einzelfall könne die Entscheidkompetenz des Legislativorgans an das Exekutivorgan delegiert werden.
Diese Auslegung von § 155 GemG ist nicht willkürlich und wird auch in der Literatur vertreten (vgl. THALMANN, a.a.O., § 155 N. 5.1). Sie trägt dem Gedanken Rechnung, dass dasselbe Organ, welches den durch eine Rechtsmittelinstanz ganz oder teilweise aufgehobenen Akt erlassen hat, auch darüber befinden soll, ob die Aufhebung hingenommen werden könne oder ob dagegen ein Rechtsmittel einzulegen sei.
Gegen die Interpretation des Stadtrats von Zürich spricht ebenfalls, dass er danach zur Erhebung von Rechtsmitteln nicht bloss ermächtigt, sondern - von gewissen Ausnahmen abgesehen - sogar verpflichtet wäre. Solche Weisungen verunmöglichen es den staatlichen Organen, erst nach Kenntnisnahme des Rechtsmittelentscheids über die Prozessführung zu entscheiden. Sie sind daher als unzulässig zu betrachten (ALFRED KUTTLER, Zum Schutz der Gemeindeautonomie in der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in: Giurisdizione costituzionale e Giurisdizione amministrativa, 1992, S. 58 f.; THALMANN, a.a.O., § 155 N. 5.2).
Der Regierungsrat handelte somit nicht willkürlich, wenn er den Stadtrat von Zürich anwies, sämtliche seines Erachtens anzufechtenden Rechtsmittelentscheide über die Bau- und Zonenordnung dem Gemeinderat zum Entscheid vorzulegen, ob dagegen ein Rechtsmittel ergriffen werden solle. Ob es zweckmässig war, Ziffer 3 der Vorlage über die Bau- und Zonenordnung in diesem Sinne rechtskonform auszulegen, oder ob diese Bestimmung nicht besser aufgehoben worden wäre, kann dahingestellt bleiben. Die Stadt Zürich
BGE 121 I 155 S. 163
wird durch das gewählte Vorgehen in ihrer Autonomie nicht stärker eingeschränkt als bei einer Aufhebung.
c) Beizufügen ist schliesslich, dass den obigen Erwägungen inskünftig auch im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren Rechnung zu tragen ist. Das Bundesgericht wird an seiner früheren, noch unter dem alten Recht entwickelten Praxis nicht mehr festhalten können, nach der es zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde eines Beschlusses des kommunalen Legislativorgans nicht bedurfte (vgl.
BGE 100 Ia 89
E. 1c S. 91 f.). Vielmehr lässt der neue, weiter gefasste Wortlaut von § 155 Abs. 1-3 GemG keinen Zweifel mehr offen, dass auch der Entscheid über die Einreichung einer staatsrechtlichen Beschwerde in den Zürcher Gemeinden dem Legislativorgan zu unterbreiten ist (THALMANN, a.a.O., § 155 N. 4.1). | public_law | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fc456770-7c9c-4a1e-8187-a958380f955e | Urteilskopf
97 III 18
6. Auszug aus dem Entscheid vom 25. Februar 1971 i.S. E. | Regeste
Ist die Pfändung eines Grundstücks und beweglicher Sachen nichtig, weil das Betreibungsamt die Schätzung (
Art. 97 Abs. 1 SchKG
,
Art. 8 und 9 Abs. 1 VZG
), die Vormerkung einer Drittansprache (Art. 106 Abs. 1 und 112 Abs. 1 SchKG), die Mitteilung an das Grundbuchamt und die Anzeigen an die Grundpfandgläubiger und die Versicherer (
Art. 101, 102 SchKG
,
Art. 15 VZG
,
Art. 56 VVG
, Art. 1 der Verordnung betr. die Pfändung, Arrestierung und Verwertung von Versicherungsansprüchen) unterlassen hat? (Erw. 2).
Mindestvoraussetzungen einer gültigen Pfändung (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 19
BGE 97 III 18 S. 19
Gekürzter Tatbestand:
E. erwirkte am 9. März 1970 gegen H. für eine Forderung von über Fr. 38 000.-- einen Arrestbefehl, der als Arrestgegenstände ein Auto Commodore, verschiedene Einrichtungsgegenstände und eine Liegenschaft nannte. Am 10. März 1970 belegte der Betreibungsbeamte St. diese Gegenstände mit Arrest, ohne sie zu schätzen. Nachdem E. am 11. April 1971 in der Betreibung für die Arrestforderung (Nr. 36) das Fortsetzungsbegehren gestellt hatte, erliess der Betreibungsbeamte St. am 14. April 1970 eine Pfändungsankündigung, wonach die Pfändung am 17. April 1970 in der Wohnung des Schuldners erfolgen sollte. Ein Pfändungsprotokoll und eine Pfändungsurkunde des Betreibungsbeamten St. liegen für die Betreibung Nr. 36 nicht vor.
Am 28. Juli/11 August/25. August 1970 gingen beim Betreibungsamt die Fortsetzungsbegehren der Gläubiger in den Arrestbetreibungen Nr. 77, 113 und 52 gegen H. ein. Nach den vorliegenden Pfändungsurkunden pfändete St. für diese Betreibungen im wesentlichen die seinerzeit auf Verlangen von E. arrestierten Gegenstände, ohne sie zu schätzen.
Am 4. September 1970 wurde der Betreibungsbeamte St. durch den Betreibungsbeamten W. ersetzt. Dieser holte am 8. September 1970 die von St. versäumte Schätzung der gepfändeten Gegenstände nach und stellte in der von ihm am 9./10. September 1970 ausgefertigten, dem abwesenden Schuldner durch die Post zugestellten Pfändungsurkunde für die Betreibungen Nr. 36, 77, 113 und 52 fest, als erste Gruppe gelte die Betreibung Nr. 36; die zweite Gruppe umfasse die Betreibungen Nr. 77, 113 und 52. Er merkte vor, dass das Auto Commodore von der Aufina AG zu Eigentum angesprochen werde, und setzte den Gläubigern und dem Schuldner Frist zur Bestreitung dieser Ansprache. Ferner liess er die Pfändung der Liegenschaft im Grundbuch vormerken und gab der Grundpfandgläubigerin davon Kenntnis. Die Pfändung von Mobiliar meldete er dem Mobiliarversicherer.
In einem Beschwerdeverfahren stellte die kantonale Aufsichtsbehörde am 1. Dezember 1970 fest, die vom Betreibungsbeamten St. in den Betreibungen Nr. 36, 77, 113 und 52 vorgenommenen Pfändungen seien nichtig; die gültige Pfändung sei in diesen Betreibungen am 8. September 1970 erfolgt; alle diese Betreibungen gehörten daher zur gleichen Gruppe.
BGE 97 III 18 S. 20
Auf Rekurs des E. hin weist das Bundesgericht die Sache zur Vervollständigung des Tatbestandes und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Vorinstanz ist der Meinung, der Betreibungsbeamte St. habe dadurch, dass er die gepfändeten Gegenstände (insbesondere die Liegenschaft) nicht schätzte, die Eigentumsansprache der Aufina AG am gepfändeten Automobil nicht vormerkte, das Widerspruchsverfahren darüber nicht einleitete und die vorgeschriebenen Anzeigen an die Grundpfandgläubiger und die Versicherer unterliess, so schwerwiegende Fehler begangen, dass die von ihm vorgenommenen Pfändungen nicht bloss anfechtbar, sondern schlechthin nichtig seien. Die Pfändungen wären jedoch wegen der Versäumnisse des Betreibungsbeamten St. nur dann nichtig, wenn die unterbliebenen Massnahmen zum Vollzug der Pfändungen gehört hätten und wenn durch ihre Unterlassung nicht bloss die Interessen und Rechte der am Verfahren unmittelbar beteiligten Personen, also der Gläubiger und des Schuldners, sondern auch Interessen von Dritten oder öffentliche Interessen beeinträchtigt worden wären (
BGE 93 III 87
mit Hinweisen; IMBODEN, Nichtige Betreibungshandlungen, BlSchK 1944 S. 135/36). Das ist nicht der Fall.
a) Die in
Art. 97 Abs. 1 SchKG
und für Grundstücke ausserdem in
Art. 8 und 9 Abs. 1 VZG
vorgeschriebene Schätzung gehört zur Pfändung. Sie ist notwendig, damit das Betreibungsamt einerseits für eine genügende Deckung der in Betreibung gesetzten Forderungen samt Zinsen sorgen und anderseits die Pfändung auf das hiefür nötige Mass beschränken kann (
Art. 9 Abs. 2 SchKG
;
Art. 8 VZG
;
BGE 73 III 55
,
BGE 82 III 125
) und damit der Gläubiger gegebenenfalls in die Lage kommt, einen Arrest zu erwirken oder die Anfechtungsklage zu erheben (Art. 115 Abs. 2, 271 Ziff. 5 und 285 SchKG). Eine weitere Bedeutung hat sie seit der Revision der Bestimmungen über die Voraussetzungen des Zuschlags (
Art. 126 SchKG
) durch das Bundesgesetz vom 28. September 1949 nicht mehr. Sie hat also nur den Interessen der Gläubiger und des Schuldners zu dienen. Interessen Dritter oder öffentliche Interessen werden durch eine unsachgemässe Schätzung oder durch die Unterlassung einer Schätzung nicht verletzt. Eine Pfändung darf also weder deswegen, weil die Schätzung nicht sachgemäss
BGE 97 III 18 S. 21
erfolgte, noch wegen Unterbleibens einer Schätzung von Amtes wegen als nichtig erklärt werden. Sie darf wegen solcher Mängel nicht einmal auf Beschwerde hin aufgehoben werden. Vielmehr ist in solchen Fällen die Schätzung neu vorzunehmen (vgl.
BGE 93 III 22
E. 4) oder nachzuholen (vgl.
BGE 73 III 55
, wo die Nachholung der vom Betreibungsamt versäumten Schätzung eines arrestierten Grundstücks angeordnet wurde).
b) Die in Art. 106 Abs. 1 und 112 Abs. 1 SchKG vorgeschriebene Vormerkung einer dem Amt bekanntgebenen Drittansprache in der Pfändungsurkunde gehört nicht zum Pfändungsvollzug als solchem, sondern es handelt sich um eine zu dieser Betreibungshandlung hinzutretende Massnahme, die bis zur Verteilung des Erlöses (vgl.
Art. 107 Abs. 4 SchKG
) nachgeholt werden kann. Der Umstand, dass das Amt diese Vormerkung unterlässt und das Widerspruchsverfahren nicht einleitet, macht also die Pfändung als solche nicht ungültig.
c) Die Mitteilung der Pfändung eines Grundstücks an das Grundbuchamt zwecks Vormerkung einer Verfügungsbeschränkung (
Art. 101 SchKG
,
Art. 15 lit. a VZG
) und die Anzeigen an die Grundpfandgläubiger (
Art. 102 Abs. 2 SchKG
,
Art. 15 lit. b VZG
) und an die Versicherer (
Art. 56 VVG
, Art. 1 der Verordnung betr. die Pfändung, Arrestierung und Verwertung von Versicherungsansprüchen nach dem VVG,
Art. 15 lit. c VZG
) sind Sicherungsmassnahmen, deren Unterlassung die Gültigkeit der Pfändung als solcher nicht beeinträchtigt (vgl.
BGE 94 III 80
/81).
Die von der Vorinstanz angeführten Gründe vermögen daher die Nichtigerklärung der vom Betreibungsbeamten St. vollzogenen Pfändungen nicht zu rechtfertigen.
3.
Dass der Betreibungsbeamte St. in der Betreibung Nr. 36 am 17. April 1970 eine gültige Pfändung vollzogen habe, ist jedoch aus andern Gründen zweifelhaft. Bei den von St. erstellten Betreibungsakten liess sich nämlich, wie schon erwähnt, weder ein Pfändungsprotokoll noch eine Pfändungsurkunde für die Betreibung Nr. 36 finden. Der einzige den Akten zu entnehmende Hinweis auf eine in dieser Betreibung am 17. April 1970 vollzogene Pfändung liegt in der Pfändungsankündigung vom 14. April 1970. (Ob diese Ankündigung, deren Originalausfertigung bei den Akten liegt, den Schuldner erreicht hat, ist nicht bekannt, aber im vorliegenden Zusammenhang auch nicht entscheidend, da eine nicht gehörig angekündigte
BGE 97 III 18 S. 22
Pfändung nach der Rechtsprechung wegen dieses Mangels nicht schlechthin nichtig, sondern nur unter gewissen Voraussetzungen auf Beschwerde des Schuldners hin aufzuheben ist; vgl.
BGE 77 III 106
/107 mit Hinweisen,
BGE 79 III 152
,
BGE 89 IV 80
/81). Was die von der Vorinstanz übernommene Feststellung des Betreibungsbeamten W., die Pfändung sei am 17. April 1970 "auf Grund der Arresturkunde vollzogen" worden, bedeuten soll, ist nicht klar. Namentlich ist nicht abgeklärt, ob sich der Betreibungsbeamte St. damals entsprechend der Ankündigung in die Wohnung des Schuldners begab, ob er diesen dort antraf oder nicht und ob er dem Schuldner mündlich oder schriftlich oder allenfalls durch eine öffentliche Bekanntmachung (
Art. 66 Abs. 4 SchKG
) mitteilte, dass bestimmte - klar bezeichnete - Gegenstände gepfändet seien und dass ihm folglich bei Straffolge verboten sei, ohne Bewilligung des Betreibungsamtes über diese Gegenstände zu verfügen (
Art. 96 Abs. 1 SchKG
). Eine solche Mitteilung an den Schuldner ist für den Pfändungsvollzug wesentlich (vgl.
BGE 93 III 36
,
BGE 94 III 80
E. 3a; was hier für die Lohn- und Verdienstpfändung gesagt wurde, gilt für die Sachpfändung entsprechend). Unterbleibt diese Mitteilung, so liegt überhaupt keine Pfändung vor. Die Vorinstanz hat also in diesem Punkte den Tatbestand zu vervollständigen, wozu die Befragung des frühern Betreibungsbeamten St. nötig sein dürfte. Sollte sich ergeben, dass St. die erwähnte Mitteilung an den Schuldner unterliess, oder sollte sich nicht zuverlässig feststellen lassen, dass diese - bisher durch nichts belegte, insbesondere nicht gehörig beurkundete - Mitteilung erfolgt und damit das Mindesterfordernis einer Pfändung erfüllt sei, so bliebe es bei der Feststellung, dass vor dem 8. September 1970 in der Betreibung Nr. 36 keine gültige Pfändung vollzogen wurde, sowie bei den von der Vorinstanz hieraus gezogenen Folgerungen. Wäre dagegen am 17. April 1970 eine gültige Pfändung erfolgt, so käme dem Rekurrenten gegenüber den Gläubigern der Betreibungen Nr. 77, 113 und 52 das von ihm beanspruchte Gruppenvorrecht zu.
Art. 281 SchKG
vermöchte in diesem Falle den Gläubigern der Betreibungen Nr. 77, 113 und 52 nicht zu helfen, da die Arreste zugunsten dieser Gläubiger nicht vor, sondern erst nach dem 17. April 1970 vollzogen wurden. | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
fc47a0ff-690e-4e1a-a58b-f639af04c7c9 | Urteilskopf
101 III 16
3. Auszug aus dem Entscheid vom 14. Januar 1975 i.S. First National City Bank und Hill Samuel & Co. OHG. | Regeste
Art. 33 Abs. 2 und 88 Abs. 1 SchKG.
Die Einhaltung der Frist des
Art. 88 Abs. 1 SchKG
liegt nicht bloss im Interesse des Schuldners, sondern auch im Interesse Dritter.
Das Betreibungsamt hat deshalb diese Frist zu beachten, selbst wenn der Schuldner zum voraus darauf verzichtet, die Nichteinhaltung der Frist geltend zu machen. | Sachverhalt
ab Seite 16
BGE 101 III 16 S. 16
Aus dem Sachverhalt:
In einem Betreibungsverfahren verzichtete der Vertreter der Schuldnerin den Gläubigern gegenüber in einem Schreiben sowohl auf den Rechtsvorschlag als auch auf die Einhaltung der 20tägigen Zahlungsfrist. Nachdem das Betreibungsamt der Schuldnerin den Zahlungsbefehl zugestellt hatte, stellte der Vertreter zweier Gläubigerinnen bereits am folgenden Tag das Fortsetzungsbegehren. Das Betreibungsamt sandte dieses den Gläubigerinnen jedoch zurück mit der Bemerkung, das Fortsetzungsbegehren könne frühestens nach Ablauf von 20 Tagen seit der Zustellung des Zahlungsbefehls gestellt werden. Gegen diese Verfügung beschwerten sich die beiden Gläubigerinnen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Die Rekurrentinnen bringen vor, gemäss
Art. 33 Abs. 2 SchKG
könne der Schuldner darauf verzichten, die
BGE 101 III 16 S. 17
Nichtbeachtung einer Frist geltend zu machen. Sie geben indessen selbst zu, dass diese Bestimmung gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (
BGE 23 II 1947
/1948) nur zur Anwendung gelangen kann, falls es sich um eine Frist handelt, die ausschliesslich im Interesse des Schuldners aufgestellt ist. Die Rekurrentinnen machen nun geltend, gerade
Art. 88 Abs. 1 SchKG
enthalte eine solche Frist. Bereits die Vorinstanzen haben diese Auffassung zu Recht abgelehnt. Entgegen den Ausführungen in den Rekursschriften findet diese Auffassung auch in der Literatur keine Stütze. Namentlich JAEGER, Kommentar, N. 5 zu
Art. 33 SchKG
, führt wohl vorerst
Art. 88 Abs. 1 SchKG
als Beispiel einer solchen Frist an, um dann jedoch gerade anschliessend zu erklären, dass an der Einhaltung der Fristen von
Art. 88 SchKG
auch Dritte interessiert seien (vgl. hiezu auch FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Band I, S. 98; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, Bern, 1911, S. 201/202; BRÜSTLEIN & WEBER, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., umgearbeitet von A. Reichel, Zürich, 1901, N. 3 zu
Art. 33 SchKG
). In der Tat sind denn auch die Gläubiger daran interessiert, dass die Frist des
Art. 88 SchKG
nicht nach Belieben des Schuldners abgekürzt oder aufgehoben wird, namentlich im Hinblick auf den Beginn und das Ende der 30tägigen Frist des
Art. 110 SchKG
, die für die Bildung der Pfändungsgruppen entscheidend ist. Da die Frist des
Art. 88 SchKG
demnach nicht einzig im Interesse des Schuldners aufgestellt ist, lehnte es das Betreibungsamt zu Recht ab, den von der Schuldnerin ausgesprochenen Verzicht auf die Einhaltung dieser Frist zu beachten. | null | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
fc4dbf71-2c15-4845-9a01-1fe63ac58ca6 | Urteilskopf
119 V 135
19. Auszug aus dem Urteil vom 6. Januar 1993 i.S. Pensionskasse des Kantons Zug, Kantonsspital Zug und Kanton Zug gegen B. und Verwaltungsgericht des Kantons Zug | Regeste
Art. 27 BVG
, Art. 331a, 331b, 331c und
Art. 342 Abs. 1 lit. a OR
, § 23 und 24 des Gesetzes über die Pensionskasse des Kantons Zug (PKG).
- Regelungen öffentlichrechtlicher Vorsorgeeinrichtungen, wonach dem ausscheidenden Versicherten eine Freizügigkeitsleistung nur mitgegeben wird, wenn er keine Leistungen wegen unverschuldeter Nichtwiederwahl oder Entlassung beanspruchen kann, sind bundesrechtswidrig (E. 4b). Den öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen steht es frei anzuordnen, dass die Freizügigkeitsleistung bei Übertritt in eine andere Kasse den Anspruch auf die für den Fall der unverschuldeten Nichtwiederwahl oder Entlassung vorgesehenen Leistungen (Abfindung, Rente) ausschliesst (E. 5a).
- Die Bestimmungen des zugerischen PKG können nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass Leistungen für den Fall der unverschuldeten Nichtwiederwahl oder Entlassung jedenfalls dann entfallen, wenn der Versicherte im Rahmen der zwischen den öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen bestehenden Freizügigkeitsvereinbarung in eine andere Kasse übertritt (E. 5b).
- Anrechnung der Freizügigkeitsleistung bei der Festsetzung der wegen unverschuldeter Auflösung des Dienstverhältnisses geschuldeten Rente (E. 6). | Erwägungen
ab Seite 137
BGE 119 V 135 S. 137
Aus den Erwägungen:
4.
a) Nach dem am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen BVG ist dem Versicherten, im Sinne eines Minimalanspruches (
Art. 6 BVG
), bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Erhaltung des Vorsorgeschutzes durch die Freizügigkeitsleistung gewährleistet (
Art. 27 Abs. 1 BVG
). Der Versicherte hat Anspruch auf eine Freizügigkeitsleistung, wenn sein Arbeitsverhältnis vor Eintritt eines Versicherungsfalles aufgelöst wird und er die Vorsorgeeinrichtung verlässt (
Art. 27 Abs. 2 BVG
). Gemeint sind damit die Versicherungsfälle des Todes, der Invalidität und des Erreichens des Schlussalters, somit die im Bereich der beruflichen Vorsorge im engern Sinn versicherten Risiken. Nach
Art. 28 Abs. 1 BVG
entspricht die Höhe der Freizügigkeitsleistung dem vom Versicherten bis zu deren Überweisung erworbenen Altersguthaben. Diese Bestimmungen über die minimale Freizügigkeitsleistung im Obligatoriumsbereich gelten für alle BVG-pflichtigen privat- und öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnisse und gehen kantonalen Bestimmungen vor.
Nicht anders verhält es sich, soweit der Anspruch des austretenden Versicherten auf Freizügigkeitsleistung aus weitergehender Vorsorge im Streit liegt. Gemäss
Art. 331c OR
hat die Personalfürsorgeeinrichtung ihre der Forderung des Arbeitnehmers entsprechende Schuldpflicht in der Weise zu erfüllen, dass sie zu dessen Gunsten eine Forderung auf künftige Vorsorgeleistungen gegen die Personalfürsorgeeinrichtung eines anderen Arbeitgebers, gegen eine der Versicherungsaufsicht unterstellte Unternehmung oder, unter voller Wahrung des Vorsorgeschutzes, gegen eine Bank oder Sparkasse begründet, welche die vom Bundesrat festgesetzten Bedingungen erfüllt (Abs. 1). Unter anderem diese Bestimmung über die Erfüllung
BGE 119 V 135 S. 138
des Anspruchs des austretenden Versicherten auf Freizügigkeitsleistung im Bereich der weitergehenden Vorsorge hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des BVG auf den 1. Januar 1985 für die öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisse von Bund, Kantonen und Gemeinden für massgeblich erklärt (
Art. 342 Abs. 1 lit. a OR
e contrario;
BGE 113 V 124
ff. E. 3a-c). Auch diese Bestimmungen des Bundesrechts über die Erfüllung des Anspruchs auf Freizügigkeitsleistung im Bereich der weitergehenden beruflichen Vorsorge gehen kantonalen Bestimmungen vor.
b) Die öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen sehen neben den Versicherungsleistungen im engeren Sinn (Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenleistungen) in der Regel besondere Leistungen für den Fall der unverschuldeten Nichtwiederwahl oder Entlassung vor (vgl. hiezu JUD, Besonderheiten öffentlichrechtlicher Dienstverhältnisse nach schweizerischem Recht, insbesondere bei deren Beendigung aus nichtdisziplinarischen Gründen, Diss. Freiburg 1975, S. 249 ff.). Sie bestehen je nach Dauer des Dienstverhältnisses aus Abfindungen oder Renten, wobei die Entlassungsrenten meist in Form der Invalidenrente zur Ausrichtung gelangen (vgl. z.B. Art. 32 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse (EVK-Statuten) vom 2. März 1987, SR 172.222.1; Art. 47 des Dekretes über die Versicherungskasse der bernischen Staatsverwaltung vom 16. Mai 1989, BSG 153.41; § 36 des Gesetzes betreffend die Pensionskasse des Basler Staatspersonals vom 20. März 1980, SG 166.100). Das Verhältnis zu den Freizügigkeitsleistungen (meist als Austrittsentschädigung bezeichnet) ist oft in der Weise geordnet, dass eine Freizügigkeitsleistung nur beanspruchen kann, wem keine Kassenleistung, insbesondere auch keine Entlassungsrente oder Abfindung zusteht.
Nach den erwähnten, auch im Bereich des kantonalen Vorsorgerechts massgebenden Bestimmungen von
Art. 27 Abs. 2 BVG
und
Art. 331a Abs. 1 und
Art. 331b Abs. 1 OR
besteht kein Anspruch auf Freizügigkeitsleistung, soweit bei Auflösung des Dienstverhältnisses Versicherungsleistungen im engern Sinn beansprucht werden können. Der Grundsatz der Subsidiarität der Freizügigkeitsleistung gegenüber den Versicherungsleistungen (RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 116 N 22) gilt dagegen nicht hinsichtlich der von öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen für den Fall der unverschuldeten Nichtwiederwahl oder Entlassung vorgesehenen Abfindungen und Renten, welche nicht zu den Versicherungsleistungen im engern Sinn gehören. Gegenüber diesen Leistungen hat der aus einer öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtung austretende Versicherte von Bundesrechts wegen einen prioritären Anspruch auf Freizügigkeit, welcher mindestens
Art. 331b OR
genügen muss. Vorsorgerechtliche Bestimmungen, wonach dem ausscheidenden Versicherten eine Freizügigkeitsleistung nur mitgegeben wird, wenn er keine Versicherungsleistungen bezieht, halten daher vor dem seit 1. Januar 1985 in Kraft stehenden Bundesrecht
BGE 119 V 135 S. 139
nicht stand, soweit damit ein Anspruch auf Freizügigkeitsleistung auch gegenüber Leistungen wegen unverschuldeter Nichtwiederwahl oder Entlassung des Versicherten ausgeschlossen wird.
5.
Damit ist indessen nicht gesagt, dass die Freizügigkeitsleistung (Austrittsentschädigung) Kassenleistungen aus der beruflichen Vorsorge im weiteren Sinn ausschliesst, wozu Abfindung und Entlassungsrente nach den im vorliegenden Fall anwendbaren §§ 23 und 24 des Gesetzes über die Pensionskasse des Kantons Zug vom 25. Februar 1982 (PKG) gehören.
a) Den öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen steht es im Rahmen der weitergehenden beruflichen Vorsorge frei, ob und unter welchen Voraussetzungen sie besondere Leistungen für den Fall der unverschuldeten Nichtwiederwahl oder Entlassung aus dem Dienstverhältnis vorsehen wollen. Der Pensionskassengesetzgeber kann daher auch anordnen, dass die Freizügigkeitsleistung bei Übertritt in eine andere Vorsorgeeinrichtung den Anspruch auf Abfindung oder Rente wegen Auflösung des Dienstverhältnisses ausschliesst.
Das zugerische Pensionskassengesetz enthält keine Bestimmung, wonach der Anspruch auf Abfindung oder Entlassungsrente entfällt, wenn eine Austrittsentschädigung nach § 22 PKG ausgerichtet wird. Dass eine Kumulation der Leistungen jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn der Versicherte "freizügig" in eine andere (öffentlichrechtliche) Vorsorgeeinrichtung übertritt, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik des PKG. Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der Vorinstanz enthalten auch die Materialien zum PKG keine Anhaltspunkte für die von den Beschwerdeführern vertretene Auffassung. Fraglich ist, ob sich ein solcher Ausschluss aus Sinn und Zweck der Pensionskassenregelung ergibt.
b) Die Beschwerdeführer machen geltend, die Leistungen nach §§ 23 und 24 PKG dienten der Milderung der mit einer unverschuldeten und nicht selbst veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses verbundenen Einbussen bezüglich der beruflichen Vorsorge. Grundsätzlich keine Einbusse bestehe aber, wenn ein Übertritt in eine andere Vorsorgeeinrichtung aufgrund der Vereinbarung über die Freizügigkeit zwischen Pensionskassen vom 1. Januar 1970 oder der ab 1991 gültigen Nachfolgevereinbarung Platz greife. Die Beschwerdeführer räumen indessen selber ein, dass je nach Anstellungsbedingungen und Versicherungsplan im Rahmen des neuen Dienstverhältnisses Beeinträchtigungen der bisherigen Anwartschaften nicht ausgeschlossen sind. Wie die Vorinstanz unwidersprochen ausführt, zeigt gerade der vorliegende Fall einer mit dem
BGE 119 V 135 S. 140
Stellenwechsel verbundenen Lohneinbusse, dass die unverschuldete Auflösung des Dienstverhältnisses nach langer Dienstdauer trotz Freizügigkeitsabkommen finanzielle Auswirkungen haben kann, die je nach den Umständen als Härte erscheinen. Dazu kommt, dass Leistungen für den Fall der unverschuldeten Nichtwiederwahl oder Entlassung nicht notwendigerweise auf den Ausgleich vorsorgerechtlicher Einbussen beschränkt sind, sondern darüber hinaus eine unmittelbar aus dem Dienstverhältnis folgende Entschädigung für geleistete Arbeit umfassen können (vgl. JUD, a.a.O., S. 245 f.). Aus dem Zweck von §§ 23 und 24 PKG lässt sich daher nicht schon darauf schliessen, dass Ansprüche aufgrund dieser Bestimmungen regelmässig entfallen, wenn der ausscheidende Versicherte in eine andere, dem Freizügigkeitsabkommen angeschlossene Vorsorgeeinrichtung übertritt.
Nach dem Gesagten muss es mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen Regelung bei der Feststellung bleiben, dass die Ausrichtung einer Austrittsentschädigung nach § 22 PKG den Anspruch auf Leistungen gemäss §§ 23 und 24 PKG auch im Falle eines freizügigen Übertritts in eine andere Vorsorgeeinrichtung nicht ausschliesst. Die Beschwerdegegnerin hat dem Grundsätze nach somit Anspruch auf eine Entlassungsrente nach § 23 PKG, da sie sämtliche materiellrechtlichen Voraussetzungen dieses Leistungsanspruchs erfüllt.
6.
Zu prüfen bleibt, wie sich die von der Beschwerdeführerin der Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich überwiesene Freizügigkeitsleistung auf Dauer und Mass der Rentenberechtigung auswirkt.
a) Bezüglich der Leistungsdauer nimmt das kantonale Gericht zu Recht an, dass die Rente nach § 23 PKG spätestens im Mai 1997 endet, wenn die Versicherte das Rücktrittsalter gemäss PKG erreicht. Zwar lässt § 23 PKG nicht direkt erkennen, dass die Entlassungsrente mit dem Erreichen des Schlussalters ihr Ende findet. Die im zweiten Satz dieser Bestimmung normierte Pflicht des Arbeitgebers, der Kasse die vor erreichtem Rücktrittsalter ausbezahlten Renten zurückzuerstatten, besteht nun aber in jedem Leistungsfall gemäss § 23 PKG, gleichgültig ob der aus dem Staatsdienst Ausscheidende - wie hier - aus der Kasse austritt oder ob er nach Massgabe von § 22 Abs. 1 PKG in der Kasse verbleibt mit der Folge, dass er keine Freizügigkeitsleistung beanspruchen kann, wohl aber bei Erreichen des Schlussalters eine die Entlassungsrente ablösende Altersrente. Daraus geht hervor, dass die Ausrichtung der Entlassungsrente nicht über das Schlussalter hinaus andauert, in welchem Zeitpunkt, bei
BGE 119 V 135 S. 141
Austritt aus der Kasse, die Leistungen der neuen Vorsorgeeinrichtung aus beruflicher Vorsorge im engern Sinn zu fliessen beginnen.
b) Entgegen den Erwägungen der Vorinstanz kann die Austrittsentschädigung bei der Festsetzung der Entlassungsrente gemäss § 23 PKG nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn nämlich die Kantone die Zusprechung der Freizügigkeitsleistung an die negative Voraussetzung knüpfen, dass der Austretende keine Kassenleistungen - insbesondere auch keine Entlassungsrente - bezieht, die Subsidiarität der Freizügigkeitsleistung gegenüber den Leistungen für den Fall der unverschuldeten Nichtwiederwahl oder Entlassung aus Gründen des Bundesrechts seit 1. Januar 1985 jedoch unzulässig ist (E. 4), dann kann die unverändert belassene kantonale Ordnung der Anspruchskonkurrenz nicht so verstanden werden, dass Freizügigkeitsleistung und Entlassungsrente oder Abfindung voll zu kumulieren sind. Vielmehr ist dem Willen des kantonalen Gesetzgebers, innerhalb des vom Bundesrecht gesteckten Rahmens, soweit als möglich, somit in der Weise Rechnung zu tragen, dass die Austrittsentschädigung bei Festsetzung der Entlassungsrente angerechnet wird. Diese Anrechnung ist auch sachlich gerechtfertigt, weil die Kasse mit der Freizügigkeitsleistung ihre Verpflichtungen im Bereich der beruflichen Vorsorge im engern Sinn vollumfänglich erfüllt.
Im vorliegenden Fall kommt dazu, dass § 24 PKG für den gleichgelagerten Fall, welcher sich einzig dadurch unterscheidet, dass das Dienstverhältnis vor Vollendung des 15. Dienstjahres schuldlos aufgelöst wird, die Abfindung vorsieht, wobei der letzte Satz der Bestimmung den Arbeitgeber verpflichtet, der Kasse die Differenz zwischen dieser Abfindung und der Austrittsentschädigung gemäss § 22 PKG zurückzuerstatten. Dies bildet ein klares Indiz gegen die von kantonalem Gericht und Beschwerdegegnerin vertretene volle Kumulierung beider Leistungen. In bezug auf § 23 PKG, welcher nach 15 Dienstjahren bei unverschuldeter Entlassung die Berentung vorsieht, kann es sich, aus Gründen der Gleichstellung, nicht anders verhalten.
c) Als die am 16. Mai 1935 geborene Beschwerdegegnerin auf Ende April 1988 aus der Pensionskasse ausschied, konnte sie noch mit einer Bezugsdauer von 9 Jahren und 1 Monat für die Entlassungsrente rechnen (§ 15 Abs. 1 PKG).
Nach dem Gesagten hat sie sich die an die neue Vorsorgeeinrichtung überwiesene Austrittsentschädigung von Fr. 67'473.40 an die ihr nach § 23 PKG zustehende Entlassungsrente von Fr. 19'053.-- im Jahr anrechnen zu lassen. Dies kann in der Weise geschehen, dass die jährliche
BGE 119 V 135 S. 142
Rente um den auf ein Jahr umgerechneten Wert der Freizügigkeitsleistung (Fr. 67'473.40) : 109 (Rentenbezugszeit in Monaten) x 12 = Fr. 7'428.--) gekürzt wird. Die der Beschwerdegegnerin zustehende Rente gemäss § 23 PKG beläuft sich somit auf Fr. 11'625.-- im Jahr. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fc5393b0-0296-467d-9ea2-4b6fcf73c9c7 | Urteilskopf
141 IV 231
29. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau und X. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_188/2015 vom 30. Juni 2015 | Regeste
Art. 354 Abs. 1 lit. b und
Art. 382 Abs. 1 StPO
; Legitimation der Privatklägerschaft zur Einsprache gegen einen Strafbefehl.
Die Privatklägerschaft ist als weitere Betroffene gemäss
Art. 354 Abs. 1 lit. b StPO
zur Einsprache berechtigt, wenn sie an der Aufhebung oder Änderung des Strafbefehls ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von
Art. 382 Abs. 1 StPO
hat (E. 2.3-2.6). | Sachverhalt
ab Seite 231
BGE 141 IV 231 S. 231
A.
A. stellte am 13. August 2012 bei der Kantonspolizei Aargau Strafantrag gegen X. wegen Tätlichkeiten, konstituierte sich als Strafklägerin und verlangte, zu Einvernahmen und Beweiserhebungen vorgeladen zu werden.
Die Staatsanwaltschaft Baden verurteilte X. mit Strafbefehl vom 18. September 2012 wegen Tätlichkeiten zu einer Busse von 100.-.
B.
A., nun anwaltlich vertreten, erhob gegen den Strafbefehl am 28. September 2012 Einsprache im Schuld-, Straf- und Kostenpunkt. Die Staatsanwaltschaft überwies am 2. Oktober 2012 die Einsprache samt Akten mit dem Antrag auf Verurteilung gemäss Strafbefehl zur Durchführung des Hauptverfahrens an das Bezirksgericht Baden. Dieses verurteilte X. am 22. November 2013 wegen Tätlichkeiten zu einer Busse von Fr. 100.-. Es auferlegte die Verfahrenskosten von Fr. 1'812.- X. und A. je zur Hälfte sowie Letzterer die Kosten für die schriftliche Begründung von Fr. 45.-.
BGE 141 IV 231 S. 232
Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 6. Januar 2015 die Berufung von A. im Kosten- und Entschädigungspunkt ab und trat in der Sache nicht darauf ein. Es hob das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 22. November 2013 auf und fasste es von Amtes wegen neu. Danach wurde auf die Einsprache vom 28. September 2012 gegen den Strafbefehl vom 18. September 2012 nicht eingetreten. Die hälftigen Verfahrenskosten und die Kosten für die schriftliche Begründung wurden A. auferlegt, die restlichen Kosten auf die Staatskasse genommen. Die obergerichtlichen Verfahrenskosten von Fr. 1'015.- auferlegte das Obergericht A. und verpflichtete diese, X. eine Entschädigung von Fr. 978.90 auszurichten.
C.
A. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, verbunden mit der Anordnung, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen. Sie ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
D.
Während das Obergericht sowie die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau auf eine Stellungnahme verzichten, lässt sich X. vernehmen und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.3
Nach
Art. 354 Abs. 1 StPO
sind zur Einsprache gegen einen Strafbefehl namentlich die beschuldigte Person (lit. a) und weitere Betroffene (lit. b) legitimiert. Ein generelles Einspracherecht der Privatklägerschaft ergibt sich aus der Strafprozessordnung nicht. Während die Einsprachemöglichkeit der Privatklägerschaft in Art. 358 Abs. 1 lit. b des Entwurfs vom 21. Oktober 2005 zur Strafprozessordnung (E-StPO; BBl 2006 1389) noch vorgesehen war, wurde sie vom Parlament gestrichen. Die Kommission des Ständerats begründete ihren entsprechenden Antrag mit der angestrebten Verbesserung der Effizienz des Strafbefehlsverfahrens (AB 2006 S 984). Der Bundesrat schloss sich dem Änderungsvorschlag anlässlich der parlamentarischen Beratung mit der Begründung an, die Einsprachemöglichkeit der Privatklägerschaft sei nicht gerechtfertigt, da in Strafbefehlen nicht über Zivilforderungen entschieden werde und nie ein Freispruch erfolge, weshalb sie gar kein Interesse an einer Einsprache haben könne (AB 2006 S 1050). Der Nationalrat stimmte dem
BGE 141 IV 231 S. 233
Beschluss des Ständerats zu (AB 2007 N 1024). Dies schliesst nach Rechtsprechung und Lehre jedoch grundsätzlich nicht aus, dass die Privatklägerschaft gestützt auf die Generalklausel von
Art. 354 Abs. 1 lit. b StPO
dennoch zur Einsprache legitimiert ist, wenn sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Strafbefehls hat (Urteil 4D_62/2013 vom 16. Dezember 2013 E. 2.1; siehe auch
BGE 138 IV 241
E. 2.6 S. 246 mit Hinweisen; JEANNERET/KUHN, Précis de procédure pénale, 2013, N. 17021; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar [nachfolgend: Praxiskommentar], 2. Aufl. 2013, N. 6 zu
Art. 354 StPO
;
derselbe
, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts [nachfolgend: Handbuch], 2. Aufl. 2013, § 84 Rz. 1362 Fn. 44; CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber[Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 5 zu
Art. 354 StPO
; FALLER/REYMOND, Le règlement d'une affaire par la voie de l'ordonnance pénale, Jusletter vom 13. Februar 2012 Rz. 15; RIEDO/FIOLKA, Der Strafbefehl: Netter Vorschlag oder ernste Drohung?, forumpoenale 2011 S. 159). So ist die Privatklägerschaft nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung etwa zur Einsprache legitimiert, wenn ihr in Verletzung von
Art. 433 StPO
im Strafbefehl keine Parteientschädigung zugesprochen wurde (
BGE 139 IV 102
E. 5.2 S. 109 f. mit Hinweisen).
2.4
Vorliegend wendete sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Einsprache in erster Linie gegen die rechtliche Qualifikation des Sachverhalts als Tätlichkeiten anstatt als einfache Körperverletzung. Das Bundesgericht hat sich bisher nicht zur Frage geäussert, ob die Privatklägerschaft, die sich lediglich als Strafklägerin konstituiert und im Strafverfahren keine Zivilansprüche geltend macht, als weitere Betroffene im Schuldpunkt zur Einsprache gegen einen Strafbefehl legitimiert ist. Es stellt sich folglich die Frage, ob sie durch die allenfalls zu milde rechtliche Qualifikation in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen ist. Die Mehrheit der Lehre vertritt die Ansicht, dass die Privatklägerschaft im Schuldpunkt zur Einsprache berechtigt ist, soweit sie eine mögliche Auswirkung der zu milden rechtlichen Qualifikation auf ihre Zivilforderungen, insbesondere die Höhe der Genugtuung, darlegen kann (vgl. GILLIÉRON/KILLIAS, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 3 zu
Art. 354 StPO
; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2013, N. 9 ff. zu
Art. 354 StPO
; FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 11 zu
Art. 354 StPO
; SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 5 zu
BGE 141 IV 231 S. 234
Art. 354 StPO
; JEANNERET/KUHN, a.a.O., N. 17021; MICHAEL DAPHINOFF, Das Strafbefehlsverfahren in der Schweizerischen Strafprozessordnung, 2012, S. 584 f.; MARC THOMMEN, Kurzer Prozess - fairer Prozess?, 2013, S. 112). Gemäss THOMMEN hat die Privatklägerschaft einen persönlichkeitsrechtlichen Anspruch auf Feststellung des angetanen Unrechts, weshalb sie unabhängig von Auswirkungen der rechtlichen Qualifikation auf ihre Zivilforderungen einspracheberechtigt sei. Systematisch ergebe sich die Einspracheberechtigung der Privatklägerschaft auch aus dem Parteibegriff. Als vollwertige Partei geniesse sie volle Rechtsmittellegitimation; so könnte sie gegen den Strafbefehl, der eine Verfügung der Staatsanwaltschaft sei, Beschwerde erheben (a.a.O., S. 112; tendenziell gleicher Meinung SABINE GLESS, Der Strafbefehl, in: Schweizerische Strafprozessordnung und Schweizerische Jugendstrafprozessordnung, Marianne Heer [Hrsg.], 2010, S. 49, wonach Geschädigte und Privatkläger einspruchsberechtigt sind, soweit durch einen Strafbefehl andere als die zivilrechtlichen Kompensationsinteressen beeinträchtigt sind). Eine Minderheit der Autoren erachtet es als sachlich richtig, dass die Privatklägerschaft nicht zur Einsprache legitimiert ist, da der Strafbefehl immer einen Schuldspruch enthalte und darin nie über Zivilforderungen entschieden werde (MICHAEL LEUPOLD, Die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007, Entstehung - Grundzüge - Besonderheiten, BJM 2008 S. 248; ANASTASIA FALKNER, in: Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO] vom 5. Oktober 2007, Goldschmid/Maurer/Sollberger [Hrsg.], 2008,
Art. 354 StPO
). Einigkeit besteht in der Literatur darüber, dass die Privatklägerschaft mangels Rechtsschutzinteresses hinsichtlich der ausgesprochenen Strafe nicht zur Einsprache legitimiert ist, da die Bestrafung allein dem Staat zusteht (THOMMEN, a.a.O., S. 111 f.; DAPHINOFF, a.a.O., S. 584; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, a.a.O., N. 13 zu
Art. 354 StPO
; LAURENT MOREILLON, L'ordonnance pénale: simplification ou artifice?, ZStrR 128/2010 S. 36; vgl. auch
Art. 382 Abs. 2 StPO
).
2.5
Die Privatklägerschaft ist Partei im Strafverfahren (
Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO
). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (
Art. 118 Abs. 1 StPO
). Geschädigt im Sinne von
Art. 118 Abs. 1 StPO
ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (
Art. 115 Abs. 1 StPO
). Der Strafantrag ist der Erklärung nach
Art. 118 Abs. 1 StPO
gleichgestellt (
Art. 118 Abs. 2 StPO
). Die geschädigte Person kann sich gemäss
BGE 141 IV 231 S. 235
Art. 119 Abs. 2 StPO
als Straf- und/oder Zivilklägerin am Strafverfahren beteiligen. Strafkläger ist, wer die Verfolgung und Bestrafung der für die Straftat verantwortlichen Person verlangt (
Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO
), Zivilkläger, wer adhäsionsweise privatrechtliche Ansprüche geltend macht, die aus der Straftat abgeleitet werden (
Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO
). Nimmt die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren nicht an die Hand (
Art. 310 StPO
) oder stellt sie es vollständig oder teilweise ein (
Art. 319 ff. StPO
), können die Parteien die Verfügung mittels Beschwerde anfechten (Art. 310 Abs. 2 i.V.m.
Art. 322 Abs. 2 und
Art. 393 ff. StPO
). Ein das Verfahren ganz oder teilweise abschliessendes Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts kann mittels Berufung weitergezogen werden (
Art. 398 ff. StPO
). Gemäss
Art. 382 Abs. 1 StPO
, der die Legitimation sowohl für die Beschwerde als auch die Berufung regelt, kann jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Abänderung eines Entscheides hat, ein Rechtsmittel ergreifen. Nach Abs. 2 der Bestimmung kann die Privatklägerschaft einen Entscheid hinsichtlich der ausgesprochenen Sanktion nicht anfechten. Das Bundesgericht befasste sich in zwei amtlich publizierten Entscheiden mit der Berufungslegitimation der Privatklägerschaft, die sich einzig als Strafklägerin nach
Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO
konstituiert hatte. Im ersten Urteil entschied das Bundesgericht, das Recht auf Verfolgung sowie Verurteilung des Straftäters gemäss
Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO
begründe, unabhängig von jeglichen Zivilansprüchen und von einem aktuellen Nachteil, das rechtliche Interesse der Privatklägerschaft im Sinne von
Art. 382 Abs. 1 StPO
, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Es genüge, geschädigt zu sein, das heisst eine Person zu sein, deren Rechte durch die Straftat direkt verletzt worden sind. Ein Schaden sei nicht nötig. Ferner hielt das Bundesgericht fest, eine Auslegung der Rechtsmittellegitimation gemäss
Art. 382 Abs. 1 StPO
könne nicht im Lichte von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG vorgenommen werden (
BGE 139 IV 78
E. 3.3.3 f. S. 81 ff.). Im Folgeurteil räumte das Bundesgericht der Privatklägerschaft ein Interesse im Sinne von
Art. 382 Abs. 1 StPO
ein, eine andere rechtliche Qualifikation, insbesondere eine strengere, geltend zu machen, welche geeignet ist, auf die Würdigung der von ihr erlittenen Beeinträchtigung Einfluss zu haben (
BGE 139 IV 84
E. 1.1 S. 86). Damit kann die Privatklägerschaft, unabhängig von der Geltendmachung von Zivilansprüchen, gestützt auf
Art. 382 Abs. 1 StPO
unter anderem Nichtanhandnahmen und Einstellungen mit
BGE 141 IV 231 S. 236
Beschwerde, Freisprüche sowie rechtliche Qualifikationen mittels Berufung anfechten (vgl. zum Rechtsmittel gegen eine implizite teilweise Einstellung:
BGE 138 IV 241
E. 2.6 S. 246 f.; a.A. THOMMEN, a.a.O., S. 112; DAPHINOFF, a.a.O., S. 588).
2.6
Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass die in den parlamentarischen Beratungen vertretene Ansicht, wonach die Privatklägerschaft kein Interesse an der Einsprache gegen einen Strafbefehl haben kann, zu kurz greift (vgl. THOMMEN, a.a.O., S. 111). Obwohl ein Strafbefehl nie einen Freispruch enthält und darin nicht über Zivilforderungen entschieden wird, kann die Privatklägerschaft ein rechtlich geschütztes Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung haben - dies auch unabhängig von allfälligen Zivilforderungen. Es erscheint aufgrund der Systematik der Strafprozessordnung gerechtfertigt, die Privatklägerschaft zur Einsprache gegen einen Strafbefehl zuzulassen, wenn sie in einer analogen Situation gemäss
Art. 382 Abs. 1 StPO
legitimiert wäre, ein Rechtsmittel zu erheben (vgl. Entscheid des Kantonsgerichts Waadt vom 6. Juni 2011 E. 1a [Décision/2011/218];SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 6 zu
Art. 354 StPO
;
derselbe
, Handbuch, a.a.O., § 84 Rz. 1362 Fn. 44; SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 5 zu
Art. 354 StPO
; RIKLIN, a.a.O., N. 11 zu
Art. 354 StPO
). Würde man anders entscheiden, wäre diejenige Privatklägerschaft, die Geschädigte eines Delikts ist, das im Strafbefehlsverfahren beurteilt werden kann (vgl.
Art. 352 StPO
), benachteiligt gegenüber einem Straf- und/oder Zivilkläger, der an einem ordentlichen Verfahren beteiligt ist. Während Erstere sich mit dem Strafbefehl abfinden müsste, könnte Letzterer zumindest an die zweite kantonale Instanz und allenfalls sogar - unter den Voraussetzungen von Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 5 BGG - an das Bundesgericht gelangen. | null | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fc5af1b6-4ae0-4d1b-8806-ddbe3da1e414 | Urteilskopf
116 III 62
14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. November 1990 i.S. A. G. gegen D. G. (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 80 SchKG
; Rechtsöffnung für Scheidungsrenten; Indexklausel.
Ist die Erhöhung einer Scheidungsrente entsprechend dem Lebenskostenindex an die Voraussetzung geknüpft worden, dass sich das Einkommen des Pflichtigen dem Anstieg der Lebenshaltungskosten anpasst, so fragt sich nur, ob sich sein Einkommen insgesamt entsprechend der Teuerung erhöht hat. Es ist willkürlich, nur die in Form von Teuerungszulagen erfolgten Lohnerhöhungen zu berücksichtigen, die Reallohnerhöhungen aber ausser acht zu lassen. | Sachverhalt
ab Seite 62
BGE 116 III 62 S. 62
A.-
Am 4. Mai 1981 schied das Zivilamtsgericht von Courtelary die Ehe von D. und A. G. Hinsichtlich des Unterhaltsbeitrages erhoben beide Parteien Berufung an den Appellationshof des Kantons Bern. Mit Urteil vom 18. November 1981 genehmigte dieser die von den Parteien anlässlich der Gerichtsverhandlung geschlossene Scheidungskonvention. Darin wurde der von D. G. an seine geschiedene Ehegattin zu bezahlende Unterhaltsbeitrag neu wie folgt festgelegt:
BGE 116 III 62 S. 63
"Der Kläger wird der Beklagten eine monatliche Rente von Fr. 400.--
bezahlen, bis diese in den Genuss der AHV-Rente gelangt. Diese Rente ist
an den schweizerischen Index der Konsumentenpreise gebunden (Index Oktober
1981: 117,5 Punkte) in dem Masse, in welchem das Gehalt des Klägers dem
Anstieg der Lebenshaltungskosten angepasst wird."
(Originalsprache französisch.)
B.-
D. G. kam seiner Unterhaltspflicht grundsätzlich nach, passte die Unterhaltszahlungen jedoch nicht der Teuerung an. Am 23. Januar 1990 betrieb ihn seine geschiedene Ehefrau daher für die teuerungsbedingten Rentenerhöhungen von Dezember 1984 bis Januar 1990 im Gesamtbetrag von Fr. 3'888.-- nebst Zins zu 5% seit dem 23. Januar 1990. D. G. erhob Rechtsvorschlag. Am 21. Februar 1990 reichte die geschiedene Ehegattin ein Rechtsöffnungsgesuch für den in Betreibung gesetzten Betrag ein. Der Gerichtspräsident I von Biel gewährte mit Entscheid vom 11. Juni 1990 die definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 1'619.10 nebst Zins.
Gegen diesen Entscheid reichte die geschiedene Ehegattin beim Appellationshof des Kantons Bern Nichtigkeitsklage ein, die am 13. August 1990 abgewiesen wurde.
C.-
Gegen den Entscheid des Appellationshofes wendet sich die geschiedene Ehegattin mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. In der Betreibung Nr. 43 135 des Betreibungsamtes Biel sei ihr für den ganzen in Betreibung gesetzten Betrag die definitive Rechtsöffnung zu erteilen.
D. G. beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die Möglichkeit, Scheidungsrenten gegen den Willen des Pflichtigen zu indexieren, ist seit
BGE 100 II 245
anerkannt. Diese Rechtsprechung wird damit begründet, dass dem Unterhaltsbeitrag nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB
Sachleistungscharakter zukomme, der im wenigstens teilweisen Ersatz des entgangenen Unterhaltsanspruches bestehe. Durch eine starke Geldentwertung werde die Sachleistung aber innerlich ausgehöhlt. Werde die Rente mit einer Indexklausel versehen, so bedeute das nur eine nominale Veränderung, materiell werde die Rente lediglich wertbeständig gestaltet und damit in ihrer Substanz erhalten. So betrachtet liege in der Indexierung kein Verstoss gegen
Art. 153 Abs. 2 ZGB
. Diese Bestimmung behalte ihre Bedeutung, indem eine reale Änderung
BGE 116 III 62 S. 64
in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten nicht zu einer Erhöhung der Rente führen dürfe. Voraussetzung für die Aufnahme einer Indexklausel sei aber die bestimmte Voraussicht, dass auch das Einkommen des Pflichtigen laufend der Teuerung angepasst werde. Gestützt auf diese Rechtsprechung wurde auch die nachträgliche Indexierung der Rente zugelassen (
BGE 105 II 170
f.;
BGE 115 II 312
).
a) Die Indexklausel im Scheidungsurteil der Parteien vom 18. November 1981 bindet die Scheidungsrente klar an den schweizerischen Index der Konsumentenpreise. Im Nachsatz wird die Rentenerhöhung allerdings von einer entsprechenden Anpassung des Erwerbseinkommens des Beschwerdegegners an die gesteigerten Lebenshaltungskosten abhängig gemacht. Solche Zusatzklauseln haben in den vergangenen Jahren in verschiedener Form Eingang in die kantonale Rechtsprechung gefunden (BJM 1975, S. 191 und 315; ZR 74/1975, S. 175 f.). Mit ihnen soll gewährleistet werden, dass der Pflichtige tatsächlich nur im Gleichschritt zu seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nominal höhere Beiträge zu entrichten hat.
b) Im vorliegenden Fall ist der kantonale Rechtsöffnungsrichter der Auffassung des Beschwerdegegners gefolgt, wonach nur solche Lohnerhöhungen zu berücksichtigen seien, die vom Arbeitgeber als Teuerungsausgleich bezeichnet worden seien. Für Reallohnerhöhungen seien keine nominal höheren Unterhaltsleistungen zu erbringen.
Diese Auffassung ist nicht haltbar. Der Wortlaut der fraglichen Indexklausel enthält keinerlei Hinweis darauf, dass nur teuerungsbedingte Lohnerhöhungen zu einer Anpassung der Rente führen sollen. Die Bestimmung knüpft eine solche Anpassung nur an die Voraussetzung, dass sich das Einkommen des Beschwerdegegners dem Anstieg der Lebenshaltungskosten anpasst. Die Auslegung, wie sie von den kantonalen Behörden vorgenommen wurde, widerspricht daher klar dem Sinn und Zweck der Indexklausel. Diese soll, wie bereits dargelegt, gewährleisten, dass die zugesprochene Scheidungsrente als Sachleistung ihre Kaufkraft behält (
BGE 100 II 252
f.,
BGE 105 II 170
f.). Entscheidend ist daher allein, ob das Einkommen des Pflichtigen als Ganzes mit der Teuerung Schritt gehalten hat. Trifft dies zu, so ist in jedem Fall sichergestellt, dass die Indexierung der Rente wertmässig keine Vergrösserung seiner Leistung bewirkt. In diesem Sinne hat das Bundesgericht in
BGE 115 II 314
ausdrücklich festgehalten, in bezug auf die
BGE 116 III 62 S. 65
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Rentenverpflichteten sei einzig von Belang, ob und in welchem Masse diese mit der Teuerung Schritt gehalten habe. Die Anpassung der Rente erfolgte daher ohne Rücksicht auf die Umstände, welche die Einkommenserhöhung bewirkt hatten.
Wie die Beschwerdeführerin mit Recht ausführt, kann somit nicht entscheidend sein, ob die Einkommenserhöhung des Pflichtigen auf eine nominale oder reale Anpassung zurückgeht. Um so weniger kann es im Verhältnis zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens darauf ankommen, wie diese Anpassung von den Sozialpartnern bezeichnet worden ist. Dies hat der Rechtsöffnungsrichter verkannt. Entgegen dem klaren Sinn der vom Bundesgericht zugelassenen Indexierung der Scheidungsrente hat er zwischen (angeblich) realer und nominaler Einkommenserhöhung des Pflichtigen unterschieden. Damit hat er auf ein unmassgebliches Kriterium abgestellt. Sein Entscheid verstösst deshalb gegen
Art. 4 BV
und ist demzufolge vom Appellationshof zu Unrecht geschützt worden.
c) Nach der Rechtsprechung muss eine Indexklausel zudem möglichst einfach und klar abgefasst sein, um Schwierigkeiten bei der Eintreibung zu vermeiden (
BGE 100 II 255
; ZR 1975, S. 191). Darauf hat der Appellationshof des Kantons Bern in seinen Richtlinien für die Indexierung von periodischen Leistungen in familienrechtlichen Urteilen vom 12. Juni 1975 selber hingewiesen und empfohlen, von der Aufnahme einer Bestimmung, welche die Anpassung der Rente für den Fall regle, dass der Beitragspflichtige - entgegen der Erwartung - nicht oder nicht den vollen Teuerungsausgleich erhalte, solle abgesehen werden (ZBJV 111/1975, S. 347-349).
Diese Richtlinien hat der Appellationshof bei der Genehmigung der strittigen Indexklausel im Scheidungsurteil vom 18. November 1981 nicht berücksichtigt. Daran lässt sich im Rechtsöffnungsverfahren allerdings nichts ändern. Bei der Auslegung der Indexklausel ist jedoch darauf zu achten, dass die Anpassung der Rente an die gestiegenen Lebenshaltungskosten möglichst einfach vorgenommen werden kann. Auch diesem Umstand trägt der angefochtene Entscheid keine Rechnung. Der Entscheid des Rechtsöffnungsrichters führt nämlich zu einer erheblichen Komplizierung des Rechtsöffnungsverfahrens. Danach wäre nicht nur zu prüfen, ob die Teuerung angestiegen ist und inwiefern sich das Einkommen des Pflichtigen verändert hat, sondern auch, unter welchem
BGE 116 III 62 S. 66
Titel der Pflichtige Lohnerhöhungen erhalten hat. Wie der vorliegende Fall zeigt, erfordert dies Abklärungen, für die sich das Rechtsöffnungsverfahren wegen seines summarischen Charakters nicht eignet. | null | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
fc5c2f73-3174-4e53-983b-104645092ac3 | Urteilskopf
89 II 185
27. Arrêt de la He Cour civile du 21 juln 1963 dans la cause John Archinard et Netty Amblet-Archinard contre Etat de Genève, Charles Flohr et consorts. | Regeste
1. Die von
Art. 50 OG
ins Auge gefassten Zwischenentscheide, die nicht sogleich angefochten wurwurden, können noch in einer gegen den Endentscheid eingelegten Berufung beanstandet werden, selbst wenn sie Gegenstand einer selbständigen Berufung hätten bilden können (Erw. 1).
2.
Art. 635 Abs. 2 ZGB
untersagt dem Zessionar eines Erbannteils nicht, auf Seite des Zedenten an dessen Rechtsstreit mit den Miterben als Intervenient teilzunehmen (Erw. 2).
3. Nach
Art. 512 ZGB
brauchen die Beurkundungszeugen nicht zu bescheinigen, dass der Erblasser die Urkunde vor ihnen unterzeichnet habe; die Bescheinigung dieser Tatsache durch den Urkundsbeamten genügt (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 185
BGE 89 II 185 S. 185
A.-
Marguerite-Jeanne-Fanny Archinard et sa soeur Jeanne-Alice Archinard se sont instituées réciproquement héritières aux termes d'un pacte successoral reçu le 13 octobre 1933 par le notaire Ernest-Léon Martin, à Genève. Au décès de la seconde d'entre elles, le reste de la fortune des deux soeurs devait être attribué à leurs huit neveux et nièces, enfants de leurs trois frères, ainsi qu'aux
BGE 89 II 185 S. 186
enfants du premier mariage de la femme de leur frère Marc: Charles et Albert Flohr. Les dix héritiers ainsi substitués devaient succéder par tête, chacun recevant un dixième du patrimoine de la défunte. En cas de prédécès de l'un d'eux, il serait représenté par ses descendants; s'il n'en avait pas, sa part accroîtrait celle des autres héritiers.
Jeanne-Alice Archinard est décédée le 3 juin 1954. Sa soeur, Marguerite-Jeanne-Fanny est décédée le 9 août 1959. Deux nièces, instituées comme héritières, étaient prédécédées, l'une sans descendant, l'autre en laissant quatre enfants. Ceux-ci ont droit chacun à un trente-sixième de la succession, tandis que les huit autres héritiers doivent en recevoir chacun un neuvième.
L'actif successoral comprend des meubles estimés à 31 000 fr. et un immeuble appelé "Le Jonc", au Grand-Saconnex, estimé fiscalement à 423 000 fr.
B.-
Par exploit du 25 mai 1960, une partie des héritiers, à savoir Charles et Albert Flohr, Henri Archinard, Carlotte Du Pasquier-Archinard, représentée par son mari Pierre Du Pasquier, Jean-Louis Archinard, Paule Corthay-Archinard, et les quatre enfants de feu Juliette Leroy-Archinard, qui sont Anne Herren-Leroy, représentée par son mari André Herren, Jean Leroy, Françoise Leroy et Yves Leroy, ces deux derniers représentés par leur père Robert Leroy, agissant conjointement et solidairement, intentèrent une action en partage aux deux autres héritiers, Netty Amblet-Archinard, représentée par son mari Edmond Amblet, et John Archinard.
Les défendeurs conclurent à libération des fins de la demande et, reconventionnellement, à la nullité du pacte successoral du 13 octobre 1933, pour vice de forme.
C.-
Le 2 novembre 1960, les demandeurs cédèrent leurs droits sur l'immeuble successoral, pour le prix de 902 000 fr., à la société coopérative "Les Ailes", qui céda à son tour les mêmes droits, au même prix, à l'Etat de Genève.
BGE 89 II 185 S. 187
D.-
A l'audience du 15 novembre 1960, l'Etat de Genève déclara intervenir au procès pour soutenir les conclusions en partage des demandeurs et résister avec eux aux conclusions reconventionnelles en nullité du pacte successoral prises par les défendeurs. Les demandeurs admirent l'intervention, tandis que les défendeurs s'y opposèrent.
Statuant en seconde instance sur l'incidentle 28 novembre 1961, la Cour de justice de Genève déclara l'intervention recevable. Elle considéra, d'une part, que la procédure cantonale permettait à l'Etat de Genève d'intervenir au procès; d'autre part, que l'
art. 635 al. 2 CC
n'empêchait pas le tiers cessionnaire d'une part héréditaire de faire une intervention accessoire et conservatoire en se bornant à appuyer les conclusions de l'une des parties principales; qu'en l'espèce, l'Etat de Genève avait un intérêt évident à contester la nullité du pacte successoral puisque, si elle était admise, la part qui lui avait été cédée serait moindre.
E.-
Le 27 mars 1962, le Tribunal de première instance de Genève admit la validité du pacte successoral et débouta les défendeurs de leurs conclusions reconventionnelles. Considérant que ceux-ci n'étaient pas fondés à s'opposer au partage, il commit trois experts avec la mission d'examiner l'immeuble compris dans la succession de Marguerite-Jeanne-Fanny Archinard, dire s'il est partageable et, dans l'affirmative, former des lots.
Saisie d'un appel des défendeurs, la Cour de justice le rejeta dans sa séance du 22 janvier 1963.
F.-
John Archinard et Netty Amblet-Archinard recourent en réforme contre les deux arrêts rendus par la Cour de justice genevoise les 28 novembre 1961 et 22 janvier 1963. Sans s'opposer au partage de la succession, ils concluent derechef à l'irrecevabilité de l'intervention de l'Etat de Genève et à la nullité du pacte successoral du 13 octobre 1933.
Les intimés, à savoir l'Etat de Genève, d'une part, Charles Flohr et consorts, d'autre part, concluent au rejet
BGE 89 II 185 S. 188
du recours et à la confirmation des deux arrêts attaqués. Les seconds soutiennent en outre que le recours est irrecevable en tant qu'il critique l'arrêt du 28 novembre 1961 admettant l'intervention de l'Etat de Genève.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Aux termes de l'
art. 48 al. 3 OJ
, le recours dirigé contre la décision finale se rapporte aussi à celles qui l'ont précédée. Il en va ainsi même pour les prononcés incidents qui auraient pu être déférés au Tribunal fédéral séparément du fond conformément à l'
art. 50 OJ
. Lors même que les conditions prévues par cette disposition sont réunies, la partie n'est pas obligée de former immédiatement un recours. Pareille obligation n'est imposée par la loi que pour les décisions incidentes relatives à la compétence (cf. art 49 et 48 al. 3, 2e phrase, OJ). En revanche, les autres prononcés incidents peuvent encore être attaqués avec la décision finale, à moins qu'ils ne l'aient été immédiatement et que le Tribunal fédéral n'ait déjà statué à leur endroit (art. 48 al. 3 in fine OJ; RO 78 II 272, consid. 1).
En l'espèce, il n'est pas nécessaire d'examiner si l'arrêt rendu par la Cour de justice le 28 novembre 1961 pouvait être déféré séparément au Tribunal fédéral, selon l'
art. 50 OJ
. Du moment qu'il n'a pas été attaqué alors, il peut l'être en même temps que la décision finale du 22 janvier 1963. Les conclusions du recours dirigées contre le premier arrêt sont donc recevables.
Quant à l'arrêt du 22 janvier 1963, confirmant le jugement de première instance du 27 mars 1962, les recourants ne le critiquent pas dans la mesure où il admet que la succession doit être partagée et ordonne une expertise préparatoire. Ils s'en prennent seulement au rejet de leurs conclusions reconventionnelles, qui tendent à faire prononcer la nullité du pacte successoral. A cet égard en tout cas, l'arrêt précité est une décision finale. Aussi le recours est-il recevable, en vertu de l'
art. 48 al. 1 OJ
.
2.
Les recourants s'opposent à l'intervention de l'Etat
BGE 89 II 185 S. 189
de Genève dans le procès en partage. La Cour de justice a résolu définitivement la question du point de vue de la procédure genevoise. Ayant pris part au procès devant la dernière autorité cantonale, l'Etat de Genève a le droit de résister au recours en réforme devant le Tribunal fédéral (
art. 53 OJ
). Il reste à examiner si son intervention viole le droit fédéral (
art. 43 OJ
).
Selon l'
art. 635 al. 2 CC
, les conventions sur parts héréditaires passées entre un cohéritier et un tiers "ne donnent à celui-ci aucun droit d'intervenir dans le partage". Cette règle découle de l'incessibilité de la qualité d'héritier. Elle rappelle que le tiers, même cessionnaire, n'acquiert aucun droit dans la succession et ne saurait par conséquent faire valoir des prétentions propres dans le partage. Mais elle n'interdit pas à l'acquéreur d'une part successorale de participer aux côtés du cédant aux discussions que celui-ci mène avec ses cohéritiers ni, le cas échéant, aux procès qu'il conduit contre eux. Le tiers a la faculté de représenter le cédant (RO 87 II 224). Il peut à fortiori agir avec lui pour soutenir ses prétentions et, en cas de procès, ses conclusions.
En l'espèce, l'Etat de Genève n'a pas pris de conclusions propres et n'était pas habile à en prendre. Il s'est borné à appuyer les conclusions des héritiers cédants. Dans cette limite, son intervention n'est pas contraire au droit fédéral. Le recours est dès lors mal fondé sur ce point.
3.
A l'appui de leurs conclusions en nullité du pacte successoral du 13 octobre 1933, les recourants soutiennent que l'acte est entaché d'un vice de forme parce que les deux témoins instrumentaires n'ont pas certifié que les disposantes l'ont signé en leur présence. Seul le notaire qui a reçu l'acte a donné cette attestation.
L'
art. 512 CC
soumet le pacte successoral à la forme du testament public et ajoute, à son second alinéa, que "les parties contractantes déclarent simultanément leur volonté à l'officier public; elles signent l'acte par devant lui et en présence de deux témoins". La jurisprudence a précisé que
BGE 89 II 185 S. 190
les contractants doivent apposer leur signature en présence des trois personnes précitées (RO 76 II 277). Conformément à l'
art. 501 al. 2 CC
, l'attestation signée des témoins doit porter sur les trois points suivants: 1o le disposant a déclaré en leur présence qu'il avait lu le pacte successoral et 2o que celui-ci renfermait ses dernières volontés; 3o il leur a paru capable de disposer. En revanche, la loi n'exige pas expressément que les témoins certifient en outre que les contractants ont signé le pacte en leur présence. Sans doute pareille exigence se déduirait-elle logiquement de l'
art. 501 al. 2 CC
, en considérant que, dans la confection du testament public, les témoins instrumentaires doivent certifier toutes les opérations qui se déroulent sous leurs yeux. Toutefois, on peut soutenir aussi que leur attestation ne s'étend pas obligatoirement à toutes les conditions de forme exigées par la loi, mais seulement aux plus importantes. Pour les autres, le constat de l'officier public qui a reçu l'acte suffirait. L'examen du texte légal ne procure donc pas à lui seul une solution sûre.
Contrairement à l'avis des recourants, l'
art. 499 CC
n'apporte aucun appui à leur thèse. Il dispose en effet que le testament public est reçu par un notaire, "avec le concours de deux témoins". Or ceux-ci ne prêtent pas nécessairement leur concours à toutes les formalités requises pour confectionner la disposition à cause de mort. De même, les recourants invoquent en vain l'opinion des commentateurs. ESCHER (n. 10 ad
art. 512 CC
) se borne à dire que l'
art. 512 al. 2 CC
requiert la présence des témoins déjà lors de la signature du pacte successoral et pas seulement après celle-ci (à la différence de l'
art. 501 CC
). Il ne prétend pas que les témoins devraient attester eux-mêmes leur présence au moment de la signature. TUOR ne se prononce pas non plus en faveur d'une pareille exigence, ni dans la Fiche juridique suisse no 495, ni dans son commentaire (n. 10 ad
art. 512 CC
). Certes, il donne en exemple une formule qui inclut l'attestation précitée. Mais il s'empresse d'ajouter, dans une parenthèse, qu'on peut
BGE 89 II 185 S. 191
s'en dispenser. On ne saurait en effet aggraver les conditions de forme posées par la loi en exigeant un certificat supplémentaire qui n'est pas nécessaire pour atteindre le but visé (cf. RO 53 II 442;
50 II 118
).
L'interprétation restrictive des dispositions légales relatives à la forme des pactes successoraux résulte de l'
art. 11 al. 1 CO
, applicable en vertu du renvoi de l'
art. 7 CC
. Elle est aussi conforme à la favor testamenti, qui incline à choisir, entre deux solutions possibles, la plus favorable au maintien de l'acte. Il est vrai que ce principe concerne en premier lieu l'interprétation des dispositions pour cause de mort elles-mêmes. Il s'applique aussi, cependant, aux règles concernant la forme de ces dispositions (cf. ESCHER, rem. prél. 21 ad titre XIV CC et n. 6 ad
art. 512 CC
; TUOR, rem. prél. 16 ad art. 481 ss. CC et n. 1 ad
art. 512 CC
).
En l'espèce, les recourants ne contestent pas que les contractantes ont apposé leur signature en présence du notaire et des deux témoins, comme elles le déclarent elles-mêmes dans le pacte qu'elles ont souscrit. Le notaire l'a certifié sous sa signature. Son attestation suffit pour que les conditions de forme requises à cet égard par les
art. 501 et 512 CC
soient respectées.
4.
La Cour cantonale n'a pas violé non plus les règles fédérales sur le fardeau de la preuve. Il ressort en effet du pacte successoral lui-même qu'il a été signé par les deux disposantes en présence des deux témoins instrumentaires. Comme il s'agit d'un acte authentique, c'est aux recourants qu'il incombait de prouver l'inexactitude éventuelle du fait ainsi constaté (
art. 9 CC
). Or ils n'ont pas offert cette preuve. La constatation visée est dès lors définitive (
art. 63 al. 2 OJ
).
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
rejette le recours et confirme les arrêts rendus par la Deuxième Chambre de la Cour de justice du canton de Genève les 28 novembre 1961 et 22 janvier 1963. | public_law | nan | fr | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fc5d8380-9620-4a0d-8b97-8de64bf8b979 | Urteilskopf
115 IV 239
52. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Dezember 1989 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen O. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 26 Abs. 2 SVG
;
Art. 117 StGB
; Vertrauensgrundsatz.
Nur besondere Umstände können, wegen der gegenüber den in
Art. 26 Abs. 2 SVG
aufgezählten Personen gebotenen besonderen Vorsicht, ein allenfalls begrenztes Vertrauen in das verkehrsregelkonforme Verhalten dieser Strassenbenützer begründen. | Sachverhalt
ab Seite 239
BGE 115 IV 239 S. 239
O. näherte sich am 8. Juli 1987 um 08.20 Uhr mit seinem Motorrad der Strassenverzweigung Weiacher-/Dorfstrasse in Pfungen; dabei bemerkte er auf der linken Strassenseite die Fussgängerin K., welche sich anschickte, die Strasse zu überqueren. O. rechnete damit, noch vor der Fussgängerin durchfahren zu können. Plötzlich beschleunigte diese ihre Schritte und begann richtig loszurennen, worauf es trotz sofortiger Vollbremsung von O. zu einer Streifkollision mit der Fussgängerin mit für diese tödlichen Folgen kam.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Besondere Vorsicht im Strassenverkehr ist gemäss
Art. 26 Abs. 2 SVG
gegenüber Kindern, gebrechlichen und alten Leuten geboten, ebenso wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein
BGE 115 IV 239 S. 240
Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird. Die gegenüber den erwähnten Personen vorgeschriebene besondere Vorsicht hat zur Folge, dass in diesen Fällen eine Berufung auf das Vertrauensprinzip grundsätzlich selbst dann versagt, wenn keine konkreten Anzeichen vorliegen, dass sich ein Kind, eine gebrechliche oder alte Person unkorrekt verhalten würden (
BGE 104 IV 31
E. c, RAPHAEL VON WERRA, Du principe de la confiance dans le droit de la circulation routière) ..., ZWR 4/1970, S. 200). Diese Ausnahme von der Regel, wonach der Fahrzeugführer grundsätzlich nur dann zu besonderen Vorsichtsmassnahmen verpflichtet ist, wenn konkrete Anzeichen ein Fehlverhalten des Fussgängers nahelegen, kann jedoch nicht so weit gehen, dass der Führer beispielsweise angesichts eines Kindes in jedem Fall seine Fahrt verlangsamen und Hupsignale geben müsste; dies ist zumindest innerorts unter anderem nur geboten, wenn das Kind sich auf der Fahrbahn oder am Strassenrand befindet, nicht aber wo es auf dem Trottoir ruhig seines Weges geht (
BGE 112 IV 87
f.). Nach RENE SCHAFFHAUSER (Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band 1, S. 118, N. 314) bedarf es gegenüber den im Gesetz aufgezählten Personen umgekehrt besonderer Umstände, um ein allenfalls begrenztes Vertrauen in das ordnungsgemässe Verhalten dieser Strassenbenützer zu rechtfertigen.
Die Vorinstanz verletzte Bundesrecht, wenn sie zum Schluss gelangte, dem Beschwerdegegner könne, da sich die Fussgängerin zunächst in normaler, ja eher langsamer Weise angeschickt habe, die Strasse zu überschreiten - auch wenn unterstellt werde, er habe die Fussgängerin sofort als alte Frau erkannt oder erkennen müssen -, keine pflichtwidrige Unvorsichtigkeit angelastet werden. Nach dem vorstehend Gesagten traf den Beschwerdegegner - vorausgesetzt, er konnte feststellen, dass es sich bei der Fussgängerin um eine alte Frau handle - eine besondere Vorsichtspflicht, unabhängig davon, ob Anzeichen für ein Fehlverhalten der Fussgängerin vorlagen oder nicht. Er durfte aus diesem Grund nicht einfach darauf vertrauen, die Fussgängerin werde die Strasse in gleichbleibendem Tempo überqueren und nach Überqueren der linken Strassenhälfte bei der dortigen Sicherheitslinie anhalten. Wenn der Beschwerdegegner daher nicht ein Warnzeichen gab und/oder so rechtzeitig ein Bremsmanöver einleitete, dass er bei einem schnellen Überqueren auch der rechten Fahrbahn durch die Fussgängerin noch vor ihr anhalten oder links an ihr vorbeifahren konnte, ohne sie zu streifen und zu Fall zu bringen, verletzte er,
BGE 115 IV 239 S. 241
wenn die genannte Voraussetzung erfüllt ist und keine besonderen Umstände vorlagen - seine Sorgfaltspflichten.
Das Obergericht Zürich spricht in seinem Urteil nur davon, auch wenn dem Beschwerdegegner "unterstellt" werde, er habe die Fussgängerin sofort als alte Frau erkannt oder erkennen müssen, habe er nicht pflichtwidrig unvorsichtig gehandelt. Damit scheint es die Frage, ob dies rechtsgenüglich erwiesen sei oder nicht, offen zu lassen. Jedenfalls fehlt in dieser Hinsicht eine genügend klare tatsächliche Feststellung, die dem Bundesgericht eine abschliessende Prüfung der Gesetzesanwendung erlauben würde. Dies ist auch in bezug auf allfällige besondere Umstände der Fall, die ein allenfalls begrenztes Vertrauen in das ordnungsgemässe Verhalten der Fussgängerin rechtfertigten. Der angefochtene Entscheid ist daher gemäss
Art. 277 BStP
aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung im Sinne der vorstehenden Erwägungen zurückzuweisen. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fc650b77-33a9-458c-96e5-a5bb0279d480 | Urteilskopf
110 Ib 246
41. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 22 juin 1984 dans la cause Nestlé S.A. contre Commission cantonale de recours en matière d'impôt du canton de Vaud (recours de droit administratif) | Regeste
Verordnung über die pauschale Steueranrechnung.
1. Für die Besteuerung von Dividenden aus Beteiligungen ist der Holdingabzug nach
Art. 59 BdBSt
nicht mit der pauschalen Steueranrechnung zu kumulieren: grundsätzlich gelangt ausschliesslich der Holdingabzug zur Anwendung, dazu für den Fall, dass die pauschale Steueranrechnung für den Empfänger der Dividenden günstiger wäre, die durch Art. 5 Abs. 3 der Verordnung vorgesehene besondere Vergütung (Erw. 2).
2. Gesetzmässigkeit der Verordnung. Das durch die Verordnung festgelegte System von Ermässigungen geht nicht über den weiten, durch Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 22. Juni 1951 über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eröffneten Delegationsrahmen hinaus; da es ermöglicht, tatsächliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, steht es auch im Einklang mit den entsprechenden internationalen Abkommen (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 247
BGE 110 Ib 246 S. 247
Invoquant l'art. 5 al. 3 de l'arrêté du Conseil fédéral du 22 août 1967 concernant l'application du dégrèvement pour impôts étrangers prévu dans les conventions de la Confédération en vue d'éviter les doubles impositions (dénommé actuellement: ordonnance relative à l'imputation forfaitaire d'impôt; RS 672.201; ci-après: l'ordonnance), Nestlé S.A. a demandé le remboursement de la somme de X francs, à titre d'imputation forfaitaire d'impôts étrangers sur les dividendes de participation encaissés par la société en 1975 et 1976, soit pendant les années de calcul pour la 19e période de l'impôt pour la défense nationale (dénommé actuellement: impôt fédéral direct). L'Office cantonal vaudois de l'impôt anticipé a écarté la requête pour le motif que la réduction fiscale accordée en application de l'art. 59 AIN (aujourd'hui: AIFD) était supérieure aux impôts étrangers à imputer et qu'il n'y avait donc pas lieu d'accorder un autre dégrèvement.
Le 17 juin 1983, la Commission cantonale vaudoise de recours en matière d'impôt a rejeté le recours formé par Nestlé S.A. contre cette décision.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, Nestlé S.A. requiert le Tribunal fédéral de constater qu'elle a droit au remboursement total de la somme réclamée au titre de l'imputation forfaitaire d'impôts étrangers à la source sur les dividendes de participation encaissés en 1975 et 1976.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
BGE 110 Ib 246 S. 248
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Les conventions conclues par la Suisse en vue d'éviter les doubles impositions en matière d'impôts sur le revenu consacrent, en ce qui concerne particulièrement les dividendes, le principe du partage du droit à l'imposition entre les Etats contractants. Selon ce principe, l'Etat de la source peut percevoir un impôt réduit à un pourcentage déterminé du montant brut des dividendes qu'un résident de Suisse perçoit dans cet Etat. Il incombe ensuite à l'Etat de résidence du bénéficiaire - en l'occurrence la Suisse - d'éviter une double imposition en consentant un dégrèvement des impôts suisses (HÖHN, Steuerrecht, 3e éd. par. 38/V; RYSER, Introduction au droit fiscal international de la Suisse, p. 141, No 97; CONSTANTIN, L'imputation d'impôts étrangers, RDAF 1968, p. 275 et 278).
Pour satisfaire à ces obligations conventionnelles et en vertu de la délégation de compétence prévue par l'arrêté fédéral du 22 juin 1951 concernant l'exécution des conventions de doubles impositions (RS 672.2), le Conseil fédéral a fixé les dispositions d'exécution nécessaires dans l'ordonnance du 22 août 1967. Renonçant à la méthode - généralement appliquée dans le cadre des conventions suisses de double imposition comme en matière intercantonale, mais inadéquate pour l'imposition des dividendes, intérêts et redevances - de l'exemption avec progressivité, la Suisse a institué un système d'imputation limitée, dit d'imputation forfaitaire d'impôt, qui tend à éliminer uniquement une double imposition effective (RYSER, op.cit., p. 180/181, Nos 130 ss). Selon ce système, le bénéficiaire, résident de Suisse, de revenus sur lesquels l'Etat de la source perçoit un impôt réduit non récupérable, peut demander (art. 13 de l'ordonnance) que la Suisse dégrève l'impôt qu'elle prélève sur ces mêmes revenus d'un montant égal à l'impôt effectivement payé dans l'Etat de la source (art. 1er al. 2 de l'ordonnance; RYSER, op.cit., p. 178 ss, Nos 129 ss; CONSTANTIN, op.cit., p. 276 ss). Il résulte de ce système qu'il ne peut y avoir imputation forfaitaire d'impôt que lorsque le bénéficiaire des dividendes provenant de l'Etat étranger acquitte effectivement en Suisse un impôt sur lequel l'impôt étranger peut être imputé (RYSER, op.cit., p. 180, No 130; CONSTANTIN, op.cit., p. 277). L'imputation de l'impôt étranger ne peut donc, logiquement, être demandée que si les dividendes en cause sont imposés, au titre de l'impôt sur le revenu, par la
BGE 110 Ib 246 S. 249
Confédération, le canton ou la commune (art. 3 al. 1 de l'ordonnance).
Lorsque ces dividendes ne sont soumis qu'au seul impôt fédéral direct, l'imputation forfaitaire ne peut être demandée que pour le tiers des impôts perçus à l'étranger, en vertu des art. 3 al. 2 et 12 al. 2 de l'ordonnance. S'agissant toutefois de dividendes provenant de participations, l'art. 5 de l'ordonnance institue un régime particulier, qui tient compte de ce que ces dividendes bénéficient déjà de la réduction spéciale - dite réduction holding - prévue à l'
art. 59 AIFD
. C'est ainsi que, selon l'art. 5 al. 1 de l'ordonnance, ces dividendes ne sont pas considérés, pour l'application de l'ordonnance, comme revenus imposés, la conséquence de cette règle étant l'exclusion de l'imputation forfaitaire (conformément à l'art. 3 al. 1 de l'ordonnance).
b) En l'espèce, il n'est pas contesté que les dividendes de participations de Nestlé S.A. ne sont soumis qu'à l'impôt fédéral direct et qu'ils ont donné lieu à la réduction spéciale prévue par l'
art. 59 AIFD
. N'étant dès lors pas considérés comme revenus imposés (art. 5 al. 1), ils ne peuvent en principe pas bénéficier de l'imputation forfaitaire (art. 3 al. 1 de l'ordonnance). Cependant, la recourante prétend devoir être mise au bénéfice de la dérogation prévue à l'art. 5 al. 3 de l'ordonnance.
Cette disposition concerne l'hypothèse où l'avantage résultant de la réduction holding serait inférieur à celui offert par l'imputation forfaitaire calculée exactement (selon les art. 8 al. 2 et 10 de l'ordonnance). Dans ce cas, le contribuable qui apporte la preuve d'un tel désavantage peut bénéficier d'un dégrèvement supplémentaire correspondant à la différence entre les montants obtenus par les deux méthodes de déduction. Selon le texte clair de cette disposition, ce n'est que si la réduction holding est inférieure au montant de l'imputation forfaitaire calculée exactement qu'un dégrèvement supplémentaire est accordé. La réduction spéciale et l'imputation forfaitaire d'impôt ne se cumulent donc pas. En principe, il faut appliquer exclusivement la réduction spéciale; si l'imputation forfaitaire d'impôt, calculée exactement, donne un résultat plus favorable au contribuable, celui-ci peut exiger un dégrèvement spécial correspondant à la différence entre les deux méthodes de déduction.
La doctrine s'est exprimée dans le même sens quant à l'interprétation de cette disposition (RYSER, op.cit., p. 180, No 130 et n. 3; RIVIER, Le droit fiscal international, p. 277/278; WIDMER,
BGE 110 Ib 246 S. 250
Die pauschale Steueranrechnung, in Revue fiscale No 38/1983, p. 114/115). Même l'auteur cité par la recourante affirme:
"Il peut se faire cependant que la réduction holding n'aboutisse pas à
une exemption complète des dividendes en question (...) Dans un tel cas et
dans la mesure où l'exemption n'est pas complète, l'imputation peut prendre
le relais de l'exemption." (CONSTANTIN, Les mesures unilatérales en vue d'éviter les doubles impositions internationales, in Revue fiscale No 36/1981, p. 477.).
L'art. 5 al. 3 se réfère expressément, en ce qui concerne l'imputation forfaitaire, aux art. 8 al. 2 et 10 de l'ordonnance. Il ressort du titre marginal de l'art. 8 que cette disposition exprime le principe, de sorte qu'elle a le pas sur l'art. 10. Or, selon l'art. 8 al. 2, le montant de l'imputation forfaitaire d'impôt ne saurait excéder la somme des impôts qui ont été perçus à l'étranger. Dès lors que, selon le texte clair de l'art. 5, la réduction spéciale et l'imputation forfaitaire ne se cumulent pas, il n'y a plus lieu à imputation forfaitaire lorsque, comme en l'occurrence, la double imposition effective est éliminée grâce à la réduction spéciale, qui est supérieure à la charge fiscale étrangère prise en considération selon les art. 3 al. 2 et 12 al. 2 de l'ordonnance.
c) Il résulte de ce qui précède que les autorités fiscales et la Commission cantonale de recours du canton de Vaud ont correctement interprété et appliqué les dispositions de l'ordonnance relative à l'imputation forfaitaire d'impôt.
3.
La recourante soutient cependant que si cette interprétation doit être jugée correcte, bien qu'elle laisse subsister une double imposition internationale, c'est alors que le Conseil fédéral a outrepassé le cadre de la délégation prévue par le législateur et que le système de déduction institué par l'ordonnance, et en particulier par son art. 5, est incompatible avec les conventions internationales de double imposition.
a) En vertu des art. 113 al. 3 et 114bis al. 3 Cst., le Tribunal fédéral est tenu d'appliquer les lois et les arrêtés de portée générale qui ont été votés par l'Assemblée fédérale ainsi que les traités que celle-ci a ratifiés (
ATF 102 Ib 266
consid. 1a). Le droit fédéral, dont le Tribunal fédéral est chargé d'assurer la juste application en dernière instance, comprend, outre les actes législatifs émanant des Chambres fédérales, toutes les dispositions d'application prises dans des ordonnances du Conseil fédéral ou d'autres autorités fédérales, à la condition qu'elles trouvent leur fondement dans les lois ou directement dans la constitution (
ATF 103 IV 193
consid. 2a). Ainsi le
BGE 110 Ib 246 S. 251
Tribunal fédéral peut, lorsqu'il est saisi d'un recours de droit administratif, examiner d'office la légalité des ordonnances du Conseil fédéral. En ce qui concerne les ordonnances qui reposent sur une délégation de la loi, il vérifie si le Conseil fédéral n'a pas dépassé les limites du pouvoir que le législateur lui a délégué et, dans la mesure où la loi n'autorise pas le Conseil fédéral à déroger à la constitution ou à établir une réglementation déterminée, le Tribunal fédéral s'assure encore de la constitutionnalité de l'ordonnance (
ATF 107 Ib 246
consid. 4, 106 Ib 186 consid. 2a, 105 Ib 369 consid. 11b, 104 Ib 420 consid. 4c).
b) L'ordonnance du Conseil fédéral relative à l'imputation forfaitaire d'impôt est basée, comme on l'a vu (consid. 2a ci-dessus), sur l'arrêté fédéral concernant l'exécution des conventions internationales conclues par la Confédération en vue d'éviter les doubles impositions. Selon l'art. 1er de cet arrêté, le Conseil fédéral établit les dispositions d'exécution qui sont nécessaires pour appliquer les conventions conclues par la Confédération suisse avec les Etats étrangers en vue d'éviter les doubles impositions. L'art. 2 précise en particulier que le Conseil fédéral peut déterminer de quelle manière doit être opérée l'imputation, assurée par une convention, des impôts perçus par l'autre Etat contractant sur les impôts dus en Suisse (art. 2 al. 1 lettre e). L'ordonnance est donc fondée sur une délégation législative expresse.
En outre, force est de constater que cette délégation est très large, puisqu'elle confère au Conseil fédéral, sans autre précision, le pouvoir de déterminer les modalités de l'imputation. Or ce système d'imputation limitée - improprement appelée "forfaitaire" au lieu de "globale" -, a uniquement pour but d'éliminer une double imposition effective (cf. notamment RYSER, op.cit., p. 180/181, Nos 130 ss). Lorsque, comme en l'espèce, les effets de la double imposition résultant de la charge fiscale étrangère prise en considération sont entièrement annihilés par la réduction spéciale de l'
art. 59 AIFD
, on ne saurait déduire de l'art. 2 al. 1 lettre e de l'arrêté fédéral du 22 juin 1951 un droit à un dégrèvement additionnel. Dans ces conditions, rien n'indique qu'en édictant les dispositions en cause de l'ordonnance, le Conseil fédéral a excédé les limites de la délégation prévue par l'arrêté fédéral. Il reste donc uniquement à examiner s'il s'est écarté des dispositions des conventions internationales dont il a reçu mission d'assumer l'application.
BGE 110 Ib 246 S. 252
c) Comme l'expose la recourante elle-même, toutes les conventions applicables en l'espèce prévoient que la Suisse doit éviter la double imposition par voie d'imputation de l'impôt étranger, de réduction de l'impôt suisse, ou d'exemption partielle des revenus. On ne saurait déduire de ces conventions qu'un contribuable puisse exiger davantage que la déduction, sur ses impôts suisses, de l'impôt étranger pris en considération selon les art. 3 al. 2 et 12 al. 2 de l'ordonnance (cf. P.J. GMÜR, Die Anrechnung ausländischer Quellensteuern in der Schweiz, thèse Zurich 1976, p. 107). Or, c'est précisément ce qu'obtient la recourante par l'application de l'
art. 59 AIFD
. Au sens des conventions internationales, il n'y a donc pas de double imposition effective en l'espèce. En conséquence, il n'y a pas lieu à un dégrèvement additionnel et l'ordonnance ne conduit pas à des résultats consacrant une violation des traités internationaux. | public_law | nan | fr | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
fc65def5-7828-4bd4-8a5c-e9dda5ece428 | Urteilskopf
104 V 27
7. Arrêt du 1er mars 1978 dans la cause Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents contre Rodicio et Cour de justice du canton de Genève | Regeste
Art. 82 KUVG
.
Voraussetzungen der Gewährung einer Abfindung (Hinweise auf die Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 27
BGE 104 V 27 S. 27
A.-
Rodicio, ressortissant espagnol, domicilié à S. (Espagne), a travaillé en Suisse de 1962 à 1965 et de 1969 à 1973. En 1973, il résidait à Genève et était ouvrier au service des Chemins de fer fédéraux (CFF). En cette dernière qualité, il était assuré auprès de la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (Caisse nationale suisse) contre les accidents et les maladies professionnelles.
Le 29 novembre 1973, alors qu'il circulait à vélomoteur, il fut frôlé par une voiture qui le dépassait et fit une chute. Il se releva dans un certain état d'excitation, détermina avec l'automobiliste les circonstances de l'accident et se rendit à la Clinique et Permanence de l'Arve puis chez le docteur Z., généraliste, qui diagnostiqua des contusions: l'une à la tête, une autre aux genoux et une autre enfin dans la région lombo-sacrée. Quelques mois après, on ne constata plus aucune séquelle objectivable de ces légers traumatismes. Cependant Rodicio ne reprit pratiquement pas le travail. Il refusa de le faire et s'opposa aussi à toutes mesures de réadaptation. Il se plaignait de céphalées diffuses, d'un déséquilibre orthostatique, d'hyperacousie, d'acouphènes, de palpitations et d'insomnie. Pendant quelque temps, il présenta de courtes pertes de connaissance. A aucun de ces troubles les différents spécialistes consultés ne trouvèrent de causes organiques. Les CFF l'adressèrent alors au Service de neurochirurgie de l'Hôpital cantonal, où le Dr H. diagnostiqua le 6 avril 1974 un terrain névrotique propice à l'installation d'un syndrome subjectif de
BGE 104 V 27 S. 28
fixation post-traumatique. L'assuré fut ensuite soigné ambulatoirement à la Policlinique universitaire de psychiatrie, en particulier par le Dr G.
Le 5 novembre 1974, un inspecteur de la Caisse nationale tenta en vain de persuader Rodicio de reprendre le travail. Peu après, l'assuré consulta Me N., avocat. Le 22 novembre 1974, la Caisse nationale mit fin au traitement médical institué par ses soins et liquida le cas par le versement d'une indemnité unique de 8500 fr., fondée sur quatre mois de rente entière et quatre mois de demi-rente.
B.-
Rodicio recourut par l'entremise de son avocat contre la décision administrative du 22 novembre 1974. Il conclut à ce qu'en lieu et place d'une indemnité en capital la Caisse nationale soit astreinte à lui fournir depuis le 29 novembre 1973 ses prestations ordinaires, fondées sur une responsabilité totale, d'une part, et, d'autre part, sur une incapacité de travail de 100% puis sur une invalidité dont le taux restait à déterminer. Il produisit un rapport d'expertise établi à sa demande par le Dr P., psychiatre et psychothérapeute, et daté du 30 septembre 1975. L'expert y confirme le diagnostic déjà posé par d'autres médecins de syndrome subjectif des traumatisés crâniens, consécutif à un traumatisme léger; l'assuré n'est pas un simulateur, animé de l'intention consciente de profiter de l'assurance; il a développé dans une personnalité fruste une pathologie névrotique, qui lui fait vivre sans cesse l'événement traumatique sous la forme des symptômes de ce dernier, qu'il ressent comme des réalités angoissantes; la revendication, l'agressivité quérulante est un autre aspect de la même angoisse; l'accident a déclenché les troubles psychiques mais n'aurait pas suffi à les causer: la personnalité a joué un rôle aussi important et nécessaire. Et le Dr P. de conclure que seul un traitement global, au cours duquel l'assuré dialoguerait en toute confiance avec le médecin, pourrait amener progressivement ce patient à renoncer aux bénéfices secondaires de sa maladie et à reprendre le travail.
La Cour de justice du canton de Genève mit en oeuvre une expertise judiciaire, qu'elle confia au Dr S., du Centre psycho-social universitaire de Genève. Dans son rapport très complet du 18 janvier 1977, l'expert expose que: la capacité de travail du recourant est diminuée d'un quart à un tiers, dans le cas d'une activité n'impliquant pas de gros efforts physiques; la
BGE 104 V 27 S. 29
diminution de la capacité de travail résulte de l'accident du 29 novembre 1973, auquel elle est reliée par une évolution névrotique; il s'agit d'une évolution névrotique post-traumatique avec éléments hystériques, à teinte sinistrosique importante et tendance à la chronicité due au bénéfice secondaire; des facteurs étrangers ont contribué à cette évolution, qui sont la personnalité prémorbide de l'assuré et les particularités de la réaction de sa famille; en l'absence de ces facteurs, il aurait récupéré depuis longtemps une capacité de travail de 100%, ou à peu près; une reprise du traitement médical resterait sans effets, car les bénéfices secondaires de la situation sont trop importants pour l'intéressé et pour son entourage; d'ailleurs une évolution névrotique post-traumatique avec teinte sinistrosique est, après plusieurs années, incurable; il est beaucoup trop tard pour pouvoir espérer d'un règlement en capital un effet curatif.
La Cour de justice considéra que le recourant souffrait d'une névrose assurée, que l'octroi d'une indemnité en capital n'était pas apte à guérir. Par jugement du 9 septembre 1977, elle annula la décision attaquée, astreignit la Caisse nationale à servir à Rodicio depuis le 22 novembre 1974 une rente fondée sur une invalidité de 30%, sous déduction de la somme versée conformément à la décision annulée.
C.-
La Caisse nationale a formé en temps utile un recours de droit administratif contre le jugement cantonal. Elle allègue qu'au moment où elle a pris la décision de liquider les prétentions d'assurance de l'assuré par un règlement en capital on devait espérer, selon les données de l'expérience, que cette mesure amènerait l'intéressé à reprendre le travail. Elle conclut donc au rétablissement de sa décision du 22 novembre 1974. Elle se demande au surplus si, véritablement, l'accident est avec les troubles psychiques de l'intimé dans un rapport de causalité adéquate, sans qu'il faille pour autant songer nécessairement à une névrose de revendication. Ce qui l'amène à suggérer de supprimer non seulement la rente allouée par la Cour de justice mais encore l'indemnité accordée à titre de règlement en capital.
Agissant au nom de l'intimé, Me N. conclut au rejet du recours et à la confirmation du jugement attaqué.
D.-
Le 30 juillet 1975, les CFF ont résilié les rapports de service qui les liaient à Rodicio, avec effet au 31 octobre 1975.
BGE 104 V 27 S. 30
Le 5 août 1976, Rodicio a obtenu de l'assurance-invalidité une rente entière d'invalidité à partir du 1er novembre 1974.
Il est rentré définitivement en Espagne, vraisemblablement en automne 1977.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Aux termes de la première phrase de l'
art. 76 LAMA
, s'il n'y a pas lieu d'attendre de la continuation du traitement médical une sensible amélioration de l'état de l'assuré et si l'accident est suivi d'une incapacité de travail présumée permanente, une rente d'invalidité est substituée aux prestations antérieures.
En vertu des
art. 77 et 78 LAMA
, pour une incapacité absolue de travail, la rente est fixée au 70% du gain annuel que l'assuré a réalisé dans l'entreprise soumise à l'assurance obligatoire durant l'année qui a précédé l'accident. Si l'incapacité n'est que partielle, la rente subit une réduction proportionnelle.
La rente est réduite de même, si l'invalidité n'est qu'en partie l'effet d'un accident assuré (
art. 91 LAMA
).
Enfin, l'
art. 82 LAMA
s'exprime comme il suit:
"S'il n'y a pas lieu d'attendre de la continuation du traitement
médical une sensible amélioration de l'état de l'assuré, mais s'il paraît
probable que ce dernier recouvrera sa capacité de travail après la
liquidation de ses prétentions et en reprenant le travail, une indemnité
en capital remplaçant la rente est substituée aux prestations antérieures
(al. 1). L'indemnité est égale à la valeur actuelle d'une rente, constante
ou décroissante, courant pendant trois ans au maximum et calculée sur
la base du gain annuel de l'assuré, en tenant compte de son état de
santé et du degré de son incapacité de travail au moment de la fixation
de l'indemnité (al. 2)."
2.
En ce qui concerne les névroses que développe un assuré de la Caisse nationale après avoir subi un accident, la doctrine, la pratique administrative et la jurisprudence ont établi les distinctions suivantes:
a) Les névroses qui résulteraient d'une lésion du cerveau ou d'autres organes du système nerveux, lésion consécutive à un accident ou à une maladie professionnelle, seraient évidemment assurées. Mais, dans l'état actuel de la science, les névroses semblent exister sans lésions, du moins sans lésions objectivables, des organes intéressés. On n'en reconnaît pas
BGE 104 V 27 S. 31
moins que certaines d'entre elles peuvent être avec l'accident ou la maladie dans un rapport de causalité adéquate et, par conséquent, assurées. Il s'agit d'abord des névroses accidentelles, qui supposent un choc physique grave, mal supporté mentalement (Unfallneurose; cf. ATFA 1950, p. 82; MAURER, " Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung", 2e éd., p. 259 lit. c; TILLMANN dans RSJ 1957, p. 181, arrêt non publié Bandelier, du 11 décembre 1963), ou un choc psychique violent dû à un événement extraordinaire et inattendu, de nature à traumatiser moralement un homme sain de corps et d'esprit (névrose d'épouvante, Schreckneurose; cf. ATFA 1963, p. 165; arrêt non publié Soldini, du 25 avril 1974, MAURER, op. cit., p. 258 ch. 4 lit. a). Sont aussi assurées les névroses de traitement provenant d'actes médicaux inadéquats ou inutilement nombreux, dont répond l'assurance (Behandlungsneurose; cf. ATFA 1954, p. 78, spéc. consid. 2 p. 86, et MAURER, loc. cit. lit. b).
b) Ne sont pas assurées en revanche les névroses de revendication, dites aussi d'appétence ou d'assurance, ou bien encore sinistroses. Elles procèdent d'une carence de la volonté ou d'une anomalie mentale de l'intéressé, auxquelles l'événement assuré donne le prétexte de se manifester. Dans ce sens, elles sont bien une conséquence de l'accident ou de la maladie, mais elles n'y sont pas liées par un rapport de causalité adéquate: trop de particularités étrangères à l'événement interviennent, qui le relèguent à un rôle très secondaire. L'assuré atteint de ce type de névrose ne parvient pas à sortir du rôle d'invalide, qu'il justifie par une infirmité inexistante ou dont il exagère les effets. Ses mobiles - inconscients - peuvent être, par exemple, le désir de s'enrichir par des prestations d'assurance, de porter préjudice à une société qu'il rejette, de laisser libre cours à sa paresse, de se venger de l'auteur de l'accident, etc. Contrairement au simulateur, qui se fait une juste représentation de la réalité, il en est venu à croire à ses maux imaginaires et à les ressentir vraiment. Il s'agit donc bien d'une véritable névrose, mais dont l'assurance sociale ne peut, sous peine de provoquer des abus insupportables, couvrir les conséquences (cf. MAURER, op. cit., p. 255 ss; ATFA 1950, p. 77; 1960, p. 260,
ATF 100 V 17
ainsi que les arrêts non publiés Bandelier du 11 décembre 1963 et Cescato du 1er octobre 1969).
BGE 104 V 27 S. 32
3.
Les patients atteints de l'une des névroses assurées énumérées ci-dessus parviennent souvent à reprendre le travail après liquidation de leurs prétentions envers l'assurance et à guérir de leurs troubles psychiques. C'est surtout à leur intention qu'a été créé l'
art. 82 LAMA
, qui prévoit l'octroi au lieu de rente d'une indemnité unique en capital. Pour que cette disposition soit applicable, il suffit qu'au moment où la Caisse nationale prend sa décision il paraisse probable - au regard de la personnalité de l'assuré et de l'expérience générale - que la mesure sera efficace. L'assurance ne répond pas des événements qui viendraient, postérieurement à sa décision, fausser le pronostic. En revanche, la découverte après coup que l'impossibilité de travailler a une cause physique insurmontable serait un motif de revision (ATFA 1960, p. 260,
ATF 100 V 17
, ainsi que les arrêts non publiés Romano du 10 décembre 1973 et Ferrari du 7 mai 1974). Au demeurant, la règle est que la liquidation selon l'
art. 82 LAMA
constitue la thérapie adéquate à l'égard des assurés qui refusent sans raisons objectives de reprendre le travail. On ne devrait y faire exception que lorsqu'il ressort des déclarations claires et catégoriques d'un psychiatre que la mesure restera dans le cas particulier sans effets (
ATF 103 V 83
).
4.
L'intimé Rodicio n'est pas un simulateur. Sous l'influence d'une névrose, il ressent des troubles physiques dont la cause n'est pas objectivable et croit ne pas devoir travailler. Il faut donc en premier lieu déterminer la nature de cette névrose afin de savoir, à la lumière des considérations qui précédent, si elle est assurée ou pas.
Dans son rapport d'expertise du 30 septembre 1975, le Dr P. admet que les troubles dont souffre le patient sont essentiellement subjectifs et qu'il n'a pas été possible d'y trouver une participation organique. Il les qualifie de " syndrome subjectif des traumatisés crâniens", compliqué et aggravé par des composantes névropathiques.
Dans son rapport du 18 janvier 1977, l'expert judiciaire, le Dr S., parle aussi d'un syndrome commotionnel subjectif, mais pour dire que ce phénomène aurait dû s'estomper progressivement. Dans le diagnostic final, il n'est plus question que d'une évolution névrotique post-traumatique avec éléments hystériques, à teinte sinistrosique importante et tendance à la chronicisation due au bénéfice secondaire. L'existence
BGE 104 V 27 S. 33
chez l'assuré d'une teinte sinistrosique importante ressort de constatations significatives de l'expert, telles que celles-ci: Pendant les longs entretiens qu'il a eus avec l'expert, jamais l'assuré n'a présenté de troubles psycho-organiques. Il parlait de ses maux en discours accusateurs, en insistant sur leur caractère invalidant et irréversible. La perspective d'un essai de réadaptation au travail le fâchait. Selon lui, l'assurance n'avait qu'à payer: c'était pour cela qu'il avait versé des cotisations. Point de vue que partageait son épouse. Il lui arriva de boiter en présence du médecin mais de marcher normalement quand il croyait être hors de sa vue.
On relèvera dans la discussion du cas les réflexions suivantes de l'expert:
"On pourrait dire que, pour M. Rodicio, l'accident subi n'a été
qu'un résumé, qu'un concentré de tous les traumatismes, toutes les
frustrations ressentis dans la vie et pour lequel il pouvait enfin, pour
une fois, sans perdre face, prendre le rôle de la victime et demander
réparation. L'assuré, qui n'avait que neuf ans quand son père est mort,
précisément d'un traumatisme crânien, est resté un grand enfant, qui
cherche en permanence appui et sécurité. Il les a trouvés auprès de sa
femme, grâce à l'accident. Désormais, il se complaît dans un rôle
passif, sauf en ce qui concerne les revendications à l'égard de
l'assurance.
Il en résulte que M. Rodicio trouve dans son état actuel un bénéfice
secondaire important, dans le sens qu'il a trouvé d'une part quelqu'un,
représenté par la CNA, qui doit lui faire réparation en somme pour
tout ce qu'il a peiné et subi tout au long des années et qu'il n'a jamais
osé exprimer, et d'autre part un support, une compréhension et une
protection de la part de sa femme et de sa famille, choses qui lui ont
certainement manqué pendant l'enfance."
Est-ce à dire que, depuis une date antérieure à celle de la décision attaquée, donc au 22 novembre 1974, l'intimé ne souffre plus que d'une névrose de revendication? Il serait peut-être téméraire de l'affirmer sans avoir pris l'avis d'un surexpert. D'un autre côté, vaut-il la peine de remettre en question une prestation, l'indemnité de liquidation, que la Caisse nationale a accordée sans émettre de doutes sur sa responsabilité, et de prolonger ainsi la procédure? Il semble préférable d'admettre que les troubles de l'intimé présentent un caractère mixte et qu'ils procèdent à la fois d'une névrose accidentelle ordinaire, encore qu'on ne puisse guère parler ici de choc violent, et, dans une plus forte proportion, d'une névrose de revendication provenant de facteurs endogènes et
BGE 104 V 27 S. 34
du comportement de la famille. Mais il ne saurait être question de névrose de traitement, car l'intimé n'a été soumis par la Caisse nationale qu'à des examens et traitements adéquats, en nombre modéré.
5.
Dans ces circonstances, la décision de la Caisse nationale de prendre en charge les troubles psychiques dans leur ensemble, tels qu'ils se présentaient en novembre 1974, était soutenable. Elle ne devait toutefois le faire sous la forme d'un règlement en capital et non d'une rente partielle que s'il paraissait alors probable que l'assuré recouvrerait sa capacité de travail après la liquidation de ses prétentions. De l'avis général, l'autre condition posée par l'
art. 82 LAMA
était remplie: il n'y avait pas lieu d'attendre du traitement médical une sensible amélioration de l'état de l'intéressé.
En novembre 1974, une petite année s'était écoulée depuis la date de l'accident, le 29 novembre 1973. C'est la durée normale que nécessitent une recherche sérieuse de la cause des troubles ressentis par un sinistré, et les tentatives thérapeutiques. Une fois posé avec certitude le diagnostic de troubles d'origine psychique, l'assurance pouvait présumer que la liquidation du cas par un versement en capital déciderait le patient à reprendre le travail. A cette époque-là, aucun psychiatre n'a exprimé clairement et catégoriquement l'opinion contraire. Le 30 septembre 1975 encore, le Dr P. estimait une guérison possible, au vrai par un moyen diffèrent de la mesure de l'
art. 82 LAMA
(sur laquelle il ne se prononce pas): une modification de la relation entre le médecin, l'assurance et le malade.
L'expert judiciaire a vu l'expertisé pour la première fois en août 1976. Il a constaté au cours des mois suivants que la liquidation des prétentions d'assurance n'avait pas guéri l'assuré et qu'une telle mesure serait " à l'heure actuelle " inefficace. Mais son rapport nous montre que cet échec provient d'événements que la recourante n'avait pas à prévoir en novembre 1974 et dont elle ne répond pas: la progression d'une névrose de revendication, qui allait reléguer au second plan si ce n'est pratiquement remplacer la névrose accidentelle (seule assurée), et l'attitude revendicatrice de la famille de l'assuré, qui a encouragé ce dernier à refuser tout travail et tout essai de réadaptation. Or, on l'a vu plus haut, la mesure de l'
art. 82 LAMA
se fonde sur un pronostic. Il est généralement
BGE 104 V 27 S. 35
confirmé, mais elle ne devient pas caduque si dans un cas particulier elle demeure sans résultat. Adopter la solution contraire reviendrait à encourager les assurés à ne pas surmonter leur handicap.
C'est ainsi à tort que les premiers juges ont substitué une rente à un règlement en capital. Celui-ci était déjà favorable à l'assuré, en principe et quant au montant de l'indemnité.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours est admis. | null | nan | fr | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fc6b5a1f-0175-4051-84d0-27791e8d8688 | Urteilskopf
115 II 468
84. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Dezember 1989 i.S. A. gegen Z. AG (Berufung) | Regeste
Fiduziarische Gründung einer Aktiengesellschaft. Übergang der vom Beauftragten erworbenen Rechte auf den Auftraggeber;
Art. 401 Abs. 1 OR
. Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen;
Art. 706 OR
.
Während der Dauer des Treuhandverhältnisses ist der Strohmann-Aktionär Träger der Gesellschaftsrechte. Selbst nach erfolgter Legalzession darf der Dritte den Fiduziar noch solange für berechtigt halten, bis ihm der Forderungsübergang angezeigt wird (E. 2b und c).
Im Gegensatz zur blossen Anfechtbarkeit kann die Nichtigkeit auch von einem Nichtaktionär geltend gemacht werden, der an ihrer Feststellung ein rechtliches Interesse hat (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 469
BGE 115 II 468 S. 469
A.-
Am 11. November 1979 überwies A., Berlin, dem Treuhandbüro B. Fr. 50'000.--. Dieser Betrag diente als Gründungskapital für die am 22. November 1979 in H. (AR) gegründete Y. AG. B. zeichnete 48 Aktien, sein Sohn eine; C. übernahm als einzige Verwaltungsrätin eine Pflichtaktie. Es wurden keine Aktientitel ausgestellt. Am 24. November 1979 bestätigte B. die Ausführung des Gründungsauftrages; A. bezahlte die Gründungskosten von Fr. 5'500.--.
Anlässlich einer ausserordentlichen Generalversammlung vom 17. Juni 1982 wurde der Sitz der Gesellschaft nach M. verlegt. An der Generalversammlung vom 31. Dezember 1986 ersetzte D. die einzige Verwaltungsrätin C. Er wurde an der Generalversammlung im Januar 1988 durch Frau E. abgelöst; gleichzeitig wurde der Gesellschaftssitz nach H. (SG) verlegt und der Name in Z. AG geändert.
B.-
Am 24. Februar 1988 klagte A. beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen gegen die Z. AG auf Feststellung der Nichtigkeit der am 6. Januar 1987 und 12. Januar 1988 in das Handelsregister eingetragenen sowie der übrigen gefassten Generalversammlungsbeschlüsse. Er berief sich auf seine Rechte als Aktionär und machte geltend, die Generalversammlungen seien von unzuständigen Personen einberufen worden und an der Beschlussfassung
BGE 115 II 468 S. 470
hätten nur Personen mitgewirkt, die zur Vertretung nicht berechtigt gewesen seien.
Das Handelsgericht des Kantons St. Gallen wies die Klage am 21. November 1988 ab.
C.-
Mit seiner Berufung beantragt der Kläger, das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und festzustellen, dass die mit der Klage angefochtenen Beschlüsse nichtig seien. Eventuell sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Das Handelsgericht fand, der Kläger sei nicht Aktionär der Beklagten geworden und damit nicht aktivlegitimiert. Er habe sich nach der Errichtung von 50 Inhaber-Aktienzertifikaten nie darum bemüht, in den Besitz derselben zu gelangen. Aus dem Fragebogen betreffend Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für Ausländer gehe sodann hervor, dass der Kläger die Frage nach seiner Stellung in der Beklagten mit "Direktor" und nicht etwa mit "Alleininhaber" oder "Mehrheits- oder Minderheitsaktionär" beantwortet habe. Zudem habe der Kläger die Beschlüsse der Generalversammlung vom 17. Juni 1982 trotz Teilnahme nicht angefochten.
b) Mit seiner Berufung rügt der Kläger eine Verletzung von
Art. 401 OR
. Für die Übertragung unverbriefter Aktienrechte werde von der herrschenden Lehre nur die für die Zession vorgesehene Form, nämlich Schriftlichkeit und Unterschrift des Veräusserers, verlangt. Einer förmlichen selbständigen Zessionserklärung bedürfe es aber nicht, wenn sich die Übertragung aus Auftragsrecht, also von Gesetzes wegen nach
Art. 401 OR
ergebe. Mit der schriftlichen Erklärung des Gründeraktionärs B. vom 24. November 1979 seien die Aktienrechte aber ex lege auf den Kläger übergegangen.
2.
a) Der Kläger hat B. den Auftrag erteilt, mit dem ihm ausgehändigten Betrag von Fr. 50'000.-- eine schweizerische Aktiengesellschaft zu gründen, wobei der Beauftragte selber 48 Aktien fiduziarisch zeichnete und entsprechend den gesetzlichen Vorschriften die einzige Verwaltungsrätin und eine weitere Drittperson zur Zeichnung der beiden restlichen Aktien beizog. B. bestätigte dem Kläger am 24. November 1979 den Vollzug der Gründung.
BGE 115 II 468 S. 471
Als Strohmann, der die Aktien der zu gründenden Gesellschaft fiduziarisch zeichnete, war B. nach ständiger Lehre und Rechtsprechung wahres Gründungsmitglied und wurde deshalb Aktionär (BÜRGI, Vorbemerkungen zu
Art. 629-639 OR
, N. 13; FORSTMOSER, Schweizerisches Aktienrecht, Band I/1, Zürich 1981, S. 217 f. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung und auf VON STEIGER, Fiduziarische Aktienzeichnung, in SAG 9, S. 95 f.).
b) Gemäss
Art. 401 OR
gehen Forderungsrechte, die der Beauftragte für Rechnung des Auftraggebers in eigenem Namen gegen Dritte erworben hat, auf den Mandanten über, sobald dieser seinerseits allen Verbindlichkeiten aus dem Auftragsverhältnis nachgekommen ist (Abs. 1). Wie in
BGE 99 II 396
ff. ausgeführt wird, ist
Art. 401 OR
auf alle Arten des Auftrages anwendbar, wenn die darin genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Auch der Fiduziant kann sich darauf berufen und gelangt in den Genuss der gesetzlichen Subrogation, weshalb es sich erübrigt, zwischen dem fiduziarischen Verpflichtungsgeschäft und dem Auftrag, Rechtsgeschäfte für den Auftraggeber in indirekter Stellvertretung zu besorgen, zu unterscheiden (vgl. dazu MERZ, Legalzession und Aussonderungsrecht gemäss
Art. 401 OR
, in Ausgewählte Abhandlungen zum Privat- und Kartellrecht, Bern 1977, S. 423 und ZBJV 111/1975, S. 114; HOFSTETTER, Der einfache Auftrag, in SPR VII/2, S. 30, N. 64; GAUCH/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 179 f. zu
Art. 18 OR
).
Es ist unbestritten, dass der Kläger seine Verpflichtungen gegenüber dem Beauftragten im Sinne dieser Vorschrift erfüllt hat. Zu prüfen bleibt, ob der vom Kläger behauptete Rechtsübergang eingetreten ist.
c) Gemäss
BGE 99 II 399
gelten die Bestimmungen über die rechtsgeschäftliche Abtretung von Forderungen (
Art. 164 ff. OR
) auch für die Legalzession gemäss
Art. 401 OR
. Hat der Fiduziant seine Verpflichtungen gegenüber dem Fiduziar erfüllt, so gehen deshalb dessen Forderungen gegen Dritte auf ihn über, und diese können mit befreiender Wirkung nur noch an ihn leisten, wenn ihnen die Subrogation angezeigt worden ist. Demgegenüber liegt die Rechtsmacht während der Dauer des Treuhandverhältnisses ausschliesslich beim Fiduziar mit der Folge, dass sich der Dritte nicht um die internen Rechtsbeziehungen zwischen dem Fiduzianten und dem Fiduziar zu kümmern hat (
BGE 100 II 211
f.). In dieser Zeit ist daher der Strohmann-Aktionär ausschliesslicher Träger der Gesellschaftsrechte, insbesondere der Mitwirkungsrechte.
BGE 115 II 468 S. 472
Bis der Fiduziant den Rechtsübergang verlangt, ist die Legalzession jedenfalls solange ausgeschlossen, als das Treuhandverhältnis über einen bestimmten Anspruch andauert, weil der Fiduziar nach dem Parteiwillen Rechtsträger sein soll. Erst wenn das Treuhandverhältnis namentlich durch Zeitablauf oder Kündigung des Auftrags endet (
Art. 404 OR
), erfolgt der Rechtsübergang von Gesetzes wegen und damit ohne Zutun des Fiduziars. Dabei darf selbst bei erfolgter Legalzession der Drittschuldner den Fiduziar noch solange als Gläubiger betrachten, bis ihm der Forderungsübergang angezeigt wird (
Art. 167 OR
; MERZ, Legalzession, a.a.O., S. 428 f.). Drittschuldner ist aber auch die Aktiengesellschaft, der einer oder mehrere fiduziarische Strohmann-Aktionäre angehören. Demnach entscheidet allein der Fiduziant, ob und wann die Subrogation praktisch wirksam wird (
BGE 112 III 96
; MERZ, Legalzession, a.a.O., S. 429).
Den Fiduzianten im Verhältnis zu Dritten noch weiter zu privilegieren, besteht kein Anlass. Der Fiduziant hat es nämlich in der Hand, den Nachteilen der indirekten Stellvertretung vorzubeugen, insbesondere dadurch, dass er anvertraute Gelder oder Sachen Dritten gegenüber als Treugut ausgeben lässt. Zieht er es aus irgendwelchen Gründen vor, sich über das Treuhandverhältnis auszuschweigen, hat er die Folgen selber zu tragen.
d) Vorliegend ist der Kläger deshalb nicht bereits mit der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gegenüber dem Fiduziar Aktionär der Beklagten geworden. Er wäre dies erst mit Beendigung des Treuhandverhältnisses und entsprechender Anzeige an die Gesellschaft geworden. Es ist weder festgestellt, noch wird behauptet, der Kläger habe den Treuhandvertrag vor den angefochtenen Generalversammlungen gekündigt und der Gesellschaft den Rechtsübergang angezeigt. Der Kläger war damit im Zeitpunkt der angefochtenen Beschlüsse nicht Aktionär der Beklagten. Die Mitwirkungsrechte standen dem Fiduziar zu.
e) Fehlt es am gesetzlichen Forderungsübergang, braucht nicht geprüft zu werden, ob die Legalzession nach
Art. 401 OR
alle Rechte aus der Aktie, insbesondere auch die Mitgliedschaftsrechte oder bloss Vermögensrechte umfasst hätte (dazu GAUTSCHI, N. 18 e zu
Art. 401 OR
). Letzteres würde jedenfalls bei Namenaktien zutreffen, wo die Legitimation des Aktionärs zur Ausübung der Mitwirkungsrechte erst nach dem Eintrag in das Aktienbuch erfolgt (
Art. 685 Abs. 4 OR
;
BGE 90 II 173
), aber auch bei verbrieften Inhaberaktien, wo der Besitz am Papier für den
BGE 115 II 468 S. 473
Nachweis der Legitimation erforderlich ist (
Art. 689 Abs. 4 OR
;
BGE 109 II 239
,
BGE 112 II 360
; BÜRGI, Vorbemerkungen zu
Art. 683-687 OR
, N. 36; MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, Wertpapierrecht, S. 114, Rz. 204).
3.
a) Das Handelsgericht liess offen, ob der Kläger ein über seine behauptete Stellung als Aktionär hinausgehendes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit der fraglichen Generalversammlungsbeschlüsse habe, weil nicht auszuschliessen sei, dass die beiden Generalversammlungen von zuständigen Personen einberufen worden seien und zur Vertretung Berechtigte mitgewirkt hätten, nachdem der Kläger seine eigene Aktionärseigenschaft nicht habe nachweisen können.
Der Kläger macht geltend, es sei unerheblich, ob er Aktionär sei, da jedermann, der an der Feststellung der Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen ein rechtliches Interesse habe, aktivlegitimiert sei. Die Vorinstanz schliesse die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse gestützt auf eine blosse Vermutung aus. Zur Einberufung einer Universalversammlung wäre nur die einzige Verwaltungsrätin C. befugt gewesen; da sie an der Universalversammlung vom 31. Dezember 1986 nicht teilgenommen habe, hätten darin Nichtaktionäre oder nicht zur Vertretung ermächtigte Personen mitgewirkt.
b) Nichtig sind unter anderem alle von einer gar nicht in gültiger Weise zustande gekommenen bzw. beschlussunfähigen Generalversammlung gefassten Beschlüsse, sei es, dass nur ein Teil der Aktionäre eingeladen, dass die Generalversammlung von einer unzuständigen Stelle einberufen worden ist oder dass Nichtaktionäre an der Beschlussfassung entscheidend mitgewirkt haben (BÜRGI, Kommentar zu
Art. 706 OR
, N. 11; SCHUCANY, Kommentar zu
Art. 706 OR
, N. 1; PATRY, in Mélanges R. Secrétan, S. 232). Im Gegensatz zur blossen Anfechtbarkeit kann die Nichtigkeit durch jedermann geltend gemacht werden, der an der Feststellung der Nichtigkeit ein rechtliches Interesse hat, also auch von Nichtaktionären wie Genussscheininhabern und Gläubigern (BÜRGI, a.a.O., N. 14; ROHRER, Aktienrechtliche Anfechtungsklage, Diss. Bern 1979, S. 43).
Zur Feststellungsklage legitimiert sind Nichtaktionäre, wenn sie durch Generalversammlungsbeschlüsse, die gegen allgemeine Normen der Rechts- oder Sittenordnung verstossen, in ihren Rechten verletzt werden. Das würde etwa für Beschlüsse gelten, die grundlegende Normen des Aktienrechts verletzen (VON GREYERZ, SPR
BGE 115 II 468 S. 474
VIII/2, S. 195). Wegen ihrer die Rechtssicherheit gefährdenden Wirkung ist Nichtigkeit jedoch nicht leichthin, sondern nur bei schweren Verstössen gegen die Grundsätze des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts anzunehmen (BÜRGI, a.a.O., N. 13 mit Hinweisen).
c) Der Kläger kann nicht dartun, dass er durch die am 6. Januar 1987 und am 12. Januar 1988 in das Handelsregister eingetragenen Generalversammlungsbeschlüsse krass in seinen Rechten beeinträchtigt worden ist. So wie er als Fiduziant nur bei fraudulösem Zusammenwirken von Treuhänder und Dritterwerber einen Anspruch gegen den letzteren hätte (MERZ, Legalzession, a.a.O., S. 421), so könnte er als Fiduziant und Nichtaktionär nur bei Vorliegen eines gegen allgemeine Normen der Rechts- oder Sittenordnung verstossenden Tatbestandes ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit haben. Das lässt sich im vorliegenden Fall auf Grund des im angefochtenen Urteil festgestellten Sachverhalts nicht sagen. Als Treugeber hat der Kläger freiwillig und auf eigenes Risiko Rechte abgegeben und deren Rückübertragung bis heute nicht verlangt. Er hat es somit selbst zu vertreten, wenn er seinen Willen an den Generalversammlungen nicht durchsetzen kann. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fc6ecb34-fbba-4e07-aa61-02aa37dac1a7 | Urteilskopf
101 Ib 138
25. Urteil vom 11. Juli 1975 i.S. Eidg. Justizabteilung c. Boosten und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 6 Abs. 2 lit. a BB über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland.
Ein berechtigtes Interesse am Erwerb eines Grundstückes zur Abrundung oder baulichen Vergrösserung einer Ferienhausliegenschaft ist zu bejahen, wenn besondere Gründe die Erweiterung als gerechtfertigt erscheinen lassen und die Gesamtfläche von Stammparzelle und zugekauftem Boden das für eine Ferienhausliegenschaft übliche Mass nicht überschreitet. | Sachverhalt
ab Seite 138
BGE 101 Ib 138 S. 138
Der niederländische Staatsangehörige Theo Boosten ist Eigentümer des in Saas i. P. gelegenen Grundstückes Nr. 4-50 im Halte von 626 m2. Am 5. Juni 1972 bewilligte ihm das Grundbuchinspektorat des Kantons Graubünden den Erwerb der Parzelle Nr. 4-56 mit einem Halt von 792 m2. Boosten
BGE 101 Ib 138 S. 139
beabsichtigte, auf dieser Parzelle, die unmittelbar an das Grundstück Nr. 4-50 grenzt, eine Garage für sein bestehendes Ferienhaus zu erstellen und in einem Verbindungstrakt zwischen Garage und Ferienhaus zusätzlichen Wohnraum zu schaffen.
Als Boosten den Kaufvertrag beim Grundbuchamt Küblis anmelden wollte, wurde ihm mitgeteilt, dass die nachgesuchte Eigentumsänderung nicht vollzogen werden dürfe, weil am 27. Juni 1972 der Bundesratsbeschluss vom 26. Juni 1972 betreffend Verbot der Anlage ausländischer Gelder in inländischen Grundstücken in Kraft getreten sei. Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wies ein Gesuch um Erteilung einer Ausnahmebewilligung ab. Es legte Boosten nahe, neu bei den kantonalen Behörden vorstellig zu werden, sobald der Bundesratsbeschluss durch den abgeänderten Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewB) abgelöst werde.
Boosten folgte dieser Empfehlung und ersuchte am 30. Januar 1974 das Grundbuchinspektorat des Kantons Graubünden um die Bewilligung für den Erwerb der Parzelle Nr. 4-56. Das Grundbuchinspektorat lehnte das Gesuch nach Rücksprache mit dem EJPD am 5. Juli 1974 jedoch ab, weil ein berechtigtes Erwerbsinteresse fehle.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hob diese Verfügung auf. Es hielt dafür, dass die massgebenden Bewilligungsvoraussetzungen in der Revision des BewB praktisch unverändert geblieben seien. Es sei daher widersprüchlich, die Bewilligung zu verweigern, nachdem eine solche vor der Revision des BewB erteilt worden sei. Unabhängig davon hielt das Verwaltungsgericht aber auch ein berechtigtes Erwerbsinteresse für gegeben, weil die Wohnfläche des Ferienhauses zu knapp bemessen sei und auch eine Garage zu einem Ferienhaus gehöre.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht die Justizabteilung des EJPD geltend, dass die in
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
umschriebenen Voraussetzungen für den Erwerb der Parzelle Nr. 4-56 nicht erfüllt seien. Zwar habe die Praxis den Zukauf eines Grundstückes zur Abrundung einer Ferienhausliegenschaft als zulässig erachtet, wenn besondere Gründe die Abrundung als notwendig erscheinen liessen und sofern nicht mehr Land erworben werde, als üblicherweise zu einem
BGE 101 Ib 138 S. 140
Ferienhaus gehöre. Im vorliegenden Fall fehlten jedoch zureichende Gründe, die eine Abrundung im Ausmass von 792 m2 rechtfertigen könnten.
Theo Boosten und das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht hält daran fest, dass die Verweigerung der Bewilligung gegen Treu und Glauben verstossen würde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Ob Theo Boosten Anspruch auf Erteilung der Bewilligung zum Erwerb der Parzelle Nr. 4-56 in Saas i.P. hat, entscheidet sich in erster Linie nach Massgabe der heute geltenden gesetzlichen Vorschriften über den Grundstückserwerb durch Personen im Ausland. Ob Boosten die Bewilligung schon deshalb zu erteilen ist, weil deren Verweigerung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen würde, braucht nur entschieden zu werden, wenn die erste Frage auf Grund jener Bestimmungen verneint werden muss.
Massgebend ist
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
in der Fassung vom 21. März 1973. Danach ist ein berechtigtes Interesse am Erwerb eines Grundstückes anzunehmen:
"a) wenn das zu erwerbende Grundstück in erster Linie dem Aufenthalt des Erwerbers oder seiner Familie dient, der Erwerber es auf seinen persönlichen Namen erwirbt und er, sein Ehegatte oder seine minderjährigen Kinder kein anderes diesem Zwecke dienendes Grundstück in der Schweiz erworben haben und ausserdem eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
1...
2...
3. Lage des Grundstückes an einem Orte, dessen Wirtschaft vom Fremdenverkehr abhängt und der Ansiedelung von Gästen bedarf, um den Fremdenverkehr zu fördern, insbesondere in Berggegenden".
Unbestritten ist, dass das Grundstück Nr. 4-56 in einem Fremdenverkehrsort nach Ziff. 3 von
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
liegt.
Boosten besitzt an sich bereits ein Grundstück in der Schweiz, nämlich die Parzelle Nr. 4-50, welche an die Liegenschaft Nr. 4-56 angrenzt. Die Bewilligung zum Erwerb dieser Liegenschaft kann jedoch nicht schon aus diesem Grunde verweigert werden.
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
will verhindern, dass Personen mit
BGE 101 Ib 138 S. 141
Wohnsitz im Ausland mehrere Liegenschaften in verschiedenen Gegenden oder am gleichen Ort in der Schweiz erwerben.
Wie gross ein solches Grundstück höchstens sein darf, wird zahlenmässig jedoch nicht festgelegt. Es kann daher auch nicht der Sinn dieser Bestimmung sein, den Zukauf einer Parzelle zur Abrundung eines Grundstückes, das bereits im Eigentum des Erwerbers steht, unter allen Umständen auszuschliessen.
Die beschwerdeführende Justizabteilung teilt grundsätzlich diese Auffassung. Auch die frühere Eidg. Rekurskommission für den Erwerb von Grundstücken hatte sich auf diesen Standpunkt gestellt und in einem solchen Fall ein berechtigtes Interesse unter der Voraussetzung anerkannt, dass die Fläche der Stammparzelle und des zugekauften Bodens zusammen das für ein Ferienhaus übliche Mass nicht überschreitet und dass besondere Gründe die Abrundung als notwendig erscheinen lassen. Als ein die Abrundung rechtfertigender Grund wurde insbesondere die Vergrösserung eines Ferienhauses im Hinblick auf die Bedürfnisse der Familie des Eigentümers erachtet (vgl. ZBGR 46/1965 S. 237, mit Hinweisen).
Die Neufassung von
Art. 6 BewB
durch den Bundesbeschluss vom 24. Juni 1970 über die Weiterführung der Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland war darauf angelegt, die Praxis der Rekurskommission zum Vorliegen eines berechtigten Interesses zu kodifizieren und den unbestimmten Gesetzesbegriff zu definieren (BBl 1969 II 1391). In der Revision vom 21. März 1973 wurde dem
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
sodann hinzugefügt, dass der Erwerb eines Grundstückes einzig auf den Namen einer natürlichen Person erfolgen dürfe. Im übrigen blieb diese Bestimmung jedoch unverändert, soweit sie für den vorliegenden Sachverhalt von Interesse ist. Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass beabsichtigt gewesen wäre, mit der Revision des BewB von der geschilderten Praxis der Rekurskommission abzuweichen.
2.
Das Grundstück Nr. 4-56 misst 749 m2, ist also verhältnismässig klein. Es liegt zudem zwischen zwei bereits überbauten Parzellen. Wenn in Übereinstimmung mit den bei den Akten liegenden Plänen angenommen wird, dass 123 m2 für die durchgehende Strasse wegfallen, so bleiben noch 626 m2. Für ein am Hang gelegenes Baugrundstück ist das
BGE 101 Ib 138 S. 142
eine kleine Fläche. So hat auch das mit den örtlichen Verhältnissen vertraute Verwaltungsgericht in seiner Vernehmlassung erklärt, dass die überbaute Parzelle Nr. 4-50 mit einem Halt von 626 m2 an der untersten Grenze dessen liege, was noch als überbaubares Grundstück gelten könne.
Es folgt daraus, dass die Parzelle Nr. 4-56 nur entweder in ihrer jetzigen Grösse mit einem verhältnismässig kleinen Haus überbaut oder aber insgesamt zu einer benachbarten Parzelle geschlagen werden kann. Sofern man das Interesse an einer gewissen Erweiterung der kleinen Parzelle Nr. 4-50 bejaht, was auch die beschwerdeführende Justizabteilung tut, so kommt angesichts der ebenfalls geringen Fläche des Grundstückes Nr. 4-56 nur der Erwerb der ganzen Parzelle in Betracht.
Nach Abzug des Landes für die Strasse messen die beiden Grundstücke zusammen 1153 m2. Diese Fläche übersteigt den normalen Umfang einer Ferienhausliegenschaft nicht. Beabsichtigt ist im vorliegenden Fall zudem nicht eine reine Arrondierung, sondern zusätzlich eine bauliche Vergrösserung, für welche überzeugende Gründe vorgebracht werden.
Einmal gehören nach feststehender Auffassung eine Garage und ein Abstellplatz zu einem Ferienhaus, wegen der gewöhnlich langen Parkzeiten und der damit verbundenen Behinderung des Verkehrs noch mehr als zu einem gewöhnlichen Wohnhaus (vgl.
BGE 97 I 797
E. 4a). Weiter ist mit einer Fläche von 55 m2 der Wohnraum für ein Haus, das in der Ferienzeit von zwei bis vier erwachsenen Personen und von zwei Kindern bewohnt wird, sehr knapp bemessen. Es wäre auch nichts dagegen einzuwenden, wenn für die Grösse eines Ferienhauses nicht nur die Wohn- und Schlafgelegenheiten für die zur Familie gehörenden Personen veranschlagt werden, sondern auch die notwendigen Räumlichkeiten, um gelegentlich einen oder zwei Gäste unterzubringen.
3.
Boosten hat sein Interesse am Erwerb der Parzelle Nr. 4-56 damit begründet, dass er diese für den Bau einer Garage und von zwei Wohnräumen in einem Zwischentrakt zwischen Garage und dem bestehenden Ferienhaus verwenden wolle. Er ist dabei zu behaften; auf jeden Fall darf auf dem Grundstück Nr. 4-56 kein selbständiges Wohn- oder Ferienhaus erstellt werden. In diesem Sinne ist ein berechtigtes Interesse am Erwerb der Parzelle Nr. 4-56 anzunehmen. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
fc6ff7e2-1742-4901-b2fa-5607e0726eb5 | Urteilskopf
112 V 81
14. Arrêt du 28 mai 1986 dans la cause Caisse cantonale vaudoise de compensation contre Carrard et consorts et Tribunal des assurances du canton du Vaud | Regeste
Art. 5 Abs. 1 lit. b und
Art. 25 VwVG
,
Art. 128 AHVV
: Verfügung über das Beitragsstatut.
- Eine Ausgleichskasse kann keine Feststellungsverfügung über das AHV-Beitragsstatut eines Versicherten erlassen, wenn diese Frage bereits (implizite) durch eine Gestaltungsverfügung einer andern Kasse entschieden worden ist, die den Bezug der Beiträge dieses Versicherten für die gleiche Periode betrifft (Erw. 2b).
- Der Sozialversicherungsrichter kann nicht über eine Beschwerde gegen einen Verwaltungsakt befinden, der nicht Verfügungscharakter hat (Erw. 2c).
Art. 156 Abs. 3 und
Art. 159 Abs. 3 OG
: Gerichtskosten und Parteientschädigung: Auferlegung an die obsiegende Partei (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 82
BGE 112 V 81 S. 82
A.-
La Fondation pour le Réarmement Moral (ci-après: la fondation), dont le siège est à Kriens (LU), gère un centre de réunion et de conférences pour ses adhérents et autres invités, sis à Caux sur Montreux.
Jean Carrard et huit autres personnes font partie d'un groupe de personnes que la fondation dénomme ses "permanents". Ils se consacrent entièrement à des activités en rapport avec le but religieux et moral visé par celle-ci, et font certains dons en argent à la fondation. Ils ne perçoivent aucun salaire en espèces, mais reçoivent nourriture et logement lorsqu'ils séjournent au centre précité.
L'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) ayant estimé, aux termes d'une lettre qu'il a adressée à la fondation le 15 juin 1979, que ces personnes devaient, contrairement à la pratique antérieure, être considérées à partir du 1er janvier 1980 comme exerçant une activité lucrative au sens de la LAVS, la Caisse interprofessionnelle vaudoise d'assurance-vieillesse et survivants (CIVAS) a fixé par décision du 11 mai 1981 les cotisations paritaires dues par la fondation à ce titre.
Par jugement du 1er décembre 1981, entré en force, le Tribunal administratif du canton de Lucerne a admis partiellement les recours formés contre cette décision par la fondation et par les assurés concernés, dont les personnes mentionnées plus haut, et renvoyé la cause à la caisse pour nouvelle décision. Il a considéré que l'existence d'une activité lucrative pouvait être admise seulement pour les "permanents" bénéficiant de prestations en nature pendant la plus grande partie de l'année, le montant des dons faits par les intéressés devant par ailleurs être déduit de la valeur des prestations en nature qui leur sont accordées.
Les calculs effectués par la CIVAS, conformément à ce jugement, ont conduit cette dernière à la constatation que les "permanents" susmentionnés n'ont pas réalisé chaque année, entre 1980 et 1982, un revenu soumis à cotisation (lettres de la caisse à la fondation des 19 novembre 1982 et 12 avril 1983). En ce qui concerne ces assurés, elle n'a donc perçu des cotisations paritaires que pour certaines desdites années.
Les intéressés se sont alors annoncés à la Caisse cantonale vaudoise de compensation en vue de leur affiliation en qualité de personnes sans activité lucrative. Par décisions qu'elle leur a notifiées individuellement (datées des 14 mars 1983 pour les uns, du 25 mars 1983 pour les autres), mais dont le contenu est
BGE 112 V 81 S. 83
semblable, cette caisse a refusé d'accéder à leurs demandes, motifs pris qu'ils étaient domiciliés à Caux, qu'ils étaient nourris et logés par la fondation, et qu'ils devaient être affiliés en tant que salariés auprès de la CIVAS, à laquelle est affilié leur employeur, sur la base d'un revenu mensuel (en nature) estimé à Fr. 450.-- jusqu'au 31 décembre 1982 et à Fr. 540.-- à partir de cette date.
B.-
Sur recours des assurés, le Tribunal des assurances du canton de Vaud a annulé ces décisions de la caisse cantonale de compensation par jugement du 22 novembre 1984 et constaté que les intéressés devaient être affiliés à l'AVS en qualité de personnes n'exerçant aucune activité lucrative, en exposant - en substance - qu'il n'existait aucun lien de subordination ou de dépendance juridique ou économique entre la fondation et les "permanents", lesquels paient leur entretien par les dons qu'ils font à celle-ci.
C.-
La Caisse cantonale vaudoise de compensation interjette recours de droit administratif contre ce jugement. Elle conclut à l'annulation de celui-ci et demande au tribunal "de reconnaître le statut de salariés aux membres permanents du Réarmement moral, à Caux". La caisse invoque, pour l'essentiel, l'avis que l'OFAS avait adressé à la fondation le 15 juin 1979.
Les intimés, représentés par Me B., de même que la fondation en qualité d'intéressée, représentée par Me K., concluent au rejet du recours. L'OFAS propose en revanche l'admission de celui-ci.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Par les actes administratifs qui forment l'objet de la présente contestation, la Caisse cantonale vaudoise de compensation a qualifié les intimés de personnes exerçant une activité lucrative (dépendante). A titre préalable, la question se pose de savoir si la caisse était en droit de rendre de telles décisions de constatation, susceptibles de recours, sur le statut des intimés en matière de cotisations AVS.
Le Tribunal fédéral des assurances examine en effet d'office les conditions dont dépend la qualité pour recourir et les conditions formelles de validité et de régularité de la procédure administrative, soit en particulier le point de savoir si c'est à juste titre que la juridiction cantonale est entrée en matière sur le recours ou sur l'action. Aussi, lorsque l'autorité de première instance a ignoré qu'une condition mise à l'examen du fond du litige par le juge
BGE 112 V 81 S. 84
faisait défaut et a statué sur le fond, c'est un motif pour le tribunal, saisi de l'affaire, d'annuler d'office le jugement en question (
ATF 111 V 346
consid. 1a,
ATF 110 V 129
consid. 2 et 149 consid. 2b,
ATF 107 V 248
consid. 1b; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2e éd., p. 73 ch. 3, ainsi que les arrêts cités par cet auteur).
2.
a) Selon la jurisprudence et la doctrine, une autorité ne peut rendre une décision de constatation, au sens des
art. 5 al. 1 let. b et 25 PA
, que lorsque la constatation immédiate de l'existence ou de l'inexistence d'un rapport de droit est commandée par un intérêt juridique actuel, digne de protection, auquel ne s'opposent pas de notables intérêts publics ou privés, et à condition que cet intérêt digne de protection ne puisse pas être préservé au moyen d'une décision formatrice, c'est-à-dire constitutive de droits ou d'obligations (
ATF 108 Ib 546
consid. 3,
ATF 107 Ib 250
consid. 2a,
ATF 102 V 148
,
ATF 100 Ib 327
consid. 2; RCC 1986 p. 51; RAMA 1985 No K 627 p. 130 ss et 1984 No K 579 p. 113; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5e éd., No 36 p. 220 ss, en particulier p. 223 let. d; Gygi, op.cit., p. 144; GRISEL, Traité de droit administratif, p. 867).
En ce qui concerne le statut des assurés en matière de cotisations AVS, la jurisprudence considère qu'il peut, à lui seul, donner lieu à une décision de constatation lorsqu'un intérêt majeur exige l'examen préalable de cette question. Il en va ainsi dans certains cas complexes, dans lesquels l'on ne peut raisonnablement pas exiger que des décomptes de cotisations paritaires compliqués soient effectués avant que l'existence d'une activité lucrative dépendante et l'obligation de cotiser de l'employeur visé aient été établies. Une telle situation peut se présenter notamment lorsque de nombreux assurés sont touchés par la décision notifiée à leur employeur commun, relative à leur situation de personnes salariées, tout particulièrement si le nombre de ces assurés est si élevé que l'administration ou le juge est dispensé de les appeler à intervenir dans la procédure en qualité d'intéressés (ATFA 1960 p. 221 consid. 1; RCC 1986 p. 51, 1978 p. 466 consid. 1; GOSSWEILER, Die Verfügung im schweizerischen Sozialversicherungsrecht, thèse Berne 1983, p. 119 ss, et les arrêts cités).
b) En l'espèce, des motifs pertinents pour justifier que la caisse recourante se prononce par des décisions de constatation sur le statut des intimés en matière de cotisations AVS font défaut. Le nombre des assurés concernés n'est en l'occurrence pas très élevé, et leur cas n'est pas - quant au fond - d'une complexité telle que
BGE 112 V 81 S. 85
l'on n'eût pu exiger de la caisse de compensation compétente qu'elle établisse d'emblée des décomptes de cotisations. Les conditions restrictives auxquelles la jurisprudence précitée de la Cour de céans subordonne, en principe, la faculté de rendre une décision de constatation ne sont donc pas réunies.
Compte tenu des circonstances particulières dans lesquelles la caisse recourante a été saisie des demandes d'affiliation des intimés il faut relever, en outre, que le but et l'utilité d'une décision de constatation est d'élucider une situation juridique encore incertaine. En conséquence, il ne peut exister un intérêt digne de protection à la constatation de droits ou obligations qui ont déjà fait l'objet d'une décision formatrice. Au demeurant, on ne saurait offrir à celui qui prétend obtenir une décision de constatation, sujette à recours, la possibilité d'éluder les règles sur l'entrée en force formelle d'une décision antérieure (JAAC 1977, No 8, p. 32; GUENG, Zur Tragweite des Feststellungsanspruchs gemäss Art. 25 VwVG, RSJ 67/1971 p. 369 ss). Or, dans le cas présent, la CIVAS à laquelle est affiliée la Fondation pour le Réarmement Moral avait rendu, le 11 mai 1981, une décision formatrice, relative aux cotisations paritaires dues par la fondation en tant qu'employeur des intimés. La question de l'affiliation de ceux-ci à l'AVS en qualité de personnes exerçant une activité lucrative (dépendante) a donc déjà fait l'objet d'une décision, que les assurés - parmi lesquels figurent les intimés dans la présente procédure - et la fondation ont, il est vrai, déférée en justice. Mais, par jugement du 1er décembre 1981, qui n'a été attaqué ni par les parties concernées ni par l'OFAS, le Tribunal administratif du canton de Lucerne a précisé les critères qu'il a considérés comme déterminants pour décider si les "permanents" de la fondation exercent ou non une activité lucrative. Aussi, en application de ce jugement, la CIVAS a-t-elle établi de nouveaux décomptes de cotisations paritaires, que les assurés et la fondation n'ont apparemment pas remis en cause. Dans ces conditions, les assurés n'avaient aucun intérêt digne de protection à agir - à supposer que telle était leur intention - en constatation de leur statut en matière de cotisations AVS. Aussi, la caisse recourante, saisie de leurs demandes d'affiliation, ne pouvait statuer valablement, sur ce point, par des décisions de constatation.
c) Selon la jurisprudence constante de la Cour de céans, le juge des assurances sociales ne peut connaître des recours contre des actes administratifs n'ayant pas le caractère de décisions; de tels
BGE 112 V 81 S. 86
recours sont irrecevables (
ATF 102 V 152
consid. 4; ATFA 1968 p. 224; RCC 1986 p. 52 consid. 3). Il s'ensuit que la juridiction cantonale n'aurait pas dû entrer en matière sur le recours des assurés, et que le jugement entrepris doit être annulé de ce chef.
3.
Au vu de ce qui précède, et compte tenu de l'issue de la présente procédure, le dossier de la cause doit être transmis à la caisse recourante afin qu'elle examine si et dans quelle mesure elle est compétente pour affilier les intimés pendant les années pour lesquelles ils ont été qualifiés par la CIVAS de personnes sans activité lucrative.
Il y a lieu d'observer qu'un éventuel litige survenant à ce sujet entre la caisse recourante et la CIVAS relèverait de l'
art. 127 RAVS
, selon lequel les conflits relatifs à l'affiliation aux caisses sont tranchés par l'OFAS. Ce litige échapperait en principe à la compétence juridictionnelle de l'autorité judiciaire cantonale (cf.
art. 84 LAVS
). En revanche, les décisions prises en cette matière par l'OFAS sont sujettes au recours de droit administratif devant le Tribunal fédéral des assurances (
art. 203 RAVS
en corrélation avec les
art. 97 et 98 let
. c OJ; arrêts non publiés Ausgleichskasse des Schweizerischen Gewerbes du 14 avril 1983 et Schweizerische Betriebskrankenkasse du 28 décembre 1979).
4.
Selon la jurisprudence relative aux art. 156 al. 3 et 159 al. 3 OJ, des frais de justice ainsi qu'une indemnité de dépens peuvent être mis à la charge de la partie qui obtient gain de cause lorsque la partie qui succombe pouvait se croire fondée à procéder en justice à cause de l'attitude contraire au droit de la partie adverse (
ATF 105 V 89
consid. 4; RCC 1986 p. 53 consid. 4). Les intimés ont, en l'espèce, été incités à agir en justice par des actes administratifs irréguliers de la caisse recourante. Il y a lieu dès lors de mettre à la charge de celle-ci les frais de la procédure (
art. 134 OJ
a contrario) et une indemnité de dépens pour les frais des mandataires auxquels les intimés et la fondation ont dû faire appel.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
I. Le recours est partiellement admis, et le jugement du Tribunal des
assurances du canton de Vaud du 22 novembre 1984 est annulé. Le
recours est rejeté pour le surplus. II. Le dossier est transmis à la Caisse cantonale vaudoise de
compensation pour qu'elle procède conformément au considérant 3.
BGE 112 V 81 S. 87
III. Les frais de justice ... sont mis à la charge de la recourante. IV. La recourante versera aux intimés la somme de Fr. ... à titre de
dépens pour l'ensemble de la procédure.
V. La recourante versera à la Fondation pour le Réarmement Moral, en
sa qualité d'intéressée dans la procédure fédérale, une somme de Fr. ...
à titre de dépens. | null | nan | fr | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fc727c85-b429-404f-98a9-a85cee677518 | Urteilskopf
92 II 1
1. Arrêt de la Ire Cour civile du 15 février 1966 dans la cause Alex Martin SA contre l'Association suisse des fabricants de cigarettes. | Regeste
Art. 60 Abs. 1 OR
(und
Art. 23 Abs. 1 KG
)
1. Für die Festsetzung des Beginns der Verjährungsfrist des
Art. 60 OR
ist die Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse, nicht diejenige ihrer rechtlichen Qualifikation massgebend (Erw. 1 a).
2. Der Schaden aus einer Einzelhandlung, aus einem Dauerzustand oder aus mehreren, auf demselben Beschluss beruhenden Handlungen ist bei der Festsetzung des Beginns der Verjährungsfrist des
Art. 60 OR
als Einheit zu behandeln, selbst wenn sich die einzelnen gleichartigen, nacheinander eingetretenen Schadensbestandteile ermitteln lassen (Erw. 2-7). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 92 II 1 S. 2
A.-
Comme elle subissait une discrimination de prix de la part des fabricants de cigarettes, groupés en une association suisse dont elle refusait de respecter les conditions de vente aux détaillants, la société Alex Martin SA, grossiste en tabacs à Fribourg, assigna l'association devant le Tribunal fédéral, par demande du 6 décembre 1962. Elle concluait à la cessation du boycott et au paiement de dommages-intérêts. Les 9 janvier et 18 novembre 1963, elle chiffra la seconde conclusion à fin octobre 1962, respectivement 1963, réservant le préjudice ultérieur.
Par arrêt du 16 mars 1965 (RO 91 II 25 sv.), la Ie Cour civile du Tribunal fédéral admit partiellement la demande: l'association refusait à tort au boycotté la bonification de 0,75% à 1,5% prévue par l'art. 13 de la convention conclue entre les fabricants le 15 décembre 1960; elle devait inviter aussitôt ses membres à l'accorder; elle était en outre condamnée à payer à la demanderesse une indemnité de 73 413 fr. 10, qui représentait le dommage causé par la discrimination du 1er avril 1961 au 31 octobre 1962.
Décidée le 12 janvier 1961 en assemblée générale, la mesure était en effet entrée en vigueur le 1er avril. Dès cette date, les fabricants ont omis la bonification dans les factures destinées à la demanderesse. Celle-ci a donc subi le dommage consécutif à la décision illicite au für et à mesure de leurs livraisons; à réception de chaque facture, elle connaissait exactement le préjudice qui lui était causé.
En exécution de l'arrêt, la défenderesse a payé, outre le montant qui y est fixé, une indemnité pour la période allant du 1er juillet 1964 au 16 mars 1965. Elle a refusé en revanche de réparer le dommage causé du 1er novembre 1962 au 30 juin 1964, que les parties arrêtent à 90 566 fr. Elle soutient que cette créance était prescrite.
Le 29 juin 1965, la demanderesse lui a fait notifier un commandement de payer, frappé d'opposition.
BGE 92 II 1 S. 3
B.-
Les parties étant convenues de saisir directement le Tribunal fédéral, Alex Martin SA a ouvert une seconde action le 9 novembre 1965. La demande tend au paiement de 90 566 fr. avec intérêts à 5% dès le 29 juin 1965. La défenderesse conclut au rejet de l'action.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Seule l'exception de prescription est litigieuse, et plus précisément le point de départ du délai d'un an fixé par l'art. 60 al. 1 CO (en vertu de l'art. 23 al. 1 Lcart.):
Certains arguments de la demande sont manifestement dépourvus de fondement.
a) Rétablissant la jurisprudence antérieure à l'arrêt publié au RO 88 II 209, la Cour de céans a reconnu à la défenderesse la qualité d'association au sens des
art. 60 sv
. CC et, partant, la personnalité juridique et la capacité d'ester en justice (RO 90 II 333). L'incertitude qui a existé sur ce point de droit n'empêche pas que la demanderesse ait eu connaissance de l'auteur du dommage au plus tard le 6 décembre 1962, lorsqu'elle a saisi le Tribunal fédéral en raison de la décision qu'elle jugeait illicite. En effet, pour fixer le point de départ du délai de prescription, l'art. 60 CO vise la connaissance des faits, non de leur qualification juridique.
Pour la même raison, peu importe que l'illicéité de la discrimination n'ait été définitivement constatée que par l'arrêt du 16 mars 1965. Il suffit, au regard de l'art. 60 CO, que le lésé ait connu en fait la mesure. L'appréciation exacte des bases juridiques de la prétention, notamment de l'illicéité de l'acte dommageable, n'est pas requise (arrêt non publié rendu le 26 juin 1954 dans la cause Bochatay c. Roten).
b) La réserve de la prétention issue d'un dommage futur, faite au cours du premier procès, ne constitue pas un acte interruptif du cours de la prescription (RO 60 II 202/3; arrêt Schlotz c. Frossard, consid. 10 b, RO 91 II 429).
c) La demanderesse, enfin, n'allègue aucun fait qui donnerait à penser que la défenderesse, en invoquant la prescription, abuse de son droit au sens que la pratique a fixé.
2.
Le délai de prescription de la créance déduite en justice dans le présent procès a été interrompu pour la première fois par le commandement de payer du 29 juin 1965. Il s'agit de savoir si, plus d'un an auparavant, la demanderesse avait eu "connaissance du dommage".
BGE 92 II 1 S. 4
L'acte illicite consiste dans la décision du 12 janvier 1961, exécutée dès le 1er avril suivant par les membres de l'association, en vertu de leurs engagements statutaires. C'est un acte unique et instantané qui a engendré des effets dommageables identiques par leur nature, répétés au für et à mesure des factures adressées au lésé. Celui-ci a connu sur-le-champ, certainement et exactement, le montant dont il était frustré lors d'une livraison. L'ensemble du dommage qu'il a subi constitue-t-il néanmoins un dommage unique au regard de l'art. 60 al. 1 CO? Dans l'affirmative, un seul délai de prescription courait à compter du jour où le préjudice fut entièrement réalisé et où la demanderesse put en voir toute l'étendue, soit dès que la décision illicite cessa de sortir ses effets. Dans la négative, un délai distinct partait, pour le rabais refusé, dès la réception de chaque facture.
Sans doute paraît-il avéré que l'attitude des fournisseurs était aussi illicite et que la défenderesse répond solidairement avec ses membres (art. 50 CO). Mais la présente action est dirigée uniquement contre l'association, qui a commis un seul acte illicite. Peu importe donc que, s'agissant de la responsabilité des fabricants, la notion du préjudice causé par chacun d'eux puisse être envisagée différemment.
3.
Selon la jurisprudence constante relative à l'art. 60 al. 1 CO (RO 74 II 37;
89 II 404
, 417), le dommage n'est réputé réalisé (abgeschlossen) qu'au moment où il s'est manifesté complètement. C'est ainsi qu'il est considéré comme un tout, et non comme la somme de préjudices distincts, lorsque son ampleur résulte d'une situation qui évolue, de manière irréversible ou non, régulière ou irrégulière. Dans cette hypothèse, qui se produit notamment lorsqu'une perte de gain s'étale dans le temps, par exemple en raison d'une incapacité de travail passagère ou permanente, le délai de prescription ne saurait courir avant le terme de l'évolution. Il suit en outre du principe posé que les divers chefs de préjudice issus d'un même acte illicite ne constituent pas des dommages distincts, mais les éléments d'un seul dommage, réalisé lorsque le dernier, dans l'ordre chronologique, est survenu. Ainsi en est-il des frais médicaux et pharmaceutiques (damnum emergens) et de la perte de gain (lucrum cessans) résultant de l'incapacité temporaire de travailler ou de l'invalidité permanente en cas de lésions corporelles.
Certes, il s'agit là d'ordinaire d'actes instantanés qui ont pour effet médiat un préjudice (la perte de gain, par exemple) dont
BGE 92 II 1 S. 5
l'étendue n'est connue que lorsque le fait immédiatement générateur (la lésion corporelle, l'atteinte à la réputation commerciale) a terminé son évolution. Il reste que le délai de prescription ne court pas quand bien même certains éléments du préjudice sont constants et qu'ils se distinguent d'autres éléments. Cette conception de l'unité du dommage procède du but de l'institution de la prescription. Si la sécurité juridique interdit que l'on invoque tardivement des prétentions dont l'existence ou l'étendue ne peuvent plus être constatées avec certitude, la preuve étant rendue difficile par l'écoulement du temps (RO 89 II 437), cette considération essentielle n'est pas de mise, s'agissant de courts délais surtout, lorsque les éléments du préjudice ne sont pas encore tous réalisés. On ne saurait obliger le lésé à diviser son action et à procéder selon la loi au für et à mesure que se produit chaque effet partiel et distinct: cette complication sérieuse ne sert pas la sécurité juridique que l'institution veut promouvoir.
4.
La notion large du dommage s'applique a fortiori dans certaines situations où l'acte illicite n'apparaît pas unique et instantané et où, pour cette raison, le préjudice peut varier et s'amplifier.
Ainsi l'atteinte aux intérêts personnels d'un époux résultant d'une liaison adultère de son conjoint provient en général d'un ensemble de faits de portée et de gravité diverses. Le délai de l'art. 60 CO ne court que lorsque le lésé peut se faire une idée précise de l'importance de l'atteinte dans son ensemble, même si certains actes antérieurs suffisaient déjà à fonder l'action (RO 43 II 319 consid. 4); alors seulement, il connaît le dommage.
Dans deux arrêts, le Tribunal fédéral a fixé le point de départ du délai de prescription lorsqu'un acte continu ou continué (au sens du droit pénal) a causé un préjudice dont les éléments, de même nature, s'accumulent tant que dure l'état illicite. Ainsi, le dommage n'est pas réalisé par la seule exécution du séquestre, mais subsiste aussi longtemps que la mesure est en force; partant, le délai commence à courir lorsque celle-ci est rapportée (RO 14 p. 630; contra: RGZ 106 p. 285). Dans cette hypothèse, où un acte unique engendre une situation que seule sa révocation peut faire cesser, la doctrine range aussi l'arrestation illégale (BECKER, no 7 ad art. 60 CO). Il en est une seconde, où l'activité dommageable, bien qu'elle procède d'une résolution unique, s'est répétée. L'imitation illicite de l'emballage d'un concurrent
BGE 92 II 1 S. 6
constitue un tel "délit continué"; tant que persistent les actes déloyaux, le délai de prescription ne court pas (RO 55 II 253 consid. 2).
Ces deux dernières espèces se distinguent seulement par les modalités de l'acte illicite, mais non quant à la notion de dommage. On est en présence, non certes d'une situation qui évolue (consid. 3; RO 43 II 319), mais néanmoins d'un préjudice résultant de l'addition d'éléments identiques, dont l'intensité est mesurée par le seul écoulement du temps (séquestre, détention) ou par le mouvement des affaires (concurrence déloyale). Il est significatif que la jurisprudence, bien que ces circonstances n'aient par nature qu'un rapport extérieur et lâche avec l'existence du dommage, a refusé, là encore, de diviser le préjudice global.
Il apparaît donc que l'unité du dommage est le corollaire constant de l'unité de l'acte qui l'engendre. A l'unité de l'attitude dommageable qui, procédant d'une seule détermination, dure ou se répète, correspond l'unité du dommage que cette attitude cause au lésé par sa persistance ou sa répétition: le même dommage varie et s'amplifie.
Il serait logique que ce principe s'appliquât dans le présent litige. L'espèce est analogue à celles qui viennent d'être rappelées - aux deux dernières surtout -, sauf à remarquer que les éléments successifs du préjudice sont ici matérialisés et individualisés par les factures des fabricants, donc perceptibles immédiatement avec certitude et précision.
5.
Encore que le résultat ne soit pas à lui seul décisif, il n'est pas sans intérêt de comparer des domaines voisins de la prescription annale de l'art. 60 al. 1 CO.
a) A l'exception d'une seule, les lois spéciales qui régissent des situations semblables adoptentla règle de l'art. 60 CO, soit par un simple renvoi exprès ou tacite, soit par une disposition propre (cf. art. 23 al. 1 Lcart.; art. 7 LCD; art. 73 al. 1 LBI; art. 44 LDA; LDMI). On ne saurait étayer une interprétation large de la connaissance du dommage directement sur la réglementation de l'action en cessation de trouble qu'elles prévoient, car cette action ne se prescrit pas (RO 88 II 178 consid. 2). Tout au plus trouvera-t-on quelque analogie dans le fait que la prétention ne s'exerce qu'autant que persiste l'activité dommageable. L'art. 28 LMF en revanche, qui constitue l'exception, précise que le délai de prescription court à compter du dernier acte de contravention. Il en était de même de la jurisprudence relative à
BGE 92 II 1 S. 7
l'art. 48 a LBI 1907, qui se référait à la notion pénale d'acte continué (cf. RO 86 II 414/5). Ces deux dernières lois - dont la seconde est abrogée - visent, dans leur texte même, toute action civile, et partant aussi l'action en dommages-intérêts, qui se prescrit (cf. RO 86 II 414/5). Elles ont vu le jour alors que s'appliquait déjà l'ancien art. 69 a CO, dont le contenu est identique à celui de l'art. 60 actuel. Si, dans une règle spéciale édictée sur le point aujourd'hui litigieux, ces lois préférèrent une solution qui évite la division éventuelle des actions, lorsque dure longtemps la situation illicite, en retardant le point de départ du délai de prescription de celle qui tend - non à la cessation du trouble - mais au paiement d'une indemnité, on ne voit pas les motifs qui auraient incliné le législateur à choisir une autre voie pour le domaine d'application du code des obligations et des autres lois spéciales. Un tel choix pourrait entraîner, si l'on reproche au demandeur d'être à tard, un traitement différent suivant le fondement de l'action en dommages-intérêts issue d'un fait déterminé. Il en irait ainsi, par exemple, lorsque l'usurpation d'une marque déposée constitue à la fois une atteinte à la marque (sur un emballage ou sur la marchandise - art. 28 LMF) et un acte de concurrence déloyale (sur des prospectus ou des catalogues - art. 7 LCD). Or il tombe sous le sens qu'une certaine cohérence et une certaine unité paraissent souhaitables dans la réglementation de domaines voisins.
b) En l'espèce, seule la prescription annale est en jeu. Mais l'art. 60 CO prévoit également un délai de dix ans, qui court dès le jour où le fait dommageable s'est produit. Cette institution subsidiaire (VON TUHR/SIEGWART, I p. 375) veut épargner l'auteur lorsque l'effet dommageable ne s'est pas encore manifesté dix ans après l'acte illicite. Elle repose sur l'idée que le dies a quo de la prescription décennale est antérieur à celui de la courte prescription annale. Or, au contraire de la jurisprudence et de la doctrine allemandes, qui rejettent pour le droit civil les notions d'acte continu et continué (GRUR 1932 p. 320; REIMER, GRUR 1932 p. 669), le Tribunal fédéral fait courir le délai de la prescription décennale, dans ces cas, du dernier acte illicite (pour l'art. 679 CC: RO 81 II 445 consid. 3 et 4). Si la violation continue ou successive d'un droit créait, quant à la sauvegarde du délai d'un an, autant de dommages que d'actes, la prescription pourrait être acquise alors que le délai de dix ans n'aurait pas encore commencé à courir. Ce serait une anomalie.
6.
Ce qui précède assoit le principe général de l'unité du
BGE 92 II 1 S. 8
dommage, dégagé explicitement par l'arrêt publié au RO 74 II 37. Il n'y a lieu de s'en départir que si la succession des effets dommageables présente une solution de continuité. Tel n'est pas le cas en l'espèce.
a) Le présent litige offre une première particularité. La demanderesse n'a pas subi un dommage qui évoluait, comme une atteinte à l'intégrité corporelle, mais un préjudice constant et d'emblée déterminable dans son élément essentiel. Elle était privée d'un pourcentage précis du chiffre d'affaires de la branche cigarettes de son commerce, au für et à mesure des livraisons des grossistes. Mais l'absence du caractère intrinsèquement évolutif du dommage n'a pas incliné le tribunal à s'écarter du principe (cf. consid. 4 ci-dessus, et notamment RO 55 II 253 consid. 2).
b) Une seconde particularité est plus importante et c'est sur elle que se fonde la défenderesse. La victime du boycott a connu, certainement et exactement, le montant, individualisé par une facture, dont elle était frustrée lors de chaque livraison distincte d'un fournisseur membre de l'association.
Cette circonstance paraît toutefois secondaire, elle aussi. Au stade de l'exécution de la décision du 12 janvier 1961, de nombreux actes distincts ont violé le même bien juridiquement protégé et contribué à créer les divers éléments du dommage voulu par la défenderesse. De même que, lorsque les actes isolés sont issus d'une intention unique qui les relie intimement les uns aux autres, il ne serait pas naturel, quant au point de départ du délai de prescription, de diviser l'ensemble des faits illicites (RO 86 II 415), ainsi serait-il illogique de renoncer à considérer comme une unité le dommage dont les éléments, de nature identique, se réalisent successivement (dans le même sens: SJZ 1962 p. 186 = Maximes lucernoises X no 640). Au demeurant, comme le relève le premier arrêt cité, la division artificielle de l'effet d'une résolution unique conduirait à des désagréments pratiques - la multiplication des actes interruptifs, notamment des actions - sans que le but de la prescription l'exige.
Certes, si l'activité illicite dure très longtemps, le principe de l'unité du dommage, combiné au besoin avec la notion de délit continu ou continué, permettrait d'allouer des indemnités pour une durée supérieure - et de beaucoup - au délai absolu de dix ans; après s'être accommodé d'un boycott, le lésé pourrait se rebiffer soudain au bout d'un très grand nombre d'années. Mais la loi (art. 28 LMF) et la jurisprudence (RO II 253) n'ont pas
BGE 92 II 1 S. 9
reculé devant cette conséquence dans les domaines voisins des marques de fabrique, des brevets d'invention, du droit d'auteur et de la concurrence déloyale. Au demeurant, l'interprétation large de l'art. 60 CO corrige la brièveté du délai d'un an. En outre, l'hypothèse envisagée est plutôt théorique. En effet, si elle tolère longtemps une atteinte à ses intérêts qui engendre un dommage sérieux, la victime manifeste d'ordinaire par sa passivité même une renonciation, voire l'aveu de la légitimité de la lésion, et incline à lui opposer l'art. 2 al. 2 CC lorsqu'enfin elle prétend un droit (cf. RO 73 II 189 consid. 5, pour la propriété intellectuelle). S'agissant d'appliquer la loi sur les cartels, le juge estimera logiquement, si les discriminations ont duré pendant très longtemps sans compromettre l'existence économique du boycotté, que l'entrave à la concurrence ne présentait pas la gravité qui, selon la loi, la rend illicite.
Une dernière considération justifie qu'on s'en tienne en l'espèce au principe de l'unité du dommage. Celui-ci a été appliqué, jusqu'à présent, si les divers éléments du préjudice sont de même nature; y apporter une exception lorsque tous, ou certains seulement, peuvent être individualisés, isolés et déterminés avec précision risquerait de compromettre tant la clarté, et partant la force de la règle, que la sécurité du droit.
7.
Vu ce qui précède, il faut donc juger le point qui reste litigieux en l'espèce à la lumière du principe selon lequel le dommage causé par un seul acte, ou par un état continu, ou enfin par une suite d'actes procédant d'une résolution unique, constitue un tout lorsqu'il s'agit de fixer le point de départ du délai de prescription prévu à l'art. 60 CO, quand bien même il peut s'analyser en éléments homogènes distincts qui surviennent successivement. Le délai que devait respecter la demanderesse n'a donc commencé à courir que lorsque l'activité illicite, et partant le dommage, a cessé: c'est à ce moment-là seulement, soit le 16 mars 1965, que l'on pouvait déterminer exhaustivement l'objet de l'action. Il s'ensuit que l'exception de prescription doit être rejetée; en effet, le délai d'un an n'était pas écoulé le 29 juin 1965, lorsque la demanderesse en interrompit le cours.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Condamne l'Association suisse des fabricants de cigarettes à payer à Alex Martin SA la somme de 90 566 fr. avec intérêts à 5% dès le 29 juin 1965. | public_law | nan | fr | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fc7486be-49fc-4794-9d2b-d248f227008e | Urteilskopf
107 II 196
26. Arrêt de la IIe Cour civile du 10 juin 1981 dans la cause LES ASSURANCES NATIONALES IARD contre THE NORTHERN ASSURANCE COMPANY Ltd. (Recours en réforme) | Regeste
Rückversicherungsvertrag.
Stillschweigende Erneuerung der Erstversicherung; Auswirkungen auf den Rückversicherungsvertrag.
Bedeutung von Vertrag und Usancen bei der Bestimmung der Rechte und Pflichten der Parteien beim Rückversicherungsvertrag. | Sachverhalt
ab Seite 197
BGE 107 II 196 S. 197
A.-
1. Pour couvrir son risque d'incendie, la maison Nussbaumer Söhne à Flüh (Soleure) a passé un contrat d'assurance valable du 1er février 1965 au 10 mai 1975, renouvelable par tacite reconduction d'année en année, sauf dénonciation, avec quatre compagnies d'assurances, dont la Mobilière Suisse à Berne, qui gérait le contrat, et la Northern Assurance Company Ltd. (ci-après: la Northern) qui supportait le 30% du risque total et touchait, par l'intermédiaire de la Mobilière, un pourcentage égal de la prime. Pour limiter son propre risque, la Northern s'est adressée à la compagnie Les Assurances Nationales IARD (ci-après: la Nationale) en lui transmettant la police collective concernant Nussbaumer Söhne. La Nationale rédigea et envoya à la Northern une "police cave" (Kellerpolice) datée du 28 décembre 1965, qui précise que la durée du contrat court du 1er février 1965 au 10 mai 1975 et que la Nationale prend à sa charge par la voie de la réassurance le 50% du risque assumé par la Northern. La formule imprimée de la police liant les deux assurances comporte notamment une case servant à préciser le lieu de situation de l'objet assuré, sa désignation, son genre de construction, la distance des bâtiments, le voisinage et les ressources en eau. La Nationale remplit la formule sur ces points en indiquant: "Alle Details gemäss Feuer-Police Nr. 299470 Schweizerischen Mobiliar Vers - gesellschaft Bern, G.A. Basel." La Northern reçut une commission de 10% de la part de la Nationale. Par la suite, deux avenants furent établis pour tenir compte de l'augmentation de la couverture en faveur du preneur Nussbaumer. Le premier, daté du 30 septembre 1966, mentionne que l'augmentation de la couverture remonte au 25 mai 1966; le second, du 24 mars 1969, indique que cette augmentation remonte au 17 décembre 1968. En demandant à la Nationale le premier avenant, le représentant de la Northern a indiqué que son cocontractant supportait, par la voie de la réassurance, un montant de 50%.
2. Le 8 juillet 1975, alors que la police collective n'avait pas été dénoncée et s'était renouvelée tacitement, sans que la Nationale ait été expressément informée de cette reconduction, le preneur Nussbaumer Söhne fut victime d'un sinistre. La Northern dut payer 278'370 fr., soit le total de sa participation de 30% telle que fixée par le contrat collectif. Elle se retourna contre la Nationale en exigeant le paiement de 139'185 fr. correspondant au 50% de ce qu'elle avait versé au preneur. La Nationale refusa tout paiement en faisant valoir que la police cave la liant à la
BGE 107 II 196 S. 198
Northern était venue à échéance le 10 mai 1975 et ne s'était pas renouvelée. Elle refusa la prime que la Northern lui versa le 10 septembre 1975.
B.-
Le Tribunal de première instance de Genève a débouté la Northern de ses conclusions en paiement de 139'185 fr. contre la Nationale. Sur appel de la Northern, la Cour de justice du canton de Genève a mis à néant le jugement de première instance et, statuant à nouveau, condamné la Nationale à payer à la Northern la somme de 139'185 fr. avec intérêt à 5% dès le 21 juillet 1976.
C.-
La Nationale a formé un recours en réforme au Tribunal fédéral, par lequel elle concluait à la libération au fond, conformément au jugement du Tribunal de première instance. Le recours a été rejeté dans la mesure où il était recevable et l'arrêt attaqué a été confirmé.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La recourante se plaint dans un premier moyen de la violation des art. 18 CO et 2 CC et reproche à la Cour d'avoir fait abstraction du sens littéral de la convention des parties, qui ont voulu se lier par un contrat de réassurance.
Il faut remarquer d'entrée de cause que la violation de l'art. 2 CC n'est absolument pas substantifiée. La recourante n'indique pas quel droit l'intimée exercerait contrairement aux règles de la bonne foi ou de quel droit elle abuserait manifestement. Elle conteste que la Northern ait le droit de lui réclamer un montant quelconque en raison de l'expiration du contrat d'assurance liant les parties avant la réalisation du sinistre. Elle ne saurait se plaindre de l'abus d'un droit dont elle conteste l'existence. En l'absence de toute spécification au sens de l'art. 55 al. 1 lettre c OJ, le moyen pris de la violation de l'art. 2 CC est irrecevable.
2.
En ce qui concerne la violation de l'art. 18 CO, la recourante affirme que l'expression "par la voie de la réassurance", dont les parties ont usé dans leur convention, a un sens littéral que la Cour a négligé et qui ne donnait pas lieu à interprétation. Cette opinion n'est pas fondée.
Selon KÖNIG (W. König, Schweiz. Privatversicherungsrecht, Bern 1967 p. 538), le contrat de réassurance consiste en un contrat par lequel le premier assureur transmet une partie du risque qu'il assume à un autre assureur, le réassureur. La part du risque que le premier assureur conserve pour lui est désignée par le terme de "plein", "maximum" ou "Selbstbehalt".
BGE 107 II 196 S. 199
Son montant dépend des circonstances les plus diverses. La pratique a développé des formes variées pour la participation du réassureur. La façon dont le contrat de réassurance est organisé dans un cas particulier se détermine avant tout sur la base de considérations commerciales et relevant de la technique de l'assurance. Les prestations contractuelles consistent, comme dans les autres contrats d'assurance, dans le paiement d'une prime par le premier assureur et dans le versement d'un dédommagement par le réassureur en cas de sinistre. En règle générale, c'est une part de la prime de base, proportionnelle à la participation du réassureur du risque en cas de sinistre, qui lui est versée; de plus, le réassureur doit bonifier une provision, représentant sa part aux frais du premier assureur. Le réassureur partage le sort du premier assureur. C'est celui-ci qui règle le cas avec l'assuré en cas de sinistre, sans que le réassureur puisse participer aux discussions. Le réassureur est ainsi lié par la façon dont le premier assureur conduit l'affaire. C'est ce qu'on appelle le devoir de suite (Folgepflicht).
Le contrat de réassurance ne crée de relations juridiques qu'entre les parties. L'assuré n'a point de prétentions contre le réassureur, et réciproquement.
En ce qui concerne la nature juridique du contrat de réassurance, KÖNIG (op.cit., p. 540) enseigne qu'il s'agit d'un contrat d'assurance ayant pour objet une assurance de patrimoine. La LCA ne le réglemente pas, comme elle l'exprime à l'art. 101, de telle sorte qu'aucune limite n'est apportée à la liberté des conventions.
Ces considérations ne donnent lieu à aucune controverse en doctrine. MAURER (A. Maurer, Privatversicherungsrecht, Bern 1976, p. 429-431) les reprend en les développant. Il en va de même de Hangartner (J.M. Hangartner, Der Erstversicherer als Angebotsträger auf dem Rückversicherungsmarkt, thèse Saint-Gall 1958), qui constate notamment (op.cit., p. 9):
"Le droit de la réassurance se compose de normes de droit privé et de droit public. En raison de son caractère international, la réassurance ne connaît dans aucun pays une réglementation légale exhaustive. Les relations contractuelles entre le réassuré et le réassureur reposent principalement sur le droit coutumier."
La LCA n'étant pas applicable en vertu de son art. 101 et le CO, auquel renvoie cette disposition, ne réglementant nullement le contrat de réassurance, il s'agit d'un contrat innommé (MAURER, op.cit., p. 429/430).
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On peut encore citer PRÖLSS (R. Prölss, Einführung in das Rückversicherungsrecht, in Revue suisse d'assurances XVI, 1948, p. 65 ss) qui affirme qu'un droit de la réassurance, au sens d'une codification, n'existe pas, de sorte que les droits et obligations des parties se déterminent principalement par le contrat écrit et par les usages que la pratique a formés.
GAROBBIO (H.W. Garobbio, Über die Rückversicherung nach schweizerischem Recht, thèse Berne 1926) est d'avis que les principes généraux de la LCA peuvent être applicables par analogie, mais il précise aussitôt (op.cit., p. 7) que l'application analogique de catégories entières de dispositions de la LCA est exclue par la nature des choses, et que les art. 97 et 98 LCA, donnant caractère obligatoire ou semi-obligatoire à certaines dispositions de la LCA, sont inapplicables en matière de réassurance. Ainsi, l'appréciation juridique de la réassurance repose principalement sur la convention des parties, sur un droit coutumier éventuel et sur la nature des choses. Si la pratique a formé un certain nombre de types de contrats, ceux-ci comportent des aménagements fréquents, imposés par les circonstances économiques, ou se limitent à ne préciser que des points accessoires. L'application de clauses arbitrales a empêché la formation d'une jurisprudence.
On retrouve les mêmes considérations chez STEINRISSER (J. Ed. Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, thèse Berne 1959, p. 13/14) qui s'appuie sur le fait que la loi est muette et la jurisprudence inexistante pour soutenir que les droits et devoirs des parties au contrat de réassurance se déterminent principalement par la convention des parties. Les usages en matière de réassurance, de leur côté, servent à interpréter les dispositions contractuelles et à combler les lacunes qu'elles peuvent présenter.
C'est donc vainement que la recourante affirme que la notion de réassurance a un sens littéral auquel la Cour aurait dû se tenir. La doctrine citée (particulièrement MAURER, op.cit., p. 427-429) et HANGARTNER (op.cit., p. 9-15) expose les nombreuses variétés de formes de réassurance fixées par la pratique. La notion de réassurance n'est donc précise que dans la mesure où elle organise la répartition d'un risque entre plusieurs sociétés d'assurances sans donner de droits au preneur originaire contre le réassureur (cf. B. MOSSNER, Die Entwicklung der Rückversicherung bis zur Gründung selbständiger Rückversicherungsgesellschaften, thèse Zurich 1959, p. 14). Les modalités
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de cette organisation sont abandonnées à la liberté des parties. MERKELBACH (R. Merkelbach, La réassurance internationale, in Revue suisse d'assurances 47/1979, p. 1 ss et 33 ss) relève que des usages se sont établis surtout pour les clauses accessoires du contrat beaucoup plus que pour les clauses essentielles (loc.cit., p. 7/8). Il enseigne à ce sujet:
"Les clauses essentielles se rapportent
- à l'objet (nature du risque original/exclusions);
- au mode de réassurance (obligatoire/ facultative);
- à la forme choisie (quote-part, excédent de somme, excédent de sinistre, stop loss, etc.);
- à l'engagement financier du réassureur (sûreté qu'il procure);
- à la détermination du prix (prime, commission, participation aux frais et bénéfices);
- à la prise d'effet et à la durée du contrat.
Les principales clauses accessoires traduisent les usages de la réassurance internationale...
Les usages principaux de la réassurance ont trait:
a) au partage du sort de l'assureur direct par le réassureur. Il y a identité de fortune entre eux pour tout ce qui a trait au risque original, c'est-à-dire aux couvertures d'assurance accordées par l'assureur direct (à l'exclusion du risque commercial à proprement parler);
b) au partage des actions qui signifie que l'assureur a la gestion de tout ce qui a trait audit risque original (sélection, tarification, conclusion des contrats, règlement des sinistres) et que le réassureur a l'obligation de "suivre";
c) aux droits de regard (ou d'information) et, selon les circonstances, d'assistance technique (tarification, règlement de sinistres) du réassureur, qui sont la contrepartie du partage des actions;
d) à l'obligation de l'assureur direct de garder intégralement pour propre compte une partie du risque original;
e) au droit de fond applicable au contrat. ...
f) à l'arbitrage, où les usages de la réassurance ont le pas sur le droit strict."
Il est donc évident que la notion de réassurance n'a pas de sens littéral et que l'expression dont les parties se sont servies "par la voie de la réassurance" ne permet pas à elle seule de déduire que le contrat passé entre les parties était indépendant, en ce qui concerne sa durée, du contrat de base passé entre la Northern et Nussbaumer Söhne.
C'est donc à tort que la recourante reproche à la Cour cantonale de ne s'être pas tenue au sens littéral et d'avoir recherché la réelle et commune volonté des parties sur le point de la durée de la convention qui les a liées et sur la possibilité qu'elle se renouvelle tacitement.
BGE 107 II 196 S. 202
3.
La Cour a établi que si la police cave régissant les rapports entre les parties doit être considérée comme une coassurance tacite, elle reprend les termes de l'assurance de base et les incorpore par un simple renvoi, c'est-à-dire qu'elle suit le contrat principal dans ses renouvellements tacites. La coassurance tacite doit se qualifier de réassurance au sens large en ce sens qu'à l'insu du preneur originel (en l'espèce Nussbaumer) l'un des assureurs principaux (en l'espèce la Northern) reporte une partie du risque qu'il assume, en vertu de la coassurance expresse, sur une autre société d'assurance (en l'espèce la Nationale). La Cour a constaté, sur le vu des déclarations de nombreux directeurs de compagnies importantes qualifiés de quasi-experts, que cette pratique était connue en matière de réassurance. On ne saurait revenir sur cette constatation d'un usage. La recourante ne le conteste pas du reste, se bornant à soutenir qu'elle n'a pas voulu recourir à cette forme de réassurance, dont elle affirme qu'elle n'existe pas. Mais elle ne saurait, dans le cadre du recours en réforme, critiquer les constatations de la Cour sur le fait que la coassurance tacite est en usage en matière de réassurance (art. 55 al. 1 lettre c OJ).
Contrairement à ce qu'ont cru pouvoir dire les autorités cantonales, il n'y a pas d'antinomie entre les mots "police cave" et l'expression "par la voie de la réassurance". Les deux termes manifestent que la convention ne crée aucun droit ni aucune obligation entre le preneur originaire Nussbaumer et le réassureur la Nationale. Le contrat passé entre parties le 27 mai 1966, concernant la répartition d'un risque assumé par la Northern en faveur de Firestone, et partiellement réassuré par la Northern auprès de la Nationale (dont la Cour ne parle pas, mais dont elle retient implicitement l'existence dans la mesure où elle se réfère à l'entier des constatations de première instance qui en a fait état), a les mêmes caractéristiques que la convention ici en cause. Il comporte aussi les termes de police cave d'où l'on doit déduire, selon les constatations de fait, que le preneur originel n'en avait pas connaissance, ce qui est une des caractéristiques de la réassurance au sens large. Ce terme n'est donc pas en contradiction avec le membre de phrase selon lequel la Nationale s'engage "par la voie de la réassurance".
4.
La recourante soutient que, pour interpréter la police cave litigieuse, la Cour ne disposait d'aucun élément d'interprétation fondé, que ce soit sur l'expérience générale ou sur un quelconque usage.
BGE 107 II 196 S. 203
Ce faisant, la recourante critique l'appréciation des preuves concernant l'existence d'une institution coutumière qualifiée de coassurance tacite, affirmée non seulement par les quasi-experts, mais aussi par la recourante elle-même. Ce moyen n'est pas recevable à l'appui d'un recours en réforme (art. 55 al. 1 lettre c OJ). La recourante ne saurait critiquer la constatation d'un usage de coassurance tacite affirmé par tous les "quasi-experts", car il s'agit là d'une constatation de fait. Il est donc vain de relever que les quasi-experts ne se sont nullement contredits sur l'existence de l'usage, ni même sur la qualification qu'ils ont proposée de la convention des parties, mais que leurs divergences portent uniquement sur la valeur respective des différents indices qu'ils ont relevés dans la convention des parties pour proposer la qualification de coassurance tacite.
5.
La recourante reproche enfin à la Cour d'avoir retenu des indices permettant de conclure à l'existence d'une coassurance tacite et d'avoir méconnu le poids des indices permettant de conclure à l'existence d'une réassurance. En réalité, la question posée à la Cour était uniquement de savoir si le contrat liant les parties se renouvelait d'année en année, faute de dénonciation expresse après le 10 mai 1975, et s'il suivait ainsi le sort du contrat de base passé entre Nussbaumer comme preneur et la Northern comme coassureur exprès. Pour trancher cette question, la Cour devait examiner si les stipulations du contrat passé entre les parties se calquaient étroitement sur celles de l'assurance de base passée avec le preneur Nussbaumer.
a) La recourante énumère d'abord les indices qui, selon elle, permettent de conclure à l'existence d'une réassurance. On a vu que ce terme n'a aucune signification précise et ne permet notamment pas de trancher la question du renouvellement tacite du contrat; il faut donc préciser que, dans l'esprit de la recourante, le terme de réassurance doit s'entendre dans un sens étroit, signifiant que la convention passée entre l'assureur de base et son réassureur est indépendante de celle passée par le premier avec le preneur d'assurance, notamment en ce qui concerne la durée du contrat.
1o A cet égard, la recourante se prévaut d'abord des termes "par la voie de la réassurance", qui figurent tant dans la police cave que dans la demande d'avenant la concernant. Comme on l'a vu, les termes "par la voie de la réassurance" n'ont pas de signification précise en ce qui concerne l'institution à laquelle ils se réfèrent, notamment pas en ce qui concerne
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la durée du contrat. L'indice invoqué n'est donc pas pertinent.
2o Il est constant que la Northern a acquitté entièrement la "taxe pompier" et le droit de timbre afférent à sa part dans la coassurance expresse passée avec Nussbaumer, alors qu'en principe, en matière de coassurance tacite, les taxes légales sont prises en charge par chaque assureur au prorata de sa participation. Mais la Cour a considéré que ce point n'est pas déterminant, selon les usages, une coassurance tacite pouvant se concevoir sans rétrocession de ces faits de peu d'importance. Cette constatation peut se fonder sur l'opinion des témoins Meyer et Thalmann. Certes, le témoin Hefti attribue plus d'importance à ce point. Il n'en demeure pas moins que son caractère secondaire est évident. L'objet du contrat d'assurance, qu'il s'agisse d'une assurance directe, d'une réassurance ou d'une coassurance, est de décrire le risque couvert, la prestation de l'assureur en cas de sinistre et le montant des primes. La charge de frais accessoires, découlant de la conclusion du contrat, ne saurait avoir une portée déterminante, surtout dans une convention expressément abandonnée à la liberté contractuelle des parties (art. 101 LCA).
3o Il est constant qu'au moment du sinistre, le 8 juillet 1975, la Northern n'avait pas versé à la Nationale la prime correspondant à la période d'assurance courant dès le 10 mai 1975. La Cour constate à ce sujet que "s'il s'agit de coassurance la prime revenant à la Nationale devait lui être payée immédiatement par la Northern, à réception par elle de la prime en provenance de la compagnie gérante (la Mobilière). Tel ne serait pas le cas, en cas de réassurance, où le décompte serait effectué au moment du décompte général."
Cet indice est toutefois dénué de pertinence, au regard des constatations faites par la Cour. En effet, celle-ci n'a pas constaté que la Northern avait conservé par-devers elle, postérieurement au 10 mai 1975, la prime que la Mobilière lui aurait versée, au lieu de la partager avec la Nationale. La Cour n'a pas constaté non plus que, dans les années précédentes, la Northern aurait transféré à la Nationale la part de prime lui revenant dès le début de la période d'assurance. Il résulte du jugement que tel n'était pas nécessairement le cas. En effet, lorsque, en raison de l'augmentation de la somme d'assurance, les primes ont été augmentées à deux reprises, le 26 mai 1966 et le 17 décembre 1968, la Northern s'est engagée à transférer à la Nationale le supplément lui revenant (soit le
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50% du 30%). Mais elle ne l'a fait que par avenants du 30 septembre 1966, respectivement du 24 mars 1969, plus de quatre mois dans le premier cas et plus de trois mois dans le second cas, après que la prime et les couvertures directe et indirecte du risque de Nussbaumer ont été augmentées. La Nationale a néanmoins admis par les avenants en cause de couvrir le risque non pas dès la date des avenants, mais dès les dates antérieures des 26 mai 1966, respectivement 17 décembre 1968. On peut voir en cela un indice que le paiement tardif de la prime n'avait pas d'incidence sur l'engagement de la Nationale.
Mais on doit surtout observer sur ce point que, selon la Cour, il y aurait eu un indice en faveur de la réassurance indépendante du contrat de base, dans le cas où les primes auraient été payées, non pas en elles-mêmes, mais par le moyen d'un décompte général entre les parties. Or la Cour ne constate nullement qu'il y ait eu de tels décomptes généraux absorbant le paiement de la prime entre les parties, tout au long des années précédentes, entre 1965 et 1975. L'indice découlant du mode de paiement des primes n'existe donc pas.
4o La recourante voit un indice de l'indépendance des deux conventions (entre la Northern et Nussbaumer d'une part, entre la Northern et la Nationale d'autre part) dans le fait que la Nationale n'a pas été expressément avisée de la reconduction de la police de base. En réalité, la Nationale a été informée, au moment où la police de base lui a été soumise, du fait que, postérieurement au 10 mai 1975, elle se renouvelait tacitement d'année en année. Il n'est nullement établi que la clause de reconduction ait été introduite après que la police originale a été soumise à la Nationale pour lui permettre d'établir la police cave. La clause de reconduction lui était donc connue au moment où elle a souscrit son engagement en faveur de la Northern. Elle n'a pas alors expressément stipulé qu'elle ne s'engageait que jusqu'au 10 mai 1975 et se refusait à être liée par les reconductions tacites éventuelles envisagées. On ne peut donc pas tirer de ces circonstances des éléments pour ou contre l'indépendance des deux polices, en ce qui concerne leur durée de validité.
5o La recourante fait valoir que son agent Hartmann a soumis la proposition de la Northern à sa direction de Paris et a dû attendre l'accord de celle-ci pour conclure. Il s'agit là de faits qui ne sont pas constatés par les autorités cantonales et que la recourante n'est donc pas recevable à invoquer (art. 55 al. 1 lettre c OJ).
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Au reste, il n'est pas établi non plus que la Northern ait connu la nécessité de l'accord de la direction parisienne, et la recourante ne démontre pas comment la nécessité de cet accord aurait pu avoir une influence sur la dépendance ou l'indépendance des conventions.
6o On ne voit pas quel indice en faveur de l'indépendance des conventions la recourante veut tirer de la conclusion d'une autre police cave du 27 mai 1966, destinée à couvrir le dommage que la Northern pourrait subir en assurant une partie du risque d'incendie de la Firestone à Pratteln. Il est vrai que la police cave du 27 mai 1966 est en tout point semblable à celle du 28 décembre 1965. Mais on doit constater que celle-là était expressément conclue pour commencer le 15 juillet 1965 (soit plus de dix mois avant l'établissement de la police cave) et pour expirer le 1er septembre 1969. Il est pourtant constant qu'un avenant y a été fait le 29 mai 1970, soit postérieurement à cette date, sans que l'on sache que la police cave du 27 mai 1966 ait été expressément renouvelée dans l'intervalle. Ces circonstances sont constatées par le juge de première instance auxquelles la Cour se réfère expressément. On peut donc en tenir compte. Mais on ne voit pas quel indice la recourante pouvait en tirer en faveur de l'indépendance de la police cave par rapport à la police de base, puisqu'il résulte au contraire de l'avenant du 29 mai 1970 que les parties considéraient la police cave comme encore valable à cette date, alors même que cette pièce indique comme date d'expiration le 1er septembre 1969.
7o Le fait que la police cave, qui fait l'objet de la présente cause, a été conclue à l'insu du preneur Nussbaumer, démontre qu'il s'agit d'une réassurance au sens large défini plus haut (consid. 2). Il n'en résulte aucun indice sur l'étroitesse des liens existant entre la police cave et l'assurance de base, notamment en ce qui concerne le renouvellement de la première.
b) La recourante conteste le poids des indices retenus par la Cour et permettant d'affirmer que l'assurance de base dont Nussbaumer est le preneur, d'une part, et la réassurance conclue auprès d'elle par la Northern, d'autre part, sont étroitement liées, notamment en ce qui concerne la durée de ces deux contrats.
1o La police cave ne renvoie pas seulement à la police de base passée avec Nussbaumer en ce qui concerne la situation, la disposition et l'utilisation du bâtiment assuré, comme l'affirme la recourante. On peut se référer à la pièce elle-même, que le juge de
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première instance a incorporée dans son état de fait, auquel la Cour renvoie. On constate alors que la police cave se réfère expressément à la police de base no 299470, qui est une police incendie de la Mobilière, dont elle rappelle la somme d'assurance totale, de 971'000 fr., et le fait que la Northern couvre le 30% de cette somme, par 291'300 fr., en faveur de la maison Nussbaumer Söhne, No 145, à Flüh (Soleure). La police cave déclare alors expressément que la Nationale reprend le 50% de la part de la Northern, soit 145'650 fr. La somme d'assurance est donc expressément calculée sur la base de la police d'assurance dont Nussbaumer est le preneur. Le lien des deux contrats sur ce point essentiel est ainsi démontré.
Il en va de même en ce qui concerne le calcul de la prime au sujet de laquelle la police cave déclare: "La prime annuelle totale atteint Fr. 5'157,60, dont 30% = Fr. 1'547,30 revient à la Northern de telle sorte que 50% = Fr. 773,65 revient à la Nationale."
Le lieu de l'assurance est désigné comme "4113 Flüh (SO). No 145" et l'objet de l'assurance est déterminé par référence aux détails résultant de la police incendie No 299470 de la Mobilière. L'objet de l'assurance n'est donc pas décrit comme étant le risque couru par la Northern en sa qualité d'assureur, mais le risque couru par Nussbaumer, du chef de l'incendie pouvant endommager son industrie.
Le lien entre l'assurance de base et la police cave se manifeste à nouveau clairement dans les deux avenants des 30 septembre 1966 et 24 mars 1969 qui rétroagissent au 25 mai 1966, respectivement au 17 décembre 1968 et s'adaptent ainsi étroitement à l'assurance de base, gérée par la Mobilière.
On ne voit pas, dans ces conditions, comment la Cour cantonale aurait violé le droit fédéral en constatant le lien étroit existant entre les deux contrats et en qualifiant celui qui lie les parties de coassurance tacite.
2o La Cour a constaté que si le contrat de réassurance doit être indépendant du contrat de base, la commission versée par le réassureur au premier assureur est de l'ordre de 20 à 30%, alors qu'en cas de coassurance tacite, elle est de l'ordre de 10%, comme en l'espèce. Il est vrai que cet indice n'est pas suffisant à lui seul, comme le relève la recourante; en effet, les conditions de la réassurance sont abandonnées à la liberté des parties. Mais la recourante oublie que la Cour a retenu d'autres indices encore, savoir que si les contrats sont indépendants, le réassureur n'établit pas de police, contrairement à ce qui s'est passé en l'espèce.
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Un autre indice encore réside dans le fait que la durée de la réassurance indépendante ne dépasse généralement pas une année, sauf reconduction expresse, alors qu'en l'espèce la police cave a été établie pour une durée originaire de dix ans.
Vu le poids de ces indices, notamment ceux énumérés sous lettre b 1o ci-dessus, la recourante ne démontre nullement une violation du droit fédéral par la Cour, au moment où elle a qualifié de coassurance tacite la convention des parties et en a déduit que, conformément à l'usage qu'elle a constaté, la durée de la coassurance tacite est la même que celle de la police de base, à laquelle elle se réfère expressément. | public_law | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fc7d8ca2-a1d4-4cd1-8d36-010be59b9540 | Urteilskopf
113 II 522
90. Estratto della sentenza 17 febbraio 1987 della I Corte civile nella causa X contro Y e Z (ricorso per riforma) | Regeste
Vorbehaltlose Annahme einer Anweisung durch konkludentes Verhalten (
Art. 468 Abs. 1 OR
).
Der vom Liegenschaftsverkäufer angewiesene Notar erklärt dem Anweisungsempfänger konkludent die vorbehaltlose Annahme, wenn er diesem den vom Erwerber bezahlten Kaufpreis ganz oder teilweise zukommen lässt; Ausschluss der Verrechnung mit Ansprüchen des Angewiesenen gegenüber dem Anweisenden. | Sachverhalt
ab Seite 522
BGE 113 II 522 S. 522
A.-
La società anonima A, di cui azionista unico era il dott. B, acquistò nei primi anni settanta la particella n. 253 RFD di Brissago per edificarvi una grande struttura condominiale. A questo scopo ottenne ingenti mutui dalle società anonime Y e Z. L'operazione fu assicurata con la rimessa alle due ditte finanziatrici di cartelle ipotecarie, una di Fr. 6'000'000.-- e un'altra di Fr. 3'000'000.--, gravanti le proprietà per piani. La società anonima A e le due ditte finanziatrici convennero che il notaio X avrebbe rogato le vendite degli appartamenti, riscosso il prezzo relativo e liberato dall'onere ipotecario le quote alienate; l'introito sarebbe stato trasmesso per il 94% alla società Y e per il 6% alla società A.
Il notaio X procette secondo le istruzioni ricevute dal 1976 al 1980, quando il dott. B affidò tale compito a una persona diversa. Il 12 agosto 1980, dopo avere consegnato al suo successore le note cartelle ipotecarie, X invio alle società Y e Z la propria nota d'onorario (Fr. 29'715.-- complessivi) per le operazioni di incasso e di trasferimento. La pretesa fu subito contestata, al che il notaio X trattenne un importo uguale dal prezzo di vendita percepito in occasione del suo ultimo contratto.
BGE 113 II 522 S. 523
B.-
Il 13 ottobre 1983 le società Y e Z promossero un'azione per costringere il notaio X a versar loro Fr. 29'715.-- con interessi. Il Pretore di Locarno-Città, statuendo il 18 marzo 1986, accolse la petizione e obbligo il notaio a corrispondere la somma litigiosa più interessi al 5% dal 24 novembre 1980. La II Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino, cui il soccombente insorse, rigetto ogni censura il 24 luglio 1986.
C.-
Adito il Tribunale federale con un ricorso per riforma del 12 settembre 1986, il notaio X chiede di annullare la sentenza citata, di accogliere l'appello e di respingere la petizione; subordinatamente postula il rinvio della causa all'autorità cantonale per nuovo giudizio. Le società attrici propongono il rigetto del gravame in quanto ammissibile.
Erwägungen
Dai considerandi:
3.
La corte di appello è pervenuta al convincimento che l'incarico di versare alla società Y il 94% della somma riscossa con la vendita degli appartamenti è stato conferito al notaio dalla società A; tale mandato implicava un rapporto di assegno (
art. 466 CO
). Se si pensa che la società A doveva restituire alle attrici capitali ingenti, "è concepibile" ch'essa abbia fatto uso dell'assegno come mezzo per il rimborso dei mutui e incaricato il mandatario di percepire i prezzi di vendita trasmettendone il 94% alle ditte finanziatrici. Il notaio, operando in tal senso per più di quattro anni, ha dimostrato per atti concludenti di accettare l'assegno e si è obbligato verso le attrici a trasferir loro gli importi pattuiti (
art. 468 cpv. 1 CO
). Ora, l'assegnato può opporre all'assegnatario solo le eccezioni che derivano dai suoi rapporti con il medesimo, non quelle che derivano dai suoi rapporti con l'assegnante; la compensazione invocata dal notaio era pertanto ingiustificata. Egli avrebbe potuto, semmai, valersi dell'
art. 468 cpv. 2 CO
, ma in tal caso avrebbe dovuto reagire subito e non impegnarsi per atti concludenti a pagare senza riserve.
Davanti alla giurisdizione per riforma il ricorrente non contesta l'esistenza di un mandato con la società A. Non nega nemmeno che lo stesso implica un rapporto di assegno in forza del quale egli doveva trasmettere alle società attrici il 94% degli introiti consecutivi alle vendite delle proprietà per piani. Fa valere nondimeno che simile obbligo non sussiste unicamente in virtù dell'assegno, ma anche in ragione di un mandato
BGE 113 II 522 S. 524
d'incasso autonomo sorto con le due ditte (
art. 394 CO
). Ciò legittimerebbe la compensazione del suo onorario con l'importo residuo a favore delle creditrici (
art. 120 CO
).
4.
Secondo la corte di appello "le risultanze processuali portano inequivocabilmente alla conclusione che nessun mandato fu mai conferito" dalle società attrici al notaio in causa. I giudici hanno aggiunto che le modalità per il rimborso dei mutui sono state stabilite direttamente dal dott. B con le due ditte. Come risulta da una lettera del 13 aprile 1976, l'incarico di far pervenire il 94% dei prezzi di vendita alla società Y è stato affidato al notaio dalla società A. Solo quest'ultima, per altro, avrebbe potuto disporre degli incassi ed essa sola ha revocato il compito al ricorrente nel 1980; la società Y si è limitata a indicare, con lettera del 12 maggio 1980, chi dovesse ricevere le due note cartelle ipotecarie. Certo, una dichiarazione firmata dal dott. B il 3 aprile 1984 e la testimonianza rilasciata in giudizio dal precedente amministratore unico della società A deponevano nel senso di un mandato d'incasso istauratosi tra le ditte finanziatrici e il ricorrente. La lettera del 13 aprile 1976 si imponeva però su tali mezzi di prova, dovuti a ricordi più o meno lucidi e interessati.
a) Il ricorrente afferma anzitutto che la sentenza impugnata non risponde ai requisiti minimi dell'art. 51 cpv. 1 lett. c prima frase OG poiché non contiene - a suo avviso - una motivazione sufficiente. La censura è votata all'insuccesso. Il ricorrente non asserisce difatti che la corte cantonale avrebbe omesso di precisare in base a quali mezzi di prova è stata emanata la decisione: egli assume che i giudici avrebbero apprezzato manchevolmente la fattispecie dal lato giuridico (
art. 43 cpv. 3 OG
). Tale critica non concerne la forma, bensì il merito della lite.
b) Il ricorrente propone che il Tribunale federale abbia a tener conto, in deroga all'
art. 63 cpv. 2 OG
, di circostanze non considerate o tralasciate dalla corte di appello. La richiesta è temeraria. Nel giudizio su un ricorso per riforma possono essere accertati tutt'al più punti accessori (
art. 64 cpv. 2 OG
). Il convenuto si rifà a una citazione di dottrina (BIRCHMEIER, Handbuch des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, Zurigo 1950, pag. 118 n. 7 lett. a): questa riguarda però l'interpretazione giuridica, non l'accertamento dei fatti (
art. 63 cpv. 3 OG
). Egli rimprovera inoltre all'autorità cantonale di essere incorsa in una svista manifesta (art. 63 cpv. 2 seconda frase OG) per avere ignorato la lettera del 12 maggio 1980 con cui la società Y ha
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comunicato al ricorrente chi dovesse ricevere le cartelle ipotecarie; anche tale censura è priva di consistenza: i giudici non hanno trascurato la lettera, hanno ritenuto ch'essa non bastava a confortare gli estremi di un mandato d'incasso supplementare, congiunto a quello affidato al ricorrente dalla società A. Simile apprezzamento di diritto non è in alcun rapporto con una svista manifesta.
5.
Nel merito il convenuto ribadisce l'esistenza di un mandato d'incasso vero e proprio conferitogli dalle società attrici. Egli sottolinea di non essersi limitato a riscuotere e suddividere i proventi per ordine della società A, ma di aver svolto "piu attività, nell'interesse delle attrici e sicuramente per loro incarico". Come ha dichiarato un teste, le due ditte finanziatrici avevano "qualche motivo di riserva" nei confronti del dott. B: il notaio fungeva quindi, nel contempo, da loro uomo di fiducia. Ciò è confermato dal rappresentante delle attrici, che ha narrato di un'intensa "collaborazione" con il ricorrente; è suffragato altresì dal vecchio amministratore unico della società A e dalla nota dichiarazione sottoscritta il 3 aprile 1984 dal dott. B, deceduto nel frattempo. Se è vero, da ultimo, che solo la società A poteva disporre degli incassi, è altrettanto vero che solo le attrici potevano affidare al ricorrente il compito di liberare dai pegni le quote di proprietà vendute; tale incarico era subordinato all'incasso del prezzo, e il prezzo era incassato dal ricorrente.
L'argomentazione appena riassunta, a prescindere dalla circostanza che i fatti su cui si fonda non sono interamente accertati, non basta a dimostrare la stipulazione di un mandato d'incasso tra le attrici e il ricorrente. Questi, in primo luogo, si è occupato di rogare gli atti pubblici, di riscuotere il prezzo di vendita e di trasmettere il medesimo a chi di dovere per incarico esclusivo della società A: solo la proprietaria, in effetti, poteva alienare gli appartamenti in condominio. Ch'egli abbia agito anche nell'interesse delle attrici facendo pervenir loro il 94% degli incassi è pacifico; ch'egli abbia ricevuto il compito di liberare le quote vendute dall'onere ipotecario è indiscusso; ch'egli abbia funto da notaio e, contemporaneamente, da uomo di fiducia è verosimile; ch'egli abbia avuto colloqui frequenti con le due ditte è possibile. Il tutto non basta, comunque sia, per ravvisare l'esistenza di un mandato congiunto.
a) L'istituto dell'assegno comporta per sua natura un terzo beneficiario (
art. 466 CO
): se l'assegnato dichiara a quest'ultimo
BGE 113 II 522 S. 526
la sua accettazione senza riserva, costui (assegnatario) acquisisce una pretesa azionabile in proprio nome (
art. 468 cpv. 1 CO
;
DTF 92 II 337
consid. 2; GAUTSCHI in: Berner Kommentar, 2a edizione, nota 3a dell'introduzione agli art. 466 segg. CO). Tra l'assegnato e l'assegnatario si istaura così un nesso contrattuale, ma ciò non equivale ancora a un rapporto di mandato (v. GUHL/MERZ/KUMMER, Das schweizerische Obligationenrecht, 7a edizione, pag. 509 seg.). Anche nel caso di una lettera di credito o di un credito documentario, ai quali tornano applicabili le norme sull'assegno (
DTF 78 II 48
consid. 3; cfr. inoltre
DTF 90 II 307
), non sorge mandato tra il destinatario e il terzo (rispettivamente tra la banca che apre il credito e il beneficiario dello stesso), nemmeno se il destinatario conferma al terzo la sua accettazione (
art. 407 cpv. 3 CO
; GUHL/MERZ/KUMMER, op.cit., pag. 474 seg.; HOFSTETTER in: Schweizerisches Privatrecht, vol. VII/2, pag. 122).
È bene ricordare del resto che anche una banca, quando procede al bonifico di una somma, agisce a vantaggio di un terzo, eppure opera in linea generale su mandato del proprio cliente (
DTF 110 II 284
consid. 1). Essa può svolgere altresì un ruolo fiduciario per entrambe le parti (GUHL/MERZ/KUMMER, op.cit., pag. 325 lett. b), e in tale ipotesi ci si troverebbe in presenza di un mandato supplementare conferito dal beneficiario del versamento (
DTF 99 II 396
consid. 6), ma nella misura in cui si limita a eseguire un ordine di pagamento essa adempie solo un contratto a favore di terzi (HOFSTETTER, op.cit., pag. 37 segg.; GAUTSCHI in: op.cit., 3a edizione, nota 46 ad
art. 394 CO
). Ora, chi si obbliga a beneficio di un terzo non può compensare questo debito con ciò che gli deve l'altra parte (
art. 122 CO
). Quanto il ricorrente adduce non dimostra per nulla che in concreto ci si trovi di fronte a un mandato supplementare nel senso testé descritto.
b) Non vi è dubbio che la consegna al notaio delle due cartelle ipotecarie poteva essere indice di un mandato commesso dalle attrici per una progressiva riduzione della somma garantita, in esito al rimborso dei mutui. Tuttavia l'onorario litigioso non riguarda la modifica dei titoli, bensì il prelievo e la devoluzione delle somme relative alle vendite delle proprietà per piani. Il convenuto assevera che, nondimeno, le ipoteche gli sarebbero state rimesse in deposito fiduciario (cfr.
DTF 102 II 301
consid. 2b,
DTF 101 II 119
consid. 5) poiché la liberazione dei pegni era strettamente legata all'incasso del prezzo e al suo riparto. Quest'ultimo assunto, posto in evidenza anche nel referto giuridico allegato al ricorso, è senz'altro corretto. Non solo lo svincolo ipotecario
BGE 113 II 522 S. 527
degli appartamenti alienati dipendeva dal graduale rimborso dei mutui, ma esso era - per di più - un requisito logico dell'operazione immobiliare: non si vede infatti come si sarebbe potuto esigere il versamento del prezzo di acquisto senza estinguere l'aggravio pignoratizio delle quote vendute. Se non che, tale circostanza dimostra nel contempo che le cartelle ipotecarie non sono state rimesse al notaio in deposito fiduciario: oltre che non avere alcun connotato di gestione, la consegna dei titoli non aveva nemmeno portata propria: essa costituiva un mero elemento (ancorché indispensabile) nell'ambito delle modalità per la restituzione dei mutui pattuite tra la società A e le attrici.
Ne discende che, anche per quanto riguarda le cartelle ipotecarie, il ricorrente ha agito nel quadro del mandato conferitogli dalla società A (sulla consegna di cartelle ipotecarie al finanziatore di una costruzione da parte del notaio designato dal proprietario v.
DTF 88 II 162
). Nulla muta ch'egli non potesse disporre dei titoli contro la volontà delle attrici: ciò non basta invero per dedurre l'esistenza di un mandato congiunto. Il fatto, anzi, che nella lettera del 12 maggio 1980 con cui pregava il notaio di trasmettere le cartelle ipotecarie al suo successore, la società Y si riferisse unicamente alla revoca del mandato decisa dal dott. B legittima una volta di più la conclusione che le attrici si adeguassero a una semplice modalità esecutiva, per continuare a ottenere il rimborso dei mutui.
c) Il convenuto non pretende che le attrici gli avrebbero impartito istruzioni espresse, tant'è che egli medesimo prospetta l'ipotesi di un mandato sorto per atti concludenti (
art. 1 cpv. 2 CO
). Ove ciò fosse, il notaio avrebbe dovuto arguire in buona fede dalle circostanze concrete che le attrici intendevano affidargli, a proprie spese, un incarico aggiuntivo rispetto a quello già conferitogli dalla società A (
DTF 93 II 482
consid. 6a; cfr. inoltre
DTF 101 II 299
consid. 2c). Tale eventualità avrebbe richiesto - e il principio è ammesso anche dall'esperto giuridico del convenuto (KRAMER in: Berner Kommentar, 3a edizione, nota 11 ad
art. 1 CO
) - un comportamento univoco delle attrici, un modo di fare che non desse adito a ragionevoli dubbi interpretativi. Come si è illustrato, la fattispecie non permette di ravvisare estremi del genere. La corte di appello non ha quindi commesso una violazione del diritto federale negando l'esistenza di un mandato tra le parti in causa. Ne deriva che l'onorario d'incasso e di pagamento posto in compensazione dal convenuto è stato respinto a giusto titolo. | public_law | nan | it | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fc7efe2e-a2d3-4d3c-b772-7896940751df | Urteilskopf
114 III 42
15. Estratto della sentenza 10 giugno 1988 della Camera delle esecuzioni e dei fallimenti nella causa A. e B. come amministratori speciali della società anonima X. in fallimento (ricorso) | Regeste
Entschädigung der ausseramtlichen Konkursverwaltung bei schwierigem Verfahren (Art. 49a Abs. 2 GebTSchKG).
1. Schwieriges Verfahren im vorliegenden Fall (E. 1).
2. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei der Beurteilung der Entschädigung (E. 2).
3. Ermessen der kantonalen Aufsichtsbehörde bei der Festsetzung der Entschädigung: zu Recht angewandte Kriterien, wonach sich ergibt, dass weder Ermessensüberschreitung noch Ermessensmissbrauch vorliegt (E. 3a und 3b).
4. Unterscheidung zwischen der Entschädigung, die bei einem schwierigen Verfahren einerseits der ausseramtlichen Konkursverwaltung und anderseits der ordentlichen Konkursverwaltung auszurichten ist (E. 3d). | Sachverhalt
ab Seite 43
BGE 114 III 42 S. 43
A.-
Il 25 settembre 1985 A. e B. hanno chiesto alla Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello del Cantone Ticino, autorità di vigilanza, che la loro opera come amministratori speciali della società anonima X. in fallimento fosse rimunerata secondo la tariffa della Camera svizzera delle Società fiduciarie e degli Esperti contabili (edizione 1984). Il compenso sarebbe stato di Fr. 180.-- l'ora per A., di Fr. 120.-- l'ora per B. e di Fr. 56.-- a 70.-- l'ora per gli assistenti, in conformità alla relativa qualifica. Gli amministratori hanno trasmesso quindi all'autorità di vigilanza cinque note d'onorario calcolate in base a tali criteri, per un totale di Fr. 168'794.50.
B.-
La Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello ha statuito il 20 aprile 1988 fissando il compenso degli amministratori, per le prime quattro parcelle, a Fr. 72'411.25 (Fr. 85.-- orari per A., Fr. 70.-- orari per B., Fr. 50.-- orari per i revisori e Fr. 30.-- orari per le opere di segretariato). La quinta nota d'onorario sarebbe stata decisa solo una volta riformulata, la stessa mancando delle descrizioni e dei rapporti di lavoro.
C.-
Insorti il 6 maggio 1988 con un ricorso alla Camera delle esecuzioni e dei fallimenti del Tribunale federale, A. e B. hanno chiesto che il loro onorario fosse determinato in Fr. 168'794.50,
BGE 114 III 42 S. 44
conformemente alle cinque parcelle emesse, e che per il periodo successivo al 30 ottobre 1987 (non ancora fatturato) fosse dichiarata l'applicabilità dei tassi orari da loro proposti il 25 settembre 1985.
Erwägungen
Dai considerandi:
1.
L'indennità che spetta all'amministrazione ordinaria o all'amministrazione speciale del fallimento è regolata dagli
art. 47 a 49
TarLEF (art. 46a TarLEF;
DTF 103 III 66
consid. 2). Nel caso di "procedure complesse che richiedono indagini defatiganti sul piano dei diritti o dei fatti" l'autorità di vigilanza può - se si tratta di un'amministrazione ordinaria - aggiungere alle normali tasse di amministrazione un'indennità forfettaria calcolata secondo il tempo impiegato e le somme in causa (art. 49a cpv. 1 TarLEF); se si tratta di un'amministrazione speciale l'autorità di vigilanza determina l'indennizzo complessivo tenendo conto "del tempo impiegato, delle somme in causa e dei disborsi debitamente giustificati" (art. 49a cpv. 2 TarLEF). Nella fattispecie la corte cantonale, accertata la quantità dei crediti ammessi nel fallimento (316), il totale delle ore di lavoro (1355) e la difficoltà della vertenza in cui gli amministratori speciali si sono trovati a difendere la loro carica (v.
DTF 112 III 67
), ha ravvisato un'indagine defatigante e applicato l'art. 49a cpv. 2 TarLEF. Ciò appare giuridicamente corretto. Del resto gli interessati non pretendono che l'art. 49a cpv. 2 TarLEF, quantunque a loro favorevole, sia inapplicabile: affermano solo che in concreto, nell'ambito di tale norma, si deve far capo alla tariffa della Camera svizzera delle Società fiduciarie e degli Esperti contabili. Occorre verificare pertanto se l'indennità complessiva determinata dalla corte cantonale sia conforme all'art. 49a cpv. 2 TarLEF.
2.
La giurisprudenza ha già avuto modo di stabilire che l'autorità cantonale di vigilanza chiamata a quantificare l'indennità accessoria dovuta, secondo l'art. 49a cpv. 1 TarLEF, a un'amministrazione ordinaria, gode di vasto apprezzamento (
DTF 108 III 69
consid. 2). Non v'è motivo perché tale potere di apprezzamento non debba applicarsi anche nel quantificare l'indennità complessiva dovuta, secondo l'art. 49a cpv. 2 TarLEF, a un'amministrazione speciale. Certo, l'autorità di vigilanza non può agire a beneplacito: deve valutare, oltre al carattere sociale della tariffa, il tempo impiegato dagli amministratori, le somme in
BGE 114 III 42 S. 45
causa e i disborsi debitamente giustificati (cfr., per l'art. 49a cpv. 1 TarLEF,
DTF 108 III 70
infra). In tal senso i criteri per la fissazione di un'indennità giusta l'art. 49a cpv. 1 e 2 TarLEF si avvicinano ai criteri per la fissazione del compenso dovuto giusta l'art. 64 cpv. 2 TarLEF al commissario di una moratoria (
DTF 104 III 62
consid. 1). L'esistenza di questi parametri non impedisce tuttavia che il Tribunale federale, nel verificare l'entità dell'indennizzo che compete agli amministratori, faccia uso di riserbo; esso non può decidere secondo opportunità e sostituire il proprio apprezzamento a quello dell'autorità di vigilanza, ma deve limitarsi a intervenire in caso di eccesso o di abuso (
DTF 104 III 63
consid. 1 con richiamo).
3.
I ricorrenti muovono alla sentenza cantonale più ordini di censure. Anzitutto sostengono che la tariffa della Camera svizzera delle Società fiduciarie e degli Esperti contabili non implica una retribuzione di carattere commerciale, ma un equo compenso al di sotto del quale un fallimento come quello in rassegna non può essere liquidato con professionalità. In secondo luogo ribadiscono che la procedura attuale si pone al limite superiore della complessità sia per le cause connesse (impugnazioni della graduatoria e processi civili tuttora pendenti) sia per il difficile compito degli amministratori, costretti a rischiare la carica nella realizzazione vantaggiosa degli attivi (
DTF 112 III 67
). Quanto alle indennità stabilite in sede cantonale, gli amministratori fanno valere che compensi simili, oltre a non essere motivati, sono irrisori.
a) La possibilità di far capo ad altri listini come direttiva nell'ambito della tariffa applicabile alla legge federale sulla esecuzione e sul fallimento è nota. Già riguardo all'art. 64 cpv. 2 TarLEF, che pur contempla in maniera espressa l'applicabilità a titolo orientativo delle aliquote previste nella tariffa delle indennità per la revisione di banche e di fondi d'investimento (RS 952.715), il Tribunale federale ha precisato tuttavia che, "in mancanza di una convenzione specifica o di un'usanza prestabilita, devono comunque valere i principi generali" (
DTF 104 III 63
con rinvio a
DTF 101 II 111
consid. 2). La tariffa della Camera svizzera delle Società fiduciarie e degli Esperti contabili non è menzionata dall'art. 49a TarLEF né da altre norme. Ciò non vieta che l'autorità di vigilanza possa tener calcolo di tale listino apprezzando i criteri per la determinazione dell'indennizzo; non significa però che l'autorità cada nell'abuso o nell'eccesso di
BGE 114 III 42 S. 46
apprezzamento per il solo fatto di scostarsene. Quest'ultimo assunto sarebbe anzi contrario al diritto federale (cfr.
DTF 104 III 65
consid. 3a). Resta da chiarire se nel caso precipuo le somme litigiose rientrino nei margini di un lecito apprezzamento.
b) La corte cantonale, esaminando la situazione particolare, ha valutato in primo luogo l'importanza del fallimento e il suo grado di complessità (316 crediti ammessi, quattro decisioni su reclamo, 1355 ore di lavoro, ma - d'altro lato - quattro crediti che rappresentano da soli quasi due terzi di tutte le pretese ammesse, tre procedure di reclamo piuttosto semplici, alcune ore lavorative di dubbia opportunità); ciò posto, ha ricordato l'ammontare delle tasse previste agli art. 47-49 TarLEF e paragonato la retribuzione chiesta con il compenso di un giudice supplente straordinario al Tribunale federale (FF 1988 I 118). Ne ha dedotto che la rimunerazione fatturata dagli amministratori risultava incompatibile con i principi dell'art. 49a TarLEF e doveva essere ridotta a Fr. 85.-- l'ora per A., a Fr. 70.-- l'ora per B., a Fr. 50.-- l'ora per i revisori e a Fr. 30.-- l'ora per le opere di segretariato.
Contrariamente all'opinione degli amministratori, la corte cantonale ha quindi motivato il proprio giudizio. Nel merito tale valutazione può apparire forse parsimoniosa, ma sicuramente non abusiva. Se è vero infatti che sugli amministratori gravavano pesanti responsabilità (mantenimento di un'industria basata su tecnologie di punta con alti costi di gestione e mercato assai labile), è altrettanto vero che le constatazioni dell'autorità cantonale non depongono a favore di una procedura eccezionalmente complessa. La circostanza che talune ore di lavoro siano state impiegate in modo poco proficuo non ha nuociuto ai ricorrenti (l'autorità non ha ridotto le ore esposte nella terza nota d'onorario, cui si riferisce il biasimo). L'ipotesi che la procedura non si situi al limite inferiore, come ritenuto dalla corte, bensì a quello superiore dell'art. 49a TarLEF non basta a confortare un abuso o un eccesso di apprezzamento, il quale presupporrebbe una trasgressione di tali limiti. Che poi le conoscenze professionali dei ricorrenti esigano una piena retribuzione e non una semplice indennità è tesi estranea alla portata dell'art. 49a TarLEF (
DTF 103 III 66
consid. 2). Rimane il fatto che la corte cantonale non ha reagito all'istanza del 25 settembre 1985 con cui gli amministratori chiedevano una rimunerazione conforme alla tariffa della Camera svizzera delle Società fiduciarie e degli Esperti contabili; da tale inazione nondimeno è impossibile desumere alcunché (DTF 104
BGE 114 III 42 S. 47
III 67 consid. 3e), tanto più che i ricorrenti non hanno mai sollecitato l'autorità a decidere e nemmeno sono insorti contro un eventuale rifiuto di statuire. Se ne conclude che nel caso specifico i giudici hanno fissato l'indennità oraria degli amministratori nel quadro di un lecito apprezzamento e che le censure su asseriti eccessi o abusi si rivelano prive di consistenza.
d) L'autorità di vigilanza non si è pronunciata sulla quinta nota d'onorario emessa dai ricorrenti poiché la medesima è "senza descrizione delle prestazioni e senza i pedissequi rapporti di lavoro". In questa misura il rinvio del giudizio appare legittimo, la corte essendo in diritto di chiedere agli amministratori la documentazione necessaria per esercitare con conoscenza di causa il proprio apprezzamento. Non appare giustificato, invece, pretendere dai ricorrenti una riformulazione della fattura secondo i criteri degli
art. 47 a 49
TarLEF (esigenza che la corte aveva posto anche alle altre note d'onorario, ma alla quale gli amministratori non avevano ottemperato). I giudici cantonali si richiamano a
DTF 108 III 70
, ma scordano che tale sentenza riguardava l'art. 49a cpv. 1 TarLEF, cioè il compenso per procedure complesse affidate a un'amministrazione ordinaria; il compenso dovuto a un'amministrazione speciale (art. 49a cpv. 2 TarLEF) non consta di un'indennità complementare (onde la necessità di conoscere l'emolumento di base secondo gli
art. 47 a 49
TarLEF), bensì di un'indennità complessiva calcolata sulla scorta "del tempo impiegato, delle somme in causa e dei disborsi debitamente giustificati". La stessa corte cantonale, nell'apprezzare le quattro parcelle, non ha adottato - e a ragione - criteri diversi.
Dispositiv
Per questi motivi la Camera delle esecuzioni e dei fallimenti pronuncia:
Il ricorso è respinto. | null | nan | it | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
fc80e9fc-4e06-458c-a66e-35ec6c5af480 | Urteilskopf
82 IV 172
36. Urteil des Kassationshofes vom 8. Juni 1956 i.S. Hubmann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn. | Regeste
Art. 15 Abs. 1 al. 3 des BG über die Arbeitsvermittlung vom 22. Juni 1951 ist nur in Fällen bewilligungspflichtiger Vermittlungstätigkeit anwendbar. | Sachverhalt
ab Seite 172
BGE 82 IV 172 S. 172
A.-
Hubmann wurde im September 1954 die eidg. Bewilligung für die Vermittlung von Arbeitskräften vom Ausland nach der Schweiz entzogen. Am 16. Januar 1955 schrieb er Charlotte Jeray in Klagenfurt, der er früher einmal eine Anstellung in der Schweiz vermittelt hatte und die sich neuerdings um eine solche interessierte, dass sie im Rest. Bahnhof in Bettlach sofort eine Servierstelle antreten könnte und sich mit dem Arbeitgeber in Verbindung setzen möge. Gleichzeitig anerbot er sich, allfälligen Bekannten, die ebenfalls in der Schweiz eine Anstellung suchen, Plätze zu besorgen. Das Schreiben trug ausser der Unterschrift Hubmanns den Aufdruck seines früheren Geschäftsstempels: "Stellenbureau Maxim staatl. konz., Dornacherstr. 2, Tel 2.16.44, Solothurn 2". Eine Anstellung kam nicht zustande, und Hubmann hat auch keine Entschädigung verlangt oder entgegengenommen.
B.-
Das Obergericht des Kantons Solothurn verurteilte Hubmann am 14. Dezember 1955 wegen Übertretung des BG über die Arbeitsvermittlung vom 22. Juni 1951 (Art. 15 Abs. 1 al. 3) zu einer Busse von Fr. 30.-.
BGE 82 IV 172 S. 173
Es warf ihm vor, er habe bei Ausübung der Vermittlungstätigkeit gegenüber einem Arbeitnehmer unwahre Angaben gemacht, indem er sich im Schreiben vom 16. Januar 1955 als staatlich konzessionierter Stellenvermittler ausgegeben habe.
C.-
Hubmann führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, er habe keine bewilligungspflichtige Arbeitsvermittlung betrieben und falle deshalb auch nicht unter die Strafbestimmungen des Arbeitsvermittlungsgesetzes.
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Nach Art. 15 Abs. 1 des BG über die Arbeitsvermittlung vom 22. Juni 1951 wird mit Busse bestraft, wer bei Ausübung der Vermittlungstätigkeit in öffentlichen Ankündigungen oder gegenüber Behörden, Arbeitgebern oder Arbeitnehmern unwahre oder irreführende Angaben macht (al. 3). Diese Bestimmung verwendet den Ausdruck "Vermittlungstätigkeit" ohne Einschränkung, scheint also nach dem Wortlaut auf jede Art von Arbeitsvermittlung anwendbar zu sein, bei deren Ausübung falsche Angaben gemacht werden. Eine solche Auslegung widerspräche aber dem Sinn und Zweck des Gesetzes.
Der eidg. Gesetzgeber hat sich mit der privaten Vermittlungstätigkeit nur soweit befasst, als er deren Ausübung der Bewilligungspflicht unterstellt hat. Das ist der Fall bei der gewerbsmässigen Vermittlung im Inland (Art. 7) und bei der entgeltlichen Vermittlung über die Landesgrenzen, sofern sie nicht nur gelegentlich in Einzelfällen betrieben wird (Art. 10). In dieser Beschränkung der gesetzlichen Ordnung auf einen bestimmten Kreis privater Arbeitsvermittler kommt zum Ausdruck, dass der Bund
BGE 82 IV 172 S. 174
die übrigen Gebiete privater Arbeitsvermittlung nicht regeln wollte. Diese Absicht ergibt sich auch eindeutig aus der Botschaft des Bundesrates vom 10. Juli 1950 (S. 352/9) und aus Art. 16 Abs. 3 des Gesetzes, wo den Kantonen ausdrücklich das Recht zum Erlass weiterer Vorschriften vorbehalten wird, soweit bundesrechtlich nichts bestimmt worden ist. Dienen aber die Strafnormen des Bundesgesetzes lediglich der Durchsetzung seiner materiellen Bestimmungen, so kann ihr Geltungsbereich unmöglich ein verschiedener sein. Unter Vermittlungstätigkeit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 al. 3 ist daher nicht jede beliebige private Vermittlung zu verstehen, sondern nur die vom Gesetz in Art. 7 und 10 bewilligungspflichtig erklärte. Folglich ist die erwähnte Strafbestimmung nicht anwendbar auf falsche Angaben, die bei Ausübung einer nicht bewilligungspflichtigen Arbeitsvermittlung gemacht werden, wie immer auch die Täuschung beschaffen sein mag.
Dass der Beschwerdeführer keine Arbeitsvermittlung betrieben hat, die bewilligungspflichtig gewesen wäre, ist eine Tatsache, die das Obergericht für den Kassationshof verbindlich festgestellt hat. Somit ist er zu Unrecht auf Grund des eidg. Arbeitsvermittlungsgesetzes bestraft worden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 14. Dezember 1955 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fc810b74-3bcc-4641-bcb5-8ce9616f57d2 | Urteilskopf
111 II 67
15. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Februar 1985 i.S. X. AG gegen Genossenschaft Y. (Berufung) | Regeste
Viehkauf;
Art. 198 und
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
.
1. Das Erfordernis der Schriftform für Gewährleistungsversprechen gemäss
Art. 198 OR
gilt jedenfalls dann, wenn der Käufer eine Aktiengesellschaft ist, die gewerbsmässig Vieh kauft (E. 2).
2. Die alternative Konkurrenz des Gewährleistungsanspruchs wegen Mängeln der Kaufsache mit dem Anspruch aus einseitiger Unverbindlichkeit des Vertrages wegen Grundlagenirrtums ist beim Viehkauf grundsätzlich ausgeschlossen (E. 3, Bestätigung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 67
BGE 111 II 67 S. 67
Die Genossenschaft Y. treibt unter anderem Handel mit Schlacht- und Mastvieh. Am 14. Februar 1983 lieferte sie der X. AG, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Herstellerin von Futtermitteln auch Schlachttiere mästen lässt, 45 Kälber in den Stall eines Lohnmästers. Der Kaufpreis betrug Fr. 21'173.90. Wenige Tage nach der Ablieferung erkrankte ein Teil der Kälber an Salmonellose, worauf alle Tiere geschlachtet werden mussten.
BGE 111 II 67 S. 68
Da die X. AG der Auffassung war, die Verkäuferin habe einen Teil des durch die Schlachtung der Kälber entstandenen Schadens zu tragen, zog sie vom Kaufpreis Fr. 15'000.-- ab und stellte ihr am 21. September 1983 einen Check über Fr. 6'173.90 zu.
Nachdem Genossenschaft Y. erfolglos die Zahlung des gesamten Kaufpreises verlangt und dafür Frist angesetzt hatte, reichte sie im Januar 1984 beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen Klage mit dem Antrag ein, die X. AG sei zur Bezahlung von Fr. 15'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1984 zu verpflichten.
Mit Urteil vom 5. Juni 1984 hiess das Handelsgericht die Klage gut. Es begründete seinen Entscheid im wesentlichen damit, dass die Beklagte ihre Verrechnungsforderung mangels schriftlicher Garantieerklärung sowie wegen Nichtbeachtung des für die Viehwährschaft vorgeschriebenen Verfahrens nicht auf Sachgewährleistung stützen könne; ferner sei die alternative Berufung auf Grundlagenirrtum beim Viehkauf ausgeschlossen. Sodann komme eine Gegenforderung aus unerlaubter Handlung nicht in Frage, weil der Klägerin kein Verschulden vorzuwerfen sei. Schliesslich liege auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin vor.
Die Beklagte focht das Urteil des Handelsgerichts mit Berufung an, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Es ist unbestritten, dass die Klägerin keine schriftliche Garantie für die verkauften Kälber abgegeben hat und die Beklagte nicht gemäss den Vorschriften der Verordnung betreffend das Verfahren bei der Gewährleistung im Viehhandel (SR 221.211.22) vorgegangen ist. Da im angefochtenen Urteil ferner für das Bundesgericht verbindlich festgestellt wird, die Parteien hätten weder vor noch bei Kaufabschluss über die Gewährleistung gesprochen, ist davon auszugehen, dass die Klägerin auch keine mündlichen Zusicherungen gemacht hat. Unter diesen Umständen drängt sich aber die Frage auf, ob die Vorbringen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Schrifterfordernis gemäss
Art. 198 OR
nicht von vornherein für den Verfahrensausgang unerheblich sind, weil auch im Fall, dass ihre Auffassung geteilt würde, eine Sachgewährleistung mangels Vertragsabrede ausser Betracht fiele. Aus der Berufungsschrift ergibt sich indes, dass die Beklagte sinngemäss geltend machen will, die Gesundheit der gekauften Kälber sei als vorausgesetzte Eigenschaft gemäss
Art. 197 Abs. 1 OR
BGE 111 II 67 S. 69
zu betrachten, für welche die Klägerin auch ohne ausdrückliche Zusicherung einzustehen hätte, wenn die besonderen Bestimmungen für den Viehkauf nicht anwendbar wären. Da sich diese Meinung vertreten lässt, ist in der folgenden Erwägung auf die Frage einzutreten, ob vom Erfordernis der Schriftform aus den von der Beklagten vorgebrachten Gründen abgewichen werden kann.
2.
Aufgrund des klaren Wortlauts von
Art. 198 OR
hat das Bundesgericht in
BGE 70 II 50
E. 1 und später in einem unveröffentlichten Urteil vom 3. November 1953 i.S. G. gegen M. festgehalten, das Erfordernis der Schriftform für Gewährleistungsversprechen beim Viehkauf sei vom Gesetzgeber gewollt und müsse vom Richter ohne Rücksicht darauf, ob in der Praxis viele Verträge ohne schriftliche Gewährleistung abgeschlossen würden, beachtet werden. Zwar ist die gesetzliche Regelung - nicht aber das veröffentlichte Urteil - in der Literatur als rechtspolitisch verfehlt gerügt worden, insbesondere mit der Begründung, die sozialpolitische Interessenlage sei vom Gesetzgeber falsch gesehen worden, weil der gerissene Viehhändler sich häufig in der Rolle des Verkäufers und der sozial oft schwächere und unbeholfenere Bauer sich häufig in der Rolle des Käufers befinde (vgl. GIGER, N. 11 zu
Art. 198 OR
; LIVER, in Festschrift Guhl, S. 122; OTTO SCHENKER, Die Zusicherung von Eigenschaften beim Kauf, Diss. BE 1949, S. 58 ff.). Ein derartiger Sachverhalt liegt aber hier nicht vor. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, die gewerbsmässig Vieh zum Zwecke des Mästens kauft und die für sich nicht in Anspruch nehmen kann, wegen Unbeholfenheit auf das Schrifterfordernis nicht geachtet zu haben. Ihr war die nötige Aufmerksamkeit bei der Beachtung gesetzlicher Formvorschriften ohne weiteres zuzumuten. Sodann ist das in der Literatur teilweise vorgebrachte Argument, dass es gegen das Rechtsempfinden verstosse, dem auf eine mündliche Zusicherung vertrauenden Viehkäufer den Gewährleistungsanspruch zu verweigern (vgl. SCHENKER, a.a.O., S. 60), unter den gegebenen Umständen unerheblich, denn wie bereits erwähnt hat die Klägerin keine derartige Zusicherung abgegeben. Aus diesen und den in
BGE 70 II 50
E. 1 sowie den im angefochtenen Urteil aufgeführten weiteren Gründen besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung zu
Art. 198 OR
abzuweichen. Damit kann die Frage offenbleiben, ob die Rüge der Beklagten zutrifft, es sei als überspitzter Formalismus zu werten, dass ihr das Handelsgericht die Nichteinhaltung
BGE 111 II 67 S. 70
der Vorschriften der Verordnung betreffend das Verfahren bei der Gewährleistung im Viehhandel vorhalte.
3.
Die Beklagte beruft sich zudem auf einseitige Unverbindlichkeit des Vertrages wegen Grundlagenirrtums mit der Begründung, die Lieferung gesunder Kälber sei von beiden Parteien als notwendige Grundlage des Kaufvertrages betrachtet worden. Das Handelsgericht hält in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts die alternative Anwendung von
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
für ausgeschlossen. Mit der Berufung wird geltend gemacht, diese Rechtsprechung sei von GIGER (N. 66 und 67 Vorbemerkungen zu
Art. 197-210 OR
) und anderen Autoren zu Recht kritisiert worden.
Im Grundsatzentscheid
BGE 70 II 48
ff. wurde zur Frage der alternativen Konkurrenz dieser Rechtsbehelfe im wesentlichen ausgeführt, die Berufung auf Grundlagenirrtum sei beim Viehkauf im Gegensatz zu den übrigen Kaufverträgen grundsätzlich ausgeschlossen, weil sonst die strengen Vorschriften von
Art. 198 und
Art. 202 OR
umgangen werden könnten und wirkungslos würden. Die von GIGER dagegen vorgebrachte Kritik geht zusammengefasst dahin, es bestehe kein haltbarer Grund und widerspreche dem Postulat der Praktikabilität und der inneren Logik des Rechts, auf dem relativ engen Gebiet der kaufrechtlichen Sachgewährleistung für das Konkurrenzproblem hinsichtlich der Rechtsbehelfe aus
Art. 33 ff. und
Art. 197 ff. OR
je nach Art des Kaufgegenstandes zwei verschiedene Lösungen zu treffen (N. 67 Vorbemerkungen zu
Art. 197-210 OR
). Nach der Berufung haben sich LIVER, CAVIN und SCHENKER in ähnlicher Weise geäussert. Das trifft aber einzig für Schenker zu, der im Ergebnis die gleiche Auffassung wie GIGER vertritt (a.a.O., S. 60), CAVIN lehnt dagegen die alternative Anwendung von
Art. 24 OR
neben den Regeln über die Sachgewährleistung dem Grundsatz nach ab und hält daher die Rechtsprechung des Bundesgerichts bezüglich des Viehkaufs für richtig (Schweiz. Privatrecht, Bd. VIII/1, S. 120/21; SJ 1969 (91) S. 340 ff.). Sodann hat schon das Handelsgericht darauf hingewiesen, dass LIVER die bundesgerichtliche Praxis mit überzeugenden Argumenten verteidigt (a.a.O., S. 136). Zwei der Autoren, auf welche sich die Beklagte berufen will, teilen somit ihre Auffassung nicht; es genügt daher, zur Kritik GIGERS kurz Stellung zu nehmen.
Die Gesichtspunkte, welche nach GIGER ausschlaggebend sein sollen, sind nicht neu und wurden bereits in
BGE 70 II 50
E. 1 bei der Problemlösung berücksichtigt. Da die Erwägungen, welche das
BGE 111 II 67 S. 71
Bundesgericht damals dazu bewogen haben, in Fällen wie dem vorliegenden die Berufung auf Grundlagenirrtum nicht zuzulassen, ihre Gültigkeit und Überzeugungskraft bis heute behalten haben, besteht auch in dieser Hinsicht kein Anlass für eine Praxisänderung. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fc84b2f9-be82-4f43-86b8-d9cca8fb876a | Urteilskopf
115 II 136
25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. April 1989 i.S. Bank X. gegen Y-AG (Berufung) | Regeste
Bauhandwerkerpfandrecht;
Art. 840 und 841 ZGB
.
1. Nach Sinn und Zweck der
Art. 840 und 841 ZGB
besteht ein Vorrecht der Baupfandgläubiger gegenüber der vorrangig grundpfandgesicherten Baukreditbank auch insoweit, als diese den als Gegenwert des Bodens verfügbaren Baukredit ungleichmässig an die einzelnen Baugläubiger ausgerichtet hat, so dass auf den klagenden Baupfandgläubiger verhältnismässig weniger als auf andere entfallen ist; entsprechende Sorgfaltspflicht der Bank, namentlich bei unzureichendem Baukredit (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Grundsätze für die Berechnung des Ersatzes im Sinne von
Art. 841 ZGB
: Der anfechtende Baupfandgläubiger soll nicht mehr erhalten, als wenn der Baukredit ab Beginn an sämtliche Bauhandwerker verteilt worden wäre, und zwar im Verhältnis, in dem diese mit ihrer Arbeit zur Schaffung des Mehrwerts beigetragen haben (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 137
BGE 115 II 136 S. 137
A.-
Die Y-AG führte vom 30. September bis zum 24. Dezember 1980 auf dem Grundstück GB Metzerlen Nr. 1249 (Gasthof Engelbad) des Architekten T. für einen Hotelneubau verschiedene Arbeiten aus. Am 13. März 1981 stellte sie dafür Fr. 221'427.35 in Rechnung. Als diese unbeglichen blieb, ersuchte sie den Amtsgerichtspräsidenten von Dorneck-Thierstein am 19. März 1981 um die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts. Dem Gesuch wurde am 20. März 1981 entsprochen. Am 31. März 1981 anerkannte T. die Bauforderung der Y-AG, weshalb der Gerichtspräsident am 16. Juni 1981 die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts verfügen konnte.
Am 15. Oktober 1981 wurde über T. der Konkurs eröffnet. Der Kollokationsplan des Konkursamtes Basel-Stadt vom 17. April 1982 enthielt in den ersten beiden Rängen die pfandgesicherten Forderungen der Bank X. von insgesamt Fr. 5'907'995.70 einschliesslich Zins bis zum 15. Oktober 1981. Die Forderung der Y-AG wurde mit elf weiteren Bauforderungen im 3. Rang ausgewiesen. In der Folge schlug die Y-AG als einzige Baupfandgläubigerin einen Vergleich aus, der ihr eine Deckung von Fr. 74'520.-- eingebracht hätte.
Am 28. September 1984 gelangte die überbaute Liegenschaft zur Versteigerung. Den Zuschlag erhielt die Bank X. für Fr. 5'200'000.--. Bei der anschliessenden Verteilung des Verwertungserlöses entfielen Fr. 5'120'038.25 auf die Bank X., während die Baupfandgläubiger leer ausgingen. Nach Abzug einer Konkursdividende von Fr. 6'625.45 verblieb der Y-AG ein Verlust von Fr. 217'754.25.
B.-
Am 14. Januar 1985 klagte die Y-AG gegen die Bank X. auf Bezahlung von Fr. 217'754.25 nebst Zins zu 5% seit dem 8. Oktober 1981, eventualiter seit dem 14. Januar 1985. Das Amtsgericht Dorneck-Thierstein wies die Klage mit Urteil vom 30. April 1986 ab.
BGE 115 II 136 S. 138
Das Obergericht des Kantons Solothurn hiess hingegen die Klage nach Appellation der Y-AG mit Urteil vom 27. Januar 1987 im Umfang von Fr. 59'483.65 nebst Zins seit dem 1. Juli 1981 teilweise gut.
C.-
Mit Berufung an das Bundesgericht vom 29. April 1988 verlangt die Bank X. die Aufhebung von Ziff. 1 Abs. 1 des Urteils des Obergerichts des Kantons Solothurn, womit sie verpflichtet worden ist, der Y-AG Fr. 59'483.65 einschliesslich Zins zu bezahlen, sowie die vollumfängliche Abweisung der Klage. Eventualiter wird um Rückweisung an die Vorinstanz zu Aktenergänzung und Neubeurteilung ersucht.
In der Anschlussberufung vom 23. Juni 1988 beantragt die Y-AG ihrerseits die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Gutheissung der Klage im Betrag von Fr. 217'754.25, eventualiter im Betrag von Fr. 62'046.85, nebst Zins seit dem 8. Oktober 1981, eventualiter seit dem 14. Januar 1985.
Beide Parteien beantragen schliesslich je gegenseitig die Abweisung von Berufung und Anschlussberufung, derweil das Obergericht des Kantons Solothurn auf Gegenbemerkungen verzichtet hat.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
besteht für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die zu Bauten oder andern Werken auf einem Grundstück Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, an diesem Grundstück ein mittelbares gesetzliches Pfandrecht. Gelangen mehrere dieser Bauhandwerkerpfandrechte zur Eintragung, so haben sie, auch wenn sie von verschiedenem Datum sind, nach
Art. 840 ZGB
untereinander den gleichen Anspruch auf Befriedigung aus dem Pfand. Kommen die Forderungen der Handwerker und Unternehmer bei der Pfandverwertung zu Verlust, so ist ihnen der Ausfall im Sinne eines Vorrechts aus dem den Wert des Bodens übersteigenden Verwertungsanteil der vorgehenden Pfandgläubiger zu ersetzen, sofern das Grundstück durch ihre Pfandrechte in einer für sie erkennbaren Weise zum Nachteil der Handwerker und Unternehmer belastet worden ist (
Art. 841 Abs. 1 ZGB
).
Die Parteien sind sich einig darüber, dass der Klägerin nach Abzug der Konkursdividende eine ungedeckte Forderung im Betrag von Fr. 217'754.25 nebst Zins zusteht. Ausser Frage steht
BGE 115 II 136 S. 139
sodann auch deren grundsätzliche Sicherung durch ein Bauhandwerkerpfandrecht. Umstritten ist hingegen nach wie vor, inwieweit der Verwertungserlös zur Deckung des von der Klägerin erlittenen Pfandausfalles verwendet werden kann.
2.
Das Obergericht des Kantons Solothurn hat den Bodenwert des überbauten Grundstückes auf den Tag der Liegenschaftsversteigerung mit Fr. 2'332'541.15 bestimmt. Nach dieser Berechnung entfallen somit von Fr. 5'120'038.25 insgesamt Fr. 2'787'497.10 auf den durch Bauhandwerker und Unternehmer geschaffenen Mehrwert; darin ist auch ein Betrag von Fr. 439'293.70 für Zinsen enthalten. Das Obergericht hat sodann festgestellt, dass die Beklagte aus dem Baukredit ungefähr das Zweifache des Mehrwerts von Fr. 2'348'203.40 (= Fr. 2'787'497.10 - Fr. 439'293.70) an die Bauhandwerker und Unternehmer ausbezahlt habe. Nach Berücksichtigung der Verrichtungen von Architekt und Ingenieur, der reinen Materiallieferungen, der Anschlussgebühren und Ausstattungsgegenstände sowie Bauzinsen, die allesamt auch zur Wertvermehrung der Liegenschaft beigetragen hätten und daher als berechtigte Bauforderungen beachtlich seien, ergebe sich somit ein Gesamtbetrag wertvermehrender Baukosten von Fr. 8'741'166.80. Damit stehe zwar fest, dass der Baukredit nicht zweckentfremdet verwendet worden sei, doch vermöge der Anteil des Verwertungserlöses von Fr. 2'348'203.40, der dem eigentlichen Mehrwert vorbehalten bleibe, den Gesamtbetrag wertvermehrender Baukosten bloss im Umfang von 26,8637% zu decken. Infolgedessen sei der für die Bauhandwerkerpfandrechte zur Verfügung stehende Verwertungserlös gemäss diesem Quotenanteil von 26,8637% auf die einzelnen baupfandgesicherten Forderungen aufzuteilen, denn nur so lasse sich ein Ergebnis erzielen, welches in Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stehe. Das Obergericht hat daher der Klägerin an ihre gesamte baupfandgesicherte Forderung von Fr. 221'427.35 (Wert 1. Juli 1981) noch einen Teilbetrag von Fr. 59'483.65 (= 26,8637%) zugewiesen.
3.
a) Dem Obergericht wird vorgeworfen, dem Klagebegehren nur deshalb entsprochen zu haben, weil es bei der Verteilung des Verwertungserlöses unter die einzelnen Baugläubiger einem Gleichbehandlungsprinzip erlegen sei, welches weder in Art. 840 noch in
Art. 841 ZGB
eine Grundlage finde. Danach sei der durch die Bauhandwerker und Unternehmer geschaffene Mehrwert des Grundstückes den berechtigten Bauforderungen im Verhältnis
BGE 115 II 136 S. 140
ihres Umfanges zugeteilt worden; den Baupfandgläubigern sei damit ein Vorrecht gegenüber dem vorrangigen Grundpfandgläubiger insoweit eingeräumt worden, als letzterer den als Gegenwert des Grundpfandes verfügbaren Baukredit ungleichmässig an die einzelnen Baugläubiger entrichtet habe, so dass auf den klagenden Baugläubiger verhältnismässig weniger als auf andere entfallen sei. Die Annahme eines solchen Privilegs hätte zur Folge, dass eine Bank den grundpfandgesicherten Baukredit immer nur in dem Verhältnis ausschütten dürfte, welches demjenigen der einzelnen zu den gesamten Forderungen der Bauhandwerker und übrigen Baugläubiger entspricht; würde dieser Grundsatz verletzt, wäre der Ausfall gemäss
Art. 841 ZGB
zu ersetzen, soweit der betroffene Baupfandgläubiger relativ weniger erhalten hat.
b) Das Vorgehen der Vorinstanz bei der Verteilung des Verwertungserlöses deckt sich im Ergebnis mit der schon vor langer Zeit eingeleiteten Rechtsprechung des Bundesgerichts, was auch von der Beklagten nicht verkannt wird. Ihr Ziel ist es indessen, die Änderung dieser konstanten Praxis zu bewirken, da sich ein solcher Gleichbehandlungsanspruch weder dem Wortlaut der
Art. 840 und 841 ZGB
noch dem Zweck dieser Bestimmungen entnehmen lasse. Das Vorrecht der Bauhandwerker und Unternehmer - so glaubt die Beklagte - setze stets voraus, dass die Mittel des Baukredites zweckwidrig, mithin zur Bezahlung baufremder Leistungen, verwendet worden seien; entsprechend beschränke sich die Sorgfaltspflicht der pfandgesicherten Bank auf die Vermeidung bauzweckfremder Mittelverwendung, was sich auch aus
BGE 112 II 493
ff. ergebe. Eine Aufgabe des von der Rechtsprechung - trotz Fehlens einer Gesetzeslücke - entwickelten Gleichbehandlungsgebotes dränge sich aber auch darum auf, weil sich dieses als unzweckmässig, unpraktikabel und lebensfremd erwiesen habe.
4.
Über den Grundsatz von
Art. 841 ZGB
hinaus hat das Bundesgericht tatsächlich bereits früh festgehalten, dass der besondere Schutz, den das Gesetz den Bauforderungen gewährt, auf dem Gedanken beruhe, wonach der durch die Verwendungen der Handwerker geschaffene Mehrwert eines Grundstückes nicht aufgrund eines vorrangigen Pfandrechts zugunsten anderer Grundpfandgläubiger vorweggenommen werden dürfe, sondern den Handwerkern als gemeinsames Pfand vorbehalten bleibe. Sofern der Bauhandwerker von dem nach Abzug des Bauplatzwertes verbleibenden Verwertungserlös den Teil erhalte, der auf den
BGE 115 II 136 S. 141
durch seine Verwendungen geschaffenen Mehrwert entfalle, bleibe ihm die Anfechtung des zugunsten der Baukreditgeberin errichteten vorrangigen Grundpfandrechtes verwehrt. Nach
Art. 841 ZGB
könne auch nicht beanstandet werden, dass der Baukredit zur Bezahlung anderer Handwerker und Lieferanten verwendet und durch Pfandrechte entsprechend gesichert worden sei, zumal auch diese Gläubiger durch ihre Arbeiten und Materiallieferungen zur Schaffung des im Verwertungserlös steckenden Mehrwertes beigetragen hätten. Eine Benachteiligung der Bauhandwerker könne jedoch darin begründet sein, dass die Baukreditgeberin andere Forderungen als solche von mehrwertschaffenden Bauhandwerkern beglichen oder unter letzteren einzelne bevorzugt habe, während ihr die Gefahr, dass die Forderungen der übrigen Baugläubiger ihre Deckung verlören, erkennbar gewesen sei (
BGE 43 II 611
f. E. 3).
b) Diese Rechtsprechung ist mehrfach bestätigt worden (
BGE 51 II 122
ff., 53 II 467 ff., 480 E. 6 und
BGE 67 II 106
ff.; auch
BGE 96 III 126
ff.). Das Bundesgericht hat dabei hinsichtlich der Ausschüttung des grundpfandgesicherten Baukredites aus
Art. 840 ZGB
- allerdings stets in Verbindung mit
Art. 841 ZGB
- nicht bloss ein Zweckentfremdungsverbot, sondern eine eigentliche Gleichbehandlungspflicht zugunsten der einzelnen Bauhandwerker und Unternehmer abgeleitet. Auch mit
BGE 51 II 122
ff. ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen worden; hier konnte von einer ausdehnenden Auslegung des
Art. 840 ZGB
- mit der die gleichmässige Befriedigung aller Bauhandwerkerforderungen am besten gesichert werde - abgesehen werden, weil sich der bevorzugte Baugläubiger durch ein vertragliches Pfandrecht privilegieren wollte und darum direkt aus
Art. 841 ZGB
haftbar gemacht werden konnte. Auch die in diesem Entscheid angedeutete Kritik an der extensiven Auslegung des
Art. 840 ZGB
gründete im übrigen ausschliesslich in der Besonderheit des Falles und war weder bestimmt noch geeignet, die in
BGE 43 II 611
f. E. 3 begründete Praxis in Frage zu stellen.
5.
a) Das Bundesgericht war sich stets bewusst, dass die mit der konstanten Rechtsprechung geübte Auslegung über den Wortlaut des Gesetzes hinausgreift und ihre Rechtfertigung im Schutzzweck der einschlägigen Bestimmungen finden muss (
BGE 51 II 127
f.). Immerhin wird mit
Art. 840 ZGB
deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber um eine Angleichung unter den beteiligten Bauhandwerkern bemüht war, indem er zumindest die
BGE 115 II 136 S. 142
durch den Zeitpunkt der Eintragung geschaffene Rangfolge unter den Baupfandgläubigern nicht gelten liess. Mit dieser Gleichstellung sollte allfälligen Benachteiligungen der Bauhandwerker, die in der arbeitsteiligen, zeitlich gestaffelten Ausführung des Bauwerks gründeten, wirksam begegnet werden. In der Tat würde es jeglichem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderlaufen, wenn der Schutz des Bauhandwerkers vom Zufall der zeitlichen Anspruchsbegründung abhängig gemacht würde, obwohl der den Bodenwert übersteigende Verwertungserlös von den Verrichtungen aller beeinflusst bleibt (dazu bereits Eugen HUBER als Berichterstatter im Nationalrat, Sten.Bull. 1906 NR, S. 647; LEEMANN, Kommentar, Bern 1925, N. 1 zu
Art. 840 ZGB
; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2. A. 1982, Nrn. 334 ff., S. 84 f., sowie ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, in ZSR 101/1982 II, S. 164 f. je mit Hinweisen). Gilt aber der in der Zwangsverwertung realisierbare Mehrwert erfahrungsgemäss als ein Ergebnis gemeinsamen Schaffens, ist es folgerichtig, die betroffenen Baupfandgläubiger nicht nur hinsichtlich der zeitlichen Rangfolge, sondern auch bezüglich ihres Anteils am Verwertungserlös gleichzubehandeln. Dürften im Rahmen des Verwertungserlöses, der den berechtigten Baugläubigern zugedacht wäre, gewisse Leistungen vollumfänglich gedeckt werden, während andere Gläubiger völlig leer ausgingen wie dies offenbar der Meinung der Beklagten entspricht -, führte dies im Ergebnis gleichwohl zu einer zeitlichen Rangfolge, wie sie das Gesetz mit
Art. 840 ZGB
gerade verpönt haben wollte; dies, weil in der Regel zunächst jene Baugläubiger vorweg befriedigt werden, die ihre Verrichtungen zeitlich früher erbracht haben und nach dem konkreten Bauablauf auch früher erbringen mussten, derweil jene aber, die nach dem teils vom Zufall abhängigen Ablauf der einzelnen Arbeitsgänge erst später zum Einsatz gelangten, bezüglich des unzureichenden Verwertungserlöses ein grösseres Risiko zu tragen hätten. Eine derartige Ungleichbehandlung der verschiedenen Baugläubiger, die zwar rein tatsächlicher Art ist, ihren Grund aber gerade im arbeitsteiligen Ablauf des Bauvorganges findet, kann nicht dem Sinn des Gesetzes entsprechen, das jede zeitliche Priorität unter den verschiedenen Bauhandwerkerpfandrechten ausschliessen will.
b) Das Bundesgericht hat in allen Bereichen seiner Rechtsprechung seit jeher eine auf den Wortlaut beschränkte Gesetzesauslegung verworfen und stets auch nach dem Zweck des Gesetzes
BGE 115 II 136 S. 143
gefragt (
BGE 112 Ia 117
,
BGE 112 III 110
E. 4a,
BGE 111 Ia 297
,
BGE 111 V 127
E. 3b, 108 Ib 401,
BGE 105 II 138
,
BGE 103 Ia 117
,
BGE 91 IV 28
und
BGE 80 II 316
). Dieser Zweck aber besteht im Zusammenhang mit
Art. 840 und 841 ZGB
in erster Linie darin, mittels gesetzlichem Pfandrecht und besonderem Vorrecht den Urhebern des den Bodenwert übersteigenden Mehrwerts vorrangigen und gleichmässigen Schutz gegenüber anderen Pfandgläubigern zu verschaffen (vgl. bereits Eugen HUBER, a.a.O.; zur Entstehungsgeschichte auch ZR 79/1980 Nr. 12, S. 19 ff., sowie A. EGGER, Der privatrechtliche Schutz der Bauhandwerker, Diss. Zürich 1901, und P. HOFMANN, Die gesetzlichen Grundpfandrechte des
Art. 837 ZGB
, insbesondere das Bauhandwerkerpfandrecht, Diss. Zürich 1940, S. 19 ff.). Echter Schutz aller Mehrwertschöpfungen aber, der ohne Rücksicht auf zeitliche und technische Eigenheiten des Bauvorganges gewährleistet werden kann, verlangt nach einer eigentlichen materiellen Gleichbehandlung oder Chancengleichheit der Bauhandwerker, die nicht zusätzlich vom Belieben des grundpfandgesicherten Baukreditgebers abhängen soll. Darf sich mithin der vom Gesetz bezweckte Schutz der Baugläubiger sinnvollerweise nicht darin erschöpfen, diese vor zweckwidriger Verwendung des Baukredites zu bewahren, soll vielmehr dem Zusammenwirken der einzelnen Beteiligten im Hinblick auf ein gemeinsam geschaffenes Resultat auch bei der Aufteilung des Verwertungserlöses Rechnung getragen werden, muss sich die Berufung auf die Vertragsfreiheit des grundpfandgesicherten Baukreditgebers zum vornherein als unbehelflich erweisen.
Gleiches gilt sodann für den erhobenen Einwand, wonach die Bauhandwerker auch gegenüber der Auszahlung von Eigenmitteln durch den Bauherrn selbst nicht auf einer Gleichbehandlung beharren könnten, sondern Ungleichbehandlungen - vorbehältlich der Ausnahmen in
Art. 285 ff. SchKG
- ohne Möglichkeit einer Gegenwehr zu dulden hätten. Dieser Vergleich ist im übrigen schon insofern untauglich, als die Entschädigung wertvermehrender Leistungen aus Eigenmitteln des Bauherrn in aller Regel nicht zu Grundpfandrechten führt, die mit den Sicherungsrechten der Bauhandwerker und Unternehmer konkurrieren könnten, während allfällige vorbestehende, auf den Bodenwert begrenzte Hypotheken im Zusammenhang mit
Art. 840 und 841 ZGB
ohnehin nicht von Belang wären (
BGE 86 II 151
f.).
Dass endlich auch das Fehlen einer vertraglichen Bindung zwischen Baukreditgebern und Baugläubigern nicht geeignet ist, einer
BGE 115 II 136 S. 144
materiellen Gleichbehandlung die Grundlage zu entziehen, liegt auf der Hand, zumal ausschliesslich Gehalt und Tragweite gesetzlicher Schutzbestimmungen in Frage stehen und für vertragliches Denken kein Raum besteht.
6.
a) Die Beklagte beruft sich wiederholt auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichts, namentlich auf
BGE 112 II 493
ff. Auch daraus lässt sich indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten. Zu beurteilen war damals nicht die interne Aufteilung eines unzureichenden Verwertungserlöses, sondern vielmehr die Frage, welche mehrwertbegründenden Verrichtungen im Rahmen bestimmungsgemässer Verwendung des Baukredites überhaupt Berücksichtigung finden dürfen. Das Bundesgericht hat auch hier unter Bezugnahme auf den Zweck des Gesetzes festgehalten, dass Leistungen an Baugläubiger, die durch ihre Materiallieferungen oder Dienstleistungen zur Bildung von Mehrwert beigetragen haben, nicht zu einer Benachteiligung der pfandgesicherten Baugläubiger führen und daher nicht beanstandet werden dürfen. Wenn es somit in den bundesgerichtlichen Erwägungen heisst, die privilegierte Stellung des Grundpfandgläubigers müsse gewahrt werden, soweit der Baukredit des grundpfandgesicherten Kreditgebers nicht zweckentfremdet worden sei (vgl.
BGE 112 II 495
), ist dies im Zusammenhang mit der konkreten Fragestellung zu lesen; bezüglich gleichmässiger Behandlung der Bauhandwerker und Unternehmer ist damit jedenfalls nichts präjudiziert worden.
b) Einzuräumen ist hingegen, dass die anteilsmässige Gleichbehandlung der Baupfandgläubiger, wie sie der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zugrunde liegt, vom Baukreditgeber bei der Ausschüttung des Baukredites dann ein erhebliches Mass an Vorsicht verlangt, wenn dieser zum vornherein nicht alle wertvermehrenden Bauleistungen zu decken vermag. Diese Sachlage ist vergleichsweise häufig anzutreffen, zumal
Art. 841 Abs. 1 ZGB
keinen Anspruch auf ausreichenden Baukredit begründet und die Bevorschussung der gesamten Baukosten auch nicht den Gepflogenheiten der Branche entspricht (
BGE 112 II 495
f. E. 8; EMCH/RENZ, Das Schweizerische Bankgeschäft, 3. A. 1984, S. 318 f.). Durchaus als branchenüblich gelten hingegen die Abschlagszahlungen nach Massgabe des Baufortschrittes (vgl. etwa SIA-Normenwerk, sia 118, geltende Ausgabe 1977, Druck 1987, Art. 144 f.); überhaupt sehen sich die Geldinstitute zur Vermeidung von Doppelzahlungen zu vielfältigen Vorsichtsmassnahmen gezwungen, die sich mittlerweile im Geschäftsalltag bewährt und eingelebt haben (vgl. BGE 95
BGE 115 II 136 S. 145
II 90 E. 4; ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 101, ZOBL, Der Baukreditvertrag, in BR 1987, S. 8; ferner C. HAEFLIGER, Le rang et le privilège de l'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs, thèse, Lausanne 1957, S. 84, sowie bereits E. RAMSEYER, Baugläubigerpfandrecht, Baukredit und Treuhänder, Diss. Bern 1924, S. 106 ff.). Vor diesem Hintergrund erweist sich der mit der Berufung vorgetragene Vorwurf, das Gebot der anteilsmässigen Gleichbehandlung sei nicht nur aus Sicht des Gesetzeszwecks, sondern auch mit Blick auf seine Handhabung sachfremd, unzweckmässig, ja gar völlig unpraktikabel als unhaltbar. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwiefern diese bereits seit Jahrzehnten geltende Rechtsprechung zu unüberwindbaren Schwierigkeiten in ihrer praktischen Anwendung geführt haben sollte. Im übrigen ähnelt die Klage aus
Art. 841 ZGB
im Grundgedanken, in den Voraussetzungen und in der Durchführung den Anfechtungsklagen des Schuldbetreibungsrechts (
Art. 285 ff. SchKG
), insbesondere derjenigen gemäss
Art. 288 SchKG
, auch wenn gewisse Unterschiede gegenüber den paulianischen Rechtsbehelfen nicht zu übersehen sind (vgl. hiezu
BGE 96 III 137
ff. E. 8, 39 I 304, sowie O. LEHNER, Das Objekt des Bauhandwerkerpfandrechtes nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch, in SJZ 57/1961, S. 133 ff., S. 136, je mit Hinweisen; vgl. auch die BOTSCHAFT des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, vom 28. Mai 1904, S. 81); insofern kann daher
Art. 841 ZGB
- auch in der bundesgerichtlichen Auslegung - nicht als völliges Neuland bezeichnet werden. Hinzu kommt schliesslich, was von den Gegnern des Gleichbehandlungsgrundsatzes mitunter übersehen oder doch zu wenig berücksichtigt wird, dass der grundpfandgesicherte Baukreditgeber den Vorrang der Bauhandwerker nur soweit gelten lassen muss, als anlässlich der Pfandbestellung oder bei der Auszahlung des Baukredites an die Baugläubiger die Benachteiligung einzelner unter ihnen erkennbar war (
BGE 100 II 314
ff., 51 II 134,
BGE 43 II 612
; SCHUMACHER, a.a.O., Nrn. 985 ff., S. 284 f., sowie ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 177 f.). Durch dieses zusätzliche subjektive Erfordernis kann in hinreichendem und den konkreten Umständen des Einzelfalles angepasstem Masse auch dem Schutzbedürfnis des Baukreditgebers Rechnung getragen werden.
c) Auch im Schrifttum hat das der geschilderten Rechtsprechung zugrundeliegende Gleichbehandlungsgebot in überwiegendem Masse Zustimmung gefunden, und zwar nicht bloss anfänglich (WIELAND, Kommentar zum Sachenrecht, Zürich 1909, N. 3
BGE 115 II 136 S. 146
lit. bb zu
Art. 841 ZGB
, S. 372; H. SCHNEEBELI, Schutz der Baugläubiger im Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1914, S. 186 ff.; RAMSEYER, a.a.O., S. 95; LEEMANN, Kommentar, Bern 1925, N. 23 zu
Art. 841 ZGB
mit Hinweis auf
BGE 43 II 606
), sondern auch während Jahrzehnten seiner praktischen Bewährung (HOFMANN, a.a.O., S. 98 f.; HAEFLIGER, a.a.O., S. 85 ff.; R. RASCHEIN, Das Bauhandwerkerpfandrecht in der Zwangsverwertung von Grundstücken in BlSchK 36/1972, S. 39; ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 177 f.; SCHUMACHER, a.a.O., Nrn. 984, 993 ff., S. 284, 286; EMCH/RENZ, a.a.O., S. 319 f.; H.J. REBER, Rechtshandbuch für Bauunternehmer, Bauherr, Architekt und Bauingenieur, 4. A. 1983, S. 124, LEHNER, a.a.O., S. 134 f.). Auch diese herrschende Lehre stützt sich auf den Schutzzweck des Bauhandwerkerpfandrechts und die Einsicht, dass die ungleichmässige Ausschüttung des Baukredites die angestrebte Solidarität unter den betroffenen Baugläubigern vereiteln würde und darum als Anfechtungstatbestand im Sinne von
Art. 841 ZGB
gelten müsse.
7.
a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichts hat freilich auch Ablehnung hervorgerufen. Soweit dabei auf den Wortlaut der
Art. 840 und 841 ZGB
verwiesen wird (ZOBL, Baukreditvertrag, a.a.O., S. 7), besteht kein Grund, auf die schon gemachten Ausführungen zurückzukommen. Gleiches gilt für die materiellen Einwände GÖSCHKES, der - wie in der Berufung vorgebracht - eine Benachteiligung der Bauhandwerker und Unternehmer auch nur nach Massgabe des nicht für letztere verwendeten Teils des Baukredites anerkennen will (ZBJV 65/1929, S. 307). Anstoss zur Kritik gaben sodann auch die praktischen Schwierigkeiten der Berechnung, die aus der Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes erwachsen können. Desgleichen wird schliesslich in der Berufung die Auffassung vertreten, selbst bei Anerkennung eines entsprechenden Anspruchs hätte die Berechnung des auf die Klägerin entfallenden Anteils anders an die Hand genommen werden müssen.
b) Die vom Bundesgericht verwendete Berechnungsmethode ist bestrebt, den einzelnen Bauhandwerker unter Inanspruchnahme seines Vorrechts keinesfalls besserzustellen, als er es wäre, wenn kein Anfechtungsgrund vorläge, mithin der Baukredit ab Beginn an sämtliche Bauhandwerker gleichmässig verteilt worden wäre, und zwar im Verhältnis, in welchem diese durch ihre Arbeit zur Schaffung des Mehrwerts beigetragen haben (
BGE 86 II 153
E. 4,
BGE 76 II 143
,
BGE 53 II 479
E. 5,
BGE 43 II 611
). Daran wird einerseits bemängelt,
BGE 115 II 136 S. 147
dass der ermittelte Anteil des einzelnen Bauhandwerkers an der Mehrwertschöpfung immer nur ein Annäherungswert bleiben müsse. Das Vorgehen des Bundesgerichts, welches den Anteil des einzelnen Bauhandwerkers an den gesamten wertvermehrenden Baukosten zu ermitteln suche und den errechneten Quotienten auf den bei der Verwertung tatsächlich erzielten Mehrwert übertrage, wobei sich letzterer aus dem gesamten Verwertungserlös abzüglich des Bodenwertes im Zeitpunkt der Liquidation ergebe, lasse ausser acht, dass der tatsächliche Erlös die einzelnen Leistungen der Bauhandwerker nicht gleichmässig berücksichtige, sondern auch Einflüssen ausgesetzt sei, welche diese Leistungen nicht berührten. Missbilligt wird überdies, dass den Bauhandwerkern und Unternehmern bei der Verteilung oder vielmehr Umverteilung des Baukredites ein Teil desselben vorenthalten bleibe; dies, weil sich die massgebliche Quote zwar aus dem Verhältnis ihrer Forderung zu den gesamten wertvermehrenden Leistungen oder Baukosten ergebe, von diesen jedoch nicht sämtliche auch zu einer Pfandberechtigung führten (zum Ganzen: GÖSCHKE, Die Klage des Bauhandwerkers gegen den vorgehenden Pfandgläubiger, in ZBJV 78/1942, S. 241 ff., insbesondere S. 245 ff.; neuerdings auch FÜLLEMANN, Durchsetzung und Vollstreckung des Bauhandwerkerpfandrechts unter besonderer Berücksichtigung der Dritteigentumsverhältnisse, Diss. Zürich 1984, S. 74 ff.).
Die Kritiker wollen diesen Schwierigkeiten dadurch begegnen, dass sie, ausgehend vom Wortlaut des
Art. 841 ZGB
, den Anteil am Verwertungserlös zu bestimmen suchen, der den Wert des unbebauten Grundstückes übersteigt; diese Schätzung - glaubt GÖSCHKE (a.a.O., S. 246) - sei praktisch möglich und einigermassen zuverlässig vornehmbar. Die Bauhandwerker, die einen Pfandausfall erlitten hätten, seien schliesslich "gleichmässig" darauf anzuweisen. Wie dies im einzelnen zu geschehen hat, wird freilich auch von den Kritikern nicht näher dargelegt. Soweit indessen nur jene Baugläubiger Berücksichtigung finden sollen, die ihren Ausfall geltend machen, und zwar nach Massgabe dieses Ausfalles, wird dem Grundsatz der Gleichbehandlung doch wieder Rechnung getragen. Allerdings ist diese im Schrifttum vorgezeichnete Berechnungsmethode insofern nicht frei von Zufälligkeiten, als sie auf die Zahl jener abstellen will, die ihren Ausfall tatsächlich anmelden. Solche Zufälligkeiten aber werden mit der bundesgerichtlichen Vorgehensweise vermieden, da sie darauf angelegt ist, die Gleichbehandlung im Hinblick auf eine bereits anfänglich
BGE 115 II 136 S. 148
gleichmässige Verteilung des Baukredites zu verwirklichen, und überdies in jedem Fall den Anteil des einzelnen Bauhandwerkers am Gesamtergebnis aller wertvermehrenden Leistungen als ausschlaggebend erachtet (
BGE 86 II 153
mit Hinweis auf
BGE 76 II 142
). Soweit diesbezüglich auch die nicht pfandberechtigten Bauforderungen einzubeziehen sind, bewirkt dies keine Teilhabe derselben am Verwertungserlös, jedoch im Verhältnis zur Rechnungsstellung gegenüber dem Bauherrn tatsächlich eine wertmässige Minderung der auf die pfandgesicherten Gläubiger entfallenden Betreffnisse. Diese Konsequenz gründet letztlich aber in einem Wertungsentscheid, entsprechend dem zuletzt auch in
BGE 112 II 493
ff. gefällten, und hat insofern mit der Undurchführbarkeit von konkreten Berechnungen wie sie gegen die Rechtsprechung ins Feld geführt wird - nichts gemein. Eindeutig zugunsten der vom Bundesgericht gewählten Methode, die in der Lehre durchaus auch auf Zustimmung gestossen ist, spricht indessen die grundsätzliche Gleichwertigkeit sämtlicher wertvermehrender Bauleistungen (ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 182; mit verhaltener Kritik an der "theoretisch richtigen" Methode des Bundesgerichts SCHUMACHER, a.a.O., Nrn. 1011 ff., S. 291 ff.); ein Postulat, welches selbst von den Gegnern der Rechtsprechung als "an sich logisch und gerecht" gewürdigt worden ist (FÜLLEMANN, a.a.O., S. 74) und das sich letztlich auch bei der Verteilung eines im Verhältnis zu den gesamten wertvermehrenden Baukosten geringeren Verwertungserlöses insofern auswirken muss, als ein Teil des Mehrwertes den vorrangigen Pfandgläubigern anheimfällt.
c) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung nicht geboten ist. Demnach bleibt auch für die von der Beklagten in ihrer Eventualbegründung vertretene Berechnungsmethode kein Raum, die unzutreffenderweise davon ausgeht, es stehe zur Deckung des Pfandausfalles lediglich jener Betrag des Verwertungserlöses zur Verfügung, der auch zur Abdeckung zweckentfremdeter Zahlungen des Baukreditgebers ausreiche. Lässt sich aber die Berechnungsweise der Vorinstanz im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht beanstanden, erweist sich die Berufung als unbegründet. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fc87ee25-e3bb-47d9-aca2-5b160e94fb9e | Urteilskopf
116 Ia 154
27. Arrêt de la Ire Cour civile du 17 mai 1990 dans la cause Commissariat à l'énergie atomique contre Gouvernement de la République islamique d'Iran et Cour de justice du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit. Verrechnung; Aussetzung des Schiedsverfahrens.
1. Ein Entscheid über die Aussetzung des Schiedsverfahrens gemäss Art. 29 des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit fällt nicht unter
Art. 87 OG
(E. 2).
2. Der Entscheid über die Aussetzung des Schiedsverfahrens gemäss Art. 29 des Konkordats unterliegt wie ein Entscheid über die Zuständigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde im Sinn von Art. 9 und 36 lit. b des Konkordats (E. 3).
3. Art. 29 des Konkordats ist restriktiv auszulegen: Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, dass das Schiedsgericht das Verfahren nicht aussetzt, bevor es das Vorliegen der Verrechnungserfordernisse geprüft hat (E. 4c). Ferner ist der Entscheid nur für den Betrag auszusetzen, für welchen Verrechnung geltend gemacht wird, während das Instruktionsverfahren hinsichtlich der Hauptklage weiterzuführen ist (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 155
BGE 116 Ia 154 S. 155
A.-
Le 23 février 1975, le Gouvernement impérial d'Iran et le Commissariat français à l'énergie atomique (ci-après: le CEA ou le défendeur) ont conclu une convention dont l'art. X soumet tout litige à un tribunal arbitral, fixe le siège de l'arbitrage à Genève et prévoit l'application de la loi iranienne au contrat.
En octobre 1984, le Gouvernement de la République islamique d'Iran (ci-après: l'Iran) a saisi la Chambre de commerce internationale (CCI) d'une demande d'arbitrage, en concluant au remboursement, en capital et intérêts, du prêt concédé au CEA selon ledit contrat, soit au paiement, à la date du 13 février 1986, de quelque 2'150'000'000 US dollars. Cet arbitrage a été inscrit au rôle de la CCI sous le numéro 5124 et le Tribunal arbitral a été désigné.
Une société Sofidif, avec trois autres demandeurs, dont le CEA, plaidait depuis juillet 1979 contre l'Iran et une autre partie défenderesse dans le cadre d'un arbitrage CCI se déroulant en France (No 3683). Sofidif a cédé, le 10 février 1986, au CEA une fraction de sa créance - contestée - représentant la somme de 2'276'555'557 francs français. Cette cause est toujours pendante.
B.-
Le 21 août 1986, le Tribunal arbitral et les parties à la cause No 5124 ont signé l'acte de mission. L'une des clauses de cet acte précise que, "au cas où l'arbitrage se poursuivrait à la suite d'une
BGE 116 Ia 154 S. 156
sentence concernant les questions préliminaires, le Tribunal arbitral devra en premier lieu se prononcer sur la requête du défendeur visant à ce que l'arbitrage soit suspendu jusqu'à ce qu'une sentence définitive ait été rendue au sujet de l'arbitrage Sofidif, arbitrage CCI No 3683". Le CEA demandait en effet, contre l'avis de l'Iran, la suspension de l'instance No 5124 en application de l'art. 29 du Concordat intercantonal sur l'arbitrage (CIA, RS 279; ci-après: le Concordat).
Le 2 décembre 1988, les arbitres ont rendu une sentence partielle ("interim award No 2"), par laquelle ils ont suspendu la procédure no 5124, conformément à l'art. 29 CIA, et imparti au CEA un délai de cinq mois pour leur fournir la preuve qu'il avait "introduit son recours contre le demandeur, fondé sur la cession mentionnée dans la présente sentence, devant une juridiction compétente". Pour justifier sa décision de suspendre l'instance, le Tribunal arbitral a considéré, d'une part, que la suggestion de l'Iran, consistant à poursuivre l'instruction de la cause no 5124 et à rendre une sentence partielle au cas où la somme à allouer au demandeur dépasserait le montant de la créance invoquée en compensation, était inconciliable avec la disposition impérative précitée, et, d'autre part, qu'il était prématuré de statuer sur le moyen pris de l'interdiction de la compensation en vertu de la loi iranienne, une décision à ce sujet ne pouvant intervenir qu'une fois établie l'existence de la créance et de la contre-créance.
L'Iran a recouru en nullité contre la décision de suspension auprès de la Cour de justice du canton de Genève, qui, par arrêt du 15 décembre 1989, a annulé ladite sentence. L'autorité cantonale de recours estime que le Tribunal arbitral a manifestement limité sa compétence en reportant sans droit une décision qu'il aurait dû prendre avant de trancher la question de la suspension de l'instance. Elle assimile, par ailleurs, à une violation évidente du droit, au sens de l'
art. 36 let
. f CIA, le rejet de la suggestion de l'Iran, car la nécessité d'une telle suspension ne s'étend, à son avis, que jusqu'à concurrence du montant opposé en compensation, si bien que rien n'empêchait les arbitres de poursuivre, entre-temps, l'instruction de la demande principale.
C.-
Invoquant la violation de l'
art. 4 Cst.
et de diverses dispositions du Concordat, le CEA forme un recours de droit public au Tribunal fédéral. Il conclut à l'annulation de l'arrêt cantonal. Ses moyens seront exposés plus loin, dans la mesure utile.
BGE 116 Ia 154 S. 157
L'Iran conclut à l'irrecevabilité du recours, subsidiairement à son rejet.
La Cour de justice déclare n'avoir pas d'observations à formuler.
Le Tribunal fédéral rejette le recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La décision de suspension ayant été prise avant le 1er janvier 1989, les dispositions procédurales antérieures à la loi fédérale sur le droit international privé (LDIP; RS 291) sont applicables en l'espèce (
ATF 115 II 97
, 105 in fine). Comme le siège de l'arbitrage est à Genève, la présente cause est régie par le Concordat.
2.
La première question à régler est celle de la recevabilité du recours de droit public, que l'intimé conteste.
a) La décision de suspension, que les arbitres ont prise le 2 décembre 1988, ne met pas un terme à la procédure arbitrale et constitue, partant, une décision incidente (sur cette notion, cf.
ATF 115 II 292
consid. 3b et les arrêts cités). L'arrêt attaqué participe du caractère incident de cette décision. Selon la jurisprudence, les décisions relatives à la suspension tombent sous le coup de l'
art. 87 OJ
et ne peuvent faire l'objet d'un recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
que s'il en résulte un dommage irréparable pour l'intéressé (arrêt non publié du 21 avril 1982, en la cause Li. et C. de B. c. S., consid. 1, auquel se réfère ROUILLER, La protection de l'individu contre l'arbitraire de l'Etat, in: RDS 106/1987, II, p. 376, ad No 411; arrêt non publié du 12 novembre 1984, en la cause S. S.A. en liqu. conc. c. dame K., consid. 1a, qui laisse la question indécise s'agissant d'une décision ordonnant la suspension du procès). Echappent, en revanche, à cette restriction les recours dans lesquels apparaissent des griefs qui ne se confondent pas avec le moyen pris de la violation de l'
art. 4 Cst.
et, s'ils sont invoqués conjointement avec ce dernier moyen, qui ne sont pas manifestement irrecevables ou manifestement mal fondés (
ATF 102 Ia 199
/200 consid. 3), tels les griefs tirés de la violation du Concordat (
art. 84 al. 1 let. b OJ
;
ATF 105 Ib 434
ss consid. 4a) ou des
art. 190 ss LDIP
(
art. 85 let
. c OJ;
ATF 115 II 291
/292 consid. 2b).
b) En l'occurrence, le recourant reproche tout d'abord à la cour cantonale d'être entrée en matière sur le recours en nullité que
BGE 116 Ia 154 S. 158
l'intimé avait formé contre la décision de suspension. Il lui fait grief d'avoir violé l'art. 36 CIA en qualifiant de sentence arbitrale un prononcé qui, à l'en croire, ne saurait être considéré autrement que comme une simple décision de procédure non susceptible de recours. Le moyen soulevé se fonde sur la violation d'une disposition spécifique du Concordat. Aussi est-il recevable sans égard à l'existence d'un préjudice irréparable. Au demeurant, le recours serait de toute manière recevable sur ce point, même s'il portait sur la violation de l'
art. 4 Cst.
, car la règle restrictive de l'
art. 87 OJ
ne s'applique pas aux recours par lesquels, à propos d'une décision incidente sur un recours extraordinaire, on conteste la recevabilité de ce recours (
ATF 87 I 177
/178 consid. 2 et les arrêts cités).
Sur le fond, le recourant fait grief à la Cour de justice d'avoir mal interprété et appliqué l'art. 29 CIA. Ce moyen ne se confond nullement avec celui tiré de la violation de l'
art. 4 Cst.
invoqué parallèlement; sa recevabilité formelle ne prête pas à discussion, car il est dûment motivé (
art. 90 al. 1 let. b OJ
), et la pertinence des arguments qui l'étayent ne peut pas être exclue à ce stade de l'examen du recours. Par conséquent, il s'avère recevable, que la décision attaquée occasionne ou non un dommage irréparable au recourant.
3.
Le recourant soutient, en premier lieu, que la décision de suspension, dans laquelle il ne voit qu'une simple ordonnance de procédure, ne pouvait pas être attaquée par la voie du recours en nullité, les sentences arbitrales étant seules susceptibles d'un tel recours.
a) La décision sur la suspension de la procédure arbitrale relève, en principe, de considérations tirées de l'économie de la procédure, donc de l'opportunité. En tant que pure décision de procédure, elle ne peut faire l'objet du recours prévu par les art. 36 ss CIA. La seule voie qui peut être ouverte, le cas échéant, est celle du recours pour retard injustifié réservé par l'art. 17 CIA (
ATF 109 Ia 85
consid. 2c et les références).
b) La suspension de l'instance, prononcée en application de l'art. 29 CIA, constitue une exception au principe précité, dans la mesure où ses conditions sont fixées impérativement par cette disposition. En ceci, elle se distingue déjà d'une simple ordonnance de conduite de la procédure. De plus, en décidant de suspendre l'instance conformément à l'art. 29 CIA, ou de ne pas le faire, alors que l'une des parties excipe de la compensation, l'arbitre tranche, à titre préjudiciel, une question de compétence: il constate s'il est
BGE 116 Ia 154 S. 159
compétent ou non pour connaître, aux termes de la convention d'arbitrage, du rapport de droit sur lequel s'appuie celui qui invoque la compensation. Ainsi, sa décision de suspendre ou de ne pas suspendre l'instance peut être assimilée à une décision incidente sur la compétence, au sens de l'art. 9 CIA, soit à une sentence proprement dite (pour l'interprétation de cet article, qui ne doit pas être pris au pied de la lettre, cf. JOLIDON, Commentaire du Concordat suisse sur l'arbitrage, p. 193/194, ch. 3). Il se justifie donc d'appliquer, à tout le moins par analogie, cette dernière disposition aux décisions de suspension rendues sur la base de l'art. 29 CIA, afin, notamment, que l'autorité cantonale de recours ait la possibilité de sanctionner sur-le-champ les pratiques abusives que la disposition litigieuse tend à favoriser (pour des exemples, cf. BUDIN, La suspension dans l'arbitrage international, in: Revue de l'arbitrage, 1986, p. 417/418). Aussi, sous peine de forclusion, la décision incidente par laquelle le tribunal arbitral, appliquant l'art. 29 CIA, suspend ou ne suspend pas l'instance doit-elle faire immédiatement l'objet du recours en nullité prévu par l'art. 36 let. b CIA. A défaut de décision incidente à ce sujet, la partie qui invoque la compensation et conteste, en temps utile (art. 8 al. 2 CIA), la compétence du tribunal arbitral pour examiner le bien-fondé de la créance opposée en compensation pourra attaquer la sentence finale sur ce point par un recours en nullité (art. 36 let. b CIA) dans lequel elle fera valoir que le tribunal arbitral s'est arrogé une compétence qu'il n'avait pas (JOLIDON, op.cit., p. 414 ch. 6).
Appliqués au cas particulier, ces principes conduisent au rejet du premier moyen soulevé par le recourant. C'est en effet avec raison que la Cour de justice est entrée en matière sur le recours en nullité que l'intimé avait formé devant elle contre la décision incidente de suspension prise par le Tribunal arbitral sur la base de l'art. 29 CIA.
4.
a) Dans une deuxième série d'arguments, le recourant critique la façon dont la Cour de justice a appliqué l'art. 29 CIA. Pour lui, le Tribunal arbitral ne s'est pas déclaré à tort incompétent et n'a donc nullement violé l'art. 8 CIA. Sa décision ne pouvait d'ailleurs être revue que sous l'angle restreint de l'arbitraire par l'autorité cantonale de recours. Quoi qu'il en soit, elle ne prête pas le flanc à la critique, même dans le cadre d'un examen libre de l'application de l'art. 29 CIA.
b) Le recourant soutient en vain que l'intimé aurait dû établir, devant la cour cantonale, que la décision du Tribunal arbitral était
BGE 116 Ia 154 S. 160
arbitraire. S'agissant d'un prononcé assimilable à une décision sur la compétence des arbitres (cf. consid. 3b ci-dessus), l'autorité cantonale de recours devait l'examiner librement, ainsi qu'il lui appartient de le faire pour toute décision d'arbitres statuant sur leur propre compétence (
ATF 102 Ia 578
). Elle n'avait pas à limiter son pouvoir d'examen à l'arbitraire, du moment que l'intimé alléguait la violation de l'art. 29 CIA en invoquant, notamment, l'art. 36 let. b CIA. Le Tribunal fédéral examinera lui aussi librement, ci-après, la manière dont la Cour de justice s'est acquittée de la tâche qui lui est dévolue par l'art. 36 CIA (
ATF 112 Ia 351
consid. 1).
c) L'art. 29 CIA, qui prévoit la suspension de l'instance lorsque l'une des parties excipe de la compensation en se fondant sur un rapport de droit dont le tribunal arbitral ne peut connaître aux termes de la convention d'arbitrage, est une disposition singulière qui déroge au principe généralement admis en procédure ordinaire, selon lequel le juge de l'action est juge de l'exception (
ATF 85 II 107
consid. 2b et les références; cf. l'édition annotée du CIA, publiée en 1974 par le COMITE SUISSE DE L'ARBITRAGE, Payot Lausanne, p. 22, note de pied ad art. 28 et 29; Jolidon, op.cit., p. 409, ch. 32). Il se justifie, pour cette raison, d'interpréter de manière restrictive cette disposition, dont l'existence même n'échappe pas à certaines critiques (JOLIDON, op.cit., p. 406, ch. 21; BUDIN, ibid.; LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, p. 382/383, ch. 8).
La cour cantonale a annulé la décision de suspension de l'instance, jugée prématurée, afin que les arbitres examinent préalablement si les conditions de la compensation, telles que les fixe le droit iranien, sont réunies en l'espèce. Ce faisant, loin de méconnaître le sens et le but de l'art. 29 CIA, elle a, au contraire, opté pour une solution logique et raisonnable. La suspension de l'instance jusqu'à droit connu sur une créance invoquée en compensation n'a de sens que s'il s'agit d'une créance qui, une fois établie son existence, peut véritablement être opposée en compensation, en vertu de la loi ou du contrat, et avoir un effet compensatoire sur la créance principale, objet de l'arbitrage. Si le contrat fondant la créance principale exclut la compensation (cf. BUDIN, op.cit., p. 417 in fine/418), ou si la loi applicable ne la permet pas, la suspension de l'instance s'avère inutile. Il ne sert, en effet, à rien d'attendre que l'autorité compétente ait statué sur une créance qui ne peut avoir d'incidence sur la créance principale. Aussi est-ce à
BGE 116 Ia 154 S. 161
juste titre que la cour cantonale, en se référant à JOLIDON (op.cit., p. 412, ch. 521) - l'auteur précise qu'il n'appartient pas au tribunal arbitral d'examiner le bien-fondé de la créance invoquée en compensation, "si les conditions de la compensation sont données" -, a exigé des arbitres qu'ils examinent si les conditions de la compensation sont données en l'espèce. C'est également à bon droit qu'elle a vu une limitation inadmissible de la compétence des arbitres dans le refus de ceux-ci de se prononcer sur l'impossibilité, alléguée par l'intimé, de procéder à la compensation en vertu du droit iranien. La Cour de justice n'a ainsi ni interprété ni appliqué erronément l'art. 29 CIA.
5.
a) La cour cantonale, on l'a déjà relevé, a considéré que même s'ils avaient examiné et admis la possibilité de compenser les deux créances au regard du droit iranien, les arbitres n'en auraient pas moins dû poursuivre l'instruction de la demande principale, compte tenu de la flagrante disproportion existant entre l'importante demande principale et la créance opposée en compensation.
Dans un dernier moyen, le recourant rétorque que la solution retenue par les arbitres était tout aussi défendable, sinon meilleure, que celle préconisée par la Cour de justice. Comme l'autorité de recours ne jouissait, selon lui, que d'un pouvoir d'examen limité à l'arbitraire, elle n'aurait donc pas dû intervenir dans le cas particulier.
b) L'autorité cantonale de recours - on l'a déjà indiqué (cf. consid. 4b ci-dessus) - jouissait d'un plein pouvoir d'examen relativement au grief de violation de l'art. 29 CIA. Seul est, dès lors, décisif le point de savoir si elle a rejeté avec raison ledit grief, sans qu'importent les motifs qui l'ont conduite à ce résultat (cf.
ATF 112 Ia 172
consid. 3f et les arrêts cités).
C'est le lieu d'observer que, s'agissant d'une décision arbitrale assimilable à une décision sur la compétence, la cour cantonale a eu tort d'examiner le recours de l'intimé sous le seul angle de l'
art. 36 let
. f CIA, alors que cette partie avait également invoqué l'art. 36 let. b CIA en reprochant aux arbitres de n'avoir pas laissé la procédure suivre son cours.
Or si, comme la cour cantonale aurait dû le faire, on examine librement le grief en question, on doit reconnaître que la solution adoptée par l'autorité intimée échappe à la critique. Il est non seulement raisonnable, mais en parfaite harmonie avec le sens et le but de l'art. 29 CIA, que le Tribunal arbitral ne suspende sa sentence que jusqu'à concurrence du montant opposé en
BGE 116 Ia 154 S. 162
compensation et qu'il poursuive, entre-temps, l'instruction de la demande principale (LALIVE/POUDRET/REYMOND, op.cit., p. 159). L'application automatique de la suspension, sans égard à l'ampleur de la créance invoquée en compensation, n'est propre, en effet, qu'à engendrer des abus.
Au demeurant, on peut très sérieusement se demander si, comme le propose l'un des arbitres (RABE, dissenting opinion, p. 6), en se référant à l'avis de RÜEDE/HADENFELDT (Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, p. 253, ch. 2, let. a), la suspension prévue à l'art. 29 CIA ne devrait pas être exclue avant que la prétention principale ait été reconnue ou que les arbitres en aient admis l'existence. Ne devrait pas non plus être exclue a priori la possibilité, pour les arbitres, de se prononcer sur ce point par une sentence partielle et de ne suspendre l'instance que jusqu'à concurrence du montant invoqué en compensation, une sentence finale pouvant être rendue pour le surplus. Il n'y a toutefois pas lieu d'approfondir ces questions, puisque le sort des conclusions du recourant ne dépend pas des réponses qui pourraient leur être apportées. | public_law | nan | fr | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
fc88188f-f420-4744-8966-e6386ab07c25 | Urteilskopf
97 V 60
16. Extrait de l'arrêt du 2 février 1971 dans la cause R. contre Caisse cantonale vaudoise de compensation et Tribunal des assurances du canton de Vaud | Regeste
Art. 3 Abs. 1 ELG
: Anrechenbares Einkommen des Teilhabers einer Kollektivgesellschaft.
Für die Berechnung der von ihm beanspruchten Ergänzungsleistung ist grundsätzlich nicht nur der Betrag seiner Bezüge, sondern auch sein Anteil am Gesellschaftsgewinn und -verlust massgebend. | Sachverhalt
ab Seite 61
BGE 97 V 60 S. 61
A.-
M. R., née en 1910, épouse de J. R., touche une rente simple d'invalidité de 2400 fr. par an. En octobre 1969, elle a requis l'octroi d'une prestation complémentaire. J. R. forme avec ses deux fils une société en nom collectif, qui exploite une entreprise de transports. Selon les indications figurant dans la demande de prestation, il touche un "salaire" de 14 400 fr. par an. C'est ce chiffre qu'a retenu la caisse. Par décision du 14 novembre 1969, elle a donc refusé la prestation sollicitée, le revenu du couple dépassant la limite légale.
B.-
L'intéressée a recouru. S'appuyant sur la situation comptable de l'entreprise, elle faisait valoir que J. R. a prélevé en 1968, à titre de "salaire", un montant de 9462 fr. 60. Elle ajoutait que la fortune de la société a diminué en 1968 de 15 580 fr. 56. Chacun des associés supportant un tiers de la perte, soit 5193 fr. 50, cette part devrait être déduite du revenu, le ramenant à 4269 fr. 10.
Le Tribunal cantonal des assurances a retenu le chiffre de 9462 fr. 60 représentant le montant effectivement touché par J. R. La limite de revenu légale se trouvant néanmoins dépassée, il a débouté la recourante, par jugement du 25 mars 1970.
C.-
M. R. interjette recours de droit administratif. Elle conclut, pièces à l'appui, à ce que soit retenu le montant de 4269 fr. 10 représentant le revenu fiscalement imposable.
La caisse de compensation et l'Office fédéral des assurances sociales proposent de rejeter le recours de droit administratif.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le litige porte uniquement sur la détermination du revenu du mari.
Il est deux manières d'envisager la question, l'une mettant l'accent sur l'entité qui constitue la société en nom collectif, l'autre sur son caractère de société de personnes.
a) La société en nom collectif est certes une société de personnes, mais qui possède certains des attributs de la personne morale. Elle peut ainsi, "sous sa raison sociale, acquérir des droits et s'engager, actionner et être actionnée en justice"
BGE 97 V 60 S. 62
(art. 562 CO). Aussi la doctrine parle-t-elle parfois d'une "quasi-personnalité" (BROSSET/SCHMIDT, Guide des sociétés en droit suisse, Genève 1962, tome I, p. 139), ou relève à tout le moins l'"unité" que représente la société envers les tiers (GUHL, Das schweizerische Obligationenrecht, 4e éd., 1948, p. 416) et l'"autonomie" dont elle jouit quant à ses biens (HARTMANN, Kommentar zum ZGB, art. 562 CO, N. 2).
Cette nature hybride apparaît non seulement à l'égard des tiers, mais aussi dans les rapports des associés entre eux et avec la société. Ainsi, tandis que l'associé d'une société simple n'a jamais droit à indemnité pour son travail (art. 537 al. 3 CO) mais n'a droit qu'à sa part des bénéfices (art. 532 et 533 CO), et alors même qu'il en va en principe de même dans la société en nom collectif (art. 557 al. 2 CO), la loi dispose que le contrat peut prévoir le versement d'intérêt sur la part sociale même si elle a été diminuée par des pertes (art. 558 al. 2 CO) ou encore le paiement d'honoraires (art. 559 CO), qui sont assimilés à une dette de la société lors du calcul des bénéfices et des pertes (art. 558 al. 3 CO) et dont la créance peut être produite dans la faillite de la société (art. 570 al. 2 CO). De plus, aucun associé n'est tenu de compléter son apport réduit par des pertes; il ne pourra simplement pas retirer de bénéfices avant que sa part ait été reconstituée (art. 560 CO). Malgré la responsabilité personnelle illimitée - mais subsidiaire - des associés, il y a donc très nette distinction entre leur fortune et l'actif social de la société.
Si l'on tient cette distinction pour déterminante, dans le domaine en cause dans la présente procédure, on aboutit à la solution retenue par le juge cantonal. J. R. reconnaît en effet avoir prélevé en 1968 un montant de fr. 9462.60 à titre de "salaire". Ce prélèvement représente nécessairement des honoraires convenus (art. 559 al. 2 CO), auxquels il a droit même si la société fait des pertes. On pourrait même se demander si les honoraires convenus n'étaient pas de fr. 14 400.--, comme indiqué dans la demande de prestation, et si la part à laquelle l'intéressé aurait renoncé ne devrait pas être aussi prise en compte (art. 3 al. 1erlit. f LPC); il est toutefois superflu de poursuivre l'enquête sur ce point, le résultat pratique (refus de prestation) demeurant identique. Quant aux pertes de la société, elles diminuent certes sa part de l'actif social (représentent donc une diminution de fortune) mais non pas le revenu précité,
BGE 97 V 60 S. 63
l'associé n'étant pas tenu de compléter son apport réduit par ces pertes; celles-ci se répercuteront uniquement sur les futures répartitions de bénéfices.
Cette solution, qui était celle des systèmes fiscaux imposant le seul produit du travail (voir p.ex. arrêt vaudois du 6 mars 1940, dans JT 1941 III 58) a pour qualité essentielle de refléter fidèlement les disponibilités, comme le reconnaît d'ailleurs la recourante. Elle serre donc de très près la réalité du besoin actuel et paraît répondre par là au mieux au but visé par la LPC. Mais elle présente d'autre part des inconvénients, dont le plus grave sans doute découle du fait que les associés sont libres de ne pas prévoir d'honoraires... Même si la société faisait à nouveau de brillantes affaires, l'intéressé n'aurait alors des années durant aucun revenu (et aurait droit à des prestations complémentaires) aussi longtemps que sa part de l'actif social ne serait pas reconstituée par les bénéfices; voire peut-être au-delà, l'intéressé pouvant laisser cette part s'accroître selon l'art. 559 al. 3 CO (accroissement que l'on ne pourrait guère assimiler à un revenu, puisqu'on refuse une telle assimilation en cas de diminution de cette part). - Si elle serre de près la réalité du besoin actuel, la première solution ci-dessus exposée ne le fait donc que dans l'immédiat. Mais elle peut en déformer l'image dans l'avenir proche ou lointain, au point d'aboutir alors à des résultats manifestement contraires à cette même réalité.
b) La seconde manière d'envisager la question part du caractère de société de personnes, qui dans les rapports internes - en principe déterminants - demeure le trait dominant de la société en nom collectif. Elle considère que cette société n'est pas une personne morale qui, comme telle, existerait indépendamment de la personne de ceux qui la composent, mais qu'"elle se confond au contraire avec l'ensemble des associés actuels" (RO 72 II 180). Si le Tribunal fédéral, dans l'arrêt précité, a adopté cette thèse pour calculer le dommage subi par la société du fait de la rupture d'un contrat, le droit fiscal - dans le système, aujourd'hui communément appliqué, de l'imposition du revenu global - l'adopte de même pour déterminer le revenu de chaque associé individuellement. C'est ainsi que la pratique fiscale attribue à chacun des associés sa part aux bénéfices et aux pertes commerciales de la société, que ces dernières sont donc déduites du revenu personnel (voir p.ex. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2e éd., p. 36 et 173;
BGE 97 V 60 S. 64
KÄNZIG, Wehrsteuer,
art. 18 N 2
-5 et
art. 22 N 88
; GYGAX, Schweizerisches Steuer-Lexikon, vol. 1 ch. 192; pour la jurisprudence cantonale, arrêt lucernois du 22 septembre 1959, dans Zbl 1961 p. 306).
Si l'on adopte cette méthode dans le domaine en cause dans la présente procédure, on aboutit à la solution requise par la recourante. Le montant prélevé par J. R. à titre de "salaire" devrait être en effet diminué de sa part aux pertes de la société durant la même période. Cette solution présente des avantages et des inconvénients inverses de ceux de la solution exposée sous lettre a) ci-dessus. Son défaut principal est de ne guère refléter les disponibilités, donc de ne pas rendre un compte fidèle du besoin actuel; et cela parce que la diminution de l'apport, entraînée par la perte subie, ne doit pas être immédiatement comblée. Or, ainsi que le dit très justement le juge cantonal, l'octroi des prestations complémentaires devrait dépendre "du revenu effectif de l'ayant droit et non d'une situation théorique". - Mais cette deuxième solution n'est pas dépourvue de qualités. D'abord, elle évite le danger de "manipulation" des honoraires convenus ou du moins réduit considérablement sa portée. Ensuite, elle donne à moyenne et longue échéance une image plus exacte de la réalité économique, soit dès l'instant où la société réalise à nouveau des bénéfices et plus encore lorsque de tels bénéfices servent à accroître l'apport selon l'art. 559 al. 3 CO. Enfin les indications sont aisément contrôlables - encore qu'avec un décalage dans le temps - sur la base des dossiers fiscaux, vu l'identité des principes. Et si l'on considère en sus que la solution retenue par le fisc est appliquée dans l'AVS en matière de cotisations déjà, ce dernier avantage prend un intérêt considérable non seulement sous l'aspect du contrôle, mais aussi sous celui de la plus grande unification possible des normes légales (voir p.ex. en ce sens RCC 1968 p. 590 consid. 3). C'est donc en principe cette seconde solution qu'il faut retenir pour l'évaluation du revenu déterminant la prestation complémentaire. En revanche, il n'y a aucune raison de l'adopter dans ce domaine lorsque l'existence de réserves latentes considérables est prouvée. Là encore on se fondera dans la mesure du possible sur le dossier fiscal (v. ATFA 1969 p. 242 s.).
2.
La conséquence en est l'admission du recours en son principe... | null | nan | fr | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fc977551-e434-4fa1-a90c-7ad3c0ec77b4 | Urteilskopf
89 I 478
68. Auszug aus dem Urteil vom 6. November 1963 i.S. Blass und Seehalden-Immobilien AG gegen Gemeinde Niederrohrdorf und Regierungsrat des Kantons Aargau. | Regeste
Kantonales Baupolizeirecht. Eigentumsgarantie. Willkür.
Ist eine Gemeinde, die sich zur Aufstellung eines Zonenplans veranlasst sieht, auf Grund ihrer allgemeinen Befugnis zum Erlass baupolizeilicher Vorschriften berechtigt, ihr Gemeindebaureglement in dem Sinne abzuändern, dass die Bestimmung, wonach Wohngebäude drei Geschosse aufweisen dürfen, ersetzt wird durch die Bestimmung, dass bis zum Inkrafttreten eines Zonenplans (im ganzen Gemeindegebiet) nur Ein- und Zweifamilienhäuser mit nicht mehr als 2 Geschossen erstellt werden dürfen? | Sachverhalt
ab Seite 478
BGE 89 I 478 S. 478
Aus dem Tatbestand:
Das aargauische EGZGB bestimmt in § 103:
"Die Gemeinden können verbindliche Vorschriften erlassen über die Erschliessung neuer Baugebiete und die Verbesserung überbauter Gebiete, insbesondere mit Bezug auf Verkehrswege, Einteilung des Baugebietes und die Bauweise, ferner über die zur Wahrung der Gesundheit und Sicherheit erforderliche Erstellung, Errichtung und Benutzung der Gebäude, sowie über eine den Anforderungen der Asthetik und des Heimatschutzes entsprechende Bauart."
Die Gemeinde, die solche Vorschriften erlassen will, hat zu diesem Zwecke eine Bauordnung und einen Überbauungsplan
BGE 89 I 478 S. 479
aufzustellen, öffentlich aufzulegen und durch den Grossen Rat genehmigen zu lassen (§ 104 EGZGB).
Die Gemeinde Niederrohrdorf hat am 18. Dezember 1953 eine Bauordnung (BO) erlassen, die vom Grossen Rat genehmigt worden ist und in § 34 bestimmt:
"Wohngebäude dürfen nicht mehr als 3 Vollgeschosse oder 2 Vollgeschosse und einen ausgebauten Dachstock aufweisen..."
Am 27. November 1961 kauften die heutigen Beschwerdeführer, Architekt Hans Blass und die Seehalden-Immobilien AG, zwei Grundstücke in Niederrohrdorf. Sie beabsichtigen, darauf einige Mehrfamilienhäuser zu erstellen, und reichten am 23. Januar 1963 ein Baugesuch ein, das nach ihren Angaben den bestehenden Gemeindebauvorschriften entsprach.
Kurz darauf reichten Gemeindebürger eine Initiative ein mit dem Antrag, § 34 BO durch folgende Bestimmung zu ersetzen:
"Bis zum Zeitpunkt, da die Gemeinde eine neue Bauordnung und einen genehmigten rechtsgültigen Zonenplan besitzt, dürfen nur Ein- und Zweifamilienhäuser, die nicht mehr als 2 Vollgeschosse aufweisen, erstellt werden ..."
Während der öffentlichen Auflegung dieses Antrags erhoben 7 Grundeigentümer Einsprachen, darunter auch die heutigen Beschwerdeführer.
In der Gemeindeversammlung vom 15. März 1963 wurde die vorgeschlagene Neufassung des § 34 BO angenommen, worauf der Gemeinderat die Akten dem Regierungsrat übermittelte und den Beschwerdeführern mitteilte, dass ihr der neuen Vorschrift widersprechendes Baugesuch nicht behandelt werden könne.
Durch Beschluss Nr. 1242 vom 26. April 1963 hiess der Regierungsrat die Abänderung des § 34 BO gut und leitete sie mit dem Antrag auf Genehmigung an den Grossen Rat weiter. Sodann wies er mit Beschluss Nr. 1246 vom gleichen Tage die Einsprache der Beschwerdeführer ab.
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellen Hans Blass und die Seehalden-Immobilien AG den Antrag, der
BGE 89 I 478 S. 480
Beschluss (Nr. 1246) des Regierungsrates und § 34 BO seien aufzuheben. Sie berufen sich auf
Art. 4 BV
und Art. 22 KV (Eigentumsgarantie) und machen geltend, § 34 BO gehe über die den Gemeinden in § 103 EGZGB eingeräumte Kompetenz zum Erlass baupolizeilicher Vorschriften hinaus, da er keine solche Vorschrift enthalte, sondern sich in einem temporären Bauverbot von unbestimmter Dauer erschöpfe.
Der Regierungsrat des Kantons Aargau beantragt Abweisung der Beschwerde.
Der Grosse Rat des Kantons Aargau hat die Änderung des § 34 der BO von Niederrohrdorf am 25. Juni 1963 genehmigt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Nach dem bisherigen § 34 BO durften auf den Grundstücken der Beschwerdeführer wie allgemein im Gemeindegebiet Wohngebäude aller Art mit nicht mehr als 3 Vollgeschossen (oder 2 Vollgeschossen und einem ausgebauten Dachstock) erstellt werden. Dass diese Bestimmung baupolizeilichen Charakter hatte und sich auf § 103 EGZGB stützen konnte, bestreiten die Beschwerdeführer mit Recht nicht, da es sich dabei um eine Vorschrift über die "Bauweise" und die "Bauart" handelt und § 103 EGZGB die Gemeinden zum Erlass von Vorschriften hierüber ausdrücklich ermächtigt. Die Neuerung, welche der abgeänderte § 34 BO brachte, besteht im wesentlichen darin, dass nun die Geschosszahl auf 2 Vollgeschosse herabgesetzt ist und keine andern Wohngebäude als Ein- und Zweifamilienhäuser erstellt werden dürfen. Diese Beschränkungen gegenüber der früheren Ordnung ändern aber, wie ohne jede Willkür angenommen werden kann, nichts am baupolizeilichen Charakter von § 34 BO, da er nach wie vor die "Bauweise" und "Bauart" regelt.
Die Beschwerdeführer sprechen dem § 34 BO denn auch den Charakter einer baupolizeilichen Vorschrift nicht
BGE 89 I 478 S. 481
wegen des Umfangs der Beschränkung der Baufreiheit ab, sondern deshalb, weil diese Beschränkung nur bis zum Inkrafttreten einer neuen BO und eines Zonenplans angeordnet wurde. Die Gemeinde habe § 34 BO also nicht erlassen, weil sie die danach noch zulässige Bauweise für die allein richtige und wünschbare im Gemeindegebiet halte, sondern weil der Gemeinderat offenbar ausserstande sei, eine sachlich befriedigende endgültige Ordnung innert nützlicher Frist vorzulegen. Es handle sich somit um "verkapptes Baunotrecht", und für solches fehle jede Rechtsgrundlage. Diese Einwendungen genügen jedoch nicht, um § 34 BO als mit § 103 EGZGB unvereinbar erscheinen zu lassen.
§ 103 EGZGB ermächtigt die Gemeinden freilich nicht ausdrücklich zum Erlass baupolizeilicher Vorschriften, die von vorneherein nur für eine beschränkte Zeit Geltung haben. Ebensowenig verbietet er ihnen aber den Erlass solcher Vorschriften. Baurechtliche Erlasse verschiedener Kantone räumen den Baubewilligungsbehörden ausdrücklich die Befugnis ein, im Falle einer unmittelbar bevorstehenden Änderung des Baurechts eine verhältnismässig kurzfristige Bausperre zu erlassen oder doch die Behandlung von Baugesuchen bis zum Inkrafttreten der neuen Ordnung zurückzustellen (vgl. REICHLIN, Rechtsfragen der Landesplanung, ZSR 1947 S. 329 a,
BGE 87 I 512
). Der Umstand, dass der Kanton Aargau, der kein Baugesetz besitzt, eine solche Befugnis der Gemeindebehörden, von der nur Baulinien betreffenden Bestimmung in § 107 EGZGB abgesehen, nicht kennt, bedeutet indes nicht, dass eine Gemeinde, welche die Schaffung oder Revision einer Bauordnung oder eines Zonenplans vorbereitet, untätig zusehen müsste, wie die damit verfolgten Absichten bis zur Fertigstellung der Erlasse durch bauliche Massnahmen der Grundeigentümer durchkreuzt und vereitelt werden. Mag es auch den Gemeindebehörden ohne besondere Rechtsgrundlage nicht gestattet sein, im Hinblick auf eine in Vorbereitung befindliche Bauordnung oder Zoneneinteilung
BGE 89 I 478 S. 482
das Bauen während einiger Zeit ganz zu verbieten, so ist doch die Gemeinde selber, wie jedenfalls ohne Willkür angenommen werden kann, befugt, durch eine Änderung der Bauordnung das Bauen vorübergehend so zu beschränken, dass die Erreichung des Ziels, das mit dem neuen Erlass verfolgt wird, nicht verunmöglicht oder erheblich erschwert werde. Eine derartige für eine Übergangszeit erlassene Beschränkung hat, entgegen der Beschwerde, keinen "dem Bauwesen fremden Zweck", sondern stellt eine im öffentlichen Interesse getroffene "Anordnung zur Sicherung eines geregelten Bauens" dar, wie sie in der Beschwerde selber als zulässiger Inhalt baupolizeilicher Vorschriften bezeichnet wird.
Dass die Gemeinde Niederrohrdorf triftige, im öffentlichen Interesse liegende Gründe für die streitige Abänderung von § 34 BO hatte, ist nicht zu bezweifeln. Wie im angefochtenen Entscheid ausgeführt und in der Beschwerde nicht bestritten wird, hat sich die Bautätigkeit in der Gemeinde in den letzten Jahren stark entwickelt und wird diese Entwicklung voraussichtlich anhalten. Das hat, wie in der Beschwerdeantwort weiter dargelegt wird, zur Folge, dass das vorhandene Quartierstrassennetz, die Wasserversorgung und die Einrichtungen für die Abwasserbeseitigung nicht mehr genügen und erweitert werden müssen, wie auch, dass durch eine Zoneneinteilung des Gemeindegebietes Ordnung in die bauliche Entwicklung gebracht werden muss. Damit diese Planung und die Anpassung der erwähnten Einrichtungen an die gesteigerten Bedürfnisse auf möglichst lange Zeit ihren Zweck erfüllen, bedarf es gründlicher Abklärung und umfangreicher Vorarbeiten, die einer verhältnismässig kleinen Gemeinde wie Niederrohrdorf nicht so leicht fallen wie einem städtischen Gemeinwesen. Wenn die Gemeinde während der hiefür erforderlichen Zeit die Bautätigkeit durch Änderung von Vorschriften der BO über die Art und Höhe der zulässigen Wohnbauten einschränkt, so handelt sie dabei, wie der Regierungsrat sehr wohl annehmen konnte, im Rahmen
BGE 89 I 478 S. 483
der ihr in § 103 EGZGB eingeräumten Befugnisse. Gegen diese vorübergehende Beschränkung bestehen umso weniger Bedenken, als der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort erklärt, dass die Vorarbeiten für den Zonenplan bereits ziemlich weit gediehen seien und der Baudirektor dem Grossen Rate im Genehmigungsverfahren zugesichert habe, die Neufassung von § 34 BO könne erneut in Erwägung gezogen werden, wenn etwa die Gemeinde den Zonenplan nicht innert nützlicher Frist, z.B. in 2 Jahren erlasse.
Dass der neue § 34 BO deshalb, weil er erst nach der Einreichung des Baugesuchs der Beschwerdeführer erlassen worden ist, auf dieses nicht angewendet werden dürfe, machen die Beschwerdeführer mit Recht nicht geltend. Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, ist es nicht verfassungswidrig, ein unter der Herrschaft des alten Rechts eingereichtes Baugesuch nach dem inzwischen in Kraft getretenen neuen Baurecht zu beurteilen; der Grundeigentümer hat grundsätzlich kein wohlerworbenes Recht darauf, dass das bestehende Recht für sein Grundstück in Geltung bleibe, sondern muss stets, und zwar auch nach Einreichung eines Baugesuchs, damit rechnen, dass das Baurecht in dem vom Gesetz dafür vorgesehenen Verfahren geändert wird (
BGE 87 I 510
/11 und dort erwähnte Rechtsprechung). | public_law | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fc9850aa-c225-454b-aa71-0f2b96b256cf | Urteilskopf
111 Ib 290
53. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. April 1985 i.S. X. gegen Staat Aargau und Regierungsrat des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 27 NSG
,
Art. 99 lit. c OG
,
Art. 48 VwVG
und
Art. 103 lit. a OG
; Anfechtung des Einspracheentscheides über ein Nationalstrassen-Ausführungsprojekt.
Rechtsmittel gegen den Einspracheentscheid im Sinne von
Art. 27 NSG
(E. 1a). Wer an einer Strasse wohnt, auf welcher der Verkehr infolge des Autobahnbaus zunehmen könnte, ist zur Anfechtung des Ausführungsprojektes noch nicht legitimiert (E. 1b). Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde können weder die allgemeine Linienführung einer Nationalstrasse noch die Anschlussstellen kritisiert werden, da diese bereits durch das Generelle Projekt festgelegt worden sind (E. 1c). | Sachverhalt
ab Seite 290
BGE 111 Ib 290 S. 290
Im April 1983 entschied der Regierungsrat des Kantons Aargau über verschiedene Einsprachen gegen das Ausführungsprojekt
BGE 111 Ib 290 S. 291
für die Nationalstrasse N3, Abschnitte 06 (Bözbergtunnel) und 07 (Bözbergtunnel Südportal-Verzweigung N1/N3 Birrfeld). Er trat unter anderem auf die Einsprache einiger in Villnachern wohnender Grundeigentümer und Mieter nicht ein, da diese nicht legitimiert seien und im übrigen Einwendungen erhöben, die sich gegen den Ausbau der Kantonsstrasse 474 und nicht gegen den Nationalstrassenbau richteten.
Gegen diesen Entscheid haben die Einsprecher Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und verlangt, dass das Projekt und der zur Nationalstrasse führende Zubringer nicht genehmigt würden; eventuell sei der Halbanschluss Wallbach aufzuheben. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
a) Der Aargauer Regierungsrat hat mit dem Einspracheentscheid in Anwendung von Bundesrecht eine Verfügung über Pläne getroffen. Solche Verfügungen sind nur insoweit mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar, als es sich um Entscheide über Einsprachen gegen Enteignungen oder Landumlegungen handelt (
Art. 99 lit. c OG
). Steht kein derartiger Rechtserwerb in Frage, ist keine Weiterzugsmöglichkeit ans Bundesgericht gegeben und haben sich die Einsprecher mit verwaltungsrechtlicher Beschwerde an den Bundesrat zu wenden (
Art. 73 Abs. 1 lit. c und
Art. 74 lit. a VwVG
). Werden allerdings - wie hier - dieselben Pläne sowohl von Enteigneten oder in ein Umlegungsverfahren Einbezogenen als auch von weiteren Interessierten mit gleichen oder ähnlichen Rügen angefochten, so behandelt das Bundesgericht aus Gründen der Rechtssicherheit und der Prozessökonomie kompetenzausweitend sämtliche Beschwerden (vgl.
BGE 110 Ib 401
E. 1c). Damit ist indessen erst die Frage des zulässigen Rechtsmittels geklärt und bleibt jene der Beschwerdelegitimation zu prüfen.
b) Nach
Art. 48 lit. a VwVG
und
Art. 103 lit. a OG
ist zur Beschwerde bzw. zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Natur sein, doch wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung stärker als jedermann betroffen sei und in
BGE 111 Ib 290 S. 292
einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehe (
BGE 104 Ib 247
ff.;
110 Ib 100
f. E. 1a, 108 Ib 93, 250 f.)
An einer solchen Betroffenheit und einer nahen Beziehung zur Streitsache fehlt es hier. Die Beschwerdeführer wohnen in Villnachern, rund 1 km von der projektierten Autobahn entfernt, haben kein Land an diese abzutreten und werden durch den Autobahnverkehr in ihren nachbarlichen Abwehrrechten nicht beeinträchtigt werden. Dass infolge der Errichtung der N3 und des Halbanschlusses Wallbach der Verkehr auf der Kantonsstrasse K474 zunehmen könnte, begründet noch kein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung des Ausführungsprojektes, führt doch bekanntlich der Nationalstrassenbau weit herum zu Änderungen des Verkehrsflusses auf dem kantonalen und kommunalen Strassennetz und entsteht dadurch noch keine beachtenswerte Beziehung der Strassenanstösser zur Autobahn selbst. Der allfällige Ausbau der Kantonsstrasse 474 bildet weder Bestandteil des Generellen noch des Ausführungsprojektes. Unter diesen Umständen können die Einsprecher nicht zur Beschwerde zugelassen werden; anders zu entscheiden hiesse, die vom Gesetzgeber verpönte "actio popularis" einzuführen. Auf die eingereichte Rechtsschrift ist somit mangels Legitimation der Beschwerdeführer nicht einzutreten.
c) Selbst wenn über die fehlende Beschwerdebefugnis hinweggesehen würde, könnte übrigens aus einem anderen Grunde auf die Vorbringen der Beschwerdeführer nicht eingetreten werden.
Die Beschwerde ist wohl im Anschluss an das Ausführungsprojekt erhoben worden, richtet sich aber eigentlich nicht gegen dieses, sondern gegen das vom Bundesrat am 28. Mai 1980 genehmigte Generelle Projekt, mit welchem die nun beanstandete Linienführung der N3 und die Anschlussstelle in Wallbach festgelegt worden sind (vgl.
Art. 12 NSG
). Angefochten werden kann jedoch - mit entsprechend präziser und auf den Einzelfall bezogener Kritik - nur das Ausführungsprojekt, während gegen das Generelle Projekt an sich kein förmliches Rechtsmittel gegeben ist, sind doch Bundesratsentscheide grundsätzlich, von einer einzigen gesetzlichen Ausnahme abgesehen (
Art. 98 lit. a OG
), der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl.
BGE 99 Ib 266
ff. E. 2, 110 Ib 402). Soweit sich die Beschwerdeführer im weitern dem Ausbau der Kantonsstrasse K474 widersetzen, sind ihre Vorbringen im Einspracheverfahren nach
Art. 27 NSG
ebenfalls unzulässig.
BGE 111 Ib 290 S. 293
2.
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind von den unterliegenden Beschwerdeführern zu tragen. Eine Anwendung von
Art. 116 EntG
und
Art. 115 Abs. 3 OG
fällt ausser Betracht, da die Beschwerdeführer nicht zu den Enteigneten zählen. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
fca7000a-8ef9-4de0-959a-c03e08837eca | Urteilskopf
101 Ia 602
92. Estratto della sentenza del 12 dicembre 1975 nella causa P. e H. Morlacchi contro Ministero pubblico della Confederazione. | Regeste
Europäisches Auslieferungsübereinkommen; schweizerisches Auslieferungsgesetz (AuslG).
1. Relativ politische Tat; Art. 3 §§ 1 und 2 des Übereinkommens;
Art. 10 Abs. 2 AuslG
. Das Urteil über die politische Natur der Straftat steht einzig dem ersuchten Staat zu (E. 6).
2. Unanwendbarkeit des Grundsatzes der Gegenseitigkeit. Das Fehlen von Gegenseitigkeit in der Beurteilung des politischen Charakters - indem der ersuchende Staat Delikte für politisch hält, die es nach schweizerischem Recht nicht sind, und daher die Auslieferung für ähnliche Fälle nicht bewilligen würde - steht einer Auslieferung durch die Schweiz nicht entgegen (E. 9). | Sachverhalt
ab Seite 603
BGE 101 Ia 602 S. 603
L'Ambasciata d'Italia a Berna, con note 3, 17 e 11 agosto 1975, fondandosi sui mandati di cattura 10 maggio, 14 giugno 1974 e 31 luglio 1975 del Sostituto Procuratore della Repubblica di Torino, rispettivamente del giudice istruttore e del consigliere istruttore presso il Tribunale di Milano, ha chiesto l'estradizione dei coniugi Pietro Morlacchi e Heidi-Ruth Morlacchi-Peusch, arrestati rispettivamente il 12 febbraio 1975 a Bellinzona e il 5 luglio 1975 a Ginevra e posti in seguito in detenzione preventiva a titolo estradizionale.
A Pietro Morlacchi gli inquirenti italiani addebitano la partecipazione, in concorso con la moglie e con terzi, alla rapina perpetrata in data 30 luglio 1971 ai danni della filiale di Pergine della Banca di Trento e Bolzano, come pure la partecipazione a un'incursione nel centro studi "don Sturzo" in Torino; l'estradizione di Pietro Morlacchi è chiesta, a dipendenza dei cennati fatti, per i reati di rapina aggravata, violazione di domicilio aggravata, sequestro di persona e lesioni volontarie aggravate; per il reato di partecipazione ad associazione sovversiva, ritenuto dal mandato di cattura 10 maggio 1974, l'estradizione non è chiesta.
A Heidi Morlacchi gli inquirenti italiani addebitano la partecipazione alla rapina di Pergine, di cui sopra, e ad un'incursione, posta in atto il 15 marzo 1972, presso la sede del M.S.I. di Cesano Boscone, da cui la domanda di estradizione per il reato di concorso in rapina aggravata. Entrambi i ricercati si sono opposti alla loro estradizione facendo tra l'altro valere che i fatti loro rimproverati costituirebbero delitti politici. La Divisione di polizia del Dipartimento federale di giustizia e Polizia e il Ministero pubblico della Confederazione contestano il carattere di reato politico ai fatti addebitati ai ricercati e postulano la reiezione dell'opposizione.
Il Tribunale federale ha respinto le opposizioni dei coniugi Morlacchi e ha accordato l'estradizione all'Italia per tutti i reati per i quali la stessa venne richiesta.
Erwägungen
Considerato in diritto:
5.
Tanto Pietro Morlacchi, quanto Heidi Morlacchi-Peusch fanno valere che i fatti, loro rimproverati, costituiscono delitti politici a' sensi dell'art. 3 § 1 della Convenzione; essi sostengono inoltre che l'estradizione dovrebbe essere rifiutata,
BGE 101 Ia 602 S. 604
perché la loro situazione in Italia arrischierebbe d'essere aggravata in conseguenza delle loro opinioni politiche (art. 3 § 2). Infine, Pietro Morlacchi - e l'obiezione vale anche per la di lui moglie - assevera che comunque farebbe ostacolo all'estradizione la regola della reciprocità: quand'anche sotto il profilo svizzero, i reati imputati non rivestissero carattere politico, tale connotazione essi avrebbero alla luce del diritto italiano, per cui l'Italia, nel caso inverso, rifiuterebbe l'estradizione. Per il principio di reciprocità, questa non potrebbe quindi neppur essere accordata dalla Svizzera. Queste obiezioni sono esaminate nell'ordine in appresso.
6.
a) Come espressamente risulta dai §§ 1 e 2 dell'art. 3 della Convenzione, il giudizio circa la natura politica del reato, rispettivamente circa la situazione che attende il perseguito nello Stato richiedente, compete unilateralmente allo Stato richiesto. Da ciò e dal fatto che la Convenzione si astiene (volutamente) dal dare o tentare una definizione di reato politico, la giurisprudenza svizzera ha dedotto che tali questioni vanno risolte partendo dal punto di vista svizzero ed in applicazione del diritto svizzero, senza tener conto della legislazione o della giurisprudenza dello Stato richiedente (
DTF 90 I 299
e riferimenti;
DTF 95 I 469
consid. 7;
DTF 99 Ia 556
;
DTF 101 Ia 64
). D'altronde, tale giurisprudenza relativa alla Convenzione non ha fatto che confermare la giurisprudenza già applicata sotto il regime dei trattati bilaterali (
DTF 34 I 544
e riferimenti;
DTF 90 I 299
e riferimenti); indipendentemente dal modo più o meno preciso, col quale il Trattato definiva il reato politico, il Tribunale federale - con l'approvazione della dottrina - ha sempre ricondotto tale nozione a quella delineata nell'
art. 10 LEstr
., segnatamente nel capoverso secondo di tale disposizione (SCHULTZ, Schweiz. Auslieferungsrecht, pag. 440).
Questa indipendenza di giudizio, rivendicata in giurisprudenza, trova d'altronde riscontro nell'attitudine assunta dalla Svizzera a proposito del § 3 dell'art. 3 della Convenzione, disposizione che vuol escludere espressamente dal novero dei delitti politici l'attentato alla vita del Capo dello Stato (cosiddetta clausola d'attentato o clausola belga). Valendosi della facoltà accordatale dall'art. 26 § 1 della Convenzione, la Svizzera ha infatti dichiarato (DF del 27 settembre 1966, art. 2 ad art. 3 § 3 della Convenzione) ch'essa si riserva il diritto di
BGE 101 Ia 602 S. 605
rifiutare l'estradizione, fondandosi sul § 1 dell'art. 3, anche allorquando questa è domandata per attentato alla vita di un Capo di Stato o di un membro della sua famiglia (cfr. Messaggio del CF; FF 1966 I pag. 434, n. 4).
b) Il fatto, che il carattere politico di un'infrazione debba giudicarsi dal punto di vista svizzero ed in applicazione del diritto svizzero non significa però - sia subito rilevato - che in questo esame non si possa e, se del caso, non si debba tener conto anche della situazione esistente nello Stato richiedente, segnatamente sotto l'aspetto politico, legislativo, costituzionale, ed aver riguardo alla sua concezione delle libertà fondamentali della persona, al rispetto di cui, concretamente, tali libertà godono, all'indipendenza ed all'obiettività dell'apparato giudiziario. Ciò risulta implicitamente dal § 2 dell'art. 3 della Convenzione (
DTF 95 I 468
consid. 6), e dall'
art. 10 cpv. 2 LEstr
., che fa obbligo al Tribunale federale di pronunziarsi "liberamente, in ogni caso particolare e secondo i fatti della causa, sul carattere del reato", tenendo presente nell'applicazione di codesto articolo, persino nei casi in cui la Convenzione non torna direttamente applicabile, i principi ai quali essa si ispira, che - come quelli della Convenzione europea dei diritti dell'uomo - sono presunti conformi all'ordinamento giuridico interno (
DTF 99 Ia 556
).
7.
I fatti ritenuti contro i ricercati e per i quali l'estradizione è richiesta costituiscono tutti infrazioni comuni. Giusta l'art. 3 § 1 della Convenzione e l'
art. 10 cpv. 2 LEstr
. essi possono tuttavia assurgere a reati politici, per cui l'estradizione è esclusa, se un carattere politico predominante è loro conferito dalle circostanze in cui sono stati commessi, segnatamente dal loro movente e dal loro scopo (
DTF 90 I 299
e riferimenti;
DTF 95 I 469
;
DTF 101 Ia 64
/65 consid. 5b;
DTF 101 Ia 425
/426 consid. 6b).
Come risulta espressamente dalla legge, e come la giurisprudenza ha costantemente ribadito, la sola motivazione politico-ideologica del reato non basta per conferire a questo carattere politico predominante. Anche se il movente anarchico d'una infrazione non esclude a priori la natura politica del reato (DTF 17 pag. 456;
27 I 85
;
95 I 469
), i motivi addotti - particolarmente da Heidi Peutsch nella memoria del suo patrono (esser l'attacco alla banca semplicemente la messa in pratica della teoria della riappropriazione, che legittima i lavoratori
BGE 101 Ia 602 S. 606
proletari a ricuperare quanto i grandi capitalisti hanno sottratto in origine ai produttori) - non bastano per conferire carattere prevalentemente politico all'infrazione, quand'anche si ritenesse ch'essa sia stata effettivamente ispirata da fini altruistici ed ideali. Checché pretendano gli opponenti, tale attacco non è intervenuto, come sarebbe richiesto, nell'ambito di una lotta immediata contro o per il potere, e ciò nemmeno se si considerano le cose sotto la visuale soggettiva che di esse potevano avere gli autori (
DTF 90 I 299
;
95 I 469
). Esso non era neppure inteso a sottrarre alcuno ad un potere che escludesse ogni forma d'opposizione, e facesse apparire il ricorso al reato quale una sorta di "ultima ratio" (
DTF 78 I 50
segg.). D'altro canto, nelle circostanze concrete del momento in Italia, faceva manifestamente difetto ogni ragionevole proporzione tra la gravità dell'azione, ed i rischi ch'essa poteva comportare per terzi assolutamente non coinvolti nella agitazione politica, da un lato, ed il fine perseguito, dall'altro: ragionevole proporzione che potesse far apparire, se non giustificato, perlomeno comprensibile o scusabile il reato. La necessità di finanziare movimenti estremisti, di qualsiasi bordo, o di procurare fondi per soccorrere aderenti in difficoltà con la polizia non scusa né tantomeno legittima, in momenti che sicuramente non possono essere definiti di agitazione rivoluzionaria, il ricorso ad atti di gratuita violenza, pretestuosamente diretti contro i "proprietari del gran capitale", ma di cui avrebbero potuto far concretamente le spese gli impiegati della sede bancaria, o il pubblico ivi presente. Né vale addurre, che se il partito comunista italiano prendesse il potere, le attività rivoluzionarie delle brigate rosse cesserebbero, lo scopo essendo raggiunto: proprio il fatto che il partito comunista italiano si avvale delle vie democratiche normali per la conquista del potere e la realizzazione dei suoi postulati politici, dimostra che l'azione rimproverata ai ricercati esorbita dalle forme assunte dalla competizione politica odierna in Italia.
Lo stesso deve dirsi per le incursioni nelle sedi di partiti all'opposizione, ma di opposta sponda (MSI), o in istituti collegati con partiti al governo (DC), anche se in codesti casi la connotazione politica è maggiormente evidente. Il giudizio potrebbe esser diverso, se i fatti di violenza ritenuti contro i ricercati si fossero verificati in un altro contesto, così, ad
BGE 101 Ia 602 S. 607
esempio, in occasione di manifestazioni di piazza: ma nel caso concreto si tratta di preordinate incursioni e colpi di mano, che esulano affatto dalle forme abituali dell'attività e della propaganda politica, gravidi di rischi e assolutamente sproporzionati al fine politico che si propongono di raggiungere.
Ne viene che per nessuna delle imputazioni può esser ritenuto un carattere politico predominante, che escluda l'estradizione.
8.
L'estradizione non può nemmeno esser esclusa in applicazione dell'art. 3 § 2 della Convenzione. Gli opponenti adducono, a tal proposito, che il fatto per cui le autorità italiane inquadrino i reati loro ascritti nel più vasto contesto di un movimento estremista e sovversivo, volto a minare alla base le attuali fondamenta dello Stato, e la circostanza per cui, accanto alle imputazioni loro rivolte per reati comuni, altre ne siano ritenute, che vanno collocate nella categoria dei delitti politici assoluti, devono indurre a ritenere che essi, se estradati, sarebbero perseguiti per reati di altra natura, o che comunque la loro situazione arrischierebbe in Italia d'esser aggravata a cagione delle loro opinioni politiche.
Le loro asserzioni sono però gratuite. Nulla fa, anzitutto, pensare che l'Italia non si attenga scrupolosamente al principio della specialità, sancito dall'art. 14 della Convenzione. La giurisprudenza italiana, specie della suprema Corte di cassazione, conforta al contrario l'opinione che detto principio è costantemente e scrupolosamente applicato (cfr. Repertorio gen. de il Foro Italiano, voce estradizione, anni 1961, 1965, 1966).
Anche il Dipartimento federale di giustizia e polizia conferma che le numerose pratiche d'estradizione avute finora con l'Italia non danno appiglio veruno per pensare che le autorità italiane, nel presente caso, agiscano diversamente. Né gli opponenti adducono alcun elemento, che possa concretamente far dubitare dell'indipendenza e dell'obiettività della magistratura italiana, e far temere che essa - nel rispetto meramente formale della regola della specialità - possa in realtà prestarsi ad un aggravamento persecutorio (
DTF 95 I 468
consid. 6 e riferimenti) della situazione dei prevenuti, cui la Svizzera dovrebbe evitare di fornire occasione o dare assistenza.
BGE 101 Ia 602 S. 608
9.
Nella sentenza - inedita ed isolata - del 24 gennaio 1962 in re Ktir, resa in applicazione del Trattato d'estradizione franco-svizzero del 9 luglio 1969, il Tribunale federale, pur avendo constatato che al reato non poteva riconoscersi, in applicazione del diritto svizzero, il carattere politico predominante che osta all'estradizione, ha tuttavia rifiutato quest'ultima in virtù della regola della reciprocità, essendo giunto alla conclusione che, nel caso inverso, la Francia avrebbe riconosciuto il carattere politico del reato, e di conseguenza non avrebbe estradato alla Svizzera.
a) Contrariamente a quanto ritenuto nella citata sentenza (consid. 4, a e b) il principio della reciprocità non ha nel diritto estradizionale svizzero una portata assoluta, e comunque non la stessa in tutti i settori. Quest'opinione, d'altronde, coincide con quella del Consiglio federale (cfr. Messaggio 1o marzo 1966, FF 1966 I pag. 447 segg.).
Che la regola non costituisca un postulato irrinunciabile risulta già dall'
art. 1 cpv. 1 LEstr
., in virtù del quale il Consiglio federale può consentire l'estradizione, sia pure eccezionalmente, anche senza riserva di reciprocità.
Secondo la giurisprudenza (sentenza Sperber del 1o giugno 1934, consid. 4), il corollario più importante della regola della reciprocità è costituito dal principio della doppia incriminazione. Ma anche a questo riguardo, si riscontrano, fra i trattati conclusi dalla Svizzera, casi in cui essa si è impegnata ad estradare, nonostante che il requisito della doppia incriminazione non potesse adempiersi: basti ricordare il cessato trattato italo-svizzero, che prevedeva l'estradabilità all'Italia per il reato d'associazione per delinquere, non punibile secondo la legge svizzera (DTF 5 pag. 228; 17 pag. 454 consid. 1; sentenza inedita Nesti dell'8 giugno 1966;
DTF 95 I 466
).
La ragione per cui la doppia incriminazione costituisce un principio fondamentale sta comunque in questo: che se il fatto non è punibile nello Stato richiedente, l'estradizione non ha senso; mentre se esso non è punibile nello Stato richiesto, ripugna all'ordine pubblico adottare - ai soli fini dell'assistenza giudiziaria internazionale a favore dello Stato richiedente - misure coercitive gravissime nei confronti di una persona che - avesse agito nello Stato richiesto - sarebbe innocente.
È chiaro che questa motivazione non può esser addotta,
BGE 101 Ia 602 S. 609
allorquando per rifiutare l'estradizione lo Stato richiesto invoca la clausola eccettuativa del reato politico. Il fatto di considerare come politico l'atto imputato esclude bensì l'estradizione, ma non la punibilità secondo le leggi dell'uno o dell'altro Stato.
Certo, il trattato franco-svizzero, cui la sentenza Ktir si riferisce, si limita ad escludere l'estradizione per reati politici (art. 2, cpv. 1) senza precisare se tale nozione debba determinarsi secondo il diritto dello Stato richiesto, o dello Stato richiedente, o d'entrambi. A rigore, pertanto, si può ancora sostenere che resti spazio per l'applicazione della regola della reciprocità. Ma sembra che - persino nell'ambito di quel trattato - il ricorso ad essa costituisca un fuor d'opera, e sia difficilmente conciliabile con la pretesa - elevata costantemente dalla Svizzera - di giudicare del carattere politico di un'infrazione esclusivamente in base al proprio diritto. Tuttavia, la questione può essere lasciata aperta, perché la giurisprudenza citata non può applicarsi alla Convenzione europea d'estradizione.
b) Questa, all'art. 3 § 1, stabilisce espressamente la competenza unilaterale dello Stato richiesto per giudicare del carattere politico del reato, ed unilateralmente conferisce al § 2 allo Stato richiesto la facoltà di rifiutare l'estradizione, ove tema che la situazione del ricercato sia nello Stato richiedente peggiorata per determinati motivi. Se, per lo Stato richiesto, la clausola eccettuativa dell'art. 3 § 1 e 2 non è adempiuta, sussiste l'obbligo di estradare in virtù dell'art. 1, "le regole e le condizioni" della estradizione ivi menzionate essendo adempiute, e non resta spazio per il ricorso al principio della reciprocità. Se non fosse così, all'art. 3 si sarebbe dovuto prevedere che l'estradizione va negata tanto nell'ipotesi che il reato sia considerato come reato politico dalla parte richiesta, quanto nell'ipotesi ch'esso sia da considerarsi tale in applicazione della legge dello Stato richiedente. Questa interpretazione è avvalorata dalla circostanza per cui, all'art. 26 § 3 della Convenzione, il ricorso alla regola della reciprocità è menzionato solo a proposito delle riserve formulate dalle Parti contraenti sulle singole disposizioni della Convenzione, e non in maniera affatto generale. La tesi dell'inapplicabilità della regola della reciprocità in casu trova conferma ulteriore nell'art. 2 § 7 della Convenzione. Questo stabilisce che ciascuna
BGE 101 Ia 602 S. 610
Parte può applicare detta regola, per quanto concerne i reati esclusi dal campo di applicazione della Convenzione in virtù dello stesso art. 2. Se il principio tornasse applicabile anche quando la parte richiesta rifiuta l'estradizione in virtù dell'art. 3, §§ 1 e 2, la Convenzione, all'art. 3, l'avrebbe espressamente detto.
Non occorre pertanto esaminare se, nel caso inverso, l'Italia estraderebbe i ricercati alla Svizzera.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Le opposizioni sono respinte, ed è accordata l'estradizione all'Italia di
a) Heidi Morlacchi per i fatti relativi alle rapine avvenute il 30 luglio 1971 ai danni della Banca di Trento e Bolzano in Pergine e il 15 marzo 1972 presso la sede del M.S.I. di Cesano Boscone, come all'ordine di cattura 31 luglio 1975 del Consigliere istruttore presso il Tribunale di Milano;
b) Pietro Morlacchi, per i fatti relativi alla rapina del 30 luglio 1971 in Pergine, e per quelli relativi all'incursione nel centro di Studi "Don Sturzo", avvenuta a Torino il 2 maggio 1974, e meglio come al mandato di cattura del 10 maggio 1974 del Sostituto Procuratore della Repubblica di Torino, con il rilievo che l'estradizione non è richiesta, né accordata, per l'imputazione di partecipazione ad associazione sovversiva. | public_law | nan | it | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
fca8c82d-1e0f-4d60-8062-69e541d1f1c3 | Urteilskopf
99 II 277
37. Arrêt de la IIe Cour civile du 13 décembre 1973 dans la cause M.B. contre J.Ch. | Regeste
Art. 43 und 68 OG
; Art. 5 des Vertrages zwischen der Schweiz und Frankreich über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urteilen in Zivilsachen vom 15. Juni 1869.
1. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist im Verhältnis zur Berufung subsidiär. Die Verletzung einer Gerichtsstandsbestimmung kann Gegenstand einer Berufung bilden (Erw. 1).
2. Eine Klage ist erbrechtlicher Natur, wenn die Parteien sich hauptsächlich auf einen erbrechtlichen Anspruch stützen, um den Bestand und den Umfang ihrer Rechte an einem Nachlass feststellen zu lassen (Erw. 2 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 277
BGE 99 II 277 S. 277
A.-
Magda Ansbacher, fille de Théodore Ansbacher, décédé en 1944, s'est mariée à deux reprises. De sa première union, avec un Français, Félix Poulin, elle a eu une fille, M.B. De son second mariage, conclu en 1932 avec un ressortissant grec, J.Ch., elle a eu une autre fille, Anne Houze. Lors de ce second mariage, Magda Ch. a conservé la nationalité française.
En 1951, en vue de mettre fin à divers procès nés de la succession de son père, elle a consenti à la cession de tous ses droits successoraux mobiliers, moyennant le versement d'une somme de 110 millions de francs français anciens.
BGE 99 II 277 S. 278
Magda Ch. est décédée le 30 septembre 1954 à Antibes, en laissant, selon testament du 25 février 1954, la quotité disponible de sa succession à son mari et en renvoyant ses filles à leur réserve.
B.-
A la suite du décès de sa mère, M.B. a accusé J.Ch. d'avoir abusé de la procuration générale que sa femme lui avait donnée et en vertu de laquelle il administrait la fortune de celle-ci depuis 1946; elle a prétendu qu'il aurait encaissé, à l'insu de son épouse, une somme de 90 000 livres sterling en plus du prix de cession de 110 millions de francs. Sur la base de ces allégations, elle a obtenu, en 1955, du Président du Tribunal de 1re instance de Genève, un séquestre portant sur des fonds de son beau-père auprès de l'Union des banques suisses et de la Lloyds Bank à Genève et en 1959 un deuxième séquestre touchant des biens qui n'avaient pas été atteints en 1955. Ces deux séquestres ont été validés par des poursuites et, le débiteur ayant formé opposition, par des actions en reconnaissance de dettes introduites au for du séquestre.
Après avoir obtenu, en 1964, une troisième ordonnance de séquestre, M.B. a pris des conclusions contre J.Ch. tendant au paiement de 571 875 fr. suisses.
Outre cette procédure, elle a saisi, mais sans succès, les juridictions pénales genevoise et française. Elle a également ouvert, devant les tribunaux français, une action en partage de la succession et en annulation du testament de sa mère.
C.-
Par arrêt du 19 novembre 1970, le Tribunal de première instance de Genève a condamné J.Ch. à payer à M.B. la somme de 571 875 fr. avec intérêts. Le Tribunal a relevé que le procès se déroulait en Suisse à cause des séquestres mais que la loi applicable était le droit français parce que la succession de dame Ch. y était soumise. Il a jugé qu'eu égard à la notion de saisine du droit français, M.B. pouvait agir seule contre son beau-père, sans le concours de l'autre héritière. Enfin il a considéré que l'action était de nature contractuelle et non successorale et que la preuve du détournement commis par J.Ch. avait été rapportée.
Le 29 juin 1973, la Cour de justice de Genève a annulé le jugement de première instance et a déclaré les tribunaux genevois incompétents pour connaître de la demande. L'autorité cantonale a admis que l'action intentée par M.B. était de nature successorale et partant qu'elle tombait sous le coup de l'art. 5 de la Convention franco-suisse du 15 juin 1869; que dès lors la
BGE 99 II 277 S. 279
demanderesse devait être renvoyée à agir devant le juge français, seul compétent.
D.-
M.B. recourt contre ce prononcé. Elle conclut à sa nullité et à ce que la Cour de justice de Genève soit déclarée compétente pour connaître le fond du litige.
Subsidiairement, elle conclut à ce que J.Ch. soit condamné à lui payer la somme de 571 875 fr. avec intérêts.
J.Ch. a conclu au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le prononcé attaqué est une décision préjudicielle prise séparément du fond par la juridiction suprême du canton de Genève. Il porte sur la compétence des tribunaux genevois pour connaître de l'action introduite par la recourante.
Invoquant l'art. 68 OJ, celle-ci a formé un recours en nullité. La voie du recours en nullité est subsidiaire à celle du recours en réforme (RO 82 II 561 consid. 2; BIRCHMEIER, Organisation der Bundesrechtspflege, p. 252). Or la violation d'une disposition sur le for - que celle-ci soit contenue dans la législation fédérale ou dans une convention internationale - peut faire l'objet d'un recours en réforme selon l'art. 43 OJ (RO 98 II 90 consid. 1;
84 II 489
consid. 1; WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, p. 217, note 31).
En l'espèce, le recours en nullité doit donc être traité comme recours en réforme, dont il remplit les conditions (art. 46 et 49 OJ).
2.
L'intimé ne peut, en tant que Grec, invoquer la garantie du for du domicile du défendeur, prévue par l'art. 1er de la Convention franco-suisse sur la compétence judiciaire et l'exécution des jugements en matière civile, du 15 juin 1869 (ci-après: la Convention); cf. RO 80 III 156 consid. 4a et les arrêts cités.
De même, la circonstance que l'intimé n'a pas la nationalité française exclut l'application de l'art. 1er de l'ordonnance du Tribunal fédéral du 29 juin 1936 concernant l'acte additionnel du 4 octobre 1935 à la Convention de 1869, selon lequel l'action en validation d'un séquestre ordonné contre un Français domicilié en France doit être portée devant le juge naturel du défendeur en France.
En revanche, l'art. 5 de la Convention paraît applicable. En vertu de cette disposition, telle qu'elle est interprétée par la
BGE 99 II 277 S. 280
jurisprudence, la succession d'un Français ou d'un Suisse s'ouvre au for du pays d'origine, quel que soit celui des deux Etats où le défunt a eu son dernier domicile; c'est à ce même for que doivent être jugées les actions relatives à la liquidation et au partage d'une succession testamentaire ou ab intestat et aux comptes à faire entre les héritiers ou légataires (RO 24 I 307
;
29 I 335
consid. 2
;
62 I 241
consid. 1). Dès lors, la succession de Magda Ch., qui était ressortissante française, décédée en France où elle était domiciliée, s'est ouverte en France et le juge français est seul compétent pour statuer sur l'action introduite par la recourante, pour autant qu'elle soit de nature successorale. Ce dernier principe est d'ailleurs conforme au droit international privé suisse (art. 22, 23 et 32 LRDC).
3.
Une action est de nature successorale, au sens de l'art. 5 de la Convention, lorsque son essence est de nature successorale, sans qu'il soit d'ailleurs nécessaire que toutes les parties au procès soient des héritiers ou des personnes qui prétendent à la succession (RO 98 II 94
;
62 I 244
;
58 I 111
consid. 4).
Le fond d'une action relève du droit successoral lorsque les parties invoquent un titre héréditaire pour réclamer une part dans une succession et faire constater l'existence et l'étendue de leurs droits. Déterminants sont les motifs sur lesquels est fondée la demande et sur lesquels s'appuie le défendeur pour résister à la demande, à savoir les titres juridiques invoqués (ROGUIN, Conflits des lois suisses, p. 289 no 176 et p. 405 no 269; AUJAY, Etudes sur le traité franco-suisse... p. 262 no 204; CHÂTENAY, p. 49; CURTI, Der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich, p. 18-19).
En l'espèce, la recourante reproche tout d'abord à l'intimé d'avoir abusé de son pouvoir de disposer des biens de sa femme et d'avoir ainsi détourné de l'actif successoral un montant de 90 000 livres sterling pour son profit personnel et celui de dame Houze. Elle prétend ainsi qu'en vertu des règles du mandat, l'intimé est tenu de restituer cette somme à sa mandante, respectivement aux héritiers de cette dernière. De ce point de vue, la recourante ne procède pas contre l'intimé en sa qualité d'héritier ou de légataire, mais uniquement en tant que gérant des biens de sa femme. L'objet de l'action, qui aurait pu être introduite de son vivant par dame Ch. elle-même, a sans conteste un caractère contractuel. Sous cet angle, l'art. 5 de la Convention est inapplicable (cf. CHÂTENAY, Les successions en droit franco-suisse,
BGE 99 II 277 S. 281
p. 48; BOISSONNAS, Les successions et les Conventions francosuisses, p. 149-150).
Le caractère contractuel de l'action ressort aussi du fait que la recourante vise à faire valider des séquestres exécutés en son nom, dans son seul intérêt, et à obtenir que l'intimé soit condamné à lui payer à elle-même et non à la succession les montants réclamés.
Le fait que la recourante invoque sa qualité d'héritière et que l'on doive se demander si elle peut agir seule, sans le consentement de sa demi-soeur, ne modifie pas la nature de l'action, parce que ces questions portent uniquement sur la qualité pour agir.
En revanche, lorsque la recourante invoque, à l'appui de ses prétentions, l'art. 792 du code civil français (CCF), selon lequel l'héritier ou le légataire qui a recelé, au préjudice de ses cohéritiers, des biens appartenant à la succession, est déchu de ses droits sur ces biens, le débat n'a plus lieu sur le terrain contractuel. Il porte directement sur l'existence et l'étendue des droits à la succession, soit, selon l'art. 5 de la Convention, sur "les comptes à faire entre les héritiers ou légataires". Dans cette mesure, l'action doit être qualifiée de successorale.
Il en va de même lorsque l'intimé s'oppose à l'action pour le motif que la recourante serait tenue de rapporter à la succession certains biens reçus à titre d'avance d'hoirie.
Or il faut admettre que la solution du litige dépend essentiellement du problème de nature successorale, soit de déterminer si l'intimé, bien que légataire universel, doit être considéré comme déchu de tout droit successoral sur le montant recelé, en vertu de la sanction prévue à l'art. 792 CCF, ou si, au contraire, les conclusions de la recourante sont mal fondées dans la mesure où elle est tenue de rapporter certains biens qu'elle aurait reçus à titre d'avance d'hoirie. La question qui relève du droit des obligations, le rapport de mandat, n'est examinée dans ce contexte qu'à titre incident. Le caractère successoral de l'action apparaît prééminent et s'impose. C'est ainsi à bon droit que la recourante a été renvoyée à agir devant le juge français, seul compétent en vertu de l'art. 5 de la Convention.
4.
Il n'y a pas lieu de déclarer les juridictions genevoises compétentes pour connaître uniquement de la demande tendant à faire constater que l'intimé est débiteur de la succession du montant qu'il aurait encaissé à l'insu de sa mandante, parce que l'action tendant à la validation des séquestres ne vise qu'à un
BGE 99 II 277 S. 282
paiement en faveur de la recourante et non de la succession. Au surplus, les conclusions de la recourante ne tendent pas à la constatation d'un droit au profit de la succession. Dans ces conditions, le recours doit être rejeté et il appartiendra au juge français, saisi de l'action successorale, d'examiner à titre préjudiciel le litige relevant du rapport de mandat.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fca9edf9-2527-44ee-99f5-da271c490a81 | Urteilskopf
127 III 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Oktober 2000 i.S. U. S. gegen G. P. (Berufung) | Regeste
Art. 193 ZGB
; Verjährung der Haftung.
Die Ansprüche aus
Art. 193 ZGB
und aus
Art. 285 ff. SchKG
beruhen auf unterschiedlichen Voraussetzungen und haben andere Folgen; Vorrang von
Art. 193 ZGB
(E. 2a). Diese Bestimmung ist nur auf Forderungen anwendbar, die vor der ehevertraglichen Güterverschiebung entstanden sind; massgeblicher Zeitpunkt bei Rentenansprüchen, die der Gläubiger gestützt auf
Art. 193 ZGB
gegen den Ehegatten des Schuldners richtet (E. 2b).
Der Haftungsanspruch nach
Art. 193 ZGB
verjährt in zehn Jahren (
Art. 7 ZGB
und
Art. 127 OR
). Die Fristen von
Art. 285 ff. SchKG
sind nicht anwendbar (E. 3a). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 127 III 1 S. 2
A.-
a) Der 1918 geborene und in Deutschland tätig gewesene Fabrikant C.S. war persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft B. & S. KG (nachstehend: KG). Diese fusionierte 1980 mit der K. GmbH zur B. & S. GmbH (nachstehend: GmbH) in der Weise, dass mit dem Betriebsvermögen der KG ohne Änderung ihres Rechtskleides das Kapital der GmbH in Form einer Sacheinlage erhöht wurde. Im Rahmen dieser Fusion wurde vereinbart, dass die GmbH in alle Rechte und Pflichten aus dem Geschäftsbetrieb der KG eintritt. Entsprechend dieser Vereinbarung übernahm die GmbH auch die Pensionskasse der KG und entrichtete in der Folge die von ihr den ehemaligen Arbeitnehmern der KG geschuldeten Renten. Danach wurde die KG liquidiert und 1987 im Handelsregister gelöscht.
Zu den Rentenberechtigten, die ab 1981 von der GmbH versorgt wurden, gehörte auch der 1976 pensionierte und mit G.P. verheiratete W.P., der leitender Angestellter der KG war. Auf Grund mehrerer Versorgungszusagen stand W.P. ein monatliches Ruhegehalt von DM 2'150.- brutto zu; gemäss derjenigen vom 15. Juni 1958 konnte die 1987 zur Witwe gewordene G.P. von der GmbH eine monatliche Witwenrente von DM 1'075.- bis August 1993 beziehen. Die GmbH stellte ihre Rentenzahlungen an G.P. ab September 1993 ein und fiel am 1. Oktober 1993 in Konkurs.
b) Mit Kaufvertrag vom 17. Dezember 1982 erwarb C.S. eine grössere Eigentumswohnung in Z. (StWE-Blatt 51606, 364/1000 Miteigentum an GB-Nr. 1948). Gemäss notariell beurkundetem Ehevertrag vom 28. März 1983 vereinbarte er mit seiner Frau U.S. die Gütertrennung. Gestützt auf diesen Vertrag erhielt die Ehefrau
BGE 127 III 1 S. 3
zwecks Ausgleichs güterrechtlicher Ansprüche die obgenannte Liegenschaft zu Alleineigentum.
c) Auf Klage von G.P. gegen C.S. persönlich wurde dieser durch deutsche Gerichte verpflichtet, der Klägerin für die Monate September 1993 bis März 1994 DM 7'525.- nebst Zins zu bezahlen mit der Begründung, die Fusion im Jahre 1980 habe bezüglich der Rentenverpflichtungen der KG nur zu einem Schuldbeitritt der GmbH zur KG und zu C.S. geführt mit der Folge, dass dieser auch persönlich hafte (so das rechtskräftig gewordene Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. Juli 1994).
B.-
Gestützt auf das Urteil des Arbeitsgerichts in Deutschland leitete G.P. gegen C.S. Betreibung für ausstehende Renten im Betrag von Fr. 7'078.35 nebst 5% Zins seit dem 15. September 1997 sowie Zahlungsbefehlskosten ein. In dieser Betreibung mit der Nr. x des Betreibungsamtes Z. erhob C.S. Rechtsvorschlag. Mit Entscheid vom 27. Mai 1998 erteilte der Bezirksgerichtspräsident Y. Rechtsöffnung im Betrag von Fr. 6'160.70. Auf Beschwerde von C.S. bestätigte der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden die erteilte Rechtsöffnung mit Urteil vom 18. August 1998. Dieser Entscheid blieb unangefochten.
Nach Eingang des Fortsetzungsbegehrens von G.P. stellte das Betreibungsamt fest, C.S. verfüge über kein pfändbares Vermögen, und stellte der Gläubigerin am 9. Dezember 1998 einen Pfändungsverlustschein über Fr. 9'003.05 aus. Mittels Nachpfändungsbegehren gestützt auf Art. 10 Abs. 1 Ziff. 2 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG; SR 281.42) und
Art. 193 ZGB
erwirkte die Gläubigerin mit Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 9. März 1999, dass das Betreibungsamt Z. angewiesen wurde, die gestützt auf den Ehevertrag vom 28. März 1983 in das Alleineigentum von U.S. übergegangene Eigentumswohnung in Z. zu pfänden und die Einleitung des Widerspruchsverfahrens zu ermöglichen. In der Folge wurde die Stockwerkeigentumseinheit unter Anmerkung des Drittanspruches mit Urkunde vom 27. April 1999 gepfändet und G.P. gemäss
Art. 108 Abs. 2 SchKG
Frist angesetzt, Klage auf Aberkennung des Drittanspruches einzuleiten.
C.-
G.P. verlangte mit Klage gegen U.S., deren Eigentumsanspruch sei im Sinne von
Art. 108 SchKG
abzuerkennen und das Pfändungsverfahren sei unter Einschluss der Eigentumswohnung der Beklagten weiterzuführen. Mit Urteil vom 7. Oktober 1999 hiess das Bezirksgericht Y. die Klage gut und entschied, das Pfändungsverfahren
BGE 127 III 1 S. 4
sei ohne Berücksichtigung des Eigentumsanspruches der Beklagten an der Stockwerkeigentumseinheit weiterzuführen.
Die von der Beklagten eingelegte Berufung, mit der sie die Abweisung der Klage verlangte und ihre Eigentumswohnung von der Pfändung ausgenommen wissen wollte, wies das Kantonsgericht von Graubünden mit Urteil vom 18. Januar 2000 ab.
D.-
Die Berufung der Beklagten, mit der sie dem Bundesgericht die Aufhebung des Urteils vom 18. Januar 2000 und die Abweisung der Rechtsbegehren der Klägerin beantragt hat, bleibt erfolglos.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Beide kantonalen Instanzen haben mit über weite Strecken vergleichbarer Begründung die Frage nach der Verjährung auf der Basis von
Art. 193 ZGB
entschieden und die Anwendbarkeit von
Art. 285 ff. SchKG
ausgeschlossen mit den Begründungen, die paulianischen Rechtsbehelfe seien gegenüber
Art. 193 ZGB
subsidiär bzw. diese Bestimmung gehe den Admassierungsklagen vor; diese seien in Fällen wie dem vorliegenden gar nicht anwendbar. In ihrer Berufungsschrift wendet die Beklagte gestützt auf zwei Gutachten ein, aus Gründen der Zweckmässigkeit seien allein die Anfechtungsklagen gegeben. Die beiden Gutachten von Rechtsprofessoren aus Zürich und aus St. Gallen kann das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht wie die Berufungsschrift selbst zur Urteilsfindung beiziehen (
BGE 123 III 47
E. 1, mit Hinweisen;
BGE 94 II 5
E. 1 S. 9; vgl.
BGE 126 I 95
E. 4b S. 96).
a) In der Literatur wird die Ansicht vertreten, die Regel von
Art. 193 ZGB
sei lex specialis zu den Klagen nach
Art. 285 ff. SchKG
(D. ZOBL, Fragen zur paulianischen Anfechtung, SJZ 96/2000 S. 27 bei Anm. 36; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl., 1997, § 52 Rz. 26 a.E. S. 432; NÄF-HOFMANN, Schweizerisches Ehe- und Erbrecht, Zürich 1998, Rz. 788 S. 232). Das ist insofern unzutreffend, als beide dem Gläubiger offen stehenden Möglichkeiten auf unterschiedlichen Voraussetzungen beruhen und andere Folgen zeitigen:
Wie das Kantonsgericht überzeugend ausführt, verpflichtet
Art. 193 ZGB
den Ehegatten, der beispielsweise vom Schuldnergatten ehevertraglich Güter zugeteilt erhielt (Abs. 1), neben diesem dem Gläubiger subsidiär bis zum Wert des empfangenen Gutes für die Schuld zu haften (Abs. 2), ohne dass dies etwas an der Berechtigung am Haftungssubstrat ändert (
BGE 123 III 438
E. 3b S. 440 f.;
BGE 127 III 1 S. 5
HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, Bern 1999, N. 8, 36, 48 und 50 zu
Art. 193 ZGB
; DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, Les effets du mariage, Bern 2000, Rz. 919 S. 371; HAUSHEER, Basler Kommentar, ZGB Bd. I, N. 28 zu
Art. 193 ZGB
). Dabei ist unerheblich, ob die ehevertragliche Güterzuweisung in der Absicht der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen wurde. Dagegen dienen die Rechtsbehelfe nach
Art. 285 ff. SchKG
dem Gläubiger dazu, Werte, die dem Schuldnervermögen durch bestimmte Rechtshandlungen entzogen worden sind, dem Haftungssubstrat unter Beachtung unterschiedlicher zeitlicher Schranken wieder zuzuführen (DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, a.a.O., Rz. 804, 895 ff., 904 und 914 ff. S. 332, 362 ff. und 369 ff.; NÄF-HOFMANN, a.a.O., Rz. 773 ff. und 785 ff. S. 229 f. und 231 ff.; A. STAEHELIN, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. III, N. 21 zu
Art. 285 SchKG
).
Das Bundesgericht hat mit Zustimmung der herrschenden Lehre erkannt, dass nicht zur Anfechtungspauliana gegriffen werden kann, soweit der Haftungsanspruch nach
Art. 193 ZGB
offen steht. Obwohl die Bestimmungen von
Art. 285 ff. SchKG
und
Art. 193 ZGB
aus der Sicht des Gläubigerschutzes betrachtet in einem erkennbaren Zusammenhang stehen und somit trotz unterschiedlichen Voraussetzungen von Anspruchskonkurrenz ausgegangen werden kann, muss die Anwendbarkeit von
Art. 193 ZGB
vor derjenigen der paulianischen Rechtsbehelfe geprüft werden. Denn Letztere sind offensichtlich nicht anwendbar, wenn der Gläubiger gestützt auf
Art. 193 ZGB
durchdringt, weil diesfalls auch der Nachteil, vor dem die
Art. 285 ff. SchKG
schützen, wegfällt (
BGE 111 III 43
E. 1 S. 46;
BGE 100 Ia 18
E. 6 S. 27;
BGE 63 III 27
E. 2 S. 30 f.;
54 III 254
E. 1 f. S. 256 ff.; je zu aArt. 188 ZGB, den
Art. 193 ZGB
mit fast gleichem Wortlaut ablöste; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 3 f. und 61 zu
Art. 193 ZGB
; NÄF-HOFMANN, a.a.O., Rz. 785 f. und 788 S. 231 f.; STAEHELIN, a.a.O., N. 21 zu
Art. 285 SchKG
mit Hinw.; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, 3. Aufl., 1993, § 66 Rz. 8 S. 552; ZOBL, a.a.O., S. 27 bei Anm. 36).
b) Die Beklagte und der Zürcher Gutachter führen aus, der Rentenanspruch der Klägerin sei erst anlässlich des Todes ihres Ehegatten im Jahre 1987 entstanden. Somit könne
Art. 193 ZGB
nicht angewendet werden, weil die Rentenforderung zur Zeit des Abschlusses des Ehevertrages vom 28. März 1983 und seiner Erfüllung noch nicht bestanden habe.
BGE 127 III 1 S. 6
Art. 193 ZGB
schützt nur solche Gläubiger eines Ehegatten vor den Folgen ehevertraglicher Verschiebung von Vermögen auf den anderen Gatten, die schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Gläubiger waren. Das folgt aus der Verwendung des Begriffes "entzogen" in Abs. 1 a.E. Der dort stehende Begriff "Haftung" muss umfassend verstanden werden und setzt somit z. B. nicht voraus, dass die Forderung im Zeitpunkt des Wechsels des Haftungssubstrates auf den Gatten des Schuldners bereits fällig war (
BGE 54 III 254
E. 1 S. 257; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 25 und 30 zu
Art. 193 ZGB
; HAUSHEER, a.a.O., N. 3 und 16 zu
Art. 193 ZGB
; DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, a.a.O., Rz. 898 S. 363 f.). Aus diesen Gründen scheitert der Einwand der Beklagten.
Das Kantonsgericht geht insoweit unangefochten (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
;
BGE 116 II 745
E. 3 S. 749) davon aus, der Witwenrentenanspruch in der Höhe von DM 1'075.- sei mit der Versorgungszusage vom 15. Juni 1958 der KG gegenüber dem damals noch lebenden Ehegatten der Klägerin begründet worden (s. lit. A/a Abs. 2 des Sachverhalts). Es liegt auf der Hand, dass dieser 1987 keine Rente ausbezahlt worden wäre, wenn die ihrem Rentenanspruch zu Grunde liegende Verpflichtung nicht schon früher eingegangen worden wäre. Die Pflicht zur Bezahlung der Witwenrente ist im Zeitpunkt ihrer Begründung bloss an den Eintritt eines ungewissen Ereignisses geknüpft worden; nämlich an den Umstand, dass der Ehegatte der Klägerin vor dieser stirbt. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Rentenanspruch als solcher schon vorher bestand und nur das ungewisse Ereignis, das die Fälligkeit der Witwenrente ausgelöst hat, später eingetreten ist (so zum Versicherungsvertrag A. MAURER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., 1995, S. 211 ff. und 223 f.; B. VIRET, Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., 1991, S. 87, 95 und 138 f.; M. KUHN, Grundzüge des Schweizerischen Privatversicherungsrechts, S. 101 f., 126 f. und 197 f.). Im Weiteren war der Ehegatte der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages schon Schuldner der Renten. Denn deutsche Gerichte haben entschieden, dass der Ehegatte der Beklagten nach der Einbringung der Pensionskasse der KG in die GmbH 1980 auch persönlich für die Renten haftbar ist (s. lit. A/a Abs. 1 und lit. A/c des Sachverhalts). Auch insoweit fehlen die für eine Überprüfung dieser Feststellungen erforderlichen Rügen (vgl.
Art. 43a Abs. 1 OG
und
Art. 117 IPRG
) und Begründungen (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Indem die kantonalen Gerichte davon ausgegangen sind, der Ehegatte der Beklagten sei im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages
BGE 127 III 1 S. 7
am 28. März 1983 schon Schuldner der Witwenrente gewesen, haben sie
Art. 193 ZGB
bundesrechtskonform angewendet.
3.
Die kantonalen Gerichte haben den Eintritt der Verjährung des Haftungsanspruches nach
Art. 193 ZGB
verneint. Zur Begründung führen sie in grundsätzlicher Hinsicht aus, Verjährungsfristen könnten erst ab Eintritt der Fälligkeit der Ansprüche zu laufen beginnen. Der Haftungsanspruch nach
Art. 193 ZGB
verjähre gemäss der allgemeinen Bestimmung von
Art. 127 OR
binnen zehn Jahren. Es könne nicht analog zu
Art. 285 ff. SchKG
auf eine nach vergleichbaren Kriterien zu berechnende fünfjährige Frist abgestellt werden; für eine solche Lösung bestehe kein Interpretationsspielraum.
a) Für den Fall, dass
Art. 193 ZGB
anwendbar sein sollte, macht die Beklagte zunächst geltend, die Regelung von
Art. 193 ZGB
sei (zumindest was die Verjährung anbetreffe) an die Anfechtungsklagen anzugleichen. Ein solches Vorgehen widerspricht dem Gesetz:
aa)
Art. 193 ZGB
soll verhindern, dass die Ehegatten durch güterrechtlich relevante Vermögensverschiebungen vom Schuldner- zum Nichtschuldnergatten den Gläubigern Haftungssubstrat entziehen (
BGE 119 Ia 445
E. 3c a.E. S. 457). Da diese Bestimmung somit bezweckt, den Gläubiger nicht anders zu stellen, als wenn der Schuldner die ehevertraglich übertragenen Vermögenswerte noch hätte, begründet diese Bestimmung keine neue Forderung. Sie hat nur zur Folge, dass der mit ehelichem Vermögen begünstigte Ehegatte neben dem Schuldner für eine von diesem begründete Schuld subsidiär und auf den empfangenen Wert beschränkt einstehen muss (-HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 5 und 8 zu
Art. 193 ZGB
; HAUSHEER, a.a.O., N. 1 und 8 zu
Art. 193 ZGB
).
Das bedeutet zunächst, dass im Rahmen von
Art. 193 ZGB
nicht über die Verjährung der geltend gemachten Forderung selber, sondern über diejenige des Haftungsanspruches gegen den ehegüterrechtlich begünstigten Ehegatten zu befinden ist. Die kantonalen Gerichte haben demnach mit Recht die Fragen sowohl nach der Verjährung des Haftungsanspruches gemäss
Art. 193 ZGB
als auch der Witwenrentenforderung gesondert gestellt und geprüft.
bb) Gemäss
Art. 7 ZGB
finden die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts über die Entstehung, die Erfüllung und Aufhebung der Verträge auch Anwendung auf andere zivilrechtliche Verhältnisse, wozu auf ehegüterrechtliche Vereinbarungen zurückgehende Haftungsansprüche gehören. Unter diese Bestimmung fallen insbesondere die Vorschriften über die Verjährung. Diese sind gemäss
Art. 7 ZGB
analog anzuwenden, wobei darauf zu achten ist,
BGE 127 III 1 S. 8
dass das Zivilrecht mit den Regeln des Obligationenrechts sachlich richtig ergänzt wird (
BGE 124 III 370
E. 3a; H. SCHMID, Basler Kommentar, ZGB Bd. I, N. 4 bis 6 und 9 zu
Art. 7 ZGB
; LIEBER, Zürcher Kommentar, N. 32 ff., 37 f. und 109 zu
Art. 7 ZGB
).
cc) Jede Haftungsbestimmung sollte nur während einer bestimmten Zeit angerufen werden können (
BGE 90 II 428
E. 8 S. 437; vgl.
Art. 639 Abs. 2 ZGB
). Somit müssen die Verjährungsvorschriften des Obligationenrechts auch auf
Art. 193 ZGB
angewendet werden. Dabei kann offen bleiben, ob dies nicht auch direkt aus
Art. 127 OR
folgt, schreibt doch diese Bestimmung vor, dass alle Forderungen in zehn Jahren verjähren, "für die das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes vorschreibt" (vgl. LIEBER, a.a.O., N. 81 zu
Art. 7 ZGB
). Denn so oder anders kann im Rahmen von
Art. 193 ZGB
nur die allgemeine Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäss
Art. 127 OR
zum Tragen kommen (so E. 4a des unveröffentlichten Urteils des Bundesgerichts vom 15. September 1993 i.S. C. zu aArt. 188 ZGB). Wenn die Beklagte geltend macht, mangels klarer Vorschrift im Gesetz dürfe
Art. 193 ZGB
bezüglich der zeitlichen Limitierung seiner Wirkungen frei interpretiert werden, verkennt sie (wie der Zürcher Gutachter), dass
Art. 7 ZGB
und
Art. 127 OR
dies ausschliessen und die Lösung vorgeben.
Da sich der Haftungsanspruch nach
Art. 193 ZGB
nicht wie die ihm zu Grunde liegenden Forderungen im Sinne von Art. 127 f. OR in Ansprüche aufteilen lässt, die entweder der zehn- oder der fünfjährigen Verjährungsfrist unterstehen, kommt nur eine einzige und einheitliche Frist in Frage. Dass es sich dabei um die allgemeine von
Art. 127 OR
handeln muss, folgt nicht nur aus den vorstehenden Prinzipien, sondern auch aus der zutreffenden Ansicht des Kantonsgerichts, der Schutz von
Art. 193 ZGB
gehe weiter als derjenige von
Art. 285 ff. SchKG
, weil Vermögensverschiebungen unter Ehegatten leichter möglich seien und weniger publik würden als die von
Art. 285 ff. SchKG
erfassten Vorfälle. Dass der nach
Art. 193 ZGB
mithaftende Ehegatte sich erst nach Ablauf von zehn Jahren auf die Verjährung berufen kann, vertritt denn auch die Lehre (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 56 zu
Art. 193 ZGB
; HAUSHEER, a.a.O., N. 32 zu
Art. 193 ZGB
). Zwar verweisen die zitierten Autoren darauf, dass die Verjährung sehr spät eintreten kann, wenn die von
Art. 193 ZGB
erfasste Forderung lange nach der Verschiebung von ehelichem Vermögen fällig wird und erwägen eine mit aArt. 292 SchKG vergleichbare Verwirkungsfrist (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 59 zu
Art. 193 ZGB
; HAUSHEER, a.a.O., N. 32 zu
Art. 193 ZGB
),
BGE 127 III 1 S. 9
der zweitgenannte Autor freilich mit zu Recht negativem Ergebnis. Denn ist auf
Art. 193 ZGB
die allgemeine Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäss
Art. 127 OR
anzuwenden, können aus
Art. 285 ff. SchKG
folgende Regeln entgegen der Ansicht der Beklagten und des Zürcher Gutachters nicht zur Anwendung gelangen. | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
fcab7269-6cad-4218-b65b-11ee35861678 | Urteilskopf
141 II 256
19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Strassenverkehrsamt des Kantons Zug (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_538/2014 vom 9. Juni 2015 | Regeste
Art. 16c
bis
Abs. 2 SVG
; Bemessung des schweizerischen Führerausweisentzugs nach einer Verkehrsregelverletzung im Ausland.
Bei einem Ersttäter bildet die Dauer des im Ausland ausgesprochenen Fahrverbots die obere Grenze des Ermessensbereichs der schweizerischen Behörde. Diese hat die Belastung, welche das ausländische Fahrverbot für den Täter dargestellt hat, angemessen zu berücksichtigen. Die Dauer des schweizerischen Führerausweisentzugs ist so festzusetzen, dass sich unter Anrechnung dieser Belastung eine gesamthafte Sanktion ergibt, welche die Dauer des ausländischen Fahrverbots nicht übersteigt (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 257
BGE 141 II 256 S. 257
A.
Am 12. November 2013 überschritt der im Kanton Zug wohnhafte niederländische Staatsangehörige A. mit seinem Personenwagen auf der Autobahn in Deutschland die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h ein erstes Mal um 63 km/h und ein zweites Mal um 64 km/h (jeweils nach Abzug der Sicherheitsmarge). Ausserdem hielt er den erforderlichen Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug bei weitem nicht ein.
B.
Am 17. Januar 2014 auferlegte das Regierungspräsidium Karlsruhe A. eine Busse von 1'450 Euro. Überdies ordnete es ein Fahrverbot von 2 Monaten an. Der Entscheid erwuchs in Rechtskraft.
C.
Mit Verfügung vom 27. März 2014 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Zug A. den Führerausweis für 2 Monate.
Die von A. hiergegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug am 30. September 2014 ab.
D.
A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben. Die Verfügung des Strassenverkehrsamts sei in dem Sinne abzuändern, dass ihm der Führerausweis für lediglich einen Monat entzogen werde. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde, soweit es darauf eintritt, gut.
(Auszug)
BGE 141 II 256 S. 258
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Gemäss
Art. 16c
bis
SVG
(SR 741.01) wird nach einer Widerhandlung im Ausland der Führerausweis entzogen, wenn: a. im Ausland ein Fahrverbot verfügt wurde; und b. die Widerhandlung nach den Artikeln 16b und 16c als mittelschwer oder schwer zu qualifizieren ist (Abs. 1). Bei der Festlegung der Entzugsdauer sind die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Die Mindestentzugsdauer darf unterschritten werden. Die Entzugsdauer darf bei Personen, die im Administrativmassnahmenregister (Art. 104b) nicht verzeichnet sind, die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten (Abs. 2).
Diese Bestimmung fügte der Gesetzgeber mit Bundesgesetz vom 20. März 2008, in Kraft seit 1. September 2008, in das Strassenverkehrsgesetz ein; dies im Anschluss an
BGE 133 II 331
. Darin hatte das Bundesgericht in Änderung der Rechtsprechung befunden, für einen Warnungsentzug in der Schweiz nach einer Verkehrsregelverletzung im Ausland fehle es an der gesetzlichen Grundlage.
2.2
Das Regierungspräsidium Karlsruhe verfügte gegen den Beschwerdeführer ein Fahrverbot. Die diesem vorgeworfenen drei Verkehrsregelverletzungen stellen unstreitig jede für sich eine schwere Widerhandlung gemäss
Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG
dar. Die Voraussetzungen für den Führerausweisentzug nach
Art. 16c
bis
Abs. 1 SVG
sind daher erfüllt. Es geht einzig um seine Dauer.
2.3
Gemäss
Art. 16c
bis
Abs. 2 SVG
sind bei der Festlegung der Entzugsdauer die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Die Mindestentzugsdauer darf unterschritten werden.
Diese beiden Sätze waren bereits im bundesrätlichen Entwurf enthalten. Sie bezwecken die Vermeidung einer Doppelbestrafung (Botschaft vom 28. September 2007 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes, BBl 2007 7622 zu Art. 16c
bis
). Begeht eine Person mit schweizerischem Wohnsitz im Ausland ein Strassenverkehrsdelikt, kann der Tatortstaat eine Administrativmassnahme allein mit Wirkung für das eigene Staatsgebiet aussprechen. Den schweizerischen Führerausweis als solchen kann er nicht entziehen (
BGE 128 II 133
E. 4a S. 136 mit Hinweisen). Die Wirkung der im Ausland verfügten Administrativmassnahme ist daher beschränkt. Deshalb sieht
BGE 141 II 256 S. 259
Art. 16c
bis
SVG
unter den dort genannten Voraussetzungen den Entzug des schweizerischen Führerausweises durch die hiesige Behörde vor. Das darf jedoch nicht zu einer doppelten Sanktionierung führen. Die im Ausland und in der Schweiz ausgesprochenen Massnahmen müssen in ihrer Gesamtheit schuldangemessen sein (
BGE 128 II 133
E. 3b/bb S. 136 mit Hinweis). Daher sind gemäss
Art. 16c
bis
Abs. 2 Satz 1 SVG
bei der Festlegung der Entzugsdauer die Auswirkungen des ausländischen Fahrverbots auf die betroffene Person angemessen zu berücksichtigen. Mit dem Wort "angemessen" trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass das ausländische Fahrverbot den Fehlbaren unterschiedlich stark oder gar nicht treffen kann. So gibt es Fahrzeuglenker, die im Tatortstaat oft unterwegs sind, weshalb sie das dortige Fahrverbot erheblich belastet. Umgekehrt gibt es Personen, die praktisch nie im Tatortstaat ein Fahrzeug lenken, weshalb sie das ihnen dort auferlegte Fahrverbot kaum oder überhaupt nicht trifft. Massgeblich sind somit die Umstände des Einzelfalles (Botschaft, a.a.O.). Gegebenenfalls kann sich das Unterschreiten der Mindestentzugsdauer rechtfertigen, was
Art. 16c
bis
Abs. 2 Satz 2 SVG
ausdrücklich zulässt. Diese Bestimmung geht als spätere und spezielle
Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG
, wonach die Mindestentzugsdauer nicht unterschritten werden darf, vor.
2.4
Gemäss
Art. 16c
bis
Abs. 2 Satz 3 SVG
darf die Entzugsdauer bei Personen, die im Administrativmassnahmenregister nicht verzeichnet sind, die am Begehungsort im Ausland verfügte Dauer des Fahrverbots nicht überschreiten. Dieser Satz wurde in der parlamentarischen Beratung in das Gesetz eingefügt. Damit wird dem Unrechtsgehalt der Verkehrsregelverletzung am ausländischen Begehungsort Rechnung getragen. Verwiesen wurde auf
Art. 7 Abs. 3 StGB
, der im Strafrecht bei Auslandtaten eine ähnliche Regelung kennt (AB 2008 N 171 und 282 [Voten Müller]).
Art. 16c
bis
Abs. 2 Satz 3 SVG
ist nur anwendbar bei Personen, die im Administrativmassnahmenregister nicht verzeichnet sind, also bei Ersttätern. Bei Rückfalltätern darf die schweizerische Behörde die Dauer des am Begehungsort verfügten Fahrverbots überschreiten. Der Grund hierfür liegt darin, dass die ausländische Behörde von früher in der Schweiz gegen den Fehlbaren verfügten Administrativmassnahmen regelmässig keine Kenntnis hat. Dürfte die schweizerische Behörde die Dauer des am Begehungsort verfügten Fahrverbots nicht überschreiten, könnte sie die bei Rückfalltätern gemäss
Art. 16b Abs. 2 und
Art. 16c Abs. 2 SVG
vorgesehenen Massnahmeverschärfungen nicht zur Anwendung bringen, was zu einer
BGE 141 II 256 S. 260
unhaltbaren Privilegierung führen würde(AB 2008 S 127 f.[Voten Bieriund Hess], 129 [Votum Leuenberger], 180 [Voten Bieri und Leuenberger]).
Bei einem Ersttäter darf die schweizerische Behörde keine strengere Wertung vornehmen als die ausländische (vgl. AB 2008 N 415 [Voten Germanier und Berberat], 416 [Votum Müller]). Dass sie gegebenenfalls nach hiesigen Massstäben ein längeres Fahrverbot als gerechtfertigt angesehen hätte, spielt keine Rolle. Die Dauer des am Begehungsort ausgesprochenen Fahrverbots begrenzt den Ermessensspielraum der schweizerischen Behörde nach oben. Es verhält sich insoweit wie bei
Art. 7 Abs. 3 StGB
, wonach das Gericht bei den von jener Bestimmung erfassten Auslandtaten die Sanktionen so bestimmt, dass sie insgesamt für den Täter nicht schwerer wiegen als die Sanktionen nach dem Recht des Begehungsortes. Auch damit hat der Gesetzgeber eine obere Begrenzung des Ermessensbereichs festgelegt (DONATSCH/TAG, Verbrechenslehre, 9. Aufl. 2013, S. 51; POPP/KESHELAVA, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 38 f. vor
Art. 3 StGB
).
2.5
Der Beschwerdeführer ist im Administrativmassnahmenregister nicht verzeichnet. Das deutsche Fahrverbot wurde vom 4. Juni bis zum 3. August 2014 vollzogen. Der Beschwerdeführer durfte somit während dieser Zeit in Deutschland kein Fahrzeug lenken. Dies berücksichtigte die Vorinstanz als neue Tatsache, was gemäss § 63 Abs. 4 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 1. April 1976 des Kantons Zug (BGS 162.1) zulässig war.
Wie die Vorinstanz darlegt, ist der Beschwerdeführer in Deutschland regelmässig geschäftlich unterwegs. Das dortige Fahrverbot hat ihn deshalb getroffen. Die Vorinstanz erwägt, dieses hätte damit grundsätzlich eine Verringerung der Dauer des schweizerischen Führerausweisentzugs zur Folge. Sie lehnt eine solche dann aber ab wegen der Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Verkehrsregelverletzungen. Mit seiner rücksichtslosen Fahrweise habe er mehrmals eine grosse abstrakte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer geschaffen. Eine Verringerung des zweimonatigen Ausweisentzugs sei deshalb auch in Anbetracht des Verbots der Doppelbestrafung nicht angezeigt.
2.6
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Dauer des deutschen Fahrverbots beträgt 2 Monate. Damit ist der Unrechtsgehalt der vom Beschwerdeführer begangenen Verkehrsregelverletzungen abgegolten.
BGE 141 II 256 S. 261
Die ihm aufzuerlegende Sanktion darf somit 2 Monate nicht übersteigen. Massgeblich ist insoweit das gesamte Sanktionenpaket (oben E. 2.3). Da das deutsche Fahrverbot den Beschwerdeführer belastet hat, führte ein schweizerischer Führerausweisentzug von 2 Monaten dazu, dass er gesamthaft eine Sanktion zu tragen hätte, die 2 Monate übersteigt. Dies verletzt das Übermassverbot. Die Dauer des schweizerischen Führerausweisentzugs ist so festzusetzen, dass der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der Belastung, die der Vollzug des deutschen Fahrverbots für ihn dargestellt hat, eine Sanktion zu tragen hat, die 2 Monaten entspricht. Zwar ist einzuräumen, dass die Dauer des vom Regierungspräsidium Karlsruhe ausgesprochenen Fahrverbots nach hiesigen Massstäben als zu tief anzusehen wäre. Dies hat nach
Art. 16c
bis
Abs. 2 Satz 3 SVG
jedoch ausser Betracht zu bleiben. Danach kommt es auf den Unrechtsgehalt am Begehungsort an. Wenn die ausländischen Behörden eine Verkehrsregelverletzung anders werten und insbesondere Geschwindigkeitsüberschreitungen milder ahnden, haben die schweizerischen Behörden das hinzunehmen.
Dass die Auffassung der Vorinstanz nicht richtig sein kann, zeigt auch Folgendes: Wäre der Beschwerdeführer praktisch nie in Deutschland unterwegs gewesen, weshalb ihn der Vollzug des dortigen Fahrverbots nicht getroffen hätte, hätte die Vorinstanz auch nur einen Führerausweisentzug von 2 Monaten aussprechen können. Damit würde in unterschiedlichen Fällen die gleiche Sanktion verhängt, was nicht angeht.
2.7
Wie sich aus der Verfügung des Strassenverkehrsamts ergibt, vertrat dieses die Auffassung, dass die Belastung des - damals noch nicht vollzogenen - deutschen Fahrverbots für den Beschwerdeführer zu einer antragsgemässen Reduktion des schweizerischen Führerausweisentzugs auf einen Monat führen müsste. Eine solche Reduktion ist angemessen. Die Rückweisung an das Strassenverkehrsamt zur neuen Festsetzung der Höhe des Führerausweisentzugs erübrigt sich damit und das Bundesgericht kann selber entscheiden (
Art. 107 Abs. 1 BGG
). Die Dauer des Führerausweisentzugs wird auf einen Monat festgesetzt. | public_law | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fcac9921-9d03-42d9-84cd-e13538fd9734 | Urteilskopf
98 V 33
9. Extrait de l'arrêt du 24 janvier 1972 dans la c.ause Favre contre Caisse cantonale vaudoise de compensation et Tribunal des assurances du canton de Vaud | Regeste
Art. 85 Abs. 2 lit. d AHVG
.
Überprüfungsbefugnis des Richters, wenn der Beschwerdeführer nicht alle Bestimmungen einer Verfügung anficht (Erw. 1).
Art. 12 IVG
.
Ob die Invalidenversicherung medizinische Massnahmen zu übernehmen habe, ist auf Grund der vor der Behandlung gestellten Diagnose und Prognose zu entscheiden (Erw. 2). | Erwägungen
ab Seite 33
BGE 98 V 33 S. 33
Extrait des considérants:
1.
a) Fondé sur l'art. 85 al. 2 lit. d LAVS, le tribunal de céans a dit qu'en cas de recours la décision entière doit, règle générale, être examinée d'office par l'autorité judiciaire. Cependant, la jurisprudence a tracé des limites à ce principe: le juge ne saurait revoir spontanément des questions non litigieuses, sauf si questions litigieuses et questions non litigieuses se trouvent
BGE 98 V 33 S. 34
dans un rapport de connexité suffisant pour en justifier l'examen simultané. C'est ainsi qu'un recours dirigé contre le refus de rembourser des frais de transport ou d'allouer des indemnités journalières permet d'étudier à nouveau le problème de l'octroi des mesures médicales dont ces prestations constituent l'accessoire (cf. p.ex. ATFA 1963 p. 264; 1961 p. 186); ou encore que le recours portant sur le moment de la naissance du droit à la rente autorise à vérifier aussi l'évaluation de l'invalidité. En revanche, le seul fait que l'assuré ait attaqué le refus de mesures médicales ne permet pas au juge d'examiner d'office si l'octroi de moyens auxiliaires et le remboursement de frais de transport pour se rendre au travail sont fondés eux aussi, car il s'agit là de prestations qui ne sont pas en relation étroite avec l'allocation ou le refus des mesures médicales (RCC 1968 p. 576)...
b) En l'espèce, c'est à juste titre, vu ce qui précède, que le premier juge, saisi seulementde la question de l'octroi de mesures médicales, n'a pas examiné d'office celle de la remise de verres de contact à titre de moyens auxiliaires. Il eût peut-être dû le faire si l'examen du cas l'avait conduit à accorder les mesures médicales sollicitées, vu la règle particulière de l'art. 21 al. 1er in fine LAI relative à l'octroi de lunettes, ce par quoi il faut aussi entendre, à certaines conditions, les verres de contact (v. p.ex. RCC 1970 p. 536; 1969 p. 172; 1965 p. 152).
2.
Le Tribunal fédéral des assurances a déjà rappelé à de très nombreuses reprises les critères permettant de distinguer les mesures médicales de réadaptation des mesures ayant pour objet le traitement de l'affection comme telle et relevant en principe d'une autre branche des assurances sociales (v. p.ex. RO 97 V 45, 50; ATFA 1969 pp. 50, 97, 100 et 229; RCC 1971 pp. 37, 257 et 351).
A supposer que, dans un cas donné, on ne se trouve pas en présence de mesures ayant pour principal objet le traitement de l'affection comme telle, il faut encore se demander si elles sont de nature à améliorer de façon durable et importante la capacité de gain ou à la préserver d'une diminution notable, condition également mise par l'art. 12 LAI à leur prise en charge par l'assurance-invalidité. Il est évident toutefois que, si l'on s'aperçoit d'emblée que cette dernière condition n'est pas remplie, on peut se dispenser d'un plus ample examen.
D'autre part, selon la jurisprudence, la question de savoir si l'assuré a droit à la prise en charge de mesures en vertu de
BGE 98 V 33 S. 35
l'art. 12 LAI doit être résolue d'après la situation médicale antérieure à leur exécution. On évite ainsi de traiter les assurés qui attendent une décision passée en force pour se soumettre p.ex. à une opération différemment de ceux qui anticipent sur la décision. Une telle inégalité de traitement serait incompatible avec l'art. 12 LAI, qui implique que l'on se fonde sur l'efficacité présumable de la mesure (ATFA 1966 p. 105; RCC 1970 p. 585; v. également ATFA 1968 p. 258 lit. f; RCC 1971 pp. 254 consid. 2 b et 257 consid. 2). A cet égard, le Tribunal fédéral des assurances a précisé que, règle générale, le rapport médical est un élément nécessaire pour juger du droit aux prestations, dans le cadre d'une libre appréciation des preuves. Du fait qu'il émane d'un homme de l'art, ce document doit prévaloir sur les constatations d'un profane (RCC 1970 p. 538)... | null | nan | fr | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fcaf3d63-b111-42b8-8067-43824345949a | Urteilskopf
102 V 245
60. Auszug aus dem Urteil vom 30. August 1976 i.S. Pfäffli gegen Ausgleichskasse des Kantons Aargau und Obergericht des Kantons Aargau | Regeste
Art. 104 und 105 OG
.
Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts im Beschwerdeverfahren betreffend den Erlass von Rückforderungen (Präzisierung der Praxis). | Erwägungen
ab Seite 245
BGE 102 V 245 S. 245
Aus den Erwägungen:
a) Gemäss
Art. 3 Abs. 6 ELG
ist der Bundesrat befugt, u.a. über die Rückforderung von Leistungen nähere Vorschriften aufzustellen. Der gestützt hierauf erlassene
Art. 27 ELV
bestimmt, dass unrechtmässig bezogene Ergänzungsleistungen vom Bezüger oder seinen Erben zurückzuerstatten sind, wobei für die Rückerstattung solcher Leistungen und den Erlass der Rückforderung die Vorschriften des AHVG sinngemäss anwendbar sind.
Laut
Art. 47 Abs. 1 AHVG
kann bei gutem Glauben und gleichzeitigem Vorliegen einer grossen Härte von der Rückforderung abgesehen werden. Hinsichtlich des guten Glaubens sind die Voraussetzungen nicht schon mit der Unkenntnis des Rechtsmangels gegeben. Vielmehr darf sich der Bezüger unrechtmässiger Leistungen nicht nur keiner böswilligen Absicht, sondern auch keiner groben Nachlässigkeit schuldig gemacht haben. Der Erlass der Rückforderung ist daher auch zu verweigern, wenn der Versicherte die nach den Umständen zumutbare Aufmerksamkeit nicht beachtet oder seine Meldepflicht hinsichtlich Änderungen in den massgebenden Verhältnissen in grober Weise verletzt hat (ZAK 1973 S. 659, 1970 S. 336, 1965 S. 373).
b) Nach der bisherigen Rechtsprechung sind die von der Vorinstanz festgestellten Umstände, auf Grund derer zu beurteilen ist, ob der gute Glaube gegeben sei, für das Eidg.
BGE 102 V 245 S. 246
Versicherungsgericht im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
verbindlich. Eine vom Gericht frei zu überprüfende Rechtsfrage ist dagegen, ob sich aus jenen Umständen der gute Glaube ableiten lasse. Ferner sind Feststellungen des kantonalen Richters, welche sich nicht auf feste Beweise stützen, sondern aus der allgemeinen Lebenserfahrung abgeleitet werden, Rechtserwägungen gleichgestellt und daher vom Eidg. Versicherungsgericht frei überprüfbar (
BGE 100 V 152
Erw. 2b, ZAK 1973 S. 661 Erw. 2).
Wie das Gesamtgericht entschieden hat, ist diese Praxis wie folgt zu präzisieren: Im Sinne von
Art. 3 ZGB
ist zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf seinen guten Glauben berufen kann bzw. ob er bei der Aufmerksamkeit, die von ihm zumutbarerweise verlangt werden kann, den bestehenden Rechtsmangel hätte kennen sollen (vgl.
BGE 99 II 147
,
BGE 100 II 14
sowie JÄGGI, Berner Kommentar, N. 16 ff. und 104 ff. zu
Art. 3 ZGB
). Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und ist daher Tatfrage, diejenige nach der Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit dagegen Rechtsfrage, soweit es darum geht, unter den jeweiligen tatsächlichen Voraussetzungen festzustellen, ob sich jemand auf den guten Glauben berufen kann. Daraus ergibt sich, dass auch die vom erstinstanzlichen Richter getroffene Feststellung über das Vorhandensein oder Fehlen des guten Glaubens für das Eidg. Versicherungsgericht im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
verbindlich ist. Für die frei überprüfbare Rechtsfrage, ob sich die Prozesspartei auf den guten Glauben berufen kann, bleibt nur soweit Raum, als die Vorinstanz den guten Glauben im Sinne des fehlenden Unrechtsbewusstseins nicht (auf Grund einer Beweiswürdigung) verneint hat. | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fcafbbc7-7e69-40c3-bf4e-e44e8990c5c6 | Urteilskopf
107 IV 77
23. Entscheid der Anklagekammer vom 7. April 1981 i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 264 BStP
,
Art. 351 StGB
.
Vorläufige Abweisung des Gesuchs um Gerichtsstandsfestsetzung, wenn es an den für den Entscheid darüber notwendigen Grundlagen gebricht. Pflicht eines jeden beteiligten Kantons, die sein Gebiet betreffenden Tatsachen soweit zu erforschen, als es für den Entscheid der Anklagekammer des Bundesgerichts nötig ist. | Sachverhalt
ab Seite 78
BGE 107 IV 77 S. 78
A.-
Gegen den am 21. Juni 1962 geborenen, italienischen Staatsangehörigen B. wurde von der Jugendanwaltschaft Bülach wegen wiederholten Diebstahls, wiederholten Diebstahlsversuchs, Hehlerei, Betrugsversuchs, wiederholten Hausfriedensbruchs, wiederholter Entwendung von Motorfahrzeugen zum Gebrauch, wiederholten Führens ohne Führerausweis, Befahrens einer mit Fahrverbot belegten Strasse, Nichtanpassens der Geschwindigkeit und wiederholten verbotenen Glücksspiels, welche strafbaren Handlungen in der Zeit von August 1978 bis Anfang Juni 1980 verübt wurden, eine Untersuchung geführt. Als sich B. am 16. Juni 1980, fünf Tage vor seinem 18. Altersjahr zu einer abschliessenden Begutachtung in der Beobachtungsstation Bolligen (Kt. BE) einfinden sollte, riss er aus und konnte erst wieder am 5. Januar 1981 in Basel verhaftet werden. Anschliessend von der Kantonspolizei Zürich durchgeführte Einvernahmen des B. ergaben, dass dieser nach seinen Angaben auf der Flucht in verschiedenen Kantonen, insbesondere im Kanton Bern, erneut zahlreiche Eigentumsdelikte usw. begangen hatte.
Nachdem die genannte Jugendanwaltschaft das Untersuchungsrichteramt Interlaken erfolglos ersucht hatte, hinsichtlich der von B. nach dem 16. Juni 1980 begangenen Straftaten ein Strafverfahren zu eröffnen und zumindest vorläufig den dortigen Gerichsstand anzuerkennen, stellte sie mit Bericht vom 28. Januar 1981 beim Jugendgericht des Bezirks Bülach den Antrag, B. wegen der vor seinem 18. Altersjahr verübten Verfehlungen gemäss
Art. 91 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
in einem Erziehungsheim unterzubringen. B. war zuvor bereits vorsorglich in die kantonale Arbeitserziehungsanstalt Uitikon eingewiesen worden.
BGE 107 IV 77 S. 79
B.-
Der Generalprokurator des Kantons Bern ersucht die Anklagekammer des Bundesgerichts mit Eingabe vom 19. März 1981, die Strafbehörden des Kantons Zürich zur Verfolgung und Beurteilung aller B. zur Last gelegten Straftaten für berechtigt und verpflichtet zu erklären.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt Abweisung des Gesuchs.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
B. fallen nach der vorläufigen Aktenlage strafbare Handlungen zur Last, die er teils vor, teils nach dem zurückgelegten 18. Altersjahr begangen hat. Nach Art. 1 Abs. 2 VStGB (1) ist in einem solchen Fall grundsätzlich das Verfahren gegen Erwachsene anwendbar. Wird jedoch die Untersuchung vor dem zurückgelegten 20. Altersjahr des Täters eingeleitet und bedarf er voraussichtlich einer Massnahme des Jugendrechtes, so kann das Verfahren gegen Jugendliche angewendet werden. Entsprechend richtet sich die örtliche Zuständigkeit als eine Verfahrensfrage im ersteren Fall nach den Bestimmungen der
Art. 346-350 StGB
, im letzteren nach
Art. 372 StGB
. Indem der Bundesrat in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 VStGB (1) die Anwendung des jugendrechtlichen Verfahrens in eine Kann-Vorschrift gefasst hat, hat er klarerweise der Berücksichtigung von Zweckmässigkeitsgründen den Weg geöffnet, wie sie auch der Rechtsprechung der Anklagekammer zugrundelagen, die jener gesetzlichen Ordnung vorausgegangen war (
BGE 96 IV 23
).
2.
Im vorliegenden Fall ist die Untersuchung vor dem zurückgelegten 18. Altersjahr des B. eingeleitet worden. Es stellt sich deshalb die Frage, ob er voraussichtlich einer Massnahme des Jugendrechts bedürfe oder ob eine Strafe oder eine Massnahme des Erwachsenenrechtes Platz greifen solle. Die vorläufige Prüfung dieser Frage durch die Anklagekammer - der endgültige Entscheid muss dem Sachrichter vorbehalten bleiben - setzt indessen voraus, dass die Aktenlage im Zeitpunkt des Gerichtsstandsverfahrens zureichend Aufschluss gebe über das Verhalten des Täters vor und nach dem 18. Altersjahr, über seine Erziehung, seine Lebensverhältnisse und seinen körperlichen und geistigen Zustand (analog
Art. 90 StGB
). Nur wenn diese Entscheidungsgrundlagen vorliegen, kann darüber befunden werden, ob der Täter voraussichtlich einer Massnahme des Jugendrechtes oder einer Sanktion des Erwachsenenstrafrechts
BGE 107 IV 77 S. 80
bedarf. Welcher Kanton diese Untersuchung durchzuführen hat, sagt freilich Art. 1 VStGB (1) nicht. Grundsätzlich muss gelten, dass - solange die Frage der Zuständigkeit offen oder streitig ist - jeder Kanton verpflichtet bleibt, die sein Gebiet betreffenden Tatsachen soweit zu erforschen, als es der Entscheid über den Gerichtsstand erfordert (
BGE 94 IV 47
). Hat der Täter im Kanton, in dem er seinen Wohnsitz hat oder sich dauernd aufhält, strafbare Handlungen begangen, so wird es vor allem an den Behörden dieses Kantons sein, die persönlichen Verhältnisse des Täters abzuklären (analog
Art. 372 StGB
).
3.
Im vorliegenden Fall gebricht es an den zur Entscheidung der Gerichtsstandsfrage notwendigen Grundlagen. Zwar scheint die Jugendanwaltschaft Bülach das von ihr bezüglich der von B. vor dem 18. Altersjahr verübten strafbaren Handlungen eingeleitete Verfahren abgeschlossen zu haben, ohne dass indessen den Akten zu entnehmen wäre, dass sie die seinerzeit für nötig erachtete abschliessende Begutachtung des Täters namentlich auch hinsichtlich seiner Massnahmebedürftigkeit nachgeholt hätte. Zudem sind auch die von B. nach dem 18. Altersjahr begangenen strafbaren Handlungen ungenügend abgeklärt und bedürfen der weiteren Untersuchung, deren Ergebnisse für die Beurteilung der Täterpersönlichkeit unerlässlich und insbesondere auch für eine möglicherweise notwendige Begutachtung des B. abzuwarten sind. Die beteiligten Kantone werden deshalb ein jeder die sein Gebiet betreffenden und für die Bestimmung des Gerichtsstandes erforderlichen Tatsachen abklären und sich sodann miteinander über eine Regelung des Gerichtsstandes ins Benehmen setzen müssen. Sollte sich dannzumal keine Einigung ergeben, wird erst die Anklagekammer des Bundesgerichts angerufen werden können.
Das vom Generalprokurator des Kantons Bern gestellte Gesuch um Bestimmung des Gerichtsstands im Kanton Zürich erweist sich als verfrüht und ist deshalb zur Zeit abzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch des Generalprokurators des Kantons Bern wird zur Zeit abgewiesen. | null | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fcb30bdf-3566-4f61-bf5c-2167376703e1 | Urteilskopf
92 I 66
13. Auszug aus dem Urteil vom 18. Februar 1966 i.S. Dr. A. Wander AG gegen Werner Bürki und Mitbeteiligte, Staat Bern sowie Appellationshof des Kantons Bern. | Regeste
Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Rahmen des Gewässerschutzes,
Art. 14 GSchG
.
1. Sie ist zulässig gegen Zwischenentscheide, durch die eine Frage vorgängig der materiellen Beurteilung behandelt und darüber endgültig entschieden wird.
2. Sie ist auch zulässig, wenn anstatt des anwendbaren GSchG kantonales Recht angewendet wird. | Sachverhalt
ab Seite 67
BGE 92 I 66 S. 67
A.-
Die Wander AG besitzt in der Aumatte in Neuenegg Quellenrechte auf 62 Grundstücken und bezieht aus drei Grundwasserfassungen erhebliche Mengen Wasser, die sie zum Teil an die Gemeinde Neuenegg für deren Wasserversorgung abgibt. Auf ihr Gesuch bewilligte der bernische Regierungsrat mit Beschluss vom 25. Februar 1964 gestützt auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 des eidg. Gewässerschutzgesetzes vom 16. März 1955 (GSchG) und Art. 114 ff. des bernischen Gesetzes über die Nutzung des Wassers vom 3. Dezember 1950 (WNG) die Errichtung einer Schutzzone, wodurch u.a. 49 343 m2 Land mit einem absoluten Bauverbot belegt wurden, und verlieh ihr am 28. Februar 1964 auf 40 Jahre das Recht zum Bezuge von 5000 l/min Wasser aus dem Grundwasser des Sensetales.
Acht Grundeigentümer, deren Grundstücke durch das erwähnte Bauverbot betroffen wurden, erhoben vor dem Gerichtspräsidenten von Laupen gegen die Wander AG Klage auf Bezahlung einer gerichtlich festzusetzenden Entschädigung. Sie erblickten in den ihnen auferlegten Beschränkungen eine materielle Enteignung und bezifferten den daraus entstehenden Schaden auf insgesamt Fr. 1'754,515.--. Die Beklagten erhoben die Einreden der sachlichen Unzuständigkeit und der fehlenden Passivlegitimation. Mit Vorentscheid vom 14. April 1965 bejahte der Gerichtspräsident von Laupen seine Zuständigkeit, wies jedoch die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten ab.
Hiegegen appellierten die Kläger, denen der Staat Bern als Intervenient beitrat, und beantragten Bejahung der Passivlegitimation der Wander AG. Diese bestritt mittels Anschlussappellation erneut die sachliche Zuständigkeit des Gerichtspräsidenten.
BGE 92 I 66 S. 68
Mit Urteil vom 15. Juli 1965 schützte die I. Zivilkammer des bernischen Appellationshofes die Appellation und wies die Anschlussappellation ab. Sie bejahte zunächst die Zuständigkeit des Gerichtspräsidenten zur Beurteilung der Klagen aus materieller Enteignung. Sodann führte sie aus, falls die Errichtung der Schutzzone eine materielle Enteignung darstelle, so habe für den Schaden daraus, gleich wie bei einer formellen Enteignung, nicht der Staat aufzukommen, der sie bewillige, sondern derjenige, zu dessen Gunsten dies geschehe. Art. 123 Abs. 2 rev. WNG, der Staatsbeiträge an die Kosten von Schutzzonen vorsehe, bedeute nichts anderes als dass die Gemeinde oder der Private, auf deren Betreiben und zu deren Gunsten die Schutzzone errichtet werde, als dafür ersatzpflichtig betrachtet würden, wobei der Staat an diese Kosten Beiträge ausrichten könne. Da die Schutzzone in Neuenegg auf Gesuch und vorwiegend zugunsten der Wander AG errichtet worden sei, sei diese ersatzpflichtig, sofern eine materielle Enteignung vorliege. Ihre Passivlegitimation sei deshalb zu bejahen und die Streitsache zur einlässlichen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
B.-
Gegen diesen Entscheid erhebt die Wander AG gleichzeitig Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend Gewässerschutz und staatsrechtliche Beschwerde wegen Willkür und Verletzung der Eigentumsgarantie.
Zur Begründung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird zur Hauptsache geltend gemacht, der angefochtene Entscheid verletze die
Art. 2-6 GSchG
, indem er den darin vorgesehenen Schutz des Wassers davon abhängig mache, dass der Benützer die Grundeigentümer für das Unterlassen der verbotenen Handlungen entschädige; so könnten sie zur Aufgabe des Schutzes und des Wassers gezwungen und der Gewässerschutz praktisch hinfällig werden. Wenn der Kanton, der durch die Erteilung der Konzession über das Grundwasser gegen Entgelt verfüge, die Grundeigentümer für das entschädigen wolle, was sie in der übrigen Schweiz gestützt auf das GSchG als gesetzliche Eigentumsbeschränkung auf sich nehmen müssten, so möge er selbst solche Entschädigungen ausrichten; die Auferlegung der Entschädigungspflicht an die Benützer aber verstosse gegen das GSchG. Im Gegensatz zur formellen Enteignung, bei welcher ein Recht vom Enteigneten auf den Enteigner übergehe, betreffe die materielle Enteignung nur das für den Eingriff verantwortliche Gemeinwesen; ein Privater könne den Eingriff weder verfügen noch aufheben.
BGE 92 I 66 S. 69
C.-
Der Appellationshof beantragt Abweisung der Beschwerde. Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Entscheids und hebt hervor, dass dadurch die Fragen, ob eine materielle Enteignung vorliege und ob und wieweit allenfalls eine Entschädigung geschuldet werde, nicht präjudiziert worden seien.
D.-
Die Beschwerdegegner Bürki & Cons. beantragen Nichteintreten auf die Beschwerde, in zweiter Linie Abweisung derselben.
Sie führen aus, der angefochtene Entscheid sei nicht in Anwendung des GSchG ergangen, sondern beruhe wie ihre Klage ausschliesslich auf kantonalem Recht; daher sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen ihn nicht zulässig.
Das auf ihre Grundstücke gelegte absolute Bauverbot stelle eine materielle Enteignung dar, die sowohl nach der Praxis des Bundesgerichts als auch nach Art. 115 WNG die Entschädigungspflicht begründe. Es gehe nicht an, einen so schwerwiegenden Eingriff einfach als entschädigungslose gesetzliche Eigentumsbeschränkung zu erklären; sonst wäre die kantonale Regelung sinnlos. Der Grundsatz des bernischen WNG, dass der Benützer einer Wassernutzungsanlage für deren Kosten aufzukommen habe, gelte auch für die Schutzzonen. Die Schutzzone in der Aumatte sei für die Wasserfassung der Wander AG errichtet worden; also sei diese dafür im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen entschädigungspflichtig.
E.-
Der Staat Bern schliesst auf Nichteintreten, allenfalls auf Abweisung der Beschwerde.
Er bringt vor, das angefochtene Urteil sei ein Zwischenentscheid gemäss
Art. 196 ZPO
, der das Verfahren nicht abschliesse; gegen Zwischenverfügungen sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig. Sie sei gegenüber jenem Urteil auch nicht gegeben, weil es kein Verwaltungsentscheid und nicht auf Grund des GSchG erlassen worden sei; es beruhe vielmehr auf dem kantonalen Expropriationsrecht, so dass eine Verletzung von Bundesrecht nicht in Frage stehe.
Richtig sei, dass auf Grund von
Art. 2 ff. GSchG
verfügte Massnahmen keine Entschädigungspflicht zugunsten der Grundeigentümer begründeten. Das angefochtene Urteil bejahe indessen eine solche Pflicht keineswegs und verletze deshalb das GSchG nicht. Es nehme lediglich an, im Falle des Bestehens einer Entschädigungspflicht treffe diese die Beschwerdeführerin und nicht den Kanton Bern, wofür es sich auf Vorschriften des
BGE 92 I 66 S. 70
kantonalen Rechtes betreffend die materielle Enteignung stütze. Diese habe denselben Rechtsgrund wie die formelle Enteignung, nämlich das staatliche Hoheitsrecht, und die Vorschrift über die Entschädigungspflicht gelte für beide in gleicher Weise. Die Beschwerdeführerin tue nicht dar, dass ihre Anwendung durch Bundesrecht ausgeschlossen werde.
F.-
In der Replik macht die Beschwerdeführerin noch geltend, die Schutzzone diene nicht nur ihr, sondern auch der Gemeinde Neuenegg. Das Grundwasser hätte auch ohne ihren Antrag von Gesetzes wegen den nötigen Schutz der kantonalen Behörden erhalten. Gegenstand der Beschwerde bilde die Nichtanwendung des GSchG. Durch das angefochtene Urteil werde über die Passivlegitimation endgültig entschieden.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Staat Bern beantragt in erster Linie, es sei auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten, weil diese gegenüber Zwischenentscheiden nicht zulässig sei.
Der Gerichtspräsident von Laupen beschränkte - gestützt auf
Art 196 ZPO
- das Verfahren zunächst auf die Fragen der sachlichen Zuständigkeit und der Passivlegitimation. Hätte er die erstere verneint oder wäre es bei einer Verneinung der Passivlegitimation geblieben, so hätte hierin ein Endurteil gelegen. Nachdem aber der Appellationshof sowohl die Zuständigkeit als auch die Passivlegitimation bejaht und die Sache zu materieller Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen hat, liegt lediglich ein Zwischenentscheid der letzten kantonalen Instanz vor.
Während gemäss
Art. 87 OG
die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig ist, gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben, besteht mit Bezug auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde keine solche Bestimmung. Der Staat Bern beruft sich für seine Auffassung auf BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 418, wonach Zwischenverfügungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht unterliegen. Diese Stelle und die darin zitierten Urteile des Bundesgerichts beziehen sich jedoch auf blosse Verfügungen (Beanstandung von Eintragungsgesuchen für Handelsmarken, Fristansetzungen),
BGE 92 I 66 S. 71
nicht aber auf Entscheide, durch welche eine Frage vorgängig der materiellen Beurteilung behandelt und darüber endgültig entschieden wird. Gegen solche Vor- bzw. Zwischenentscheide ist - auch im Falle der Rückweisung an eine untere Instanz - die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig.
2.
In zweiter Linie begründet der Staat Bern den Antrag auf Nichteintreten damit, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur gegen Verwaltungsentscheide zulässig sei und das Urteil des Appellationshofes - im Gegensatz zu dem Beschlusse des Regierungsrates vom 25. Februar 1964 über die Errichtung der Schutzzone, der nicht angefochten wurde - kein Verwaltungsentscheid sei. Indessen kommt es nicht darauf an, ob der Entscheid von einer Verwaltungsbehörde oder von einem Gericht erlassen wurde; denn auch Gerichte können Verwaltungsentscheide fällen, wie der Staat Bern selbst feststellt. Er macht jedoch geltend, der Appellationshof habe in dem angefochtenen Urteil einzig eine Frage aus dem Expropriationsrecht entschieden, wofür er nach dem kantonalen Recht zuständig sei, aber keinen Verwaltungsentscheid auf dem Gebiete des Gewässerschutzes getroffen. Dieses Vorbringen fällt zusammen mit demjenigen der Beschwerdegegner Bürki und Mitbeteiligte, die den Antrag auf Nichteintreten damit begründen, der angefochtene Entscheid sei nicht in Anwendung des GSchG ergangen, was Voraussetzung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wäre.
Art. 14 GSchG
erklärt sie als zulässig gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanz, "die in Anwendung dieses Gesetzes ergehen". Der Beschluss des Regierungsrates vom 25. Februar 1964 über die Errichtung der Schutzzone stützte sich einerseits auf
Art. 2 Abs. 1 und
Art. 6 GSchG
und anderseits auf Art. 115 des kantonalen WNG. Gegen ihn hätte somit den heutigen Klägern und Beschwerdegegnern die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen gestanden. Sie haben diese jedoch nicht ergriffen - offenbar weil sie nicht die Schutzzone als solche anfechten, sondern nur eine Entschädigung für die ihnen damit auferlegten Eigentumsbeschränkungen verlangen wollten, wofür ihnen das GSchG keine Handhabe bot, während ihnen nach ihrer Auffassung das kantonale Recht die Klage auf Entschädigung für materielle Enteignung zur Verfügung stellte. Sie leiteten deshalb die Klage gegen die Wander AG ein, die sie auf Art. 115 WNG und das kantonale Enteignungsgesetz gründeten. Zwar erwähnte Art. 115 WNG in der damals noch gültigen ursprünglichen
BGE 92 I 66 S. 72
Fassung keine Entschädigungpflicht; erst die Revision vom 6. Dezember 1964 fügte den Absatz 4 ein: "Auf die Entschädigungen finden die Bestimmungen des Bauvorschriftengesetzes sinngemäss Anwendung". Auf diese am 1. Januar 1965 in Kraft getretene Bestimmung hat der Appellationshof in seinem Urteil vom 15. Juli 1965 entscheidend abgestellt, ferner kraft der Verweisung auf Art. 26 des Gesetzes über die Bauvorschriften und auf § 26 des kantonalen Enteignungsgesetzes. Es trifft also zu, dass dieses Urteil ausschliesslich in Anwendung kantonalen Rechtes ergangen ist.
Die Beschwerdeführerin macht jedoch geltend, der Appellationshof hätte auch
Art. 2-6 GSchG
anwenden, nämlich berücksichtigen müssen, dass die Behörden die mit der Schutzzone verfügten Massnahmen zum Schutze des Grundwassers auch ohne ihr Gesuch von Amtes wegen und ohne Entschädigung hätten anordnen müssen; indem er sie von der Entschädigung abhängig mache, durchkreuze er den Gewässerschutz und verletze damit jene Bestimmungen des GSchG. In der Tat kann ein Gesetz nicht nur durch unrichtige Anwendung verletzt werden, sondern auch dadurch, dass es nicht angewendet wird, obwohl es angewendet werden sollte - namentlich dann, wenn statt seiner ein anderes, ihm zuwiderlaufendes Recht zur Anwendung gelangt. So kann insbesondere eine Verletzung von Bundesrecht daran liegen, dass anstatt des anwendbaren eidgenössischen Rechtes kantonales Recht angewendet wird (vgl. dazu BIRCHMEIER, a.a.O., S. 87). Es liegt auf der Hand, dass auch eine solche Verletzung des GSchG durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde muss angefochten werden können. Sein Art. 14, wonach sie gegen "in Anwendung dieses Gesetzes" ergangene Entscheide offen steht, ist daher nicht in dem engen buchstäblichen Sinne auszulegen, dass sich der betreffende Entscheid ausdrücklich darauf stützen muss, sondern umfasst sinngemäss auch Entscheide, in denen es hätte angewendet werden sollen, aber nicht angewendet worden ist. Da die Beschwerdeführerin gerade das geltend macht, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. Ob die behauptete Verletzung wirklich vorliegt, ist eine Frage nicht des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung.
3.
... | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fcb41f80-a69c-4a79-bbf2-97a8e1141572 | Urteilskopf
100 IV 71
20. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 15 mars 1974, dans la cause Ministère public du canton du Valais contre Vocat. | Regeste
Art. 90 SVG
.
Als allgemeine und abstrakte Norm bedarf diese Regel, um angewendet werden zu können, der Ergänzung durch konkrete Verkehrsvorschriften, die verletzt worden sind (Erw. 1).
Art. 27 Abs. 1 SVG
und 52 Abs. 1 SSV.
Auf dem Gebiet der Strassensignalisation bildet die Verfügung der Behörde einerseits und das Signal oder die Markierung anderseits eine Einheit: die erstere entfaltet ihre Wirkung nur, und nur solange, als sie auf der Fahrbahn selbst in Form einer entsprechenden Signalisation kenntlich gemacht wird (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 72
BGE 100 IV 71 S. 72
A.-
Le 1er mars 1972, vers 15 h., Francis Vocat circulait au volant d'un camion attelé d'une remorque, de St-Léonard en direction de Granges. A cet endroit, tout dépassement est interdit, depuis le Motel du Soleil, pour les usagers se dirigeant vers Sierre. Une ligne de démarcation continue empêche d'obliquer à gauche.
Vocat voulait se rendre à l'usine de la Plâtrière, située sur sa gauche. Généralement, en raison de la ligne de sécurité, il se rendait jusqu'à Granges-gare où il faisait demi-tour. Ce jourlà toutefois, la ligne était effacée, il n'en subsistait aucune trace. Il a donc ralenti, enclenché son clignoteur 250 m avant d'arriver à la fabrique, puis il a tourné avec son camion.
A ce moment, une voiture portant plaques françaises et conduite par Alain Rolland arrivait derrière lui, après avoir dépassé à grande vitesse d'autres véhicules. Malgré un freinage énergique sur près de 100 m, cette machine est venue heurter très violemment le train routier, le déplaçant sur quelques mètres. Rolland a été tué sur le coup, son épouse blessée sérieusement.
B.-
Le 7 février 1973, le Tribunal du IIe arrondissement pour les districts de Sierre et Sion a condamné Vocat à 30 jours d'emprisonnement avec sursis pendant deux ans pour homicide par négligence et violation des règles de la circulation. Elle l'a toutefois libéré de l'accusation de violation des art. 27 LCR et 52 OSR.
Sur recours du condamné et du Ministère public, le Tribunal cantonal valaisan a confirmé ce jugement quant à la qualification des infractions, mais il a réduit la peine à 400 fr. d'amende.
C.-
Le Ministère public se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral; il demande que Vocat soit reconnu coupable de violation des art. 27 LCR et 52 OSR.
L'intimé propose le rejet de ces conclusions.
BGE 100 IV 71 S. 73
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recourant a été condamné en application de l'art. 90 LCR. Cette disposition étant abstraite et générale, elle doit être complétée par l'indication de la ou des règles concrètes de circulation qui ont été violées. En l'occurrence il s'agit des art. 27 al. 1 LCR et 52 al. 1 OSR. Le premier prescrit le respect des signaux et des marques; le second interdit de franchir les lignes de sécurité ou d'empiéter sur elles.
Pour qu'une ligne de sécurité toutefois puisse être franchie ou pour qu'un véhicule puisse empiéter sur elle, il faut encore qu'elle soit visible. Cette condition n'était pas réalisée en l'occurrence dès lors que toute trace d'une telle ligne avait été effacée par la circulation, ainsi que le relève souverainement l'autorité cantonale.
Il reste que l'intimé savait qu'"en temps normal une ligne blanche interdisait tout empiétement". Le recourant admet implicitement que cette conscience palliait l'absence de la ligne de sécurité et que, par conséquent, l'hypothèse entraînant la répression était réalisée.
2.
Il a été jugé sous l'empire de la LA (RO 80 IV 46) que le conducteur qui connaissait effectivement une interdiction pouvait être puni pour ne l'avoir pas respectée, nonobstant l'absence d'un signal conforme à l'OSR, cette lacune ne l'ayant pas induit en erreur. Cette décision n'a cependant pas tranché la question de la nature juridique des signaux de circulation ni celle des rapports juridiques existant entre ceux-ci et les décisions de l'autorité. Il convient donc de les examiner à la lumière du nouveau droit.
Selon SCHULTZ, l'arrêt précité est dépassé au regard de l'art. 5 al. 1 LCR (Die strafrechtliche Rechtsprechung zum neuen Strassenverkehrsrecht, p. 91). Ce dernier dispose en effet sans équivoque que les limitations et prescriptions relatives à la circulation des véhicules doivent être indiquées par des signaux ou des marques, lorsqu'elles ne s'appliquent pas à l'ensemble du territoire suisse; il fonde les art. 73 et 78 OSR selon lesquels les signaux et marques doivent notamment pouvoir être d'une part reconnus facilement en temps utile et, d'autre part faire l'objet d'une surveillance de la part des autorités, celles-ci ayant l'obligation, lorsque c'est nécessaire, de
BGE 100 IV 71 S. 74
pourvoir à leur remplacement et à leur renouvellement. Ces dispositions mettent manifestement l'accent sur l'importance qu'il y a à faire connaître sur la voie publique même la décision de l'autorité et sur le fait que la validité de celle-ci dépend de cette publicité.
La dernière jurisprudence va dans ce sens lorsqu'elle subordonne la répression d'une violation de l'art. 27 al. 1 LCR à la circonstance que le signal en cause est reconnaissable (RO 86 IV 112, 98 IV 122; le dernier arrêt cité traitant expressément du signal prévu et apposé). Il s'ensuit que le signal de circulation, selon l'acception de la LCR, n'est pas seulement l'indication de la décision que l'autorité désignée à l'art. 56 al. 1 OSR a prise, mais qu'il en est l'expression même (FORSTHOFF, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1re partie, 9e édition, p. 211, remarque 3 et renvoi au § 3 al. 1 de l'ordonnance allemande sur la circulation routière (StVO), qui correspond à la première phrase de l'art. 27 al. 1 LCR). Le signal ou la marque représente un acte administratif à effet réel (dinglicher Verwaltungsakt) fixant les propriétés et qualités juridiques d'une chose, ici la route (WOLFF, Verwaltungsrecht I, 7e édition, § 46 VIII, p. 310, § 47 VIII, p. 315). La décision d'une part et le signal ou la marque d'autre part constituent ainsi une unité, avec cette conséquence que la première déploie ses effets seulement si, et aussi longtemps qu'elle est visiblement exprimée sur la chaussée même, sous la forme de la signalisation appropriée, et se trouve par là matérialisée. Lorsque cette condition fait défaut, l'usager ne se trouve pas en présence d'un ordre à suivre ou d'une défense à respecter, quelle que puisse être la connaissance qu'il a de la décision et même si cette dernière ne se trouve que par accident démunie de la signalisation apposée en temps normal.
Les impératifs de la circulation et de la sécurité du droit conduisent à la même conclusion. Juger autrement reviendrait à admettre que dans certains cas les usagers de la route observent des règles différentes, selon qu'ils connaissent ou non la réglementation en vigueur sur un tronçon déterminé, les premiers respectant la limitation spéciale alors que les autres se conforment aux règles générales. L'incertitude qui en r.ésulterait créerait un risque d'accident. On ne saurait de plus, en cas de disparition d'un signal, si celle-ci est involontaire ou décidée par l'autorité,
BGE 100 IV 71 S. 75
On objectera que, si l'intimé avait suivi la prescription dont il avait le souvenir, il n'aurait pas de ce fait créé un danger quelconque. Cela ne suffit cependant pas à battre en brèche la solution adoptée. En effet, si le conducteur qui sait qu'une signalisation n'est pas légalement valable, est tenu néanmoins de s'y conformer parce que d'autres usagers pourraient se fier à la situation juridique apparemment créée (RO 99 IV 164), il doit réciproquement pouvoir se reposer sur les apparences lorsqu'elles lui sont favorables et qu'il n'en résulte pas une situation que les autres usagers, compte tenu des conditions visibles de la circulation, n'ont pas à prévoir. Tel n'était pas le cas en l'occurrence. Ne pouvant voir la ligne de sécurité, le conducteur étranger qui suivait l'intimé devait envisager que le train routier, dont le pilote, ne voyant personne en face, avait manifesté à temps son intention, pourrait déboîter et obliquer à gauche. L'autorité cantonale a donc renoncé avec raison à condamner l'intimé pour la violation des art. 27 al. 1 LCR et 52 OSR.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le pourvoi. | null | nan | fr | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fcb659bf-0601-4da8-9d93-76465de8160d | Urteilskopf
126 IV 209
33. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 17 août 2000 dans la cause X. c. Procureur général du canton de Genève, SA Louis Dreyfus & Cie, Louis Dreyfus Négoce SA (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 141bis StGB
; Unrechtmässige Verwendung von Vermögenswerten.
Der Ausdruck "ohne seinen Willen" betrifft im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs insbesondere Überweisungen, die dem Täter irrtümlich gutgeschrieben wurden, die, anders gesagt, für ein anderes Konto bestimmt waren (E. 2b).
Eine Verwendung der Vermögenswerte ist dann "unrechtmässig", wenn sie darauf abzielt, den Geschädigten an der Geltendmachung seiner Rückforderungsansprüche zu hindern (E. 2c).
In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass der Täter in der Absicht gehandelt hat, sich unrechtmässig zu bereichern (E. 2d). | Sachverhalt
ab Seite 210
BGE 126 IV 209 S. 210
A.-
Né en 1950, X. est le directeur avec signature individuelle de la société I. SA, dont le siège social est à Genève et qui est en particulier active dans le courtage et le commerce de produits agricoles. Aston Trading GmbH (ci-après: Aston), dont le siège social se trouve à Hambourg, est une société active dans le commerce des produits céréaliers. SA Louis Dreyfus & Cie (ci-après: Dreyfus) et Louis Dreyfus Négoce SA sont deux sociétés domiciliées à Paris, également actives dans le commerce des céréales, la première détenant les actions de la seconde.
Le 2 juillet 1996, Aston a vendu 6'000 tonnes d'orge à I. SA. Par contrat du 2 septembre 1996, cette dernière à revendu la moitié de cet orge à Dreyfus. Ces transactions ont été traitées par l'intermédiaire d'un courtier domicilié à Paris, la SA Sotour (ci-après: Sotour).
Par fax du 11 septembre 1996, X. a demandé à Sotour que les documents et la facture concernant les 3'000 tonnes d'orge vendues à Dreyfus soient présentés directement par Aston à Dreyfus et que le montant revenant à I. SA au titre de sa marge bénéficiaire, 4,5 US$ par tonne, soit versé sur le compte d'I. SA auprès de l'UBS à Genève. Sur cette base, Aston a fait établir le 20 septembre 1996, par l'entremise de la Dresdner Bank, deux factures séparées, l'une en sa faveur pour le montant de la marchandise vendue (483'000 US$), l'autre concernant les 13'500 US$ (équivalant à 4,5 US$ par tonne) en faveur d'I. SA. Le 23 septembre 1996, Aston a transmis une copie de ces deux factures à X. Par fax du même jour, celui-ci a prié Sotour d'informer Dreyfus de s-'acquitter des deux factures simultanément. Il a derechef adressé un fax à Sotour le 30 septembre 1996, dont il ressort notamment qu'il a autorisé "la présentation des documents en direct".
Il a été retenu que X. avait souhaité, s'agissant de l'orge vendue par I. SA à Dreyfus, faire directement payer par cette dernière société le prix dû à Aston et ne recevoir que la marge bénéficiaire de 13'500 US$ et que cette manière de procéder (accord dit de "by-pass") avait été acceptée par Dreyfus et Aston.
Le 2 octobre 1996, un employé de Dreyfus a donné par erreur l'ordre de créditer I. SA de l'intégralité de la transaction, donc non seulement les 13'500 US$, mais aussi les 483'000 US$. Le même jour en fin d'après-midi, Dreyfus a informé X. par fax du fait que les 483'000 US$ qui devaient être versés à Aston avaient été crédités par erreur sur le compte d'I. SA auprès de l'UBS.
Le 3 octobre 1996 dans la matinée, X. a donné instruction à l'UBS de préparer des chèques bancaires à hauteur de 483'000 US$. Le
BGE 126 IV 209 S. 211
même jour, il a eu divers entretiens téléphoniques avec le directeur administratif de Louis Dreyfus Négoce SA; selon les déclarations de celui-ci et celles d'autres témoins, X. a indiqué qu'il rembourserait Dreyfus une fois que cette société aurait payé Aston.
Le 7 octobre 1996, Dreyfus a versé 483'000 US$ sur le compte bancaire d'Aston auprès de la Dresdner Bank, conformément à la facture du 20 septembre 1996.
En l'absence de remboursement des 483'000 US$ versés par erreur sur le compte d'I. SA, une plainte pénale a été déposée contre X. Lors de l'instruction, celui-ci a produit une facture à l'en-tête d'Aston, datée du 20 septembre 1996, aux termes de laquelle la société Dreyfus était invitée à payer les 483'000 US$ sur le compte d'I. SA auprès de l'UBS. Il a été constaté que X. avait produit ce document alors qu'il était conscient de sa fausseté, dans le but d'améliorer indûment sa situation d'inculpé; il n'a pas été établi qu'il était lui-même l'auteur du faux.
B.-
Par arrêt du 23 avril 1999, la Cour correctionnelle genevoise siégeant sans le concours du jury a condamné X., pour utilisation sans droit de valeurs patrimoniales (
art. 141bis CP
) et faux dans les titres (
art. 251 ch. 1 al. 3 CP
), à douze mois d'emprisonnement avec sursis durant cinq ans. Elle l'a en outre condamné à payer 483'000 US$ plus intérêts à Dreyfus.
Par arrêt du 31 mars 2000, la Cour de cassation genevoise a rejeté le recours formé par X.
C.-
Celui-ci se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt. Il conclut à l'annulation de la décision attaquée.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant se plaint d'une violation des
art. 1 et 141bis CP
. Dans la mesure où son argumentation revient à dire que les conditions d'application de l'
art. 141bis CP
ne sont pas données, l'invocation de l'
art. 1 CP
- selon lequel "nul ne peut être puni s'il n'a commis un acte expressément réprimé par la loi" - n'a pas de portée propre.
a) Aux termes de l'
art. 141bis CP
, "celui qui, sans droit, aura utilisé à son profit ou au profit d'un tiers des valeurs patrimoniales tombées en son pouvoir indépendamment de sa volonté sera, sur plainte, puni de l'emprisonnement ou de l'amende". En vigueur au 1er janvier 1995, cette disposition a été adoptée afin de rendre superflue
BGE 126 IV 209 S. 212
l'application par analogie de l'art. 141 aCP au détournement de créances (
ATF 121 IV 258
consid. 2a p. 259; à propos de l'application de l'art. 141 aCP au détournement de créances, cf.
ATF 116 IV 134
;
ATF 87 IV 115
).
b) Le recourant affirme d'abord que les valeurs patrimoniales ne sont pas tombées en son pouvoir "indépendamment de sa volonté"; selon lui, cet élément constitutif ne serait pas réalisé car il ne concernerait que le cas de celui qui reçoit des valeurs patrimoniales de manière totalement inattendue.
Les termes "indépendamment de sa volonté" visent en particulier, dans le domaine du trafic des paiements sans numéraire, le virement qui parvient à l'auteur par erreur, autrement dit, le paiement destiné à un autre compte (
ATF 126 IV 161
consid. 3c, p. 163; TRECHSEL, Kurzkommentar, 2ème éd., Zurich 1997, art. 141bis no 3; REHBERG/SCHMID, Strafrecht III, 7ème éd., Zurich 1997, p. 140; HANS WIPRÄCHTIGER, Entwicklungen im revidierten Vermögensstrafrecht, in PJA 1999 p. 382 no IV/4; MARCEL ALEXANDER NIGGLI, Urteilsanmerkung, in PJA 1998 p. 120). Cette erreur ne doit en outre pas avoir été délibérément provoquée par l'auteur (cf.
ATF 123 IV 125
consid. 2b p. 128).
Le recourant soutient qu'en vertu du contrat de vente du 2 septembre 1996 entre I. SA et Dreyfus, I. SA avait le droit de recevoir le prix de vente de 483'000 US$. Il occulte ainsi totalement que, postérieurement audit contrat, les parties se sont mises d'accord pour que le prix de vente soit payé directement par Dreyfus à Aston. A ce propos, l'autorité cantonale a retenu que, selon la réelle et commune intention des parties, Dreyfus devait verser les 483'000 US$ non pas à I. SA, mais directement à Aston. Elle a ainsi tranché une question de fait (
ATF 125 III 305
consid. 2b p. 308;
ATF 118 II 365
consid. 1 p. 366;
ATF 107 II 430
consid. 2 p. 433), que le recourant n'est pas recevable à mettre en cause dans un pourvoi en nullité. En outre, Dreyfus a tout de suite signalé au recourant qu'elle avait viré par erreur les 483'000 US$ sur le compte d'I. SA. Il résulte de ce qui précède que c'est contrairement à l'accord entre les parties et par erreur que le compte d'I. SA a été crédité. On se trouve donc typiquement dans un cas de figure visé par l'
art. 141bis CP
; le montant viré est tombé sous la maîtrise du recourant "indépendamment de sa volonté".
c) Le recourant affirme qu'il n'a pas sans droit utilisé à son profit ou au profit d'un tiers les 483'000 US$.
aa) Selon STRATENWERTH (Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, 5ème éd., Zurich 1995, § 14 no 15), il n'est pas aisé de définir
BGE 126 IV 209 S. 213
quelle utilisation de valeurs patrimoniales doit être considérée comme "sans droit". La formulation de l'
art. 141bis CP
est sur ce point similaire - elle est identique en allemand "unrechtmässig in seinem oder in eines andern Nutzen verwendet" - à celle de l'
art. 138 ch. 1 al. 2 CP
relatif à l'abus de confiance sur des valeurs patrimoniales confiées. Mais à la différence de l'abus de confiance, l'
art. 141bis CP
n'implique pas d'engagement particulier de l'auteur envers le lésé sur les valeurs patrimoniales. Chaque acte de disposition sur des valeurs patrimoniales ne saurait réaliser l'énoncé légal, notamment si un tel acte n'empêche pas l'auteur de satisfaire les prétentions en enrichissement illégitime du lésé par d'autres moyens ou plus tard. En conséquence, ne peut être qualifiée d'utilisation sans droit que le comportement qui vise à entraver complètement les prétentions du lésé.
Pour REHBERG/SCHMID (op. cit., p. 140/141), cet élément constitutif est réalisé, à l'instar de l'
art. 138 ch. 1 al. 2 CP
, lorsque l'auteur dispose du montant viré par erreur d'une manière qui démontre clairement que la demande en restitution du lésé est entravée. Il ne suffit donc pas que l'auteur laisse le montant viré par erreur sur son compte, sans informer la banque, respectivement la poste, ou le donneur d'ordre. Il en va différemment lorsque, comme à l'
ATF 87 IV 115
, le montant est tout de suite transféré en intégralité sur un autre compte et est ainsi rendu indisponible, ou lorsque, à l'exemple de l'
ATF 116 IV 134
, il est utilisé pour les besoins personnels de l'auteur, au-delà de ce que lui permettent ses avoirs réguliers.
GUNTHER ARZT (Vom Bargeld zum Buchgeld als Schutzobjekt im neuen Vermögensstrafrecht, recht 113/995 p. 136, ch. 3) est d'avis qu'une utilisation illicite ne peut être démontrée qu'à l'égard d'un auteur "pauvre", qui a utilisé le montant à des fins personnelles et qui ne peut plus rembourser le lésé. En revanche, une telle utilisation ne saurait être démontrée lorsqu'il reste sur le compte des fonds qui dépassent le montant viré par erreur; il en est de même si l'intégralité des avoirs est transférée sur un autre compte ou aussi longtemps que l'auteur est dans la possibilité de payer car, comme c'est le cas pour le refus de restituer une chose mobilière en violation d'un devoir contractuel (
ATF 115 IV 207
consid. 1b/aa p. 210/211), la protection assurée par le droit civil est suffisante. TRECHSEL (op. cit., art. 141bis no4) et REHBERG/SCHMID (op. cit., p. 141, note no 332) jugent cette approche selon la capacité financière de l'auteur trop restrictive, le premier relevant en particulier, en référence à l'
ATF 121 IV 23
consid. 1c p. 25 examinant l'application de l'
art. 138 CP
, que la
BGE 126 IV 209 S. 214
volonté d'utilisation sans droit peut aussi découler de dissimulations de l'auteur.
bb) La Cour de cassation cantonale a admis une utilisation illicite pour le motif que l'établissement des chèques à partir du montant versé par erreur transcrivait, à l'instar d'un transfert du montant sur un autre compte, la volonté du recourant de rendre plus difficile le recouvrement de la créance par le lésé.
En l'espèce, le recourant était conscient que le versement de Dreyfus du 2 octobre 1996, intervenu contrairement à l'accord entre les parties, était lié à une erreur de cette société, qui l'a d'ailleurs avisé de ce fait le jour-même. Il s'est empressé de donner des instructions à l'UBS de préparer, par le débit du compte, des chèques bancaires à concurrence du montant viré par erreur, qu'il a gardés par devers lui. Selon les constatations cantonales, il n'avait alors nullement à l'esprit d'éteindre par compensation une créance qu'il aurait eue envers Dreyfus. Il n'a pas non plus été constaté que l'établissement des chèques bancaires avait pour fonction de préserver les droits de Dreyfus sur le montant versé à tort et d'en favoriser la restitution; au contraire, la Cour correctionnelle a noté que le recourant avait caché lors de ses entretiens téléphoniques du 3 octobre 1996 avec le représentant de Dreyfus qu'il avait ou allait faire établir des chèques et qu'il avait par ailleurs indiqué à la police les avoir nantis en Ukraine. Enfin, il n'a pas été retenu qu'à la suite de l'établissement des chèques, le compte d'I. SA aurait encore disposé de fonds équivalant au montant viré par erreur.
Le recourant s'est ainsi procuré des papiers valeurs aisément négociables. Sous cet aspect, contrairement à ce qu'affirme celui-ci, il n'est donc pas indifférent qu'il ait fait établir des chèques bancaires en faisant débiter le compte ou laissé l'argent sur ce compte. En transformant en chèques bancaires le montant versé par erreur sans que le compte ne dispose encore de l'équivalent dudit montant à la suite de cette opération, le recourant a clairement concrétisé sa volonté d'entraver les droits de Dreyfus sur les 483'000 US$. Dans les circonstances d'espèce, faire établir des chèques et les garder par devers soi, c'est utiliser sans droit au sens de l'
art. 141bis CP
. Selon le recourant, l'autorité cantonale aurait omis de constater des éléments pertinents, à savoir que les chèques bancaires ont été libellés au nom d'I. SA et qu'il ne les a pas endossés; outre qu'un endossement de sa part n'était qu'une simple formalité, les faits invoqués n'influent pas sur le caractère illicite de l'utilisation, mais uniquement, le cas échéant, sur la personne à qui profite cette utilisation,
BGE 126 IV 209 S. 215
qui peut être l'auteur ou un tiers selon l'
art. 141bis CP
. Enfin, l'utilisation illicite étant réalisée au travers de l'établissement des chèques, il importe peu que, près d'un an après, le recourant en ait progressivement recrédité la contre-valeur sur le compte d'I. SA; au demeurant, la Cour correctionnelle a relevé que, malgré cela, les avoirs disponibles sur le compte n'avaient jamais atteint, et de loin, le montant versé par erreur.
d) Selon le recourant, c'est à tort que l'autorité cantonale a admis un dessein d'enrichissement illégitime.
Du point de vue subjectif, bien que ceci ne ressorte pas expressément de la formulation de l'
art. 141bis CP
, il faut que l'auteur ait agi dans un dessein d'enrichissement illégitime (cf. STRATENWERTH, op. cit., § 14 no 16; TRECHSEL, op. cit., art. 141bis no 5). L'auteur doit agir avec la conscience que les valeurs patrimoniales ne lui étaient pas destinées et vouloir les utiliser à son profit ou celui d'un tiers; le dessein d'enrichissement illégitime sera alors sans autre donné (cf. REHBERG/SCHMID, op. cit., p. 141). Le dessein est ce que l'auteur avait en vue; déterminer la volonté ou le dessein de l'auteur relève des constatations de fait qui lient la Cour de cassation (
ATF 125 IV 49
consid. 2d p. 56 et les arrêts cités). En conséquence, est seul recevable le moyen tiré d'une interprétation ou d'une application erronées de la notion d'enrichissement illégitime.
L'argumentation du recourant repose largement sur des faits non constatés ou qui s'écartent de ceux retenus, de sorte que, dans cette mesure, elle est irrecevable.
Pour nier son dessein d'enrichissement illégitime, le recourant invoque en particulier la compensation, affirmant être titulaire d'une créance de 78'000 US$, qui résulterait d'une mauvaise exécution contractuelle d'Aston. Cet argument s'écarte des constatations cantonales puisqu'il a été admis, d'une manière qui lie le Tribunal fédéral (
art. 277bis al. 1 PPF
[RS 312.0]), qu'au moment où le recourant a fait établir les chèques, il n'avait nullement l'intention de compenser. A noter au demeurant que le recourant n'oppose pas en compensation une créance d'un montant au moins égal à la valeur de ce qu'il s'est approprié de sorte que, même si l'autorité cantonale avait admis qu'il voulait compenser, un dessein d'enrichissement illégitime n'aurait le cas échéant pu être écarté qu'à concurrence de 78'000 US$, soit un montant nettement inférieur aux 483'000 US$ versés par erreur.
Le recourant prétend aussi qu'il avait en tout temps la possibilité de restituer le montant litigieux, ce qui, selon lui, est attesté tant par
BGE 126 IV 209 S. 216
le fait que les chèques ont ultérieurement été recrédités sur le compte d'I. SA auprès de l'UBS que par les propositions qu'il a formulées au cours de la procédure pénale. Il se prévaut ainsi de l'"Ersatzbereitschaft", par quoi on désigne l'état de l'auteur qui peut justifier d'avoir eu à tout moment la volonté et la possibilité de représenter l'équivalent des montants employés (
ATF 118 IV 32
consid. 2a p. 34). La pertinence de cette notion en l'espèce peut rester indécise car il n'a de toute façon pas été constaté, bien au contraire, que le recourant aurait eu la volonté de restituer le montant versé par erreur lorsqu'il a fait établir les chèques.
En l'espèce, le recourant savait que le versement de Dreyfus était dû à une erreur. Il a fait établir les chèques alors que son intention n'était ni de compenser ni de restituer le montant à Dreyfus. Au vu de tels faits, c'est sans violer le droit fédéral qu'un dessein d'enrichissement illégitime a été admis.
e) En définitive, tant sur le plan objectif que subjectif, l'application de l'
art. 141bis CP
ne viole pas le droit fédéral. En tant qu'il est dirigé contre cette disposition, le pourvoi est infondé dans la mesure où il est recevable. | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fcbffa0d-a900-439e-b7f9-4da06fe7ef46 | Urteilskopf
135 I 91
11. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public du canton de Vaud (recours en matière pénale)
6B_611/2008 du 5 décembre 2008 | Regeste
Unentgeltliche Rechtspflege im Strafverfahren;
Art. 29 Abs. 3 BV
,
Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK
.
Weder
Art. 29 Abs. 3 BV
noch
Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK
verpflichten den Staat, endgültig auf die Rückzahlung von Kostenvorschüssen zu verzichten, die dem Empfänger der unentgeltlichen Rechtspflege für die amtliche Verteidigung gewährt worden sind. Voraussetzungen, unter denen die letzte kantonale Instanz diese Kosten dem Empfänger der unentgeltlichen Rechtspflege auferlegen kann (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 92
BGE 135 I 91 S. 92
Par jugement du 27 février 2008, le Tribunal de police de l'arrondissement de Lausanne a condamné X. à la peine de cent-cinquante jours-amende à 40 francs l'un et à une amende de 1'500 francs, avec peine de substitution de trente-huit jours de privation de liberté, pour lésions corporelles simples qualifiées, violation simple des règles de la circulation routière, ivresse au volant et ivresse au volant qualifiée, conduite en état d'incapacité de conduire, tentative d'opposition ou dérobade aux mesures visant à déterminer l'incapacité de conduire, violation des devoirs en cas d'accident et contravention à la loi fédérale sur les stupéfiants.
Saisie d'un recours en réforme du condamné, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois l'a rejeté, par arrêt du 15 avril 2008. Les frais de deuxième instance, y compris l'indemnité allouée au défenseur d'office de l'intéressé, par 484 fr. 20, ont été mis à la charge de ce dernier.
X. interjette un recours en matière pénale contre cet arrêt. Il conclut à sa réforme en ce sens qu'il soit mis au bénéfice du sursis et que les frais de sa défense d'office, en première et en deuxième instances, soient laissés à la charge de l'Etat. Il requiert en outre le bénéfice de l'assistance judiciaire et la restitution de l'effet suspensif.
Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant conteste ensuite la mise à sa charge des frais de sa défense d'office en première et en seconde instances cantonales. Il soulève pour la première fois ces griefs devant le Tribunal fédéral.
BGE 135 I 91 S. 93
2.1
Le recours en matière pénale peut être interjeté pour violation du droit, tel qu'il est circonscrit par les
art. 95 et 96 LTF
, soit en particulier pour violation du droit fédéral (
art. 95 let. a LTF
). Dans ce cadre, le Tribunal fédéral applique le droit d'office (
art. 106 al. 1 LTF
). Il n'est pas lié par l'argumentation des parties et il apprécie librement la portée juridique des faits. Il ne peut cependant examiner l'argumentation juridique des parties que dans la mesure où elle porte sur un point qui constitue encore l'objet du litige en instance fédérale (
art. 99 al. 2 et
art. 107 al. 1 LTF
) et pour autant qu'elle repose sur des constatations de fait de la décision attaquée (
ATF 133 III 421
consid. 1.3 in fine). Il s'en tient par ailleurs, en général, aux questions juridiques que la partie recourante soulève conformément aux exigences légales relatives à la motivation du recours (
art. 42 al. 2 LTF
;
ATF 134 II 245
consid. 2).
Suivant le principe de l'épuisement préalable des instances cantonales qui découle de l'
art. 80 al. 1 LTF
, il n'examine, dans la règle, que les griefs constitutionnels qui, pouvant l'être, ont été présentés à l'autorité cantonale de dernière instance et les questions qui constituaient l'objet du litige devant l'autorité précédente; il s'ensuit que le grief invoqué pour la première fois devant le Tribunal fédéral ne doit pas se confondre avec l'arbitraire. Par ailleurs, le comportement du recourant ne doit pas être contraire à la règle de la bonne foi en vertu de laquelle celui qui ne soulève pas devant l'autorité de dernière instance cantonale un grief lié à la conduite de la procédure ne peut plus en principe le soulever devant le Tribunal fédéral. Cette juridiction ne contrôle pas non plus d'office le respect des droits fondamentaux (
art. 106 al. 2 LTF
).
2.2
En l'espèce, le recourant a emprunté, devant l'autorité de dernière instance cantonale, la voie du recours en réforme prévue par l'art. 410 du code de procédure pénale du canton de Vaud du 12 septembre 1967 (CPP/VD; RSV 312.01). Ce recours est ouvert, d'une part, pour fausse application des règles de fond, pénales ou civiles, applicables au jugement de la cause (
art. 415 al. 1 CPP
/VD) et, d'autre part, pour violation des règles de procédure concernant les frais et dépens, ainsi que le sort des objets séquestrés (
art. 415 al. 2 CPP
/VD). Conformément à l'
art. 425 al. 2 CPP
/VD, le mémoire de recours doit contenir notamment les conclusions en réforme ou en nullité (al. 2 let. b) ainsi que les motifs à l'appui des conclusions; ces motifs doivent indiquer succinctement quelles sont les irrégularités de procédure ou les violations de la loi alléguées et en quoi
BGE 135 I 91 S. 94
elles consistent (al. 2 let. c). La pratique cantonale a déduit de ces deux exigences que la recevabilité du recours en réforme supposait que la modification souhaitée et le motif invoqué à l'appui de cette modification ressortent suffisamment de l'acte, sans qu'il soit cependant indispensable d'y articuler expressément les conclusions et les moyens de réforme (BENOÎT BOVAY ET AL., Procédure pénale vaudoise, 3
e
éd. 2008, n° 8 ad
art. 425 CPP
/VD). Saisie d'un tel recours, la cour cantonale examine librement les questions de droit sans être limitée aux moyens que les parties invoquent. Elle ne peut cependant aller au-delà des conclusions du recourant (art. 447 al. 1 et 2 première phrase CPP/VD).
Il résulte de ce qui précède que si l'autorité cantonale applique, lorsqu'elle connaît d'un recours en réforme, le droit d'office, elle ne procède à cet examen que dans le cadre des conclusions prises par le recourant et dans la mesure où le recours est recevable eu égard aux exigences de forme minimales posées en relation avec les conclusions et les motifs invoqués à l'appui de ces dernières. On peut en déduire que les éléments du jugement que le recourant ne remet d'aucune façon en question dans ses écritures ne sont pas l'objet du recours en réforme cantonal. Cette conclusion s'impose tout au moins en ce qui concerne les moyens de droit que la loi de procédure cantonale distingue strictement, tenant, d'une part, à l'application du droit matériel et, d'autre part, à l'application des règles de procédure relatives aux frais et aux dépens (art. 415 al. 1 et 2 et
art. 425 al. 2 let
. c CPP/VD), en ce sens que faute de tout grief et de toute conclusion explicite sur la question des frais, la cour cantonale, saisie d'un recours portant sur la déclaration de culpabilité ou la peine, ne réexamine pas d'office la question des frais de procédure, à moins que l'issue du recours impose une nouvelle décision sur ce point.
2.3
En l'espèce, le recourant a conclu, devant l'autorité cantonale, à libération de l'une des infractions retenues à sa charge par le jugement de première instance ainsi qu'à la réduction de sa peine et à l'octroi du sursis. Le recourant n'a donc formulé aucune conclusion spécifique sur la question des frais de première instance, notamment le principe de la mise à sa charge des frais de sa défense d'office. Il n'a, non plus, développé aucune argumentation sur ce point dans son mémoire. Aussi la cour cantonale, tenue d'examiner d'office l'application du droit matériel en relation avec les griefs développés et les conclusions au moins implicites prises dans les écritures de
BGE 135 I 91 S. 95
recours n'était-elle, en revanche, pas tenue d'examiner d'office les questions de procédure concernant les frais et l'assistance judiciaire en première instance, en l'absence de toute conclusion et de toute motivation spécifique sur ce point.
Il s'ensuit que les griefs d'ordre constitutionnel soulevés par le recourant sur ce point sont irrecevables dans le recours en matière pénale.
2.4
Il convient, en revanche, d'examiner la question de l'indemnité du conseil d'office du recourant pour la procédure de seconde instance cantonale.
2.4.1
Aux termes du considérant 5 de l'arrêt cantonal, les frais d'arrêt, y compris l'indemnité allouée au défenseur d'office du recourant, ont été mis à la charge de ce dernier en application de l'
art. 450 al. 1 CPP
/VD. Conformément à cette disposition, si le recours est rejeté, et sauf le cas où il émane du Ministère public, les frais de seconde instance sont mis à la charge du recourant.
Le recourant soutient que la mise à sa charge de ces frais violerait son droit à l'assistance gratuite d'un avocat déduit des
art. 29 al. 3 Cst.
et 6 par. 3 let. c CEDH. Il relève que ces deux dispositions garantissent expressément la
gratuité
de l'assistance d'un avocat et soutient que cette garantie ne serait pas respectée par la mise à sa charge des frais de sa défense d'office au terme de la procédure.
2.4.2
Le droit à l'assistance judiciaire doit être examiné en premier lieu au regard des règles cantonales topiques, l'
art. 29 al. 3 Cst.
n'offrant qu'une garantie subsidiaire minimale.
2.4.2.1
Le canton de Vaud n'a pas édicté de législation spécifique sur l'assistance judiciaire en matière pénale, mais uniquement en matière civile (loi du 24 novembre 1981 sur l'assistance judiciaire en matière civile; RSV 173.81).
Le code de procédure pénale vaudois prévoit que le prévenu qui n'a pas choisi de défenseur et qui doit néanmoins être assisté est pourvu d'un défenseur d'office, qui reste en principe en fonction jusqu'à l'épuisement des instances cantonales (
art. 105 al. 1 et 2 CPP
/VD). Lorsque le prévenu établit son indigence, le défenseur d'office reçoit, à la charge de la caisse de l'Etat, l'indemnité prévue par le tarif des frais en matière judiciaire pénale, qui est portée sur la liste des frais prévue à l'article 156 (
art. 110 al. 1 et 2 CPP
/VD), cependant que le prévenu qui n'est pas indigent doit rémunérer son
BGE 135 I 91 S. 96
défenseur d'office à concurrence des honoraires normaux fixés par le président qui a désigné le défenseur d'office (
art. 111 al. 1 et 2 CPP
/VD). Lorsque le défenseur d'office n'obtient pas à l'amiable le règlement de cette indemnité, elle peut lui être allouée par la caisse de l'Etat et portée sur la liste de frais précitée. Dans l'hypothèse visée par l'
art. 111 CPP
/VD, cette indemnité peut être mise à la charge du prévenu, même s'il est libéré sans frais à sa charge (
art. 112 al. 1 et 2 CPP
/VD). Il s'ensuit que le droit cantonal pertinent ne fixe pas expressément les conditions auxquelles le bénéficiaire de l'assistance judiciaire en matière pénale peut être appelé à rembourser la caisse de l'Etat. Il ne précise pas, en particulier, si le recouvrement des frais portés sur la liste des frais du condamné indigent peut ou non être opéré nonobstant le maintien de la situation d'indigence. Pour le surplus, le recourant ne soutient pas que le droit cantonal lui offrirait une protection plus étendue que les règles constitutionnelle et conventionnelle qu'il invoque, si bien qu'il n'y a pas lieu d'approfondir la question sous cet angle (
art. 106 al. 2 LTF
).
2.4.2.2
Conformément à l'
art. 29 al. 3 Cst.
, toute personne qui ne dispose pas de ressources suffisantes a droit, à moins que sa cause paraisse dépourvue de toute chance de succès, à l'assistance judiciaire gratuite. Elle a en outre droit à l'assistance gratuite d'un défenseur, dans la mesure où la sauvegarde de ses droits le requiert. Selon la jurisprudence déduite de l'
art. 4 aCst.
, la garantie constitutionnelle n'incluait pas le droit du bénéficiaire à une prise en charge définitive par l'Etat des frais avancés. Les droits de procédure cantonaux pouvaient ainsi prévoir, sous certaines conditions, que le bénéficiaire perdait son droit à être assisté par l'Etat dans une procédure, ce droit étant subsidiaire à d'autres prétentions de l'intéressé, notamment celles découlant d'une obligation d'entretien (
ATF 119 Ia 11
consid. 3a et les références citées). L'autorité compétente pouvait également retirer l'assistance judiciaire lorsque, en cours de procédure, les conditions en ayant justifié l'octroi n'étaient plus réalisées. La restitution des montants avancés au titre de l'assistance judiciaire pouvait, par ailleurs, être exigée du bénéficiaire lorsque sa situation économique s'était améliorée dans une mesure suffisante (
ATF 122 I 5
consid. 4a p. 6). Cette jurisprudence conserve sa pertinence sous l'empire de l'
art. 29 al. 3 Cst.
, cette disposition ne faisant que reprendre les principes posés dans ce domaine par la jurisprudence antérieure et ne conférant pas plus de droits (
ATF 126 I 194
consid. 3a p. 196).
BGE 135 I 91 S. 97
2.4.2.3
Interprétée comme une garantie d'accès à la justice, la règle de l'
art. 29 al. 3 Cst.
ne permet pas de remettre en cause la mise à la charge du recourant des frais de sa défense d'office, comme il le souhaite. Le recourant a, en effet, bénéficié d'un avocat durant toute la procédure, y compris en seconde instance cantonale, et l'indemnisation de son conseil a été avancée par l'Etat. Le recourant n'a donc, d'aucune manière, été empêché d'accéder à la justice et d'exercer ses droits. Toutefois, dans le cas d'espèce, où le droit cantonal ne soumet à aucune condition la restitution des montants ainsi avancés, l'interprétation de la protection constitutionnelle en ce sens qu'elle ne déploierait aucun effet au-delà de la clôture de la procédure pour laquelle elle a été accordée, tiendrait insuffisamment compte de l'exigence jurisprudentielle selon laquelle la restitution des montants avancés au titre de l'assistance judiciaire peut être exigée du bénéficiaire
lorsque sa situation économique s'est améliorée dans une mesure suffisante
(
ATF 122 I 5
consid. 4a p. 6,
ATF 122 I 322
consid. 2c p. 324). Cela suppose qu'il soit en mesure de s'acquitter des frais concrètement mis à sa charge sans remettre en cause la couverture de ses besoins fondamentaux (cf.
ATF 128 I 232
consid. 2.5.1;
ATF 127 I 205
consid. 3b;
ATF 125 IV 164
consid. 4a; v. aussi infra consid. 2.4.3). La gratuité de l'assistance judiciaire consacrée par l'
art. 29 al. 3 Cst.
n'a, en revanche, pas la portée absolue que voudrait lui voir reconnaître le recourant.
2.4.2.4
L'
art. 6 par. 3 let
. c CEDH invoqué par le recourant n'offre pas une protection plus étendue. Cette disposition garantit à tout accusé le droit de se défendre lui-même ou d'avoir l'assistance d'un défenseur de son choix et, s'il n'a pas les moyens de rémunérer un défenseur, de pouvoir être assisté gratuitement par un avocat d'office, lorsque les intérêts de la justice l'exigent.
2.4.2.4.1
La Cour européenne des droits de l'homme n'a jamais tranché définitivement le point de savoir si le fait de mettre à la charge du condamné des frais de justice incluant le montant des indemnités versées à son conseil d'office, dont la désignation était justifiée par l'indigence de l'accusé, était ou non conforme à l'
art. 6 par. 3 let
. c CEDH. Elle a notamment laissé cette question ouverte dans l'arrêt
Luedicke, Belkacem et Koç contre Allemagne
du 28 novembre 1978 (série A vol. 29 § 44), qui avait trait à la gratuité des frais d'interprète, en soulignant cependant que l'interprétation de l'alinéa c de cette disposition était susceptible de susciter des doutes, que l'on ne pouvait cependant invoquer à l'encontre du sens clair de l'adverbe "gratuitement" à l'alinéa e.
BGE 135 I 91 S. 98
En 1982, la Commission européenne des droits de l'homme a, en revanche, jugé que la condition spécifique figurant à l'alinéa c de l'
art. 6 par. 3 CEDH
indiquait que, dans ce contexte, l'expression "gratuitement" n'était pas incompatible avec une exonération seulement temporaire des frais, autrement dit une exonération valable tant que l'accusé n'avait pas les moyens de faire face aux dépenses dues à son assistance par un avocat. L'expression "n'a pas les moyens de rémunérer" ne renvoyait pas seulement au moment où le tribunal décidait ou non d'accorder l'aide judiciaire gratuite, mais concernait également le moment où était tranchée la question de savoir si et dans quelle mesure le défendeur devait payer les dépens. Aussi n'était-il pas contraire à l'article 6 par. 3 let. c que l'accusé doive payer les frais de son avocat commis d'office après avoir été reconnu coupable, à moins qu'il n'en ait pas les moyens (décision de la Commission européenne des droits de l'homme du 6 mai 1982 sur la recevabilité de la requête N° 9365/81,
X. contre République fédérale d'Allemagne
, Décisions et Rapports 1982 vol. 28 p. 229).
Dans l'affaire
Croissant contre Allemagne
, la Cour européenne a, par ailleurs, souligné que contrairement à d'autres clauses de l'art. 6 par. 3 (p. ex. l'al. e), l'alinéa c ne consacre pas un droit de caractère absolu parce qu'il n'exige l'assistance gratuite d'un avocat d'office que si l'accusé "n'a pas les moyens de rémunérer un défenseur". Sans trancher expressément la question de savoir si l'art. 6 empêchait un Etat, en toute hypothèse, d'essayer de recouvrer les frais de l'assistance judiciaire gratuite octroyée à un accusé qui, à l'époque du procès, n'avait pas les moyens de les assumer, elle a jugé que l'on ne pouvait dire de manière générale que le système en vigueur en Allemagne atteignait au caractère équitable de la procédure et ne se concilierait pas avec l'
art. 6 CEDH
. Dans ce système, la désignation d'un avocat d'office intervient indépendamment de la situation financière de l'intéressé, qui doit en principe toujours régler le montant des honoraires et des frais de ses avocats commis d'office. Sa situation financière est, en revanche, prise en considération au stade de la procédure d'exécution qui suit le jugement définitif (arrêt de la CourEDH
Croissant contre Allemagne
du 25 septembre 1992, série A vol. 237 B § 33 ss).
2.4.2.4.2
Une partie des commentateurs de la CEDH a entendu déduire du premier arrêt cité qu'une solution similaire s'imposait pour les frais de la défense d'office (VELU/ERGEC, La Convention européenne des droits de l'Homme, 1990, ch. 609 p. 500 s.). Pour d'autres,
BGE 135 I 91 S. 99
qui se réfèrent à la décision de la Commission et aux considérants de l'arrêt
Croissant
, en revanche, la gratuité selon la let. c, contrairement à la let. e de l'
art. 6 par. 3 CEDH
, n'est pas définitive, mais dépend de l'indigence. Selon ces auteurs, il n'apparaît donc pas inéquitable de charger l'accusé condamné des frais de sa défense d'office lorsqu'il est en mesure de s'en acquitter. Une telle condamnation au paiement de ces frais suppose alors l'existence, au stade de l'exécution du jugement, de mesures de protection garantissant que le recouvrement de ces frais ne soit pas opéré tant que dure l'indigence (WOLFGANG PEUKERT, in: Europäische MenschenRechtsKonvention, EMRK-Kommentar, 2
e
éd. 1996, n° 199 ad
art. 6 CEDH
p. 309).
2.4.2.4.3
En ce qui concerne la Suisse en particulier, il convient de rappeler qu'elle avait initialement émis, lors du dépôt de l'instrument de ratification, une déclaration interprétative aux termes de laquelle "Le Conseil fédéral suisse déclare interpréter la garantie de la gratuité de l'assistance d'un avocat d'office et d'un interprète figurant à l'article 6, paragraphe 3, lettres c et e, de la Convention comme ne libérant pas définitivement le bénéficiaire du paiement des frais qui en résultent". Cette déclaration a cependant été retirée en l'an 2000, si bien qu'il n'est pas nécessaire d'en examiner en l'espèce la portée. Selon le Conseil fédéral (Message du 24 mars 1999 concernant le retrait des réserves et déclarations interprétatives de la Suisse à l'art. 6 de la Convention européenne des droits de l'homme, FF 1999 3350 ss, spéc. 3356 ch. 242), qui se référait aux jurisprudences
Luedicke et X. contre République fédérale d'Allemagne
précitées, la déclaration relative à l'assistance gratuite d'un avocat apparaissait superflue dans la mesure où elle portait sur le remboursement des frais d'assistance d'un avocat d'office, le par. 3 let. c ne dispensant pas définitivement du paiement des frais d'assistance d'un avocat d'office.
2.4.2.4.4
La doctrine suisse a longtemps examiné cette question à la lumière de la déclaration interprétative formulée par la Suisse en se concentrant sur la question de la validité et des effets de cette déclaration. Ces questions ne sont plus pertinentes aujourd'hui. La doctrine plus récente est, en revanche, majoritairement de l'avis que la mise à charge du condamné des frais de sa défense d'office n'est possible au regard de l'
art. 6 par. 3 let
. c CEDH que pour autant qu'il soit garanti que ces frais ne seront pas recouvrés tant que l'indigence persiste (v. en ce sens: NIKLAUS OBERHOLZER, Gerichts- und Parteikosten im Strafprozess, in Gerichtskosten, Parteikosten,
BGE 135 I 91 S. 100
Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, Schriften der Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter [SWR], vol. 3 2001, p. 43 et la note de bas de page 58; v. aussi STEFAN MEICHSSNER, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege [Art. 29 Abs. 3 BV], 2008, p. 179 s.; KÜNG/HAURI/BRUNNER, Handkommentar zur Zürcher Strafprozessordnung, 2005, § 12 n° 8; HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6
e
éd. 2005, § 40 n. 14 p. 163). Apparemment d'un avis contraire, SCHMID soutient que les frais de la défense d'office pourraient, à l'instar des autres frais, mais non des frais d'interprète, être mis à charge. Cet auteur, qui se réfère encore au texte de la déclaration interprétative, ne précise cependant pas à quelles conditions cette faculté pourrait être exercée et en particulier s'il en va de même des frais de la défense d'office accordée en raison de l'indigence de l'accusé (NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4
e
éd. 2004, § 66 n. 1201). Selon PIQUEREZ, c'est à l'Etat qu'incombe l'avance des frais de justice, y compris ceux de défense d'office, même si, s'agissant de ces derniers, l'Etat se réserve d'en réclamer le remboursement au prévenu en cas de retour à meilleure fortune ou en considérant les frais de défense d'office comme faisant partie des frais de justice, ce qui, aux yeux de cet auteur, est conforme à l'
art. 6 CEDH
, qui ne garantit pas une procédure judiciaire gratuite, mais seulement le droit à l'assistance gratuite d'un avocat d'office lorsque les intérêts de la justice l'exigent (GÉRARD PIQUEREZ, Traité de procédure pénale suisse, 2
e
éd. 2006, § 141 n. 1136). On ne voit cependant pas que le seul fait d'intégrer les indemnités versées au conseil d'office dans le décompte général des frais de la procédure mis à la charge du condamné puisse à lui seul justifier de faire abstraction de la condition liée à la situation économique de l'intéressé.
2.4.2.4.5
Il résulte de ce qui précède que le recourant ne peut pas non plus déduire de l'
art. 6 par. 3 let
. c CEDH un droit à être purement et simplement relevé des frais de sa défense d'office. Cette disposition ne lui offre dès lors pas une protection plus étendue que l'
art. 29 al. 3 Cst.
2.4.3
Il reste à examiner comment la garantie constitutionnelle, telle qu'elle a été circonscrite ci-dessus, doit être mise en oeuvre. A cet égard, on ne peut méconnaître que, dans le cadre d'une procédure d'exécution forcée exercée par l'Etat afin de recouvrer les montants avancés au titre de l'assistance judiciaire, le jugement pénal qui condamne au paiement des frais, respectivement des frais de la
BGE 135 I 91 S. 101
défense d'office, constitue un titre à la mainlevée définitive de l'opposition (
art. 373 CP
et
art. 80 al. 1 LP
), dont le juge compétent n'a ni à revoir ni à interpréter le contenu matériel (
ATF 124 III 501
consid. 3a p. 503;
ATF 113 III 6
consid. 1b p. 9 s.). On ne voit par ailleurs pas que le condamné puisse, dans une telle procédure, invoquer que sa situation matérielle ne se serait pas améliorée, un tel moyen n'entrant pas dans le cadre des exceptions énumérées limitativement par la loi (cf.
art. 81 al. 1 LP
). En outre, la notion de ressource suffisante au sens de l'
art. 29 al. 3 Cst.
ne se recoupe pas entièrement avec celle du minimum vital du droit des poursuites en ce sens qu'il n'y a pas lieu, dans l'examen du droit à l'assistance judiciaire, de se référer schématiquement aux normes du droit de l'exécution forcée mais de prendre en considération l'ensemble des circonstances individuelles du requérant (
ATF 124 I 1
consid. 2 p. 2). A cela s'ajoute que la constatation d'une atteinte au minimum vital du poursuivi à un stade ultérieur de l'exécution forcée conduit, en règle générale, à la délivrance d'un acte de défaut de bien, susceptible de déployer des conséquences négatives importantes pour le poursuivi. Dans ces conditions, les seules garanties offertes par le droit des poursuites (cf.
art. 92 et 93 LP
) n'apparaissent pas suffisantes au regard des exigences déduites par la jurisprudence des
art. 4 aCst.
et 29 al. 3 Cst.
En l'espèce, le chiffre III du dispositif de la décision entreprise met inconditionnellement à la charge du recourant l'indemnité allouée à son défenseur d'office par 484 fr. 20. Ainsi formulé, ce point du dispositif permettrait donc en principe d'entreprendre le recouvrement de ce montant par voie d'exécution forcée, cependant que la motivation de l'arrêt entrepris ne permet pas de déterminer pour quelles raisons le recourant ne pourrait plus invoquer en sa faveur la garantie constitutionnelle de l'
art. 29 al. 3 Cst.
On ignore en effet concrètement qu'elle était, à l'issue de cette procédure, sa situation économique. On ignore de même si la pratique des autorités cantonales offre des garanties que l'exécution forcée des frais ainsi mis à charge ne soit pas entreprise tant qu'il n'est pas établi que l'intéressé dispose des moyens nécessaires. Il convient donc d'annuler l'arrêt cantonal sur ce point - mais non en ce qui concerne les autres frais de la procédure - et de renvoyer la cause à l'autorité cantonale afin qu'elle examine à nouveau la question du sort de ces frais à l'aune des principes rappelés ci-dessus.
BGE 135 I 91 S. 102
Comme on l'a vu, la garantie constitutionnelle n'impose pas une renonciation définitive de l'Etat au remboursement des frais de la défense d'office et ne s'oppose donc ni à ce que le montant de ces frais soit fixé dans le dispositif de la décision ni à ce que celui-ci statue sur le principe de l'obligation du bénéficiaire de rembourser. Elle impose simplement que le remboursement ne puisse être poursuivi par voie d'exécution forcée aussi longtemps que la situation de l'intéressé ne le permet pas. Il s'ensuit que si la cour cantonale entend maintenir une condamnation
inconditionnelle
au paiement de ces frais, il lui incombera d'exposer les raisons justifiant de retirer au recourant le bénéfice de l'assistance judiciaire ou d'expliquer quelles garanties offertes par le droit cantonal permettraient d'exclure que le recouvrement soit effectivement entrepris malgré cette condamnation inconditionnelle aussi longtemps que la situation économique du recourant ne s'est pas améliorée. Hors de ces hypothèses, la cour cantonale examinera s'il y a lieu de renoncer purement et simplement à ces frais ou de soumettre l'obligation de rembourser statuée dans le dispositif à une condition (cf., p. ex.,
art. 64 al. 4 LTF
). | public_law | nan | fr | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fcc03803-bc88-490e-8566-10a5539ee0f3 | Urteilskopf
89 IV 140
28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Juli 1963 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zug gegen Stäubli. | Regeste
Art. 25 Abs. 1 MFG, 36 Abs. 4 SVG.
Sorgfaltspflichten des Führers, der ein abgestelltes Motorfahrzeug in den Strassenverkehr einfügen will. Der sorgfältig einbiegende Führer eines Lastzuges darf erwarten, dass herannahende Vortrittsberechtigte auf sein Einbiegemanöver, wenn es frühzeitig genug erkennbar ist, Rücksicht nehmen. | Sachverhalt
ab Seite 141
BGE 89 IV 140 S. 141
A.-
Stäubli beabsichtigte am 15. Dezember 1961, gegen 16.50 Uhr, mit einem rund 13,5 m langen Lastzug von dem neben dem Restaurant Kollermühle gelegenen Parkplatz über das vorgelagerte Trottoir in die 7 m breite Kantonsstrasse Zug-Cham einzubiegen, um auf dieser nach links Richtung Zug wegzufahren. Es herrschte regnerisches Wetter, die Strasse war nass, und es begann zu dämmern. Stäubli machte während der Ausfahrt auf dem Trottoir einen Sicherheitshalt, hiess seinen Mitfahrer aussteigen, um links neben der Führerkabine des rechtsgesteuerten Lastwagens vom Trottoir aus zu beobachten, ob in Richtung Zug die auf 150 m überblickbare Strasse, die dort eine langgezogene Linksbiegung beschreibt, frei sei. Da dies zutraf, setzte er den Lastwagen in Bewegung und bog langsam in die Strasse ein, währenddessen der Mitfahrer wieder die Kabine bestieg. Dieser hatte gerade Platz genommen, als von Zug her ein Personenauto auftauchte, das nach den Angaben seines Führers Zeberle eine Geschwindigkeit von 80 km/Std hatte. Obschon Stäubli sofort beschleunigt haben will und Zeberle bremste und nach rechts auf den Vorplatz des Restaurants auszuweichen versuchte, wurde der linke rückwärtige Teil des Personenautos gegen den auf dem Trottoir befindlichen Einachsanhänger des Lastzuges geschleudert, dessen Spitze in diesem Augenblick in der Mitte der gegenüberliegenden Strassenhälfte angelangt war. An beiden Fahrzeugen entstand Sachschaden.
B.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug erhob gegen Zeberle und Stäubli Anklage wegen fahrlässiger
BGE 89 IV 140 S. 142
Störung des öffentlichen Verkehrs (
Art. 237 Ziff. 2 StGB
) und beantragte, beide Angeklagten zu einer Busse von je Fr. 30.- zu verurteilen.
Das Strafgericht des Kantons Zug folgte diesem Antrag mit bezug auf den Angeklagten Zeberle, dem es vorwarf, er sei entweder mit einer Geschwindigkeit von weit über 80 km/Std, d.h. zu rasch gefahren oder aber unaufmerksam gewesen, da er rechtzeitig hätte anhalten können. Den Angeklagten Stäubli sprach es dagegen am 14. November 1962 frei.
C.-
Die Staatsanwaltschaft von Zug führt Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragt, das freisprechende Urteil aufzuheben und die Sache zur Bestrafung Stäublis wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
(Prozessuales).
2.
Nach ständiger Rechtsprechung obliegt dem Führer, der ein parkiertes oder sonstwie abgestelltes Motorfahrzeug in den Verkehr einfügen will, eine erhöhte Vorsichts- und Sorgfaltspflicht. Er hat allen auf der Strasse verkehrenden Fahrzeugen, ob sie von rechts oder links kommen, den Vortritt einzuräumen und muss daher die nach den Umständen geeigneten Massnahmen treffen, um zu verhindern, dass herannahende Strassenbenützer durch sein Einbiegemanöver behindert oder gar gefährdet werden (
BGE 83 IV 33
, 90,
BGE 84 IV 109
; ebenso
Art. 36 Abs. 4 SVG
). Bei der heutigen Verkehrsdichte und namentlich bei der Einfahrt in eine Strasse, auf der mit grösseren Geschwindigkeiten gefahren werden darf, genügt im allgemeinen nicht, dass bloss unmittelbar vor dem Anfahren beobachtet wird, ob die Strasse frei sei, sondern die Beobachtung muss auch noch während des Einbiegens fortgesetzt werden, damit vor einem überraschend auftauchenden Vortrittsberechtigten noch angehalten oder ihm durch rasche Beschleunigung die ungestörte Weiterfahrt
BGE 89 IV 140 S. 143
ermöglicht werden kann. Wo die Sicht auf die Strasse verdeckt ist, darf der Einbiegende zunächst nur soweit in die Fahrbahn eindringen, dass ein herannahender Fahrzeugführer ihn aus angemessener Entfernung sehen und seine Annäherung anzeigen kann; nachher hat er an der Fahrbahnstelle, wo er selber die Strasse nach beiden Seiten überblicken kann, erneut anzuhalten, um zu prüfen, ob er die Einfahrt ohne Behinderung des Verkehrs fortsetzen könne oder ob er allenfalls zurückweichen müsse (
BGE 83 IV 91
,
BGE 84 IV 112
). Unter Umständen ist der Führer eines Fahrzeuges, das zum Einbiegen geraume Zeit braucht, gehalten, Warnposten aufzustellen, um herannahende Fahrzeuge rechtzeitig auf das Hindernis aufmerksam zu machen oder aufzuhalten. Diese Massnahme kann sich aus der Pflicht zu gesteigerter Sorgfalt ergeben (
BGE 64 I 358
, Urteile des Kassationshofes vom 9. Oktober 1959 i.S. Schmid und vom 8. November 1961 i.S. Volpi). Die seit 1. Januar 1963 in Kraft stehende Verordnung über die Strassenverkehrsregeln bestimmt ausdrücklich, dass wenn nötig eine Hilfsperson das Fahrmanöver zu überwachen habe (
Art. 15 Abs. 3 VRV
).
3.
Der vom Parkplatz in die Kantonsstrasse einbiegende Lastzug des Beschwerdegegners hat Zeberle die Fahrbahn abgeschnitten und dadurch verunmöglicht, dass dieser die Fahrt ungestört fortsetzen konnte. Dessen Vortrittsrecht wurde damit objektiv verletzt. Fragen kann sich nur, ob der Beschwerdegegner schuldhaft handelte.
a) Unaufmerksamkeit oder mangelhafte Beobachtung kann ihm nicht vorgeworfen werden. Stäubli hat vor der Einfahrt einen Sicherheitshalt eingeschaltet und ist erst in die Strasse eingebogen, nachdem er festgestellt hatte, dass sie, soweit sie überblickt werden konnte, frei war. Es kann auch nicht gesagt werden, er habe während des Einbiegens den herannahenden Wagen nicht oder zu spät bemerkt und sei deshalb nicht imstande gewesen, die neue Verkehrslage rechtzeitig zu erkennen und sich darauf einzustellen. Er hat vielmehr beim Auftauchen des Vortrittsberechtigten
BGE 89 IV 140 S. 144
sofort den Entschluss gefasst, sein Fahrzeug zu beschleunigen, und ihn in der Annahme ausgeführt, es werde ihm gelingen, den Lastzug soweit vorzuziehen, dass Zeberle, ohne seine Fahrbahn verlassen zu müssen, hinter dem Anhänger durchfahren könne. Dies wäre Zeberle auch möglich gewesen, wenn er nicht unaufmerksam gewesen wäre, sondern seine Geschwindigkeit von 80 km/Std rechtzeitig vermindert hätte, denn bei der Sichtweite von 150 m hätte er sogar anhalten können, selbst dann, wenn seine Geschwindigkeit erheblich grösser gewesen sein sollte (Anhaltestrecke bei 110 km/Std und einer mittleren Bremsverzögerung von 6 m/sek2 = 108,3 m). Seine tatsächliche Fahrweise, die ihn ausserstande setzte, den Zusammenstoss mit dem Anhänger des Lastzuges zu verhindern, obschon der rechts an das Trottoir angrenzende Vorplatz zum Ausweichen offen stand, lässt darauf schliessen, dass sich ein Unfall voraussichtlich auch dann ereignet hätte, wenn Stäubli statt zu beschleunigen sofort angehalten hätte; denn aller Wahrscheinlichkeit nach wäre Zeberle bei seiner verspäteten Reaktion und seiner hohen Geschwindigkeit nicht mehr in der Lage gewesen, auf verhältnismässig kurzer Strecke von der rechten auf die linke Fahrbahn zu wechseln und unbehelligt vor dem Lastwagen, der ungefähr in der Strassenmitte gestanden wäre, vorbeizukommen. Hievon abgesehen hätte ein Halt in der Strassenmitte die Zeit, während der die dem Verkehr von Zug vorbehaltene Fahrbahn versperrt wurde, nur noch verlängert und dadurch die Gefahr weiterer Unfälle hervorrufen können. Aus dem gleichen Grunde und weil ein grösseres Strassenstück eingesehen werden konnte, drängte sich auch nicht auf, noch langsamer in die Strasse einzubiegen, als es der Beschwerdegegner wegen der Schwerfälligkeit des Lastzuges ohnehin tun musste.
b) Stäubli hat seine Sorgfaltspflicht auch nicht dadurch verletzt, dass er seinen Beifahrer nicht auf das gegenüberliegende Trottoir schickte, um von dort aus die Verkehrslage zu beobachten. Diese Massnahme wäre geboten
BGE 89 IV 140 S. 145
gewesen, wenn der Beschwerdegegner selber keine Beobachtungsmöglichkeit gehabt hätte oder seine Sicht vom Führersitz aus beschränkt gewesen wäre. Das traf jedoch nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz nicht zu. Aus Zug kommende Fahrzeuge hätten übrigens von der andern Strassenseite aus nicht merklich früher wahrgenommen werden können, da die Linksbiegung der Strasse langgezogen ist und überdies über eine Kuppe führt.
c) Die Staatsanwaltschaft sieht ein Verschulden des Beschwerdegegners auch darin, dass er in die Strasse eingefahren sei, ohne die Gewissheit zu haben, dass durch sein Einschwenkmanöver kein vortrittsberechtigtes Fahrzeug an der ungestörten Weiterfahrt behindert werde; denn er habe wissen können, dass er für die Überquerung der Strasse mindestens 9 Sekunden brauche, und mit andern Fahrzeugen rechnen müssen, die mit 80 km/Std fahren und die überblickbare Strecke von 150 m in weniger als 7 Sekunden zurücklegen.
Diese Auffassung verkennt, dass das Vortrittsrecht den Berechtigten nicht von jeder Pflicht den wartepflichtigen Strassenbenützern gegenüber entbindet. Diese haben zwar besonders vorsichtig zu sein und sind in erster Linie verpflichtet, jede Gefährdung des Strassenverkehrs zu vermeiden (vgl.
BGE 83 IV 34
Erw. 1), aber die Verantwortung für die mit der Einfahrt verbundenen Gefahren lastet nicht ausschliesslich auf ihnen. Auch der Vortrittsberechtigte untersteht der allgemeinen Sorgfaltspflicht, hat daher auf die übrigen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen und darf nicht auf Kosten der Verkehrssicherheit sich blindlings auf sein Vortrittsrecht verlassen (
BGE 77 IV 221
,
BGE 79 II 216
,
BGE 81 IV 137
/8,
BGE 83 IV 87
, 171,
BGE 84 IV 58
Erw. 2,
BGE 89 IV 100
). Auf besondere Rücksichtnahme ist aber der Führer eines schwerfälligen und langsam beweglichen Lastzuges, der zum Einbiegen aus einem Grundstück, Abstellplatz oder dergleichen in eine öffentliche Strasse notwendigerweise verhältnismässig lange Zeit braucht, angewiesen. Er darf deshalb erwarten, dass Vortrittsberechtigte ihm
BGE 89 IV 140 S. 146
die Einfahrt oder Überquerung der Strasse nicht verunmöglichen oder über Gebühr erschweren, sondern wenn nötig ihre Fahrt verlangsamen oder sogar anhalten, vorausgesetzt, dass er seinerseits den nach den Umständen erforderlichen Sorgfaltspflichten nachkommt und dass das beabsichtigte oder begonnene Einbiegemanöver für herannahende Vortrittsberechtigte frühzeitig genug erkennbar ist, sei es durch Warnposten oder Zeichengebung, sei es dadurch, dass das einbiegende Fahrzeug aus genügend grosser Entfernung gesehen werden kann. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall, wie dargelegt, erfüllt. Insbesondere genügte die Sichtweite von 150 m bei den Geschwindigkeiten, mit denen auf der Kantonsstrasse zu rechnen war, um sich rechtzeitig auf die Behinderung durch den einbiegenden Lastzug einrichten zu können. Der Beschwerdegegner durfte daher trotz der Ungewissheit, ob er vor dem Herannahen eines Fahrzeuges das Einbiegen auf die andere Fahrbahn werde beendigen können, in die Kantonsstrasse einfahren und im Augenblick, als Zeberle auftauchte, darauf vertrauen, dieser werde auf ihn Rücksicht nehmen und durch Verminderung seiner Geschwindigkeit die Fortsetzung der Überquerung der Strasse ermöglichen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fcc4cdb4-f922-4e2c-bd83-83dd2534f857 | Urteilskopf
102 II 136
22. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. August 1976 i.S. Hirsch gegen Cohen. | Regeste
Unterstellung der Erbfolge unter das Recht des Heimatstaates (
Art. 22 Abs. 2 und
Art. 32 NAG
); Pflichtteilsrecht (Art. 470 f. ZGB).
1. Rechtsmissbräuchliche Unterstellung der Erbfolge unter das Heimatrecht? (Erw. 3).
2. Das Pflichtteilsrecht nach Art. 470 f. ZGB hat nicht Ordre public-Charakter (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 136
BGE 102 II 136 S. 136
A.-
Am 20. Juni 1973 starb in Zürich der britische Staatsangehörige Albert Cohen (nachfolgend als Erblasser bezeichnet). Er war 1886 in Deutschland geboren worden und im Jahre 1936 nach Grossbritannien ausgewandert, weil er sich wegen seiner jüdischen Abstammung in Deutschland gefährdet fühlte. An seinem neuen Wohnort entfaltete er während vielen Jahren eine rege geschäftliche Tätigkeit. Im Jahre 1947 erwarb er die britische Staatsangehörigkeit. Nachdem er sich aus dem Berufsleben zurückgezogen hatte, übersiedelte er 1953 in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod wohnte. Er war in zweiter Ehe mit Elisabeth Bahr verheiratet. Als einziges Kind hinterliess er eine Tochter aus erster Ehe, Evelyn Hirsch-Leapman, die in Genf lebt.
Am 5. März 1970 hatte der Erblasser in Zürich eine öffentliche letztwillige Verfügung errichtet und darin seinen Nachlass dem englischen Recht unterstellt; die Nachlassverwaltung und die Abwicklung des Erbganges sollten sich hingegen nach schweizerischem Recht richten. In materieller Hinsicht setzte
BGE 102 II 136 S. 137
der Erblasser seine zweite Ehefrau als Alleinerbin ein, sofern diese ihn um mindestens einen Monat überlebe. Im übrigen erklärte er in seinem Testament, dass er seit dem 27. September 1953 in der Schweiz wohne und seinen englischen Wohnsitz aufgegeben habe, dass er beabsichtige, in der Schweiz zu leben und zu sterben, dieses Land als seine dauernde Heimat betrachte und nicht die Absicht habe, sich jemals wieder in Grossbritannien oder Nordirland dauernd niederzulassen.
B.-
Knapp vor Ablauf eines Jahres seit Eröffnung des Testaments reichte die Tochter des Erblassers gegen dessen zweite Ehefrau beim Bezirksgericht Zürich Klage ein. Sie beantragte, es sei festzustellen, dass sie rechtmässige Erbin des Erblassers sei, und es sei das Testament vom 5. März 1970 als ungültig zu erklären; eventuell habe das Gericht ihren Pflichtteil zu ermitteln und die Begünstigung der Beklagten entsprechend herabzusetzen.
Mit Urteil vom 14. November 1975 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab.
C.-
Die Klägerin erhob hiegegen Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Entscheid vom 1. März 1976 wies dieses das Rechtsmittel ab und bestätigte das bezirksgerichtliche Urteil. Das Obergericht ging in Übereinstimmung mit der ersten Instanz davon aus, dass das vom Erblasser als anwendbar erklärte englische Recht uneingeschränkte Testierfreiheit gewähre und keinen Pflichtteilsschutz kenne. Es verneinte im übrigen, dass die Unterstellung des Erbganges unter das Heimatrecht des Erblassers rechtsmissbräuchlich und das Testament demzufolge ungültig sei. Ebenso lehnte es die von der Klägerin vertretene Auffassung ab, das Fehlen eines Pflichtteilsschutzes im englischen Recht verstosse gegen den schweizerischen Ordre public.
D.-
Die Klägerin hat gegen das obergerichtliche Urteil Berufung an das Bundesgericht erhoben. Sie stellt darin sinngemäss den Antrag, es sei ihr am väterlichen Nachlass ein Pflichtteilsanspruch gemäss schweizerischem Recht zuzusprechen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Zur Begründung des Vorwurfs, das englische Recht sei missbräuchlich gewählt worden, macht die Klägerin geltend,
BGE 102 II 136 S. 138
der Erblasser habe seit mehr als zwanzig Jahren in der Schweiz gewohnt und sei hier völlig heimisch gewesen. Die im schweizerischen Recht vorgesehene Möglichkeit der Unterstellung der Erbfolge unter das Heimatrecht sei auf Ausländer zugeschnitten, die ungeachtet ihres Wohnsitzes in der Schweiz echte Beziehungen zum Heimatstaat aufrecht erhielten. Diese Voraussetzung treffe im Falle des Erblassers nicht zu, denn dieser habe ausser seinem englischen Pass keinerlei Verbindung mit Grossbritannien mehr gehabt; er habe vielmehr so gelebt, wie wenn er Schweizer geworden wäre. Der Erblasser habe das englische Recht somit nicht etwa deshalb als anwendbar erklärt, weil er mit der schweizerischen Rechtsordnung nicht genügend vertraut gewesen wäre, sondern einzig und allein zu dem Zweck, sie, die Klägerin, um ihr Erbrecht zu bringen. Sein Verhalten verstosse unter diesen Umständen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
a)
Art. 22 Abs. 2 NAG
ermöglicht in Verbindung mit
Art. 32 NAG
den in der Schweiz wohnhaften Ausländern, ihre Erbfolge durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag dem Heimatrecht zu unterstellen. Es bedarf hiefür keiner anderen Voraussetzung als der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass der das Wahlrecht ausübende Ausländer Verbindungen mit seinem Heimatstaat aufrecht erhalten hat. Ein solches Erfordernis wäre übrigens ausserordentlich schwer zu überprüfen und mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht vereinbar. Für eine einschränkende Auslegung von
Art. 22 Abs. 2 NAG
, zu welcher die von der Klägerin vertretene Auffassung führen würde, ist somit kein Platz. Auch wenn der Erblasser zu seinem Heimatstaat keinerlei Beziehungen mehr unterhalten haben sollte, wie in der Berufungsschrift geltend gemacht wird, könnte die Unterstellung der Erbfolge unter das englische Recht daher nicht als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden.
b) Auf Grund der unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zum Leben des Erblassers in Grossbritannien, die für das Bundesgericht verbindlich sind, kann im übrigen auch keine Rede davon sein, dass dieser die britische Staatsangehörigkeit nur deshalb erworben oder beibehalten hätte, um über die grosse Testierfreiheit verfügen zu können, die das englische Recht gewährt. Rechtsmissbrauch liegt somit
BGE 102 II 136 S. 139
auch aus dieser Sicht nicht vor. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung lässt es
Art. 22 Abs. 2 NAG
durchaus zu, dass ein in der Schweiz wohnhafter Ausländer das Erbrecht seines Heimatstaates ausschliesslich deshalb als anwendbar erklärt, weil er in den Genuss einer möglichst grossen Verfügungsfreiheit gelangen will.
c) Die Klägerin hat auch nicht etwa geltend gemacht, dass der Erblasser in ihr das Vertrauen erweckt habe, sie werde einmal den ihr nach schweizerischem Recht zustehenden Pflichtteil erhalten. Ein Verstoss gegen berechtigtes Vertrauen, der allenfalls eine Verletzung von
Art. 2 ZGB
darstellen könnte (vgl. MERZ, N. 431 ff. zu
Art. 2 ZGB
), fällt somit ausser Betracht. Die Angehörigen eines in der Schweiz wohnhaften Ausländers müssen grundsätzlich damit rechnen, dass dieser von der Möglichkeit der Unterstellung der Erbfolge unter sein Heimatrecht Gebrauch macht.
d) Wenn die Klägerin darin, dass der Erblasser trotz der Unterstellung der Erbfolge unter das englische Recht für die Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses dann doch die Anwendung des schweizerischen Rechts vorbehalten hat, ein widersprüchliches Verhalten erblickt, so übersieht sie, dass die Unterstellung unter das Heimatrecht gemäss
Art. 22 Abs. 2 NAG
die formelle Nachlassbehandlung auch ohne entsprechende Anordnung des Erblassers nicht berührt (so STAUFFER, Praxis zum NAG, Anm. 11 zu Art. 22 und Anm. 1 zu
Art. 23 NAG
; HOTZ, Die Rechtswahl im Erbrecht, Zürch. Diss. 1969, S. 44 ff.; VISCHER, Internationales Privatrecht, in Schweizerisches Privatrecht, I. Bd., S. 641;
BGE 32 I 489
; VPB 1974, Heft 38/II, Nr. 42, S. 28).
e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Vorwurf, der Erblasser habe ein ihm zustehendes Recht missbraucht, indem er die Erbfolge dem englischen Recht unterstellt und dadurch den schweizerischen Pflichtteilsschutz umgangen habe, unbegründet ist.
4.
Die andere Rüge richtet sich gegen die vorinstanzliche Auffassung, das Ausschalten des in den Art. 470 f. ZGB zugunsten der Nachkommen vorbehaltenen Pflichtteilsrechtes verstosse nicht gegen den schweizerischen Ordre public. Die Klägerin macht geltend, es sei mit den Grundsätzen und dem Geist des schweizerischen Rechts nicht vereinbar, dass das Nachlassvermögen den Nachkommen des Erblassers völlig
BGE 102 II 136 S. 140
entzogen werden könne. Dies müsse in einem Fall wie dem vorliegenden umso mehr gelten, als sie, die Klägerin, Schweizerin und Mutter von drei schweizerischen Kindern sei, während die Beklagte, an welche das ganze Nachlassvermögen laut Testament fallen solle, Ausländerin sei und keine eigenen Kinder habe.
Das Bundesgericht hatte bisher noch nie Gelegenheit, die Frage, inwiefern dem schweizerischen Pflichtteilsrecht Ordre public-Charakter zukomme, eingehender zu prüfen. Einzig in
BGE 72 III 104
E. 2 nahm es dazu Stellung, ob in der Berechnung der Pflichtteilsansprüche von Nachkommen eines deutschen Erblassers nach den Grundsätzen des deutschen Rechts ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz zu erblicken sei. Es verneinte diese Frage, indem es darauf hinwies, dass die schweizerische Rechtsordnung durch die Erbrechtsverhältnisse der Parteien überhaupt nicht berührt werde. Die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte hatte sich nämlich dort lediglich daraus ergeben, dass in der Schweiz gelegenes Vermögen des in Deutschland wohnhaft gewesenen deutschen Erblassers mit Arrest belegt worden war; keine der Prozessparteien hatte ihren Wohnsitz in der Schweiz. Im Unterschied zu jenem Fall ist der hier zu beurteilende Sachverhalt eng mit der Schweiz verknüpft, da nicht nur der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der Schweiz hatte, sondern auch beide Prozessparteien hier wohnen (vgl. zur Frage der sog. Binnenbeziehung: NIEDERER, Einführung in die allgemeinen Lehren des internationalen Privatrechts, 3. Aufl., S. 296/297). Die Frage, ob die vom Erblasser getroffene Lösung mit dem schweizerischen Ordre public vereinbar sei, muss deshalb näher geprüft werden.
a) Wenn
Art. 22 Abs. 2 NAG
in Verbindung mit
Art. 32 NAG
einem in der Schweiz wohnhaften Ausländer gestattet, die Erbfolge in seinen Nachlass dem Recht seines Heimatstaates zu unterstellen, werden durch eine solche Rechtswahl nicht nur die dispositiven Bestimmungen des schweizerischen Erbrechts wegbedungen (bezüglich dieser wäre die Möglichkeit einer Rechtswahl gar nicht erforderlich), sondern grundsätzlich auch die Vorschriften zwingender Natur. Soll aber die Unterstellung der Erbfolge unter das Heimatrecht überhaupt einen Sinn haben, so darf die Anwendung des massgebenden ausländischen Rechts nicht durch Berufung auf den inländischen
BGE 102 II 136 S. 141
Ordre public weitgehend wirkungslos gemacht werden. Dies wäre indessen der Fall, wenn dem schweizerischen Pflichtteilsrecht Ordre public-Charakter beigemessen würde. Die Erbfolge-Ordnung des Heimatrechts des ausländischen Erblassers wäre dann nämlich regelmässig dort nicht uneingeschränkt anwendbar, wo ein nach schweizerischem Recht pflichtteilsgeschützter Erbe nicht mindestens soviel erhalten würde, wie seinem (schweizerischen) Pflichtteil entspräche. Es liesse sich freilich denken, eine Verletzung des schweizerischen Ordre public erst dann zu bejahen, wenn ein pflichtteilsberechtigter Erbe völlig leer ausgeht. Auch dies ist indessen abzulehnen, würde es doch in diesem Fall für die uneingeschränkte Beachtung des ausländischen Rechts genügen, dass der geschützte Erbe auch nur einen kleinen Bruchteil des Schweizerischen Pflichtteils erhielte. Ebensowenig kann schliesslich eine Zwischenlösung in Betracht fallen, da sich bei ihr die Schwierigkeit böte, die Grenze festzulegen, jenseits welcher der vom fremden Recht gewährte Pflichtteilsschutz als quantitativ zu gering und daher mit dem Ordre public unvereinbar zu werten wäre. Eine rechtlich befriedigende, der Rechtssicherheit Rechnung tragende Ordnung lässt sich vielmehr nur dann verwirklichen, wenn die Frage nach dem Bestand und dem Umfang allfälliger Pflichtteilsansprüche ausschliesslich dem massgebenden ausländischen Recht überlassen bleibt.
Die Auffassung, dass das gestützt auf
Art. 22 Abs. 2 NAG
gewählte Heimatrecht nicht nur für die Bestimmung der Erben und der Erbquoten, sondern ebenfalls bezüglich der Frage des Pflichtteilsschutzes Anwendung finden muss, entspricht übrigens auch jener der herrschenden Lehre (vgl. STAUFFER, a.a.O. Anm. 11 zu
Art. 22 NAG
; VISCHER, a.a.O. S. 641 sub Ziff. II/2; VISCHER, Die erbrechtliche professio iuris und der schweizerisch-amerikanische Staatsvertrag von 1850, in Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht 22/1965, S. 52 und 71; SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 4. Aufl., II. Bd., S. 513; MAX PETITPIERRE, Le droit applicable à la succession des étrangers domiciliés en Suisse, in Recueil de travaux offert par la Faculté de droit de l'Université de Neuchâtel à la Société suisse des juristes, 1929, S. 255; ANLIKER, Die erbrechtlichen Verhältnisse der Schweizer im Ausland und der Ausländer in der Schweiz,
BGE 102 II 136 S. 142
S. 231; HOTZ, a.a.O. S. 63, 111 und 122; FRAEFEL, Die Durchführung der anglo-amerikanischen "administration" im Bereich des schweizerischen Rechts, Freiburger Diss. 1966, S. 71 f.; FERID-FIRSCHING, Internationales Erbrecht, Schweiz, Grdz. C III S. 13 f.).
b) Der hier vertretenen Ansicht kann auch nicht entgegengehalten werden, das Bundesgericht habe in zwei älteren Entscheiden die Unterstützungspflicht zwischen Blutsverwandten gemäss Art. 328/329 ZGB als zur öffentlichen Ordnung gehörig bezeichnet (so
BGE 39 II 20
;
BGE 59 II 415
/416). Abgesehen davon, dass die Unterstützungspflicht mit dem Tode des Pflichtigen dahinfällt und nicht einfach durch den erbrechtlichen Pflichtteilsschutz abgelöst wird, steht einer Ausdehnung des Ordre public auf das Pflichtteilsrecht die Vorschrift des
Art. 22 Abs. 2 NAG
entgegen. Diese lässt eine nur teilweise Beachtung des vom Erblasser gewählten Heimatrechts aus den bereits dargelegten Gründen nicht zu. Die Frage des Pflichtteilsschutzes ist im übrigen mit der gesamten Ordnung der Erbfolge derart eng verflochten, dass es dem Ausnahmecharakter der Ordre public-Klausel (vgl. dazu VISCHER in Schweiz. Privatrecht, I. Bd., S. 533) widerspräche, die uneingeschränkte Anwendung des ausländischen Erbrechts in der Schweiz vom Grad seiner Übereinstimmung mit dem schweizerischen Pflichtteilsrecht abhängig machen zu wollen.
c) Die Schweiz hat eine Reihe von Staatsverträgen abgeschlossen, nach denen für die Beerbung der Angehörigen der Vertragsstaaten, die ihren letzten Wohnsitz im Gebiet des andern Staates hatten, ganz oder teilweise das Heimatrecht gilt (vgl. SCHNITZER, a.a.O. II. Bd., S. 550 ff.; STAUFFER, a.a.O., Anm. 23-27 zu
Art. 34 NAG
; HOTZ, a.a.O., S. 54 ff.). In diesen Fällen richtet sich auch die Frage des Pflichtteilsschutzes bei einem in der Schweiz verstorbenen Ausländer nach dessen Heimatrecht, was im Vertrag mit Griechenland sogar ausdrücklich hervorgehoben wird (vgl. hiezu
BGE 94 II 11
E. 2). Es ist nicht anzunehmen, dass die Schweiz in diesen Staatsverträgen auf die Durchsetzung ihres eigenen Pflichtteilsrechtes verzichtet hätte, wenn dieses als zur öffentlichen Ordnung gehörend betrachtet worden wäre. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fcc58102-6e0d-498e-a101-141ef33f411c | Urteilskopf
110 Ia 27
3. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Mai 1984 i.S. S. gegen Regierungsrat von Appenzell A.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
; unentgeltliche Rechtspflege.
Voraussetzungen des Anspruchs einer bedürftigen Partei auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im Scheidungsprozess. | Erwägungen
ab Seite 27
BGE 110 Ia 27 S. 27
Aus den Erwägungen:
2.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts hat eine bedürftige Person in einem für sie nicht aussichtslosen Zivilprozess unmittelbar aufgrund von
Art. 4 BV
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und auf Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, sofern sie eines solchen zur gehörigen Wahrung ihrer Interessen bedarf (
BGE 104 Ia 32
E. 2 und 73 E. 1,
BGE 99 Ia 327
E. 2, mit Hinweisen). Ob dieser Anspruch verletzt sei, prüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht frei (
BGE 105 Ia 113
).
Dass der Beschwerdeführer bedürftig und sein Prozessstandpunkt nicht aussichtslos ist, bestreitet der Regierungsrat nicht. Er ist jedoch der Auffassung, der Beschwerdeführer bedürfe zur Führung des Scheidungsprozesses keines Rechtsbeistandes. Zwar könne es für ihn schwierig sein, die Zumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe zu belegen und gleichzeitig die Persönlichkeit der Ehefrau zu respektieren. Doch werde ihm die Achtung vor der Partnerin bei der Wahl seiner Beweisofferten und der Darlegung seines Parteistandpunktes den rechten Weg weisen. Im Kanton Appenzell seien
BGE 110 Ia 27 S. 28
reine Laiengerichte tätig, und in den ländlichen, leicht überschaubaren Verhältnissen nehme der Instruktionsrichter im Untersuchungsverfahren recht weitgehende Abklärungen von Amtes wegen vor und sei unbeholfenen Parteien behilflich. Aus dem Protokoll der in Abwesenheit der Anwälte durchgeführten Instruktionsverhandlung vor dem Kantonsgericht ergebe sich, dass beide Parteien ihren Standpunkt selbst hinreichend darzulegen vermöchten. Hinsichtlich des Beschwerdeführers sei festzustellen, dass dessen Ausführungen und Beweisanträge zum Verlauf der Ehe wie auch die Darstellung der finanziellen Situation den Richter durchaus instand setzten, die erforderlichen weiteren Untersuchungen und Abklärungen vorzunehmen. Eine Benachteiligung des Beschwerdeführers gegenüber der Klägerin sei nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass der von ihm frei ernannte Rechtsbeistand verschiedene Eingaben verfasst habe, begründe noch nicht die Notwendigkeit der Prozessführung durch einen Anwalt. Der Instruktionsrichter hätte die nötigen Informationen ohne weiteres durch eine Einvernahme des Beschwerdeführers beschaffen können, zumal keine komplexen Rechtsfragen streitig seien. Ebensowenig vermöge die Ergreifung einer Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen den Massnahmerichter an die Justizaufsichtskommission des Obergerichts die Notwendigkeit der Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes zu begründen.
Diese Begründung ist mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht vereinbar. Danach schliesst der Umstand, dass ein Prozess im Untersuchungsverfahren durchgeführt wird, die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes nicht zum vornherein aus. Ob ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung besteht, hängt auch da, wo die Offizialmaxime gilt, davon ab, wie leicht die sich im Prozess stellenden Fragen zu beantworten sind, ob die gesuchstellende Partei rechtskundig ist und ob sich die Gegenpartei ihrerseits von einem Anwalt vertreten lässt; eine gewisse Zurückhaltung ist am Platz, wenn es in einem familienrechtlichen Prozess nur noch um die finanziellen Nebenpunkte geht (
BGE 104 Ia 77
, präzisiert in
BGE 107 Ia 8
). Im vorliegenden Fall drängt sich die unentgeltliche Verbeiständung schon unter dem Gesichtspunkt der "Waffengleichheit" auf, steht doch fest, dass die Klägerin von Anfang an durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Die Gewährung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist aber auch deswegen gerechtfertigt, weil offensichtlich ist, dass es angesichts der weit auseinanderliegenden Standpunkte der Parteien zu einer
BGE 110 Ia 27 S. 29
Kampfscheidung kommen dürfte, in der nicht einfach zu lösende Fragen zu regeln sind, und weil der Prozess für den Beschwerdeführer in persönlicher Hinsicht von grosser Bedeutung ist. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer über keinerlei Rechtskenntnisse verfügt. Selbst unter der Herrschaft der Offizialmaxime wäre er daher überfordert, wenn er sich ohne Rechtsbeistand zu den sich stellenden Fragen der Zerrüttung und der Zumutbarkeit der von ihm angestrebten Weiterführung der Ehe äussern müsste. Auch zeigt der bisherige Verlauf des Verfahrens, dass bereits vorsorgliche Massnahmen, namentlich die Kinderzuteilung, zu Schwierigkeiten geführt haben. Der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, dass er als Mann von einfacher Herkunft und Schulbildung kaum in der Lage ist, die gerichtliche Praxis bezüglich solcher Massnahmen selbst zu überblicken, die zweckdienlichen Eingaben und Abänderungsanträge zu formulieren und allfällige Rechtsmittel einzulegen.
Mit seinem Entscheid verletzte der Regierungsrat somit den unmittelbar aus
Art. 4 BV
fliessenden Anspruch des Beschwerdeführers auf Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, weshalb die Beschwerde insoweit gutzuheissen ist. Ob er darüber hinaus auch die Bestimmungen der kantonalen Zivilprozessordnung über das Armenrecht in willkürlicher Weise anwandte, braucht unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden. | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
fcd165e8-c49c-4742-b933-2c06a2fe18cb | Urteilskopf
81 II 213
37. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 7 juin 1955 dans la cause Lahovary contre Cafin SA | Regeste
Kaufvertrag, absichtliche Täuschung, Gewährleistung wegen Fehlens zugesicherter Eigenschaften.
Art. 28, 31 und 197 ff. OR
.
1. Abgesehen vom Viehhandel kann der Käufer sowohl Art. 23 ff. wie
Art. 197 ff. OR
anrufen (Erw. 1).
2. Die vom Vertreter begangene Täuschung ist dem Vertretenen anzurechnen, wie wenn er sie selber begangen hätte (Erw. 2 a).
3. Dolus incidens; Folgen (Erw. 2 b, 2 c und 5).
4. Verzinsung des zurückzuerstattenden Betrages im Falle der Herabsetzung des Kaufpreises (Erw. 5 a.E.). | Sachverhalt
ab Seite 214
BGE 81 II 213 S. 214
A.-
Nicolas Lahovary était propriétaire de toutes les actions de Gailogis SA, société immobilière dont le seul actif consistait dans un immeuble sis à Fribourg. Les administrateurs de cette société étaient Guillaume de Weck et son employé Louis Muller; le premier gérait l'immeuble. En outre, Lahovary était également propriétaire des actions de la société immobilière Sirius SA En 1951, il désirait vendre les actions de ses deux sociétés et, dans ce dessein, il entra en relation avec Cafin SA, représentée par son administrateur Maurice Hurni. Celui-ci offrit 670 000 fr. pour l'immeuble de Sirius SA et, bien qu'un autre amateur lui eût proposé 10 000 fr. de plus, Lahovary donna la préférence à Cafin SA parce que cette société avait accepté d'acquérir également les actions de Gailogis SA
Le 27 août 1951, Hurni paya un acompte de 50 000 fr. à dame Lahovary, qui lui délivra la quittance suivante:
"Je soussignée reconnais avoir reçu de M. Maurice Hurni, 14 Corraterie, à Genève, payant pour le compte de la Société Cafin, à Tanger, Compagnie africaine de finances, la somme de cinquante mille francs suisses..., acompte sur le capital-actions de la S. I. Sirius à Genève, vendu six cent septante mille francs, et celui de la S. I. Gailogis à Fribourg vendu quatre cent trente mille francs. Je me porte garante de l'exécution des conventions qui seront passées par les administrateurs de ces 2 sociétés.
Fait à Grandson, Vaud, le 27 août 1951.
(signé) Janine Lahovary."
La convention relative aux actions de Sirius SA fut passée par l'intermédiaire de l'agent d'affaires de Rham; par la suite, Cafin SA revendit ces titres pour 710 000 fr. Pour Gailogis SA, Lahovary invita l'acheteuse à se mettre en rapport avec Guillaume de Weck. Celui-ci informa
BGE 81 II 213 S. 215
Cafin SA que l'immeuble de Gailogis était grevé d'une hypothèque en premier rang garantissant une dette de 168 000 fr. et qu'en outre la société avait envers Lahovary une dette chirographaire de 67 500 fr. S'étant renseigné au Registre foncier de Fribourg, Hurni apprit que l'immeuble était également grevé d'une cédule hypothécaire au porteur d'un montant de 60 000 fr. Il demanda des éclaircissements à Guillaume de Weck qui, par lettre du 4 septembre 1951, le renseigna en ces termes:
"L'hypothèque en 2e rang auprès de la Banque de l'Etat a été radiée et j'ai, dans les archives de la Société, ledit titre cancelé."
Hurni se contenta de cette explication et la convention préparée par de Weck fut signée le 5 septembre 1951. Elle mentionne dans son préambule que de Weck agit "au nom et pour le compte du propriétaire des actions et des créances cédées" et elle contient notamment les clauses suivantes:
"Monsieur Guillaume de Weck vend... à Cafin SA:
a) les 100 actions ... constituant l'entier du capital social ... de la S. I. Gai-Logis...
b) la créance chirographaire inscrite au bilan du 31 décembre 1950, pour un montant de 67 500 fr. ...
Il (de Weck) déclare et garantit que le passif de ladite Société ne comporte que les créances suivantes:
a) une cédule hypothécaire de 168 000 fr. ...
b) une créance chirographaire ... pour un montant de 67 500 fr.
Art. 5. - Prix. - La présente vente est faite et acceptée pour le prix de. ......................................................................................................................... 430 000 fr.
dont à déduire une cédule hypothécaire en 1er rang de 168 000 fr. 262 000 fr.
que Monsieur de Weck reconnaît avoir reçus...
Guillaume de Weck resta gérant de l'immeuble. Il décéda le 31 décembre 1952. Peu après, Cafin SA apprit que Gailogis devait 62 287 fr. 35 à la Banque populaire suisse, dont la créance était garantie par la cédule hypothécaire au porteur que de Weck avait faussement déclarée cancellée en septembre 1951. En réalité, de Weck avait, au nom de la société, contracté cette dette à son profit personnel. Celle-ci se montait à 58 977 fr. à fin août et au début de
BGE 81 II 213 S. 216
septembre 1951. La succession de Guillaume de Weck fut déclarée en faillite.
Par exploit du 9 juin 1953, Cafin SA fit notifier à Lahovary qu'elle considérait la convention du 5 septembre 1951 comme nulle pour cause de dol et réclamait la restitution des 262 000 fr. payés pour l'acquisition des actions, qu'elle mettait à la disposition du vendeur. Lahovary ne donna aucune suite à cette sommation.
B.-
Le 26 juin 1953, Cafin SA a actionné Lahovary devant le Tribunal cantonal vaudois. Invoquant le dol commis par de Weck en sa qualité de représentant du défendeur, Cafin SA se fondait à titre principal sur les art. 28 et suiv. CO et concluait à ce que la convention du 5 septembre 1951 fût invalidée et que le défendeur fût condamné à restituer le montant de 262 000 fr. Subsidiairement, la demanderesse prenait les mêmes conclusions en se fondant sur les art. 205 et suiv. CO. Enfin, plus subsidiairement, elle demandait que Lahovary fût condamné à lui payer 60 000 fr. en principal.
Le défendeur a conclu à ce que Cafin SA fût déboutée des fins de son action.
Par jugement du 24 février 1955, le Tribunal cantonal vaudois a adjugé à la demanderesse ses conclusions principales. Cette juridiction considère, en bref, que le contrat de vente n'était pas parfait le 27 août 1951 et n'a été conclu que le 5 septembre. Or - dit-elle - par sa lettre du 4 septembre 1951, de Weck avait trompé Cafin SA en déclarant que la cédule hypothécaire de 60 000 fr. était cancellée. Ce dol a influé sur la conclusion du contrat, car Cafin SA eût acheté les actions à d'autres conditions si elle avait connu la situation réelle. Il s'agit donc seulement d'un dol incident, mais selon la jurisprudence du Tribunal fédéral (RO 64 II 144 consid. 3), il suffit pour que la victime ne soit pas obligée par le contrat. En outre lorsqu'il a trompé l'acheteuse, de Weck intervenait comme représentant de Lahovary. Le dol est donc opposable au vendeur. Les conditions des art. 28 et 31 CO étant remplies
BGE 81 II 213 S. 217
- conclut le Tribunal cantonal - Cafin SA est fondée à réclamer la restitution du prix, en échange des actions reçues.
C.-
Contre ce jugement, Lahovary recourt en réforme au Tribunal fédéral. Il conclut principalement à ce que Cafin SA soit déboutée des fins de son action.
L'intimée propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Il est de jurisprudence constante que, sauf dans le commerce du bétail, l'acheteur a la faculté d'invoquer le moyen tiré des vices du consentement (art. 23 et suiv. CO), notamment le dol, et la garantie à raison des défauts de la chose vendue, selon les art. 197 et suiv. CO -(RO 56 II 428, 57 II 290, 70 II 50). On devra donc, en l'espèce, examiner d'abord si l'art. 28 CO, invoqué à titre principal par l'intimée, entraîne l'annulation du contrat litigieux. Si cette question est résolue par la négative, il faudra statuer sur l'action rédhibitoire intentée subsidiairement par Cafin SA
2.
a) En affirmant, le 4 septembre 1951, que la cédule hypothécaire de 60 000 fr. était cancellée et que, par conséquent, la dette garantie par ce titre était éteinte, de Weck a trompé intentionnellement Cafin SA Il a donc commis un dol, ce qui n'est pas contesté par le recourant. Celui-ci prétend cependant que ce dol ne lui est pas opposable. De Weck, dit-il, est intervenu en qualité d'administrateur de la société Gailogis et non comme mandataire du vendeur. Cette allégation est erronée. C'est essentiellement en qualité de représentant de Lahovary que de Weck a préparé et signé la convention du 5 septembre 1951; aussi bien Gailogis SA n'était-elle pas partie au contrat de vente. Le dol de Guillaume de Weck est donc opposable au recourant comme si celui-ci l'avait commis lui-même (RO 63 II 78).
b) Mais, pour que le dol d'une partie puisse entraîner l'annulation de la convention en vertu de l'art. 28 CO,
BGE 81 II 213 S. 218
il faut qu'il ait induit l'autre partie à contracter. Dès lors, il ne saurait être postérieur à la conclusion du contrat: les parties ayant alors formé et déclaré leur volonté, celle-ci ne peut plus être viciée. Pour le Tribunal cantonal, les parties n'ont pas été engagées dès le 27 août 1951, mais seulement par le contrat du 5 septembre. Il ressort de la quittance du 27 août - dit-il - que les contractants n'entendaient se lier que par une convention ultérieure passée en la forme écrite (art. 16 al. 1 CO); quant à l'"acompte" de 50 000 fr., il s'agissait d'arrhes remises en vue de la conclusion d'une convention future; le dol était donc antérieur au contrat et en a influencé les modalités. Cette argumentation est pour le moins douteuse. Le 27 août 1951, les parties se sont mises d'accord sur les choses vendues et elles ont arrêté la valeur des actifs de la société Gailogis, de sorte qu'il était facile de calculer le prix des actions. Elles n'ont réservé que des points secondaires, ce qui n'empêche pas de considérer le contrat comme conclu (art. 2 al. 1 et 2 et art. 184 al. 3 CO). Sans doute ont-elles envisagé une convention ultérieure, nécessaire pour régler les points accessoires du marché. Mais rien n'indique qu'elles aient entendu n'être liées que par ce contrat futur. En outre, le marché a reçu un commencement d'exécution dès le 27 août 1951. Ce jour-là, en effet, l'acheteuse a payé un acompte de 50 000 fr. Il est peu vraisemblable qu'il se soit agi d'arrhes: elles ne sont pas usuelles dans le commerce d'immeubles et elles sont habituellement beaucoup moins élevées. Au surplus, si le montant de 50 000 fr. constituait des arrhes, on devrait admettre, comme c'est la règle (cf. art. 158 al. 1 CO), qu'elles ont été remises en signe de la conclusion du contrat.
Mais, de toute façon, ces questions importent peu, car il n'est pas nécessaire de juger si les parties ont été liées dès le 27 août ou seulement le 5 septembre. Dans un cas comme dans l'autre, en effet, on aboutit à la même conclusion. Si le contrat de vente a été conclu le 27 août, les parties ont cependant réservé des points secondaires, qui
BGE 81 II 213 S. 219
devaient faire l'objet d'une convention ultérieure; en particulier, c'est par celle-ci qu'a été fixé le prix de vente, qui, jusqu'alors, était seulement déterminable au sens de l'art. 184 al. 3 CO. Or le dol a influé sur ce point de la convention; par suite des déclarations mensongères de Guillaume de Weck, le prix a été arrêté à un montant plus élevé que ce que l'acheteuse aurait accepté si elle avait connu toutes les dettes de la société Gailogis. On se trouve donc, dans ce cas, en présence d'un dol incident (dolus incidens), c'est-à-dire d'un dol qui n'a pas influencé la conclusion même du contrat, mais seulement la stipulation de ses modalités. Il en est de même si les parties n'ont été liées que le 5 septembre. Dans cette hypothèse, certes, le dol a précédé tout engagement des contractants. Mais ce n'est pas lui qui a incité Cafin SA à acheter. Selon les déclarations de Hurni, en effet, la société qu'il administre aurait acquis les actions de Gailogis même si elle avait connu l'existence de la dette dissimulée par de Weck; toutefois, elle n'aurait offert qu'un prix inférieur. Dès lors, que le contrat de vente ait été passé le 27 août ou le 5 septembre, Guillaume de Weck a commis un dol incident.
c) Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral (RO 64 II 144), le dol incident permet à la partie lésée, aussi bien que le dol principal (dolus causam dans), d'invalider le contrat en vertu de l'art. 28 CO. Toutefois, quand le dol porte sur une clause très accessoire, le juge doit examiner si, même sans dol, le lésé n'aurait pas conclu dans les mêmes conditions. Au demeurant, le droit d'attaquer le contrat doit s'exercer selon les règles de la bonne foi; lorsque la rescision du contrat paraît choquante dans un cas où le dol n'a été qu'incident, le juge peut la refuser et se borner à réduire les prestations du lésé dans la mesure où celui-ci aurait conclu le contrat s'il n'avait pas été trompé.
En l'espèce, le dol n'a pas influencé une clause très accessoire du contrat, puisque, sans tromperie, le prix aurait été fixé à un montant inférieur de près de 60 000 fr.
BGE 81 II 213 S. 220
à celui qui a été arrêté. Cependant, il serait inéquitable et choquant d'invalider purement et simplement la vente. Si Lahovary a vendu les actions de la société immobilière Sirius à Cafin SA, alors qu'un autre amateur lui offrait 10 000 fr. de plus, c'est uniquement parce que Cafin achetait en même temps les actions de Gailogis. Or, en invalilidant cette dernière vente, on laisserait subsister le marché intéressant pour Cafin SA - aussi bien a-t-elle revendu les actions de Sirius SA 40 000 fr. plus cher qu'elle ne les avait payées - tandis que Lahovary conserverait les actions de Gailogis. En concluant à l'invalidation du contrat portant sur les actions de Gailogis, l'intimée n'exerce donc pas son droit selon les règles de la bonne foi (art. 2 CC), de sorte que ses conclusions principales ne sauraient être admises. Le dol dont elle a été la victime lui permet seulement de demander que le prix soit réduit dans la mesure où elle aurait contracté si elle n'avait pas été trompée.
3.
Quant à l'action en garantie fondée sur les art. 197 et suiv. CO, elle doit être admise en principe. En effet, en déclarant que le passif de la société ne comprenait qu'une dette hypothécaire de 168 000 fr. et une dette chirographaire de 67 500 fr., de Weck a, au nom du vendeur, promis à l'acheteuse une qualité qui n'existait pas en réalité (art. 197 al. 1 CO). Lahovary répond donc de l'absence de cette qualité. L'intimée n'a intenté qu'une action rédhibitoire. Mais le juge n'est pas lié par ces conclusions. Aux termes de l'art. 205 al. 2 CO, il peut se borner à réduire le prix s'il estime que la résiliation n'est pas justifiée par les circonstances. C'est le cas en l'espèce: qu'on se fonde sur les art. 197 et suiv. ou sur l'art. 28 CO, il serait inéquitable d'invalider la vente des actions de Gailogis. Dès lors, l'action en garantie intentée par l'intimée lui permet seulement d'obtenir une réduction de prix pour la moins-value provenant de l'absence des qualités promises par le vendeur.
4.
.....
5.
Si l'on se fonde sur les art. 28 et 31 CO, l'intimée
BGE 81 II 213 S. 221
a droit à la différence entre le prix qu'elle a payé et celui qui aurait été convenu si elle n'avait pas été trompée. Or il est clair que, si l'acheteuse avait connu, à fin août ou au début de septembre 1951, la dette que la société Gailogis avait alors envers la Banque populaire suisse, on aurait simplement déduit le montant de cette dette de la valeur assignée à l'immeuble, comme on l'a fait pour l'autre dette hypothécaire. Dès lors, le prix des actions aurait été réduit de 58 977 fr., montant de la dette au moment de la vente.
On arrive au même résultat si l'on applique les art. 197 et suiv. CO. Dans ce cas, en effet, la moins-value que subissaient les actions par suite de la dette dissimulée par de Weck était égale au montant de cette dette au moment de la vente.
Cafin SA a été privée de la jouissance d'un capital et a subi de ce fait un dommage qui doit être réparé. Elle a donc droit à un intérêt à 3%, qu'elle aurait pu obtenir d'après l'état actuel du marché monétaire (RO 78 I 90, consid. 5). Cependant, cet intérêt sera de 5%, en vertu de l'art. 104 al. 1 CO, dès le moment où Lahovary a été en demeure, c'est-à-dire à partir du 10 juin 1953.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est admis partiellement et le jugement attaqué est réformé en ce sens que le recourant est condamné à payer à l'intimée la somme de 58 977 fr., avec intérêt à 3% du 5 septembre 1951 au 9 juin 1953 et à 5% dès le 10 juin 1953. | public_law | nan | fr | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fcd20555-7cd9-4397-9f0c-4bddf5f347c0 | Urteilskopf
100 Ib 109
18. Auszug aus dem Urteil vom 8. Februar 1974 i.S. Denner AG, Dr. Jürg Meister & Konsorten, Aktiengesellschaft für Allgemeinen Rechtsschutz (AGAR) gegen Schweizerische Treuhandgesellschaft (STG) und Eidg. Bankenkommission | Regeste
Bundesgesetz über die Anlagefonds (AFG:) Abberufung eines Sachwalters durch die Aufsichtsbehörde; Voraussetzungen; Abklärungspflicht der Bankenkommission. | Erwägungen
ab Seite 110
BGE 100 Ib 109 S. 110
Aus den Erwägungen:
2.
Hauptgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das umstrittene Problem der Abberufung eines Sachwalters durch die Aufsichtsbehörde, die Bankenkommission.
a) Der Sachwalter wird durch die Aufsichtsbehörde ernannt. Er tritt an die Stelle der geschäftsuntüchtigen Fondsleitung oder Depotbank (
Art. 45 Abs. 1 AFG
). Im vorliegenden Fall des Interglobe-Anlagefonds hat die zum Sachwalter ernannte STG die Aufgabe, das Fondsvermögen zu liquidieren (
Art. 46 Abs. 2 AFG
). Die STG übt dieses Amt zum Schutz des Treugutes im Interesse der Anleger aufgrund eines ihr erteilten öffentlichrechtlichen Auftrages aus (vgl. AMMON K., Die Aufgabe des Sachwalters nach dem AFG, in Wirtschaft und Recht 22/1970, S. 57; METZGER A., Die Stellung des Sachwalters nach dem AFG, Diss. Zürich 1971, S. 149). Das Vorgehen im einzelnen bei der Liquidierung des Fonds bestimmt der Sachwalter grundsätzlich nach seinem Ermessen, soweit er nicht durch Weisungen der Aufsichtsbehörde gebunden ist (Art. 43 Abs. 3 VO zum AFG vom 20. Januar 1967, AFV). Wegweisend für sein Handeln sind ihm dabei einzig das Interesse der Anleger an einem für sie möglichst günstigen Ergebnis sowie die Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde bzw. dem Bund und gegenüber den Anlegern (
Art. 25 Abs. 1 AFG
; vgl. auch AMMON, a.a.O., S. 70).
b) Unter welchen Voraussetzungen der Sachwalter seines Amtes enthoben werden kann bzw. abberufen werden muss, regelt das AFG nicht ausdrücklich. Doch überträgt
Art. 43 Abs. 1 AFG
der Aufsichtsbehörde allgemein die Pflicht, bei Gesetzes- oder Fondsreglementsverletzungen sowie sonstigen Missständen, die zur Herstellung des rechtmässigen Zustandes und zur Beseitigung der Missstände notwendigen Verfügungen zu erlassen. Dies gilt nicht nur gegenüber Fondsleitung und
BGE 100 Ib 109 S. 111
Depotbank, sondern ganz allgemein und insbesondere gegenüber dem Sachwalter. Verletzt dieser in grober Weise seine Pflichten oder erweist er sich offensichtlich als unfähig, den ihm übertragenen Auftrag im Interesse der Anleger zu erfüllen, hat die Aufsichtsbehörde das zur Behebung dieser Missstände Notwendige, allenfalls die Abberufung des Sachwalters, zu veranlassen.
Beim Entscheid über die Frage, ob schwere Pflichtverletzungen oder Unfähigkeit des Sachwalters vorliegen, ist der Aufsichtsbehörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Begriffe der schweren Pflichtverletzung und der Unfähigkeit sind unbestimmt. Das Bundesgericht übt bei der Überprüfung des diesbezüglichen Entscheids der Bankenkommission Zurückhaltung, weil die mit dem Wirtschaftsleben besser vertraute Bankenkommission eher in der Lage ist, im Einzelfall zu beurteilen, ob der Sachwalter pflicht- und sachgemäss gehandelt hat.
Bei der Wahl der zur Behebung von allfälligen Missständen in der Sachwalterschaft geeigneten Massnahmen stellen sich der Aufsichtsbehörde auch Ermessensprobleme. So hat die Bankenkommission namentlich die Zweckmässigkeit der Abberufung eines Sachwalters während der Liquidation zu beurteilen. Den von der Aufsichtsbehörde diesbezüglich getroffenen Zweckmässigkeitsentscheid überprüft das Bundesgericht einzig auf Bundesrechtswidrigkeit, einschliesslich Missbrauch oder Überschreitung des Ermessens, nicht aber auch auf seine Angemessenheit (
Art. 104 OG
).
Richtungsweisend für die Bestimmung solcher Massnahmen im einzelnen, allenfalls für eine Amtsenthebung des Sachwalters, können einzig die Interessen der Anleger sein. Bestehen daher Zweifel, ob der Sachwalter noch fähig ist, sein Amt im Interesse der Anleger zu erfüllen, oder werden von seiten der Anleger dem Sachwalter grobe Pflichtverletzung bzw. Unfähigkeit vorgeworfen, so hat die Aufsichtsbehörde eine Gesamtbeurteilung des bisherigen Handelns des Sachwalters vorzunehmen. Gestützt darauf hat sie abzuwägen, ob mit der Abberufung des Sachwalters und der Ernennung eines neuen Sachwalters den Interessen der Anleger gedient, d.h. besser gedient ist, als mit der Beibehaltung des bisherigen Sachwalters und der Erteilung bestimmter Weisungen hinsichtlich der künftigen Amtsführung. Jeder Wechsel in der Sachwalterschaft bringt nämlich Umtriebe,
BGE 100 Ib 109 S. 112
Kosten und zahlreiche andere Nachteile mit sich, die - wenn immer möglich - im Interesse der Anleger vermieden werden sollten.
Daraus ergibt sich die Pflicht der Aufsichtsbehörde, abzuklären, ob die Zweifel bzw. die von Anlegerseite geltend gemachten Vorwürfe hinsichtlich der Fähigkeit des Sachwalters und seiner bisherigen Amtsführung berechtigt sind. Dabei hat die Aufsichtsbehörde zunächst einen Vorentscheid zu treffen. Hält sie die Zweifel bzw. die erhobenen Vorwürfe nach Anhören des Sachwalters für begründet, so wird sie in der Regel die Revisionsstelle beauftragen, sich in einem zusätzlichen Revisionsbericht über die angebliche Verletzung der Treuepflicht zu äussern (
Art. 39 Abs. 1 lit. f AFV
). Die Revisionsstelle ist denn auch grundsätzlich geeignet, diesbezügliche Einzelheiten abzuklären. Hält die Aufsichtsbehörde die Vorwürfe der Anleger für nicht begründet bzw. wenig substantiiert und hegt sie selber keine Zweifel an der Fähigkeit des Sachwalters, so kann sie das Abberufungsbegehren aufgrund der ihr bekannten Aktenlage abweisen. Für ein allfälliges zivilgerichtliches Verantwortlichkeitsverfahren der Anleger gegen den Sachwalter ist damit nichts präjudiziert (
Art. 25 AFG
).
c) Die Bankenkommission ist im vorliegenden Fall davon ausgegangen, die ihr zugänglichen Akten genügten, um eine Schadenersatzpflicht des Sachwalters mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit auszuschliessen. Die Beschwerdeführer sind anderer Ansicht. Sie halten dafür, die Bankenkommission habe den Tatbestand zu wenig abgeklärt und sei auf eine Reihe von Vorwürfen nicht eingetreten; namentlich habe sie eine Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Sachwalters unterlassen.
Es trifft zu, dass eine möglichst gründliche Abklärung der erhobenen Vorwürfe im Interesse der Anleger liegt. Doch ist gerade dann, wenn einzelne Anleger mit dem Sachwalter verfeindet erscheinen, darauf Bedacht zu nehmen, dass die Untersuchungen sich nicht in Einzelheiten verlieren. Soweit die Aufsichtsbehörde von der Fähigkeit des Sachwalters zur pflichtgemässen Amtsführung überzeugt ist, kann sie sich - ohne Verletzung von Bundesrecht - darauf beschränken, zu den von den Verzeigern konkret und begründet erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ein Gleiches gilt für das bundesgerichtliche Verfahren, das sich nicht über die Fähigkeit des Sachwalters, sondern über die Rechtmässigkeit des Entscheids der Aufsichtsbehörde auszusprechen hat. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
fcd254b6-aa3e-425a-8874-eb80ab80bdc7 | Urteilskopf
100 II 285
41. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Juli 1974 i.S. Keller gegen Herzog. | Regeste
Begriff des Endentscheides;
Art. 48 Abs. 1 OG
Gegen den letztinstanzlichen Entscheid, der ein Befehlsbegehren in Anwendung von § 292 Ziff. 1 der zürcherischen Zivilprozessordnung schützt, ist die Berufung zulässig (Erw. 1).
Namensrecht
Der geschiedene Ehemann kann verlangen, dass seine unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellten unmündigen Kinder keinen andern Namen als den seinen führen, solange die zuständige Behörde nicht aus wichtigen Gründen eine Namensänderung bewilligt hat (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 286
BGE 100 II 285 S. 286
A.-
Ruth Keller war in früherer Ehe mit Hans Emil Herzog verheiratet. Mit Urteil vom 5. Juni 1973 hatte das Bezirksgericht Zürich diese Ehe geschieden und die daraus hervorgegangenen Kinder Peter Hans, geb. am 28. März 1963, und Robert Ernst, geb. am 14. Juni 1966, unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellt. Seit dem 17. August 1973 ist Ruth Keller mit Siegfried Keller verheiratet. Seither gibt sie den Namen der Kinder mit "Keller" an. Auf ihr Gesuch hin werden die Kinder auch in der Schule mit diesem Namen genannt.
B.-
Hans Emil Herzog stellte am 20. November 1973 beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Bülach das Begehren, es sei Ruth Keller unter Androhung von Ordnungsbusse und Überweisung an den Strafrichter im Unterlassungsfall zu befehlen, die beiden Kinder ausschliesslich unter dem Namen "Herzog" zu erziehen. Mit Verfügung vom 19. Dezember 1973 wurde das Begehren wegen Illiquidität abgewiesen.
Das Obergericht des Kantons Zürich hiess einen vom Kläger gegen diese Verfügung eingereichten Rekurs teilweise gut und befahl der Beklagten mit Beschluss vom 28. März 1974 unter Androhung von Ordnungsbusse im Widerhandlungsfall, den Familiennamen der Kinder Peter Hans und Robert Ernst "im Sinne der Erwägungen Ziff. 4" mit "Herzog" anzugeben.
C.-
Hiegegen reichte die Beklagte sowohl Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich als auch Berufung an das Bundesgericht ein, diese mit dem Antrag, das Begehren des Klägers sei in Aufhebung des angefochtenen
BGE 100 II 285 S. 287
Entscheids abzuweisen. Mit Beschluss vom 25. Juni 1974 wies das Kassationsgericht die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
Eine Berufungsantwort wurde nicht eingeholt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 48 Abs. 1 OG
ist die Berufung in der Regel erst gegen Endentscheide zulässig. Ein solcher Entscheid liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn der kantonale Richter den streitigen Anspruch materiell beurteilt oder dessen Beurteilung aus einem Grunde abgelehnt hat, der endgültig verbietet,. dass der gleiche Anspruch zwischen den gleichen Parteien nochmals geltend gemacht wird (
BGE 98 II 154
/155 mit Hinweisen).
Der angefochtene Entscheid erging in Anwendung von § 292 Ziff. 1 der zürcherischen Zivilprozessordnung (ZPO). Nach dieser Bestimmung ist "zur schnellen Handhabung klaren Rechts bei nicht streitigen oder sofort herstellbaren tatsächlichen Verhältnissen" das Befehlsverfahren zulässig. Dabei handelt es sich um eine Unterart des summarischen Verfahrens. Gemäss
§ 105 ZPO
sind Verfügungen im summarischen Verfahren, mit denen über einen Anspruch entschieden worden ist, nur für ein späteres summarisches Verfahren massgebend. Der Richter im ordentlichen Verfahren ist daran nicht gebunden (STRÄULI/HAUSER, N. 1 zu
§ 105 ZPO
; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 483 ff., insbesondere 486). Eine im summarischen Verfahren beurteilte Sache kann daher dem ordentlichen Richter neuerdings zum Entscheid unterbreitet werden (so ausdrücklich STRÄULI/HAUSER, a.a.O.). GULDENER hat daraus gefolgert, dass die Entscheidung im summarischen Verfahren nur vorläufigen Charakter trage und zu einer Art einstweiliger Verfügung werde, bleibe doch der Entscheid des ordentlichen Richters vorbehalten (a.a.O. S. 486).
Mit Rücksicht auf diese beschränkte Rechtskraft der im zürcherischen Befehlsverfahren ergangenen Entscheidungen hat das Bundesgericht deren Berufungsfähigkeit früher verneint (
BGE 81 II 85
). Bereits in
BGE 82 II 562
/563 Erw. 3 wurde indessen die Berufung gegen Entscheide des zürcherischen Obergerichtes gemäss
§ 292 Ziff. 1 ZPO
als zulässig
BGE 100 II 285 S. 288
erklärt, sofern es sich dabei nicht um vorläufige Massnahmen handle, gegenüber welchen die Durchführung eines ordentlichen Verfahrens vorbehalten bleibe (vgl. auch
BGE 84 II 78
ff. Erw. 1b). In
BGE 90 II 463
Erw. 1 wird der endgültige Charakter solcher Entscheide unter Hinweis auf
BGE 82 II 562
wiederum bejaht, sofern darin kein Vorbehalt des ordentlichen Verfahrens enthalten sei. In
BGE 94 II 108
Erw. 1b spricht das Bundesgericht bereits von einer ständigen Rechtsprechung, wonach Entscheide im zürcherischen Befehlsverfahren, durch die ein Befehlsbegehren über einen vom Bundeszivilrecht beherrschten Anspruch in Anwendung von
§ 292 Ziff. 1 ZPO
geschützt worden sei, als berufungsfähige Endentscheide anerkannt würden. Der endgültige Charakter der Entscheidung wird vom Bundesgericht indessen nach wie vor verneint, wenn ein Begehren im Befehlsverfahren nicht gutgeheissen, sondern abgewiesen wird; denn in diesem Falle stehe es dem Kläger frei, seinen Anspruch im ordentlichen Verfahren erneut geltend zu machen (
BGE 93 II 285
Erw. 2; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 6. Oktober 1972 in Sachen Schweizerische Treuhandgesellschaft gegen Fides Treuhand-Vereinigung).
Diese neuere Rechtsprechung entspricht bei strenger Betrachtungsweise der Definition des Endentscheids nicht. Denn nicht nur die ein Befehlsbegehren abweisende, sondern auch die gutheissende Entscheidung lässt die spätere Anrufung des ordentlichen Richters offen, erwächst also insofern nicht in materielle Rechtskraft (HASLER, SJZ 1972 S. 132; GULDENER, a.a.O. S. 486). Auch in diesem Falle ist demnach über den streitigen Anspruch nicht endgültig entschieden. An der bisherigen Praxis ist indessen - schon aus Gründen der Rechtssicherheit - festzuhalten. Der Begriff des Endentscheids im Sinne von
Art. 48 OG
wurde in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts auch in anderer Hinsicht extensiv ausgelegt. So wurde in
BGE 98 II 154
ff. das eine Klage wegen Rechtshängigkeit zurückweisende Urteil als Endentscheid betrachtet, obwohl der Kläger durch ein solches Urteil oft nur vorübergehend an der Geltendmachung seines Anspruchs gehindert wird. Es liegt in der Linie dieser Rechtsprechung, einem Beklagten, der im zürcherischen Befehlsverfahren letztinstanzlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet worden ist, den Weg der Berufung ans Bundesgericht zu öffnen.
BGE 100 II 285 S. 289
Auch wenn ihm die Möglichkeit vorbehalten bleibt, die gleiche Frage später dem ordentlichen Richter zum Entscheid zu unterbreiten, so wird die ihm auferlegte Verpflichtung in der Regel doch während längerer Zeit ihre Wirkungen entfalten; sie kann sogar Gegenstand von Vollstreckungsmassnahmen bilden. So muss sich der im Befehlsverfahren aus seiner Wohnung ausgewiesene Mieter gefallen lassen, ausgeschafft zu werden, auch wenn er die Möglichkeit behält, beim ordentlichen Richter auf Rückerstattung der Wohnung oder auf Schadenersatz zu klagen (GULDENER, a.a.O. S. 486). Mit Rücksicht auf diese Auswirkungen der ein Befehlsbegehren gutheissenden Entscheidung lässt es sich verantworten, die Berufungsfähigkeit solcher Entscheide jedenfalls dann zu bejahen, wenn diese nicht zwangsläufig zu einem ordentlichen Verfahren Anlass geben (wie dies bei den vorsorglichen Massnahmen der Fall ist), sondern in der Regel für längere Zeit oder sogar endgültig Recht schaffen.
Auf die Berufung ist daher einzutreten. Dabei beschränkt sich die Kognition des Bundesgerichts selbstverständlich auf die Prüfung der richtigen Anwendung des Bundesrechts und erstreckt sich nicht auch auf die Frage der Liquidität im Sinne von
§ 292 Ziff. 1 ZPO
(vgl. dazu HASLER, SJZ 1972 S. 383 in fine).
2.
In materieller Hinsicht erweist sich die Berufung ohne Zweifel als unbegründet. Nach Rechtsprechung und Lehre hat der geschiedene Mann ein schützenswertes Interesse daran, dass seine unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellten unmündigen Kinder keinen andern Namen als den seinen führen, dies jedenfalls solange, als die zuständige Behörde nicht aus wichtigen Gründen eine Namensänderung bewilligt hat (
BGE 97 I 621
/622 Erw. 3,
BGE 76 II 339
/340 und 342 Erw. 2; EGGER, N. 14 zu
Art. 29 ZGB
; HEGNAUER, N. 11 zu
Art. 270 ZGB
). Das Gegenteil kann entgegen den Ausführungen in der Berufungsschrift nicht etwa daraus abgeleitet werden, dass einem solchen Mann kein Recht darauf zusteht, die Namensänderung der Kinder gemäss
Art. 30 Abs. 3 ZGB
gerichtlich anzufechten. Das ist vielmehr eine Folge der gesetzlichen Ordnung, die ein Klagerecht nur gegen die Anmassung, nicht aber zur Verhinderung der Preisgabe des Namens gewährt (
BGE 76 II 341
). Ob die Interessen der Kinder, den Namen ihres Vaters aufgeben und einen andern Familiennamen
BGE 100 II 285 S. 290
annehmen zu können, überwiegen, hat nicht der Richter zu entscheiden, sondern die gemäss
Art. 30 Abs. 1 ZGB
zuständige Heimatbehörde. Dem Entscheid dieser Behörde darf nicht vorgegriffen werden. Das wäre jedoch der Fall, wenn sich das Gericht auf eine Interessenabwägung einliesse. Vorbehalten werden mag eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Rechts auf Führung des väterlichen Familiennamens. Die Vorinstanz hat indessen das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs verneint, und in der Berufungsschrift wird nichts vorgetragen, was zu einer andern Beurteilung Anlass gäbe. Verweisungen auf andere Rechtsschriften sind nach konstanter Praxis unbeachtlich (
BGE 97 II 163
Erw. 1,
BGE 92 II 67
,
BGE 89 II 414
).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 28. März 1974 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fcd844c6-6f29-473f-b9a2-86fc9240518c | Urteilskopf
112 Ib 358
59. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. November 1986 i.S. Baugenossenschaft H. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 2 Abs. 1 und 3 des Bundesgesetzes über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz (BMG) und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung zum BMG (BMV): Ersatzbeitrag bei Umbauten.
1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid über den Ersatzbeitrag (E. 1).
2. Voraussetzungen für die Qualifikation als wesentlicher Umbau im Sinne von
Art. 2 Abs. 1 BMG
(E. 3).
3. Beim Umbau eines Wohnhauses ist die Schutzraumbaupflicht bzw. Ersatzbeitragspflicht auf den neu geschaffenen Wohnraum zu beschränken (E. 4 und 5).
4. Der Ersatzbeitrag ist nach den durchschnittlichen Mehrkosten des Schutzplatzes in einem Schutzraum von der für das einzelne Gebäude berechneten Grösse zu bemessen, auch wenn der gleiche Eigentümer gleichzeitig mehrere Gebäude umbaut (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 359
BGE 112 Ib 358 S. 359
Die Baugenossenschaft H. erhielt vom Stadtrat Zürich die Baubewilligung für den Umbau und die Renovation verschiedener Mehrfamilienhäuser sowie für den Aufbau eines zweiten Obergeschosses bei einzelnen Gebäuden. Für die Bauvorhaben auferlegte das Amt für Zivilschutz des Kantons Zürich der Baugenossenschaft H. auf der Grundlage des Bundesgesetzes über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz (Schutzbautengesetz (BMG); SR 520.2) einen Ersatzbeitrag zur Abgeltung der Schutzraumbaupflicht.
Mit einem Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich wandte sich die Baugenossenschaft H. erfolglos dagegen, dass die bloss renovierten Wohnungen bei der Berechnung der Zahl der abzugeltenden Schutzplätze miteinbezogen worden waren und dass für die Berechnung der Abgabe nicht von der Gesamtzahl der in allen Gebäuden erforderlichen Schutzplätze ausgegangen worden war.
Eine gegen den Regierungsratsentscheid gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde heisst das Bundesgericht teilweise gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 22bis Abs. 1 BV
ist für die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Zivilschutzes ausschliesslich der Bund zuständig. Der Bund hat mit dem Schutzbautengesetz die Hauseigentümer verpflichtet, in allen üblicherweise mit Kellergeschossen versehenen Neubauten sowie bei wesentlichen Umbauten von Gebäuden mit Kellergeschossen private Schutzräume zu erstellen (
Art. 1 Abs. 1 und
Art. 2 Abs. 1 BMG
). Den Kantonen wurde die Kompetenz zugewiesen, zu bestimmen, inwieweit für Bauten ohne Kellergeschoss bauliche Massnahmen zu treffen sind (
Art. 2 Abs. 2 BMG
).
BGE 112 Ib 358 S. 360
Ferner können die Kantone in besonderen Fällen Ausnahmen von der Schutzraumbaupflicht anordnen. Ergeben sich daraus Einsparungen für die Hauseigentümer, so haben diese einen gleichwertigen Beitrag an die Erstellung von öffentlichen Zivilschutzbauten zu leisten (
Art. 2 Abs. 3 BMG
). Aufgrund der Kompetenzzuweisung in
Art. 2 Abs. 3 BMG
hat der Bundesrat in den Art. 5-7 der Verordnung über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz (Schutzbautenverordnung (BMV); SR 520.21) Ausführungsbestimmungen über die Voraussetzungen der Erhebung, über die Berechnung und die Verwendung der Ersatzbeiträge erlassen.
Der in Anwendung des Schutzbautengesetzes und der Schutzbautenverordnung ergangene Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich stützt sich materiell auf öffentliches Recht des Bundes. Der Ersatzbeitrag wird gemäss
Art. 6 Abs. 4 BMV
in der Baubewilligung festgesetzt. Weder das Schutzbautengesetz noch die Schutzbautenverordnung enthalten Bestimmungen über die Zuständigkeit der kantonalen Behörden zum Erlass dieser Verfügung oder über bundesrechtlich vorgeschriebene Rechtsmittel.
Art. 6 Abs. 5 BMV
sieht einzig vor, dass bei Streitigkeiten über den Ersatzbeitrag die nach kantonalem Recht zuständige Behörde zu entscheiden habe. Eine Verwaltungsbeschwerde an das Bundesamt für Zivilschutz, an das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement oder an die Eidg. Rekurskommission für Zivilschutzangelegenheiten ist bei Streitigkeiten über Ersatzbeiträge der Hauseigentümer in den
Art. 14 und 15 BMG
nicht vorgesehen. Folglich ist davon auszugehen, dass nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid über den Ersatzbeitrag die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 98 lit. g OG
). Sie fällt unter keinen der Ausschlussgründe der
Art. 99-101 OG
; sie geht zudem nach
Art. 74 lit. a VwVG
einer allfälligen Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat (
Art. 73 Abs. 1 lit. c VwVG
) vor.
Eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich gegen den angefochtenen Regierungsratsentscheid ist nach § 49 des zürcherischen Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen ausgeschlossen. Der Regierungsratsentscheid ist somit kantonal letztinstanzlich. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
3.
Obwohl der Regierungsrat in seinem Beschluss davon ausgeht, die Pflicht zur Leistung des Ersatzbeitrages sei von der Beschwerdeführerin anerkannt und nur dessen Umfang und Höhe
BGE 112 Ib 358 S. 361
bestritten, ist die - von der Baupflicht abhängige - Frage der Abgabepflicht von Amtes wegen zu prüfen.
a) Nach Ansicht des Regierungsrates ist ein wesentlicher Umbau erfolgt. Der Regierungsrat stützt seine Feststellung auf
Art. 2 Abs. 1 BMG
und
Art. 2 BMV
. Zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist
Art. 2 BMV
in der Fassung vom 27. November 1978 massgeblich. Die am 30. September 1985 revidierte Fassung (AS 1985, S. 1672) ist nicht anwendbar auf eine Abgabe, die von der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 8. Februar 1985 gefordert und am 6. März 1985 hinterlegt wurde, um mit dem Bau unverzüglich beginnen zu können.
b) Nach
Art. 2 Abs. 2 BMV
gelten Umbauten als wesentlich, wenn die Baukosten 30% des Brandversicherungswertes des Gebäudes, mindestens jedoch das 50fache der durchschnittlichen Mehrkosten für einen Schutzplatz (kantonaler Gesamtdurchschnitt der privaten Schutzräume) übersteigen. Besteht keine Brandversicherung, so ist auf den Verkehrswert des Gebäudes abzustellen.
Es erscheint fraglich, ob diese quantitativen Kriterien genügen, um einen Umbau als wesentlich im Sinne von
Art. 2 Abs. 1 BMG
ansehen zu können. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung des Schutzbautengesetzes im Jahre 1963 eine umfassende Pflicht zum Bau von Schutzplätzen bei allen Umbauten von üblicherweise mit Kellergeschossen versehenen Gebäuden (vgl. Art. 2 Abs. 1 des bundesrätlichen Entwurfs, BBl 1962 II 712) ausdrücklich abgelehnt; er hat vielmehr die einschränkendere Fassung des Gesetzes gewählt und damit als Voraussetzung für die Schutzraumbaupflicht sowohl das Vorhandensein eines Kellers wie auch einen im Verhältnis zum ganzen Gebäude wesentlichen Umbau verlangt (Amtl.Bull. NR 1963, S. 408, vgl. auch S. 27 f.; StR 1963, S. 160 ff.). In diesem Zusammenhang wurde erwähnt, dass ein (An- und) Umbau nicht etwa schon wesentlich sei, wenn nur der Dachstock ausgebaut oder einzelne Zimmer eingebaut würden, sondern erst wenn im Verhältnis zum bisher vorhandenen ins Gewicht fallender neuer Wohnraum in grösserem Ausmass geschaffen wird (Amtl.Bull. NR 1963, S. 28 und 408; StR 1963, S. 161 f.).
Dem Sinne des Gesetzes entspricht es folglich nicht, wenn als Umbau auch Veränderungen an bestehenden Wohnungen betrachtet werden, die - wie Duschen- oder Badezimmereinbau oder der Bau von Balkonen - keinen zusätzlichen Wohnraum schaffen, oder wenn die Kosten derartiger Verbesserungen bei der
BGE 112 Ib 358 S. 362
Beurteilung der Wesentlichkeit in die Umbaukosten miteinbezogen werden. Der Gesetzgeber hatte nicht die Absicht, zeitgemässe Verbesserungen des bestehenden Wohnraums durch die Schutzraumbaupflicht zu erschweren.
c) Aufgrund der Feststellungen der kantonalen Instanzen ist davon auszugehen, dass die Baukosten der Umbauten an den mit Kellergeschossen versehenen Gebäuden der Beschwerdeführerin die in
Art. 2 Abs. 2 BMV
umschriebenen Kostengrenzen übersteigen. Aus den Akten ist allerdings nicht ersichtlich, ob die im Verhältnis zu den anderen Bauvorhaben höheren Baukosten bei zwei Gebäuden möglicherweise auch die Kosten für den Duscheneinbau und den Balkonanbau im ersten Obergeschoss enthalten. Die Frage kann jedoch offenbleiben, da offensichtlich auch bei diesen Gebäuden die Kosten für das Aufstocken allein 30% des Bauwertes übersteigen.
Im übrigen ist davon auszugehen, dass mit dem Bau je eines zweiten Obergeschosses zusätzlicher Wohnraum in bedeutendem und auch im Verhältnis zu den bestehenden Gebäuden wesentlichem Umfang geschaffen wird, folglich ein wesentlicher Umbau im Sinne von
Art. 2 Abs. 1 BMG
vorliegt.
4.
Der Regierungsrat ging in seinem Entscheid davon aus, dass bei einem wesentlichen Umbau nicht nur für die neu geschaffenen oder erweiterten Wohnungen, sondern auch für die übrigen, vom Umbau nicht betroffenen Wohnungen eine Pflicht zum Bau von Schutzplätzen bestehe. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin beruht diese Rechtsauffassung auf einer unzutreffenden Auslegung von
Art. 2 Abs. 2 und
Art. 5 Abs. 2 BMV
(in der Fassung 1978); für eine den Eigentümer derart belastende Abgabe bestehe keine gesetzliche Grundlage.
a) Weder das Schutzbautengesetz noch die Schutzbautenverordnung enthalten ausdrückliche Bestimmungen darüber, welche Anzahl von Schutzplätzen der Hauseigentümer im Falle eines wesentlichen Umbaus zu erstellen oder durch einen Ersatzbeitrag abzugelten hat. Aus
Art. 2 Abs. 2 BMV
ergibt sich - entgegen der Auffassung des Regierungsrates - nicht zwingend, dass sich die Anzahl der zu erstellenden oder abzugeltenden Schutzplätze nach dem Wohnraum des gesamten Gebäudes bemisst. Der Bundesrat hat in
Art. 2 Abs. 2 BMV
lediglich die Absicht des Gesetzgebers verwirklichen wollen, wonach eine Schutzraumbaupflicht nur bei einem im Vergleich zum bestehenden Gebäude wesentlichen Umbauvorhaben entstehen soll.
BGE 112 Ib 358 S. 363
b) In
Art. 3 Abs. 1 BMV
hat der Bundesrat die Anzahl der Pflichtschutzplätze für die verschiedenen Gebäudearten entsprechend ihrer Nutzung festgelegt. Daraus liesse sich zwar - wenn auch nicht zwingend - der Schluss herleiten, der Bundesrat habe auch bei einem wesentlichen Umbau den Bauherrn zum Bau von Schutzplätzen für das gesamte Gebäude verpflichten wollen. Auch die Protokolle der parlamentarischen Beratung im Jahre 1963 weisen darauf hin, dass es die Absicht des Gesetzgebers war, bei wesentlichen Umbauten die Schutzraumbaupflicht in gleichem Umfange wie bei Neubauten entstehen zu lassen. Dies entspricht ohne Zweifel dem Ziel, das mit dem Schutzbautengesetz verfolgt werden sollte; auch für die Bewohner älterer Häuser sollten bei einem wesentlichen Umbau Schutzräume geschaffen werden.
Der Gesetzgeber ging im Jahre 1963 jedoch davon aus, dass der Bau von Schutzräumen in privaten Häusern mit Kellergeschoss nachträglich möglich sei und zu 80% von Bund, Kanton und Gemeinde finanziert werden sollte. Entsprechend hatte das Parlament die im bundesrätlichen Entwurf vorgesehene Erhebung eines Ersatzbeitrages bei den von der Baupflicht befreiten Hauseigentümern (BBl 1962 II 707 f., 713) ausdrücklich abgelehnt (Amtl.Bull. NR 1963, S. 29; StR 1963, S. 163). Die Ersatzbeitragspflicht wurde erst mit der Revision vom 7. Oktober 1977 ins Gesetz aufgenommen. Das Parlament hatte in der Zwischenzeit das Zivilschutzkonzept 1971 (vgl. BBl 1971 II 522 ff.) verabschiedet, das eine Ausdehnung der Schutzraumbaupflicht auf das ganze Landesgebiet forderte. Es war auch bekannt, dass der Bau kleiner privater Schutzräume wegen der hohen Sicherheitsanforderungen und wegen der schwierigen Organisation des Lebens in kleinen Räumen nicht die richtige Lösung und in besonders gefährdeten Gebieten (zum Beispiel in der Altstadt) gar nicht zweckmässig sein konnte (BBl 1976 III 354, 360 f.; vgl. auch den neu geschaffenen
Art. 2 Abs. 4 BMG
). Die Ausdehnung der Schutzraumbaupflicht erforderte den vermehrten Bau von öffentlichen Schutzräumen; dies auch im Hinblick auf die neuartigen Gefahren, vor welchen der Bevölkerung ein nachträglich im Kellergeschoss eines Gebäudes eingerichteter Schutzraum nur schwer genügend Schutz bieten kann. Die Finanzierung dieser öffentlichen Schutzräume sollte zumindest teilweise durch die Erhebung von Ersatzbeiträgen bei den von der Baupflicht befreiten Grundeigentümern erfolgen. Durch eine Verminderung der Subventionen auf schliesslich 50% wurde gleichzeitig die finanzielle Belastung der Grundeigentümer erhöht.
BGE 112 Ib 358 S. 364
Die mit diesen Neuerungen zusammenhängenden einschneidenden Verpflichtungen hätten den Gesetzgeber im Jahre 1977 veranlassen müssen, die Voraussetzungen und die Grundlagen für die Erhebung des Ersatzbeitrages - insbesondere bei Umbauten und dergleichen - eingehender zu regeln. Die aus dem Jahre 1978 stammende bundesrätliche Verordnung enthält zwar in
Art. 3 Abs. 1 BMV
eine Aufstellung der für die verschiedenen Arten von Gebäuden notwendigen Pflichtschutzplätze; sie stellt jedoch nicht klar, ob bei einem wesentlichen Umbau im Sinne von
Art. 2 Abs. 1 BMG
die Schutzplätze für das gesamte Gebäude oder bloss für den durch den Umbau gewonnenen Teil zu berechnen sind.
c) Der Regierungsrat macht in seiner Vernehmlassung geltend, der Gesetzgeber habe die Baupflicht für jedes Gebäude selbständig geordnet; daraus ergebe sich sinngemäss, dass bei einem Umbau ein Schutzraum für die Bedürfnisse des ganzen Gebäudes zu errichten oder abzugelten sei.
Aus der Formulierung von
Art. 2 Abs. 1 BMG
kann zwar der Schluss gezogen werden, dass die Schutzraumbaupflicht den Eigentümer jedes Grundstücks gesondert trifft. Der Grundeigentümer kann die ihm auferlegte Pflicht aber auch durch Beteiligung am Bau eines gemeinsamen Schutzraumes für mehrere Gebäude, selbst zusammen mit anderen Eigentümern, erfüllen. Solche gemeinsamen Schutzräume werden - entgegen dem Wortlaut von
Art. 2 Abs. 1 BMG
("in allen ... Neubauten") - durch das Schutzbautengesetz keineswegs ausgeschlossen, sondern können von den Behörden nach
Art. 2 Abs. 4 BMG
sogar angeordnet werden. Die zuständigen Behörden können deshalb den Bau gemeinsamer Schutzräume nicht verhindern, wenn sich damit der gesetzliche Zweck erreichen lässt und die dauernde Benützung der gemeinsamen Schutzräume durch die Bewohner der verschiedenen Gebäude sichergestellt ist. Aus den gesetzlichen Bestimmungen des Bundes lässt sich deshalb auch nicht zwingend ableiten, dass bei einem Umbau die Schutzplätze für die Gesamtzahl der Benützer des ganzen Gebäudes gebaut oder abgegolten werden müssen.
d) Nach
Art. 2 Abs. 1 BMV
gelten Anbauten als Neubauten und Aufbauten als Umbauten. Daraus leitet die Verwaltungspraxis ab, dass bei einem Anbau an ein bestehendes Gebäude der Hauseigentümer nur für den zusätzlich geschaffenen Wohnraum, bei einem Umbau hingegen allenfalls für das gesamte bestehende Gebäude schutzraumbaupflichtig wird. Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich dies nicht ohne weiteres entnehmen. Die
BGE 112 Ib 358 S. 365
Gesetzesmaterialien zeigen die Entstehung der ähnlichen ersten Verordnungsbestimmung vom 15. Mai 1964 (
Art. 1 Abs. 1 BMV
; AS 1964, S. 494): Die ursprünglich ausdrücklich im Gesetzestext erwähnten Anbauten sollten gleich wie Umbauten behandelt werden (BBl 1962 II 712; Amtl.Bull. NR 1963, S. 26; StR 1963, S. 160 f.). Die ständerätliche Kommission erwähnte in ihrer geänderten Fassung die Anbauten nicht mehr. Sie wollte jedoch nach der Darstellung ihres Berichterstatters hinsichtlich der Baupflicht keinen Unterschied zwischen Umbauten und Anbauten machen. Auch in der Fassung der nationalrätlichen Kommission, welcher der Ständerat schliesslich zustimmte, sind die Anbauten nicht erwähnt. Der Berichterstatter erklärte dazu allerdings in der Beratung: "Anbauten sind nicht mehr erwähnt. Sie sind Neubauten und fallen unter diesen Begriff..." (Amtl.Bull. NR 1963, S. 408). Dabei dachte der damalige Gesetzgeber, wie
Art. 1 Abs. 1 und 2 BMV
in der ersten Fassung vom 15. Mai 1964 zeigt, aber wohl nur an die Voraussetzung der Schutzraumbaupflicht, die - wie beim Neubau - entstehen sollte, wenn der Anbau üblicherweise unterkellert ist.
Mit dem Schutzbautengesetz sollte ursprünglich der Bau von Schutzräumen in privaten Liegenschaften möglichst umfassend verwirklicht werden. Entsprechend dieser Zielsetzung scheint es nicht verständlich, wenn ausgerechnet bei einem Anbau zur Erweiterung des Wohn- und Geschäftsraumes des bestehenden Gebäudes, wo der Einbau von Schutzräumen durch eine geeignete Unterkellerung verwirklicht werden kann, der Eigentümer zum Bau von Schutzräumen nur für die Bewohner des Anbaus, nicht aber für das ganze Gebäude verpflichtet sein sollte. Im Keller einer bestehenden Liegenschaft dagegen dürfte die Errichtung eines den heutigen Anforderungen entsprechenden Schutzraumes, wenn nicht schon technisch unmöglich, so doch regelmässig mit einem unverhältnismässigen Aufwand verbunden sein, kann doch der Hauseigentümer nur insoweit zum Bau eines Schutzraumes verpflichtet werden, als die anerkannten Mehrkosten der vorgeschriebenen Schutzplätze 5% der Baukosten für den An- oder Umbau - und nicht für das ganze Gebäude - nicht übersteigen (
Art. 8 Abs. 1 BMG
;
Art. 5 Abs. 1 BMV
).
Es ist sodann nicht nur dem Ziel des Schutzbautengesetzes zuwiderlaufend, sondern es führt vor allem auch zu einer unerträglichen rechtsungleichen Behandlung der Eigentümer von bestehenden - insbesondere von älteren - Gebäuden ohne Schutzraum im Kellergeschoss, wenn sie bei jeder Erweiterung durch einen
BGE 112 Ib 358 S. 366
Anbau einen Schutzraum, nur für die Bewohner des Anbaus allein, zu errichten oder abzugelten haben, hingegen bei einer umfangmässig gleichen Erweiterung durch einen Umbau oder Aufbau entweder gar nicht oder gleich für die Bewohner des ganzen Gebäudes.
Diese Überlegungen und das Bemühen um eine verfassungsmässige Auslegung lassen es nicht zu, dass aus der erwähnten Verordnungsbestimmung eine Regel zur Festsetzung des Umfangs der Schutzraumbaupflicht hergeleitet wird. Um Rechtsungleichheiten zu vermeiden, ist es, mangels einer klaren gesetzlichen Regelung, vorzuziehen, den Umfang der Schutzraumbaupflicht bei einem Umbau auf den neu geschaffenen Raum zu beschränken. Vom Ziel des Gesetzes her wäre damit zwar nicht alles erreicht, was bei Umbauten und Anbauten an bestehenden Gebäuden eigentlich wünschbar wäre, doch hätte der Gesetzgeber dies eher in Kauf nehmen können, als eine unerträglich rechtsungleiche und dem Ziel des Gesetzes geradezu widersprechende Ordnung einzuführen.
5.
Die zurückhaltende Auslegung, wonach bei einem wesentlichen Umbau Pflichtschutzplätze nur für den neu geschaffenen Wohnraum zu errichten oder abzugelten sind, drängt sich auch unter dem Blickwinkel der für die Erhebung des Ersatzbeitrages notwendigen gesetzlichen Grundlage auf.
a)
Art. 2 Abs. 3 BMG
ist - entsprechend dem ursprünglichen Zweck des Schutzbautengesetzes - immer noch so formuliert, als ob die Abgeltung der Schutzraumbaupflicht in Geld eine Ausnahme wäre. In der Praxis verhält es sich jedoch bei Umbauten und teilweise auch bei Neubauten gerade umgekehrt. Der nachträgliche Einbau eines Schutzraumes nach den geltenden Technischen Weisungen des Bundesamtes für Zivilschutz (TWP 1984) wird mit Rücksicht auf die geforderte Stärke und Armierung der Stahlbeton-Decken, -Wände und -Böden sowie der Fluchtwege in einem bestehenden Gebäude aus technischen aber auch aus Kostengründen (mit einem Aufwand von immerhin 5% der Baukosten) nur selten überhaupt möglich sein. In besonders gefährdeten Gebieten vermag selbst bei Neubauten der Einbau eines privaten Schutzraumes nach den heutigen Erkenntnissen seinen Zweck nicht zu erfüllen (vgl.
Art. 4 Abs. 1 lit. b BMV
in der Fassung vom 30. September 1985; AS 1985, S. 1673). In diesen Fällen kommt folglich nur die Erhebung eines Ersatzbeitrages in Frage.
Diese Verlagerung des Schwergewichtes von der Baupflicht zur Ersatzbeitragspflicht hat jedoch bis anhin weder den Gesetzgeber
BGE 112 Ib 358 S. 367
noch den Verordnungsgeber dazu veranlasst, den gemäss
Art. 2 Abs. 3 BMG
zu erhebenden Ersatzbeitrag durch ausdrückliche Vorschriften näher zu bestimmen.
b) Nach
Art. 2 Abs. 3 BMG
handelt es sich beim Ersatzbeitrag um einen Beitrag an die Erstellung von öffentlichen Zivilschutzbauten. Der Ersatzbeitrag ist vor Baubeginn zu entrichten (
Art. 6 Abs. 4 BMV
). Weitere Ausführungsvorschriften erliess der Bundesrat bisher nicht. Für die Beitragspflicht soll offenbar ohne Bedeutung sein, ob für die abzugeltenden Pflichtschutzplätze in der fraglichen Gemeinde ein öffentlicher Schutzraum besteht, in Ausführung begriffen oder geplant ist. Trotz seiner Bezeichnung ist der "Beitrag" deshalb nicht ohne weiteres als eine eigentliche Vorzugslast zu betrachten, d.h. als ein Beitrag an Leistungen der Gemeinde oder des Kantons, aus denen dem Hauseigentümer ein Sondervorteil erwächst. Mit einer Vorzugslast hat der "Beitrag" nach
Art. 2 Abs. 3 BMG
gemeinsam, dass dem Hauseigentümer eigene Leistungen erspart bleiben, jedoch soll er nicht Leistungen geniessen, die mit seiner Ersparnis (Mehrwertersatzprinzip) oder deren Kosten für das Gemeinwesen mit den geleisteten "Beiträgen" verglichen werden könnten (Kostendeckungsprinzip).
Der "Beitrag" im Sinne von
Art. 2 Abs. 3 BMG
könnte als Ersatzabgabe angesehen werden. Er wird vor allem der rechtsgleichen Behandlung wegen von den von der Schutzraumbaupflicht befreiten Hauseigentümern erhoben und nach ihrer Ersparnis an Baukosten bemessen. Allenfalls könnte es sich beim "Beitrag" auch um eine Sondersteuer handeln; die Praxis hat dies auch schon bei Feuerwehrersatzabgaben angenommen (
BGE 102 Ia 14
E. 6). Für eine Qualifikation als Steuer spricht der Lenkungscharakter, den die Abgabe für den privaten Schutzraumbau haben soll (vgl. BBl 1976 III 360). Allerdings wird sie nicht voraussetzungslos von allen Eigentümern von Häusern ohne Schutzräume - bei jedem Umbau oder Neubau schlechthin - erhoben (vgl.
BGE 102 Ia 183
E. 1).
Die Frage nach der Rechtsnatur der Abgabe kann jedoch offenbleiben. Der Ersatz"beitrag" bedarf auf jeden Fall einer Grundlage in einem formellen Gesetz (
BGE 97 I 803
E. 6c und 7; vgl. auch VALLENDER, Grundzüge des Kausalabgaberechts, Bern 1976, S. 152 f.).
c) Die gesetzliche Grundlage einer Abgabe kann auch in einer Verordnung enthalten sein, welche die Exekutive gestützt auf die in einem formellen Gesetz aufgestellten Grundsätze (über Person,
BGE 112 Ib 358 S. 368
Gegenstand und Bemessungsgrundlage) im Rahmen ihrer allgemeinen Vollzugskompetenz oder aufgrund einer besonderen Delegation des Gesetz- oder Verfassungsgebers erlassen hat. Handelt es sich um eine bundesrätliche Verordnung, so kann das Bundesgericht zufolge der ihm auferlegten Bindung an die Bundesgesetze und allgemeinverbindlichen Bundesbeschlüsse (Art. 113 Abs. 3 und 114bis Abs. 3 BV) nach ständiger Praxis auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin nur prüfen, ob der Bundesrat die ihm in der gesetzlichen Delegationsvorschrift gesetzten Grenzen der selbständigen Rechtsetzung nicht überschritten hat und, soweit die Delegationsvorschrift den Bundesrat nicht zur Abweichung von der Verfassung ermächtigt, ob seine Verordnungsbestimmungen verfassungsmässig sind (
BGE 109 Ib 288
E. 2a mit Hinweisen).
Hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des "Beitrags" kann sich die bundesrätliche Verordnung auf die Delegationsvorschrift in
Art. 2 Abs. 3 BMG
stützen. Diese ermächtigt zwar nicht zum Abweichen von der Verfassung, doch hat der Bundesrat in einem weiten Bereich freies Ermessen. Das Bundesgericht hat dieses bei seiner Prüfung zu respektieren; es darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen (
BGE 109 Ib 288
E. 2a).
Hinsichtlich der Schutzraumbaupflicht bei einem Umbau und ihres Umfangs, aus denen sich die vom Eigentümer abzugeltende Ersparnis (
Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BMG
) ergibt, kann sich die bundesrätliche Verordnung hingegen nur auf die Zuständigkeit zum Erlass der notwendigen Ausführungsbestimmungen nach
Art. 19 Abs. 1 BMG
stützen. Diese allgemeine Ausführungskompetenz belässt dem Bundesrat bezüglich technischer Fragen zwar einen vom Bundesgericht zu respektierenden Ermessensspielraum; davon abgesehen kann das Bundesgericht in diesem Bereich die Ausführungsvorschriften auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz jedoch frei überprüfen.
d) Die Erwägungen unter Ziff. 4 lit. d haben gezeigt, dass die Vorschriften der bundesrätlichen Verordnung nach der Auslegung des zürcherischen Regierungsrates und des Bundesamtes für Zivilschutz hinsichtlich des Umfangs des bei einem Umbau zu errichtenden Schutzraumes unzulänglich sind und sich daraus vom Gesetzgeber kaum gewollte ungleiche Belastungen der Hauseigentümer ergeben. Seit der Gesetzgeber die Bundessubventionen an den privaten Schutzraumbau bei der Revision des
Art. 5 Abs. 1 BMG
vom 20. Juni 1980 (in Kraft seit 1. Januar 1981) gänzlich
BGE 112 Ib 358 S. 369
abgeschafft hat und auch die Kantone und Gemeinden nicht länger verpflichtet sind, Subventionen auszurichten, ist die finanzielle Belastung der privaten Hauseigentümer - verglichen mit derjenigen beim Erlass des Schutzbautengesetzes im Jahre 1964 - um ein Mehrfaches grösser geworden. Sie kann - selbst wenn sie nur nach dem Umfang des neu geschaffenen Wohnraumes berechnet wird - im Kanton Zürich nach der seit dem 1. Januar 1981 geltenden Skala bis zu Fr. 1'250.-- für das durch Umbau gewonnene Zimmer (pro Schutzplatz) erreichen. Würde - entsprechend dem angefochtenen Regierungsratsbeschluss - bei einem Umbau die Schutzraumbaupflicht die für das ganze Gebäude nötige Schutzplatzzahl umfassen, könnte sie sich noch um ein Vielfaches erhöhen. Selbst bei genossenschaftlichem Wohnungsbau des bescheidenen Standards, wie ihn teilweise die Blöcke der Beschwerdeführerin aufweisen, würde sich eine finanzielle Belastung von Fr. 3'020.-- pro gewonnenes Zimmer ergeben. Bei einer Abgabe in dieser Grössenordnung wirkt sich die mit sachlichen Gründen nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Hauseigentümer - von Gebäuden mit oder ohne Kellergeschoss, bei Umbau oder Anbau - unter dem Blickwinkel von
Art. 4 BV
unerträglich aus.
Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, die Vorschriften der bundesrätlichen Verordnung hinsichtlich der Zahl der abzugeltenden Schutzplätze zurückhaltend auszulegen und den Umfang der Schutzraumbaupflicht im Sinne der Erwägungen unter Ziff. 4 lit. d auf den durch den Umbau gewonnenen Raum zu beschränken. Entsprechend ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich zu schützen und der angefochtene Regierungsratsbeschluss, soweit darin die Anzahl der abzugeltenden Schutzplätze festgelegt wird, aufzuheben.
6.
Die Beschwerdeführerin verlangt unter Ziff. 3 ihres Rechtsbegehrens, dass die Ersatzabgabe für diese geringere Zahl von Schutzplätzen in ihren verschiedenen durch Aufstockung erweiterten Wohngebäuden nach den durchschnittlichen Mehrkosten zu berechnen sei, die beim Bau eines einzigen Schutzraumes anfallen würden. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass das Gesetz den Gebäudebegriff meistens in der Mehrzahl verwende. Zudem sei bezüglich der Grösse des Schutzraumes auf denjenigen Schutzraum abzustellen, der bei einer effektiven Baupflicht in der konkreten Situation mutmasslich erstellt würde; dies sei bei Gesamtüberbauungen ein einheitlicher Schutzraum.
BGE 112 Ib 358 S. 370
a)
Art. 2 Abs. 1 BMG
ist sowohl hinsichtlich des Begriffs der Hauseigentümer als auch der Gebäude in der Mehrzahl formuliert; die Beschwerdeführerin kann folglich aus dem in der Mehrzahl verwendeten Gebäudebegriff nichts für sich herleiten.
b) Auch hinsichtlich der relevanten Schutzraumgrösse fehlt es in der Schutzbautenverordnung an einer ausdrücklichen Regelung. Wohl sieht
Art. 6 Abs. 1 BMV
vor, dass die Mehrkosten pro Schutzplatz, denen die Ersatzabgabe gleichwertig sein soll, vom Kanton (alljährlich) "für die verschiedenen Schutzraumgrössen" zu ermitteln sind, sich die Abgabe pro Schutzplatz folglich nach der Grösse des Schutzraumes richtet, dessen Baukosten sich der Eigentümer erspart.
Art. 6 Abs. 1 BMV
enthält jedoch keine Vorschrift darüber, welche Schutzraumgrösse der Berechnung zugrunde zu legen ist, wenn der Eigentümer verschiedener Gebäude diese gleichzeitig umbaut und seine Schutzraumbaupflicht durch die Erstellung eines einzigen Schutzraumes für alle Gebäude erfüllen könnte (vgl. E. 4c). Immerhin ist
Art. 6 Abs. 1 BMV
aber sinngemäss zu entnehmen, dass es sich um die auf das einzelne umgebaute Gebäude bezogene Schutzraumgrösse handeln muss.
c) Diese Auslegung ergibt sich aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften über die Baupflicht mit dem an deren Stelle tretenden Ersatzbeitrag (Ersatzabgabe, ev. Sondersteuer), dessen Umfang sich nach der Baupflicht richtet. Die Baupflicht trifft den Hauseigentümer für ein bestimmtes Gebäude (
Art. 2 Abs. 1 BMG
); sie kann für verschiedene Gebäude, deren Eigentumsverhältnisse während und nach dem Bau verschieden sein können, nur gesondert bestimmt werden.
Art. 2 Abs. 4 BMG
erlaubt bloss, diese Baupflicht allenfalls durch die Erstellung eines gemeinsamen Schutzraumes für mehrere Gebäude zu erfüllen. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass dem Hauseigentümer die Erfüllung der Baupflicht in der Form einer Beteiligung an einem gemeinsamen Schutzraum aus Kostengründen zugemutet werden kann und gegenüber ihm erzwingbar wird, während von ihm der Bau eines kleineren - verhältnismässig teureren - Schutzraumes wegen der Kostenbegrenzung (
Art. 8 Abs. 1 BMG
und
Art. 5 BMV
) nicht verlangt werden könnte.
Der Ersatzbeitrag soll den Einsparungen des Hauseigentümers gleichwertig sein (
Art. 2 Abs. 3 BMG
). Selbst wenn sich bei der Erfüllung der Baupflicht für den Hauseigentümer die Möglichkeit ergäbe, durch die Beteiligung an einem gemeinsamen Schutzraum (
Art. 2 Abs. 4 BMG
) Einsparungen zu erzielen, so ist - wenn er
BGE 112 Ib 358 S. 371
von der Baupflicht befreit wird - deswegen seine Einsparung nicht geringer. Es wäre geradezu widersprüchlich, der Bemessung des Ersatzbeitrages (nach der erzielten Einsparung) einen Anteil an Baukosten eines gemeinsamen Schutzraumes zugrunde zu legen, an dessen Erstellung er sich für die Bewohner seines Hauses gar nicht beteiligt. Eine gegenteilige Lösung könnte im übrigen schwerlich nur bei mehreren vom gleichen Eigentümer umgebauten oder neu erstellten benachbarten Gebäuden Anwendung finden, da
Art. 2 Abs. 4 BMG
die Erstellung eines gemeinsamen Schutzraumes von mehreren Eigentümern verschiedener Gebäude nicht ausschliesst; es würde aber zu schwierigen Abgrenzungen und vor
Art. 4 Abs. 1 BV
nicht haltbaren ungleichen Belastungen führen, wenn der Eigentümer eines einzigen Gebäudes allenfalls verlangen könnte, dass seine Ersatzleistung nach den Schutzplatzkosten in einem gemeinsamen Schutzraum bemessen würde.
d) Die Berechnung des Ersatzbeitrages auf der Grundlage der Schutzplatzkosten für den in jedem einzelnen Gebäude an sich erforderlichen Schutzraum erweist sich auch im Falle der Beschwerdeführerin als sachgerecht. Würden nämlich - wie die Beschwerdeführerin es verlangt - die Kosten für einen einzelnen Schutzplatz aufgrund der Schutzraumgrösse für die Gesamtzahl der durch den Umbau erforderlichen Schutzplätze berechnet, würde sie die Ersatzabgabe für einen rein theoretischen Schutzraum leisten, der für ihre Genossenschaftsüberbauung aus praktischen Gründen nicht in Frage kommt. In diesem Punkt verdient ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde daher keinen Schutz; das Rechtsbegehren unter Ziff. 3 ist abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
fce1adee-63e5-4ad2-9ee3-f7e356cc1e23 | Urteilskopf
117 V 136
15. Arrêt du 19 juin 1991 dans la cause Fondation T. contre Office fédéral des assurances sociales | Regeste
Widerruf einer Subventionszusage; Voraussetzungen. Anwendung der Rechtsprechung zum Widerruf von Verwaltungsverfügungen (
BGE 115 Ib 155
Erw. 3a) und Hinweis auf das neue Subventionsrecht (
Art. 30 SuG
) (Erw. 4).
Art. 155 Abs. 1 AHVG
, Art. 1 Bundesbeschluss über die Verlängerung der Frist zur Ausrichtung von Baubeiträgen durch die AHV vom 18. März 1988. Begriff des "Baubeginns" (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 136
BGE 117 V 136 S. 136
A.-
La fondation T. (ci-après: la fondation), constituée le 10 décembre 1985, a pour but la construction et l'exploitation d'un établissement pour personnes âgées.
En date du 20 décembre 1985, le ministre de l'éducation et des affaires sociales de la République et canton du Jura annonça le projet à l'Office fédéral des assurances sociales (ci-après: l'OFAS), en lui remettant divers documents à l'appui.
Par la suite, le projet fut remanié à la demande de l'autorité fédérale et à nouveau soumis à cette dernière le 25 novembre 1987, avec le préavis favorable du Gouvernement jurassien. Selon une planification de l'avancement des travaux et des besoins financiers communiquée à l'OFAS le 9 décembre 1987, il était prévu que les travaux de construction débuteraient en juin 1988 et qu'ils seraient achevés en avril 1989.
Par décision du 14 avril 1988, l'OFAS fixa le montant provisoire (Fr. 885'000.--) et les conditions de la subvention allouée à la fondation pour la réalisation de son projet de construction. Parmi ces conditions figurait celle-ci:
BGE 117 V 136 S. 137
"531 La subvention est octroyée à la condition que les travaux de
construction soient entrepris avant le 1er juillet 1990."
Le permis de construire fut délivré à la fondation par l'autorité cantonale compétente le 20 décembre 1989.
En date du 29 mars 1990, l'OFAS adressa "aux instances cantonales chargées de l'envoi des demandes de subvention pour la construction de l'AVS" une circulaire rappelant qu'aux termes de la loi, la mise en chantier des projets annoncés à temps devait impérativement commencer le 30 juin 1990 au plus tard, faute de quoi il ne serait plus possible d'allouer une subvention fédérale. Ce document explicitait ce qu'il fallait entendre (ou ne pas entendre) par "début des travaux" selon les exigences du droit fédéral. La circulaire mentionnait également qu'une fois commencés, les travaux de construction devaient être menés sans interruption. Elle fut communiquée le 30 mars 1990 au président de la fondation par le ministre de l'éducation et des affaires sociales.
B.-
Le 27 août 1990, l'OFAS invita le département de l'éducation et des affaires sociales à lui remettre un procès-verbal du déroulement du projet de construction. Le 31 août 1990, un fonctionnaire de l'OFAS se rendit sur le chantier et dressa procès-verbal de ses constatations dans les termes suivants:
"- les travaux de terrassement ont été effectués (à temps, semble-t-il,
selon les voisins).
- l'aire de chantier est clairement délimitée par des filets palissades
de couleur rouge, en matière plastique.
- aucune activité de construction.
- aucun personnel sur place.
- aucun matériau de construction sur place.
- aucune machine de chantier (grue, bétonnière ou autre)."
Après un échange de lettres entre l'OFAS et le ministre jurassien en charge de ce dossier et une entrevue à Berne le 14 septembre 1990, l'OFAS rendit une décision le 18 octobre 1990, par laquelle il constatait qu'en raison du non-respect des conditions fixées dans la décision du 14 avril 1988, la construction du home pour personnes âgées T. ne pouvait être subventionnée par l'AVS.
C.-
La fondation interjette recours de droit administratif contre la décision de l'OFAS du 18 octobre 1990 dont elle demande l'annulation.
Dans sa réponse, l'office intimé conclut au rejet du recours.
Les moyens des parties seront évoqués ci-dessous pour autant que de besoin.
BGE 117 V 136 S. 138
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Aux termes de l'
art. 155 al. 1 LAVS
, l'assurance peut allouer des subventions pour la construction, l'agrandissement et la rénovation d'établissements et d'autres installations pour personnes âgées, pour autant que le projet ait été annoncé jusqu'à l'entrée en vigueur de la présente disposition, conformément aux directives de l'Office fédéral des assurances sociales, et que les travaux débutent au plus tard deux ans et demi après l'entrée en vigueur, fixée au 1er janvier 1986.
b) Selon l'art. 1er de l'arrêté fédéral concernant la prolongation du délai pour l'octroi de subventions de construction pour l'assurance-vieillesse et survivants du 18 mars 1988 (ci-après: l'arrêté fédéral), en dérogation à l'
art. 155 LAVS
, l'assurance peut allouer des subventions pour la construction, l'agrandissement et la rénovation d'établissements et d'autres installations pour personnes âgées pour autant que le projet ait été annoncé avant le 1er janvier 1986 et que les travaux débutent au plus tard le 30 juin 1990.
2.
(Recevabilité du recours de droit administratif)
3.
(Pouvoir d'examen)
4.
La décision attaquée a pour effet de révoquer une promesse de subvention figurant dans une décision entrée en force (comp.
ATF 99 Ib 459
).
a) En lui-même, le motif de la révocation ressort clairement du texte légal: le droit à la subvention est soumis à la condition que les travaux débutent au plus tard le 30 juin 1990. La décision du 14 avril 1988, par laquelle la subvention était promise, le mentionnait expressément sous ch. 531. Il s'agissait d'une condition potestative (il appartenait à la fondation, bénéficiaire de la subvention, de commencer les travaux de construction à temps) et résolutoire (la promesse de subvention perdait sa validité si la condition n'était pas remplie à l'échéance), dont la licéité n'est pas douteuse (GRISEL, Traité de droit administratif, 1984, p. 407 s.; GYGI, Verwaltungsrecht, 1986, p. 288 ss; IMBODEN/RHINOW/KRÄHENMANN, Verwaltungsrechtsprechung, No 39 B II).
b) D'après la jurisprudence, il découle du caractère impératif du droit public qu'un acte administratif qui ne concorde pas avec le droit positif puisse être modifié. Cependant, la sécurité du droit peut imposer qu'un acte qui a constaté ou créé une situation juridique ne puisse pas être mis en cause. En l'absence de règles sur la révocation prévues dans la loi, l'autorité doit mettre en balance d'une part l'intérêt
BGE 117 V 136 S. 139
à une application correcte du droit objectif, d'autre part les exigences de la sécurité du droit. Celles-ci l'emportent en principe lorsque la décision en cause a créé un droit subjectif au profit de l'administré, lorsque celui-ci a déjà fait usage d'une autorisation obtenue, ou encore lorsque la décision est le fruit d'une procédure au cours de laquelle les divers intérêts en présence ont fait l'objet d'un examen approfondi. Cette règle n'est cependant pas absolue et la révocation peut intervenir même dans une des trois hypothèses précitées lorsqu'elle est commandée par un intérêt public particulièrement important. Dans certains cas une indemnité est due. Au contraire, les exigences de la sécurité du droit peuvent être prioritaires même lorsque aucune de ces trois hypothèses n'est réalisée (
ATF 115 Ib 155
consid. 3a avec la jurisprudence et la doctrine citées).
On relèvera qu'il n'y a pas lieu d'appliquer en l'espèce les principes développés par la jurisprudence du Tribunal fédéral des assurances en matière de révision et de reconsidération des décisions administratives dans le domaine des assurances sociales (cf.
ATF 115 V 312
consid. 4). En effet, ainsi qu'on l'a vu au considérant précédent, la révocation de la promesse de subvention faite par l'intimé à la recourante est la conséquence de l'accomplissement prétendu d'une condition potestative et résolutoire expressément prévue dans la décision révoquée. Elle n'est donc pas due à la découverte de nouveaux faits ou de nouveaux moyens de preuve postérieurement à l'entrée en force de la décision du 14 avril 1988, ce qui serait un motif de révision, pas plus qu'elle n'est le résultat d'un réexamen de ladite décision ayant fait apparaître que celle-ci était, lors de son prononcé, sans nul doute erronée et que sa correction revêtait une importance notable, ce qui justifierait une reconsidération de la décision en cause (sur ces différentes notions, v. notamment: IMBODEN/RHINOW/KRÄHENMANN, op.cit., No 41 B VIII et IX et No 43 B I; A. GRISEL, L'apport du Tribunal fédéral des assurances au développement du droit public, in: Mélanges Alexandre Berenstein, p. 444 ss; LUGON, Révocation, reconsidération, révision, ZBl 90/1989 p. 425 ss).
c) Le 1er avril 1991 est entrée en vigueur la loi fédérale sur les aides financières et les indemnités, dite loi sur les subventions (ci-après: LSu), du 5 octobre 1990, laquelle constitue, en quelque sorte, la "partie générale" du droit fédéral des subventionnements publics (cf. le message du Conseil fédéral à l'appui d'un projet de loi sur les aides financières et les indemnités, du 15 décembre 1986
BGE 117 V 136 S. 140
[FF 1987 I 375, spéc. ch. 114]). Il ne fait guère de doute que les subventions pour la construction allouées par l'AVS tombent également sous le coup de cette nouvelle réglementation, bien que l'
art. 155 LAVS
ne soit pas mentionné dans l'appendice au message précité (op.cit., p. 433 en bas), ce qui s'explique sans doute par le fait qu'il s'agit d'une disposition transitoire.
Selon l'
art. 42 al. 1 LSu
, le chapitre 3 de ladite loi s'applique également aux décisions arrêtées sous l'empire de l'ancien droit, pour autant qu'elles déploient leurs effets au-delà de l'entrée en vigueur et que la nouvelle loi n'est pas plus défavorable aux allocataires.
Or, la situation qui se présente ici est quelque peu paradoxale: Si le recours de droit administratif formé contre la décision de révocation du 18 octobre 1990 est jugé bien fondé et que ladite décision soit en conséquence annulée, celle du 14 avril 1988 déploiera de nouveau ses effets et cela au-delà du 1er avril 1991 puisque, à ce jour, la fondation n'a pas encore reçu la subvention promise. En revanche, la décision attaquée, rendue avant l'entrée en vigueur du nouveau droit, n'est, en principe, pas touchée par celui-ci puisqu'il s'agit simplement d'une révocation de la décision précédente, comme si celle-ci n'avait jamais existé.
Dès lors, il faut examiner la validité de la décision entreprise à la lumière des principes généraux précités (consid. 4b ci-dessus), c'est-à-dire "en l'absence de règles sur la révocation prévues dans la loi". Toutefois, à titre subsidiaire, il conviendra de se référer au nouveau droit et plus particulièrement à l'
art. 30 LSu
qui règle la révocation de décisions ouvrant le droit à une aide ou à une indemnité. Il n'est en effet nullement interdit au juge de s'inspirer du nouveau droit, lorsqu'il doit interpréter l'ancienne règle applicable au cas d'espèce (
ATF 110 V 215
consid. 3; RCC 1988 p. 53 consid. 4a et 279 consid. 1 in fine).
5.
a) Ni la loi (
art. 155 al. 1 LAVS
et art. 1er de l'arrêté fédéral du 18 mars 1988), ni les dispositions d'exécution figurant aux
art. 215 ss RAVS
ne définissent ce qu'il faut entendre par "début des travaux". Cela n'est pas précisé non plus dans le bref commentaire du nouvel
art. 155 LAVS
dont le Conseil fédéral a proposé l'adoption dans son message du 28 septembre 1981 relatif aux premières mesures pour une nouvelle répartition des tâches entre la Confédération et les cantons (FF 1981 III 705 ss, 775 spéc. ch. 4.07.23) et dont le texte définitif ne diffère que sur des points de détail du projet (RO 1985 II 2002). Quant au message du
BGE 117 V 136 S. 141
Conseil fédéral concernant la prolongation du délai pour l'octroi de subventions de construction par l'AVS du 1er mars 1988 (FF 1988 I 754 ss), il se réfère à plusieurs reprises à la notion de "mise en chantier" sans toutefois en préciser le contenu (cf. aussi l'
art. 26 LSu
).
En revanche, l'office intimé a édicté à ce sujet des directives qui font l'objet d'une circulaire adressée le 29 mars 1990 aux autorités cantonales compétentes et dont la recourante ne conteste pas avoir eu connaissance en temps utile. Au demeurant, elle déclare dans son mémoire de recours qu'elle admet la conformité à la loi des chiffres 1 et 2 de la circulaire, lesquels définissent d'une part les travaux qui doivent avoir été entrepris avant le 30 juin 1990 pour que l'on puisse considérer la construction comme commencée (ch. 1) et, d'autre part, les faits qui ne satisfont pas à cette exigence (ch. 2). Par contre, la recourante met en doute la légalité du chiffre 3 de la circulaire, d'après lequel "les travaux de construction doivent être menés sans interruption dès la mise en chantier".
b) La notion de "début des travaux" est fréquemment utilisée dans la législation en matière de construction, notamment dans les cas - comparables à celui qui se présente ici - de révocation ou de péremption du permis de construire pour le motif que les travaux faisant l'objet de l'autorisation n'ont pas été entrepris avant la survenance d'un certain terme (SCHÜRMANN, Bau- und Planungsrecht, 2e éd., 1984, p. 70, n. 6). Cette notion n'étant toutefois pas définie par le droit fédéral (DFJP/OFAT, Etude relative à la loi fédérale sur l'aménagement du territoire, 1981, n. 20 ad art. 22), elle a donné lieu à une abondante casuistique en fonction des dispositions cantonales applicables (BOVAY, Le permis de construire en droit vaudois, thèse Lausanne 1986, p. 197 ss; DILGER, Raumplanungsrecht der Schweiz, 1982, p. 260 ss, n. 104 ss; LEUTENEGGER, Das formelle Baurecht der Schweiz, thèse Zurich 1974, p. 283 ss; MATILE/BONNARD/BOVAY/PFEIFFER/SULLIGER/WEILL/WYSS, Droit vaudois de la construction, 1987, n. 1.2 ad art. 118 LATC; STRAUB, Das intertemporale Recht bei der Baubewilligung, thèse Zurich 1976, p. 137 ss; ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985, n. 4 ad art. 42; v. aussi: PVG 1977 p. 31 ss; ZBl 69/1968 p. 279 ss).
Pour sa part, l'office intimé invoque - en sus des normes techniques mentionnées dans la circulaire du 29 mars 1990 et produites en procédure fédérale sous la forme d'un extrait du "Code des frais de construction 1989: CRB" - un avis de droit de l'Office de la justice du 21 mai 1987 qui
BGE 117 V 136 S. 142
explicite notamment ce qu'il faut entendre par "commencement des travaux", à la lumière de la doctrine du droit de la construction et de l'aménagement du territoire.
c) D'une manière générale, on considère comme début des travaux tous les actes qui nécessitent, en principe, une autorisation de l'autorité compétente en matière de police des constructions et pour lesquels le maître de l'ouvrage engage des dépenses d'une certaine importance, qu'il n'aurait aucune raison de consentir sans la perspective de construire (cf. p.ex.:
ATF 90 I 15
consid. 6). Ce qui est déterminant, c'est la mesure dans laquelle le maître de l'ouvrage a déjà fait usage du permis de construire (
ATF 103 Ib 209
consid. 5a in fine). Dès lors, sans entrer dans le détail de normes techniques dont le caractère adéquat, en tant que normes de référence, n'est pas contesté, on peut admettre que les indications qui figurent sous chiffres 1 et 2 de la circulaire de l'OFAS du 29 mars 1990 pour définir ce qu'il faut entendre par commencement des travaux, sont conformes à une interprétation correcte de la loi.
En indiquant, sous chiffre 3 de la circulaire en question, que "les travaux de construction doivent être menés sans interruption dès la mise en chantier", l'office intimé ne définit plus, à proprement parler, la notion de début des travaux, mais pose une règle supplémentaire qui s'inspire manifestement, elle aussi, des principes applicables à la révocation ou à la péremption des permis de construire (cf. p.ex., dans le canton du Jura, l'art. 41 du décret concernant la procédure d'octroi du permis de construire, du 6 décembre 1978 [RSJU 701.51]; DILGER, op.cit., p. 261, n. 106; LEUTENEGGER, op.cit., p. 286; ZAUGG, op.cit., n. 4d ad art. 42; v. aussi: RDAF 1983 p. 383).
La recourante est d'avis que la teneur de cette directive n'est pas conforme à l'arrêté fédéral du 18 mars 1988, dans la mesure où celui-ci avait précisément pour but de prolonger le délai de mise en chantier des constructions subventionnables "en élargissant le cercle des projets pouvant bénéficier de la subvention aux constructions qui rencontreraient des difficultés lors de leur réalisation, et donc des retards". Rien de tel, pourtant, ne ressort du texte de l'arrêté, ni de l'exposé des motifs qui ont conduit le Conseil fédéral à proposer aux Chambres fédérales de prolonger de deux ans le délai initialement fixé au 30 juin 1988 par l'
art. 155 al. 1 LAVS
. Cette prolongation a certes eu pour effet de
BGE 117 V 136 S. 143
permettre le subventionnement de projets qui n'avaient pu être entrepris avant le 30 juin 1988, pour divers motifs, y compris une préparation insuffisante, mais il n'a jamais été question de changer la nature - péremptoire - du délai fixé pour la mise en chantier.
En réalité, l'exigence fixée aux bénéficiaires des subventions par l'OFAS a pour but d'éviter des manoeuvres contraires à la bonne foi de la part d'allocataires qui, tout en satisfaisant formellement à la condition de commencer les travaux à temps, interrompraient ceux-ci peu après ou ne les achèveraient pas dans les délais usuels et prétendraient néanmoins toucher la subvention promise. Une telle situation tomberait aujourd'hui sous le coup de l'
art. 28 LSu
. Dès lors, dans le contexte du cas d'espèce, c'est moins la légalité de cette directive qui est en cause que l'interprétation qu'en donne l'office intimé pour justifier le refus de la subvention promise à la recourante.
6.
En l'espèce, pour savoir quel était l'état d'avancement des travaux le 30 juin 1990, on doit se reporter d'une part aux constatations faites le 31 août 1990 par un fonctionnaire de l'OFAS et consignées dans un procès-verbal et, d'autre part, à un rapport de l'architecte Z., du 9 novembre 1990. La recourante ne conteste pas l'exactitude du constat de l'office intimé. Elle l'estime toutefois incomplet, dans la mesure où il ne tient pas compte de l'ensemble des travaux effectués par le maître de l'ouvrage, selon le rapport de l'architecte, lequel est aussi l'un des fondateurs de la recourante.
D'après ce rapport, à l'expiration du délai légal, seuls les travaux de terrassement étaient exécutés. En revanche, les travaux dits de gros-oeuvre I n'ont été adjugés que le 12 juillet 1990 et, compte tenu des vacances de l'entreprise du 16 juillet au 6 août 1990, les travaux n'ont effectivement repris que le 6 août, d'abord par les drainages qui ont duré jusqu'au 25 août, puis par l'installation de la grue et du chantier.
Dès lors, il convient d'examiner d'une part si, lors de la survenance de la date fatidique, les travaux étaient suffisamment avancés pour que l'on puisse effectivement les considérer comme une "mise en chantier" de la construction subventionnée et, d'autre part, si l'interruption des travaux survenue entre le 29 juin et le 6 août 1990 - selon les allégués de la recourante - était de nature à provoquer l'accomplissement de la condition résolutoire, emportant la perte du droit à la subvention fédérale.
a) Il est constant - du moins le contraire n'a-t-il été ni allégué ni démontré - que le 30 juin 1990 les travaux de terrassement
BGE 117 V 136 S. 144
avaient été exécutés. Cela suffit, en principe, au regard des critères développés par la pratique (consid. 5b ci-dessus) et des directives de l'OFAS, pour admettre qu'à cette date les travaux avaient débuté au sens de l'art. 1er de l'arrêté fédéral du 18 mars 1988.
b) Selon le rapport de l'architecte, dont la véracité n'a pas été contestée par l'intimé, les travaux ont été interrompus entre le 29 juin et le 6 août 1990. Il est vrai que, d'après une note de l'Office fédéral de la protection civile du 23 novembre 1990, le chantier était inoccupé lors d'une visite sur place le 17 août et qu'il en était apparemment de même lorsqu'un fonctionnaire de l'OFAS s'est rendu sur les lieux le 31 août suivant. Cependant, même en admettant que le chantier n'a véritablement repris son cours qu'au début du mois de septembre 1990 - soit après une interruption de deux mois environ - cela ne saurait constituer un motif suffisant pour révoquer la promesse de subvention. En effet, ainsi qu'on l'a vu (consid. 5c ci-dessus), l'exigence d'une poursuite des travaux sans discontinuer, fixée par l'OFAS dans ses directives du 29 mars 1990, doit être comprise comme une protection contre des manoeuvres déloyales de la part de l'allocataire qui chercherait à toucher la subvention fédérale sans respecter ses propres obligations. Or, s'il est incontestable que dans le cas d'espèce la recourante a beaucoup tardé avant de commencer les travaux et si elle a attendu le 12 juillet 1990 pour adjuger les travaux de gros-oeuvre, on ne saurait pour autant considérer qu'elle a été de mauvaise foi ou qu'elle a tenté d'éluder la loi. Cela d'autant moins que le retard semble dû, au moins en partie, à une intervention du service cantonal de la protection civile qui, après avoir constaté que les travaux avaient commencé au mois de juin, les a fait interrompre provisoirement afin d'obtenir l'accord définitif de l'office fédéral compétent. Il faut en effet préciser que la construction comprend, en plus du home pour personnes âgées, un abri public pour 817 personnes.
Dès lors, si l'on met en balance l'intérêt de la recourante à obtenir la subvention promise et l'intérêt public consistant dans la stricte observance des directives de l'OFAS (v. consid. 4b ci-dessus), le premier l'emporte sur le second. Selon le rapport de l'architecte, la fondation a déjà engagé des dépenses pour plus d'un demi-million de francs alors que le coût total du projet est devisé à fr. 5'586'205.-- dont fr. 3'697'153.-- pour le home. Le refus de la subvention fédérale - 25% du coût total - aurait vraisemblablement pour effet d'empêcher la réalisation du
BGE 117 V 136 S. 145
projet dont le caractère d'utilité publique n'est pas contesté. Or, même en admettant que la recourante n'a pas entièrement respecté ses obligations et qu'en particulier le retard pris par le chantier après l'exécution des terrassements au mois de juin 1990 lui est imputable, la sanction consistant dans la révocation pure et simple de la promesse de subvention est manifestement disproportionnée.
c) Par ailleurs, si par hypothèse l'on appliquait au cas d'espèce les dispositions de la LSu (consid. 4c ci-dessus), la conclusion ne serait pas différente.
C'est ainsi que l'art. 28 de cette nouvelle loi prévoit non seulement une mise en demeure de l'allocataire - dont on ne trouve pas l'équivalent dans la procédure suivie en l'espèce par l'intimé - mais nuance les sanctions possibles en cas d'inexécution ou d'exécution imparfaite: l'aide peut ne pas être versée ou seulement réduite. Si la restitution de sommes déjà versées peut être exigée, on peut y renoncer en tout ou en partie en cas de rigueurs excessives. Quant à la révocation de décisions ouvrant le droit à une aide ou à une indemnité, l'
art. 30 al. 2 LSu
prévoit que l'autorité compétente y renonce:
a. si l'allocataire a pris, au vu de la décision, des mesures qui ne sauraient être annulées sans entraîner des pertes financières difficilement supportables;
b. s'il apparaît qu'il lui était difficile de déceler la violation du droit;
c. si la présentation inexacte ou incomplète des faits n'est pas imputable à l'allocataire.
Ces règles qui s'inspirent de la pratique en matière de protection de la bonne foi des administrés (FF 1987 I 418, spéc. ch. 235.5) permettraient également, en l'espèce, de renoncer à la révocation de la promesse de subvention.
d) Vu ce qui précède, le recours de droit administratif se révèle bien fondé. La décision attaquée viole le droit fédéral et doit être annulée. | null | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fce4183b-3609-4b60-9af7-49d5a78a1741 | Urteilskopf
138 V 386
46. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. W. und C. gegen Gemeinde X. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_325/2012 vom 24. August 2012 | Regeste
§§ 1 und 14 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Zürich vom 14. Juni 1981; §§ 16 Abs. 1 und 30 der Verordnung vom 21. Oktober 1981 zum Sozialhilfegesetz; Behandlung des Überschusses im Sozialhilfebudget.
Die Frage der Anrechenbarkeit von Taggeldern der Invalidenversicherung und andern Einkünften stellt sich so lange, als sich die Person sozialhilferechtlich in einer Notlage befindet. Es ist nicht bundesrechtswidrig, wenn die Sozialhilfebehörde bei laufenden, nicht immer den tatsächlichen Bedarf deckenden, variablen Einnahmen allfällige Überschüsse nicht monatlich abrechnet und der Person ausrichtet (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 387
BGE 138 V 386 S. 387
A.
W. und C. sowie die zwei in ihrem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder werden von der Gemeinde X
.
mit wirtschaftlicher Hilfe unterstützt. In der Zeit vom 17. Januar bis 8. April 2011 und vom 4. Mai bis 31. Juli 2011 nahm C
.
an beruflichen Integrationsprogrammen der Invalidenversicherung teil. Die während der Dauer der Eingliederungsmassnahmen entrichteten Taggelder trat die IV-Stelle dem Sozialdienst X
.
ab. Aufgrund dieser zusätzlichen Einnahmen ergab sich im Sozialhilfebudget in den Monaten März und April 2011 ein Einnahmenüberschuss in Höhe von Fr. 635.-bzw. Fr. 176.-. Am 15. März 2011 ersuchten W. und C. die Fürsorgebehörde der Gemeinde X
.
(nachfolgend: Fürsorgebehörde) um Auszahlung der Überschüsse.
Mit Entscheid vom 25. Mai 2011 trat die Fürsorgebehörde auf das Gesuch vom 15. März 2011 nicht ein. Zur Begründung führte sie aus, bei den Taggeldern handle es sich nicht um Rentenleistungen, sondern um Lohnersatz, welcher analog der Praxis bei unregelmässigem Erwerbseinkommen unter Berücksichtigung der gesamten Unterstützungsperiode mit Leistungen der Sozialhilfe zu verrechnen sei.
Den von W. und C. dagegen erhobenen Rekurs wies der Bezirksrat Bülach am 6. Oktober 2011 ab. Der Aufsichtsbeschwerde leistete dieser in Form eines Hinweises Folge. Das zugleich gestellte Gesuch um Beiordnung eines Anwalts als unentgeltlichen Rechtsbeistand wurde bewilligt.
B.
Gegen diesen Entscheid gelangten W. und C. an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches die Beschwerde am 27. Februar 2012 abwies. Ebenso wies dieses das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters für das gerichtliche Beschwerdeverfahren ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lassen W. und C. beantragen, es sei ihnen der durch Taggeldleistungen der Invalidenversicherung zustande kommende Einnahmenüberschuss auszurichten; eventualiter sei ihnen die unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor dem kantonalen Verwaltungsgericht zu gewähren. Zudem wird um unentgeltliche Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren ersucht. Des Weitern verlangen sie einen zweiten Schriftenwechsel.
Die Fürsorgebehörde schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
BGE 138 V 386 S. 388
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob ein Anspruch auf Auszahlung des durch die Ausrichtung von IV-Taggeldern im Sozialhilfebudget entstandenen Überschusses besteht.
3.1
Das kantonale Gericht hat erwogen, die Zulässigkeit einer Verrechnung setze voraus, dass für den gleichen Zeitraum Sozialhilfe- und Invalidenversicherungsleistungen fliessen müssten (zeitliche Kongruenz) und eine sachliche Kongruenz der miteinander indirekt zu verrechnenden Leistungen gegeben sei. Es hat den Entscheid der Verwaltung geschützt, da mit der Berücksichtigung der gesamten Zeitspanne des Sozialhilfebezugs als einheitliches Ganzes die Kongruenz gewahrt bleibe. Gemäss Beschwerde ist diese Betrachtungsweise rechtswidrig und stattdessen auf eine monatliche Beurteilungsperiode abzustellen. Die Fürsorgebehörde sieht demgegenüber eine längere Zeitspanne vor, um beurteilen zu können, ob sich die wirtschaftliche Lage der Unterstützungsgemeinschaft mit Blick auf das seit Januar 2011 neu hinzugetretene, jedoch je nach Anzahl der Eingliederungstage monatlich unterschiedlich hoch ausgefallene IV-Taggeld des Beschwerdeführers stabilisiert hat.
3.2
In den Erwägungen des angefochtenen Entscheids wird auf
Art. 22 ATSG
(SR 830.1) und
Art. 85
bis
IVV
(SR 831.201) verwiesen. Es gilt daher zunächst festzuhalten, dass es sich bei Taggeldern der Invalidenversicherung um nachträglich ausgerichtete Leistungen oder um Zahlungen handeln kann, die laufend eingehen. Nachzahlungen von Leistungen des Sozialversicherers können an die öffentliche Fürsorge abgetreten werden, soweit diese Vorschusszahlungen leistet (
Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG
). Sofern die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, können die Nachzahlungen mit der ausgerichteten Sozialhilfe verrechnet werden. Da die IV-Taggelder vorliegend nicht nachgezahlt, sondern laufend ausgerichtet wurden, geht es hier nicht um die Verrechenbarkeit erbrachter Sozialhilfe mit abgetretenen Sozialversicherungsleistungen. Auch
Art. 85
bis
Abs. 1 IVV
, welcher die Nachzahlung an Dritte zum Gegenstand hat, die im Hinblick auf eine Rente der Invalidenversicherung Vorschussleistungen erbracht haben, und bei rückwirkend ausgerichteten Taggeldern sinngemäss Anwendung findet (
BGE 128 V 108
), ist für die hier interessierenden Belange nicht massgebend. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet zudem die Frage, ob die Voraussetzungen zur Abtretung der laufenden IV-Taggelder an die Sozialhilfebehörde vorlagen
BGE 138 V 386 S. 389
(vgl.
Art. 20 ATSG
und § 19 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Zürich vom 14. Juni 1981 [SHG; LS 851.1]).
4.
4.1
Gemäss § 1 Abs. 1 SHG sorgen die politischen Gemeinden nach Massgabe dieses Gesetzes für die notwendige Hilfe an Personen, die sich in einer Notlage befinden. Laut § 2 desselben Gesetzes richtet sich die Hilfe nach den Besonderheiten und Bedürfnissen des Einzelfalls und den örtlichen Verhältnissen (Abs. 1). Sie berücksichtigt andere gesetzliche Leistungen sowie die Leistungen Dritter und sozialer Institutionen (Abs. 2). Wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann, hat Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe (§ 14 SHG). Zu den eigenen Mitteln gehören nach § 16 Abs. 2 der Verordnung vom 21. Oktober 1981 zum Zürcher Sozialhilfegesetz (SHV; LS 851.11) alle Einkünfte und das Vermögen (a.) der hilfesuchenden Person, (b.) des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners dieser Person, sofern sie nicht getrennt leben. § 17 Abs. 1 SHV verweist für die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe auf die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) in der Fassung der 4. überarbeiteten Ausgabe April 2005 mit den Ergänzungen 12/05, 12/07, 12/08 und 12/10. Zudem erlässt die Sicherheitsdirektion Weisungen über die Anwendung der SKOS-Richtlinien (§ 17 Abs. 3). Nach § 30 Abs. 1 SHV plant die Fürsorgebehörde unter Mitwirkung des Hilfesuchenden die notwendige Hilfe. Der Hilfeplan umfasst: (a.) die zur Verbesserung der gegenwärtigen und Abwendung künftiger Notlagen erforderlichen Massnahmen, (b.) eine Bedarfsrechnung, in der das soziale Existenzminimum ermittelt und die anrechenbaren eigenen Mittel des Hilfesuchenden festgestellt werden, (c.) Angaben über Art, Umfang und Dauer der vorgesehenen Hilfe. Aus Abs. 2 ergibt sich, dass die Hilfe veränderten Verhältnissen angepasst wird.
4.2
Aufgrund des in der Sozialhilfe geltenden Subsidiaritätsprinzips (vgl. dazu SKOS-Richtlinien, Ausgabe 2005, A.4), wonach wirtschaftliche Hilfe prinzipiell nur gewährt wird, wenn der Einzelne keinen Zugang zu einer anderweitigen, zumutbaren Hilfsquelle hat (vgl. auch §§ 2 Abs. 2 und 14 SHG sowie § 16 Abs. 2 SHV), sind die verfügbaren Einkommen den anrechenbaren Ausgaben gegenüberzustellen. Zu den sozialhilferechtlich relevanten Einkünften zählen nebst dem Erwerbseinkommen auch laufend eingehende Leistungen wie
BGE 138 V 386 S. 390
AHV- und IV-Renten, Arbeitslosenunterstützung oder andere Versicherungstaggelder (CLAUDIA HÄNZI, Die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, 2011, S. 388 f.). Ob es sich bei den laufenden Versicherungsleistungen um Taggelder oder Renten handelt, ist in diesem Zusammenhang nicht massgebend. Auf die von der Verwaltung vorgenommene Abgrenzung ist daher nicht näher einzugehen.
4.3
Die Frage der Anrechenbarkeit von Einkünften und somit auch der hier interessierenden Taggelder der Invalidenversicherung stellt sich im sozialhilferechtlichen Sinne so lange, als sich die bedürftige Person in einer Notlage befindet (§ 1 SHG). Reichen die eigenen Mittel der Hilfe suchenden Person für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familienangehörigen aus, wird keine wirtschaftliche Hilfe mehr gewährt (§ 14 SHG und § 16 Abs. 1 SHV e contrario). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die laufenden Sozialversicherungsleistungen höher ausfallen als die geleistete Sozialhilfe (vgl. SKOS-Richtlinien, A.6).
4.4
4.4.1
Eine besondere Problematik ergibt sich, wenn eine unterstützte Person Einkommen erzielt, das nicht immer den effektiven sozialhilferechtlichen Bedarf zu decken vermag, indem dieses im einen Monat höher als die Sozialhilfe ausfällt und im anderen Monat ein Fehlbetrag bleibt. Bei solchen Sachverhalten ist entscheidend, für welchen Zeitraum die Bedürftigkeit beurteilt wird und wann gesagt werden kann, die Verhältnisse hätten sich so geändert, dass die Hilfe angepasst oder eingestellt werden muss (§ 30 SHV). Dabei kann es zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem, ob die Prüfung monatlich erfolgt oder ob eine Gesamtperiode berücksichtigt wird.
4.4.2
Das vom Kantonalen Sozialamt Zürich herausgegebene Sozialhilfe-Behördenhandbuch - auf welches insbesondere die Fürsorgebehörde verweist - sieht vor, dass, wenn eine unterstützte Person über ein unregelmässiges, nicht immer den tatsächlichen Bedarf deckendes Einkommen (durch Gelegenheitsarbeiten, Teilzeit, Stundenlohn etc.) verfügt und daher auf Unterstützung angewiesen ist, bei der Verrechnung der Sozialhilfe mit den Einnahmen von der gesamten Unterstützungsperiode auszugehen ist, während der ein Einkommen erzielt worden ist. Geprüft werden muss auch, ob eine Ablösung vorgenommen und die Unterstützung eingestellt werden darf, wenn die monatlichen Schwankungen mit einem Vermögen in der Höhe des
BGE 138 V 386 S. 391
Vermögensfreibetrages gemäss den SKOS-Richtlinien ausgeglichen werden kann (Sozialhilfe-Behördenhandbuch, Fassung vom Dezember 2010, Kap. 2.5.1 S. 153 Ziff. 14). Dies empfiehlt auch die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (ZeSo 1999 S. 192).
4.4.3
Die Richtlinienkommission der SKOS hat sich zudem dazu geäussert, ob der Sozialhilfeempfänger Anspruch auf den Überschuss der IV-Taggelder hat (BERNADETTE VON DESCHWANDEN, IV-Taggelder: Hat der Klient Anspruch auf den Überschuss?, ZESO 1/2012 S. 8). Danach sind bei laufenden, variablen Einnahmen die Einnahmenüberschüsse im Folgemonat anzurechnen. Liegt das durchschnittliche Einkommen über dem sozialen Existenzminimum, ist die Unterstützung zu beenden. Diese Empfehlung gehört allerdings nicht zu den gemäss Verweis in § 17 Abs. 1 SHV zu berücksichtigenden Richtlinien.
4.5
Nach dem in E. 4.3 hievor Gesagten ist es nicht bundesrechtswidrig und bedeutet insbesondere keine willkürliche Auslegung und Anwendung (
Art. 9 BV
) der Bestimmungen des zürcherischen Sozialhilferechts, wenn die Überschussabrechnung nicht monatlich erfolgt. Wie lange die Zeitspanne zulässigerweise dauern darf, ist hier nicht zu beurteilen. Denn wie nachfolgend zu zeigen ist, bietet der vorliegende Fall keinen Anlass zur Bestimmung des genauen Abrechnungszeitraumes. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
fce84db1-4747-4723-b73d-939c057ac202 | Urteilskopf
113 Ia 336
51. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 22 juin 1987 dans la cause Bourgeoisie de St-Maurice contre Commune municipale de St-Maurice et Valais, Tribunal administratif cantonal (recours de droit public) | Regeste
Gemeindeautonomie. Beteiligung einer Bürgergemeinde an den Kosten für die Erstellung einer Turnhalle.
Legitimation öffentlich-rechtlicher Körperschaften zur staatsrechtlichen Beschwerde; Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 1a). Kann die Bürgergemeinde sich auf die Existenz- bzw. Bestandesgarantie berufen, wenn es um einen Entscheid geht, der, ohne dass er ihre Existenz als solche oder ihre geographische Einheit in Frage stellt, sie finanziell so zu treffen vermag, dass sie in ihrem Bestand bedroht wird? Frage offen gelassen, da die fragliche Kostenbeteiligung sowieso nicht geeignet ist, die Bürgergemeinde in ihrer Existenz ernstlich zu gefährden (E. 1b-d und 2a). | Sachverhalt
ab Seite 337
BGE 113 Ia 336 S. 337
Selon l'art. 80 de la constitution du canton du Valais (Cst. cant.), la commune bourgeoisiale est une collectivité de droit public chargée de réaliser des tâches d'intérêt public fixées par la loi. A teneur de l'art. 47 al. 1 de la loi du 13 novembre 1980 sur le régime communal (LRC), les attributions des communes bourgeoisiales comprennent, notamment, la gestion de leurs biens (lettre d), la prestation des contributions fixées par les lois spéciales (lettre e) et la réalisation, dans la mesure de leurs moyens, d'oeuvres d'intérêt public (lettre f). Aux termes de l'art. 114 de la loi du 4 juillet 1962 sur l'instruction publique (LIP), les bourgeoisies contribuent, selon leur situation financière, aux frais de construction et de réparations importantes des édifices scolaires. Leur contribution est fixée de 0 à 30% du coût effectif des travaux, sous déduction des subventions cantonales (al. 1). A défaut d'entente entre la Municipalité et la bourgeoisie, le Département de l'intérieur décide. Il tient compte de la situation financière des parties. Le recours au Conseil d'Etat est réservé (al. 2).
Le 12 juillet 1978, le Conseil de la commune municipale de St-Maurice (Conseil communal) informa le Conseil bourgeoisial de cette ville de son intention de commencer en 1979 les travaux de construction d'un centre sportif scolaire (salles de gymnastique)
BGE 113 Ia 336 S. 338
et d'inviter la commune bourgeoisiale (bourgeoisie) de St-Maurice à participer aux frais de cet ouvrage conformément à l'art. 114 LIP. Après l'achèvement des travaux, le Conseil communal soumit au Conseil bourgeoisial une proposition fixant le montant de la participation de la bourgeoisie à 567'357 fr., représentant 22,5% du coût de la construction, après déduction d'un subside de l'Etat de 30%.
La bourgeoisie et la commune municipale n'ayant pu se mettre d'accord sur le montant de cette participation, le Conseil communal saisit l'autorité compétente prévue par l'art. 114 al. 2 LIP, soit le Département de l'intérieur. Après avoir entendu les parties et requis l'avis de l'administration cantonale des finances, celui-ci décida de fixer la participation de la bourgeoisie à 22,5%. Cette décision a été confirmée sur recours, tout d'abord par le Conseil d'Etat, le 3 avril 1985, puis par le Tribunal administratif, le 11 septembre 1986.
Contre cet arrêt, la bourgeoisie de St-Maurice a formé un recours de droit public dans lequel elle s'est plainte en substance d'arbitraire, de violation de son droit d'être entendue et a invoqué son "droit à la survie en tant que communauté de droit public reconnue par le droit cantonal". Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
a) Une corporation de droit public a qualité pour former un recours de droit public lorsqu'elle se trouve affectée par la décision attaquée de la même manière que n'importe quel particulier. Elle peut alors invoquer, au même titre qu'un particulier, une violation des droits constitutionnels et soulever de façon indépendante le grief de violation de l'
art. 4 Cst.
En revanche, lorsque la décision attaquée l'affecte en sa qualité de personne morale de droit public, elle peut seulement faire valoir par cette voie une atteinte à son existence, à son territoire ou à son autonomie. Elle peut en outre se plaindre de la violation de son droit d'être entendue, à condition que ce grief soit en rapport étroit avec celui tiré de la violation de l'autonomie ou de la violation du droit à l'existence. Pour que le recours soit recevable, il suffit alors à la recourante d'invoquer que le droit cantonal lui garantit le droit à l'existence ou une certaine marge d'autonomie dans le domaine envisagé, et que la décision attaquée viole ce droit ou cette
BGE 113 Ia 336 S. 339
autonomie. C'est en revanche une question de fond que de déterminer si la recourante jouit effectivement d'autonomie dans le domaine en cause ou d'un droit à l'existence, et si cette autonomie ou ce droit ont été violés (
ATF 111 Ia 251
ss, 109 Ia 44, 107 Ia 178).
b) Il ressort du texte même des
art. 80 Cst.
cant., 46 et 47 LRC et 114 LIP que l'obligation mise à la charge de la bourgeoisie de St-Maurice lui incombe en sa qualité de corporation de droit public. C'est donc à ce titre seulement que la recourante se trouve affectée par la décision attaquée. Selon la jurisprudence, une corporation de droit public ne saurait contester par la voie du recours de droit public l'obligation qui lui est faite de contribuer à la réalisation d'un ouvrage d'intérêt public (
ATF 103 Ia 63
). La recourante n'a donc pas qualité pour se plaindre d'une violation des droits constitutionnels du citoyen ou pour soulever à titre indépendant le grief de violation de l'
art. 4 Cst.
Sans doute, cette décision l'affecte-t-elle dans ses intérêts financiers; mais cela ne suffit pas pour lui reconnaître la qualité pour agir (arrêts non publiés du 5 mars 1984, diverses Caisses d'allocations familiales du canton de St-Gall, et du 31 octobre 1975, commune de Gluringen). La recourante a en revanche qualité pour se plaindre d'une violation de son droit à l'existence et pour faire valoir, à l'appui de ce grief, que la décision attaquée consacre une application arbitraire des dispositions topiques du droit cantonal et une violation.
c) Certes, le moyen concernant le droit à l'existence n'a été soulevé pour la première fois que dans le recours de droit public. Le Tribunal fédéral admet toutefois, à titre exceptionnel, qu'un moyen soit présenté pour la première fois dans un recours de droit public lorsque l'autorité cantonale de dernière instance avait la compétence de revoir l'ensemble des questions de droit sans être liée par les moyens des parties, et qu'elle a effectivement fait usage de ce pouvoir en se prononçant sur un moyen non expressément soulevé devant elle (cf.
ATF 107 Ia 191
consid. 2b et 266).
Dans le cas particulier, la première de ces deux conditions se trouve remplie puisque, selon l'art. 79 al. 2 de la loi du 6 octobre 1976 sur la procédure et la juridiction administratives, le Tribunal administratif n'est pas lié par les motifs invoqués par le recourant. Il faut constater également, en passant, que le présent recours est irrecevable en tant qu'il se dirige contre la décision cantonale de première instance (cf.
ATF 111 Ia 353
ss et les arrêts cités).
BGE 113 Ia 336 S. 340
S'agissant de la seconde condition, on peut hésiter. Examinant la question de savoir si l'art. 114 LIP portait une atteinte disproportionnée aux intérêts financiers des bourgeoisies, le Tribunal administratif a certes évoqué la question d'une éventuelle atteinte à l'autonomie, voire au droit à l'existence, qui eût pu résulter de l'application de cette disposition; il a toutefois nié que celle-ci fût, comme telle, de nature à porter une telle atteinte dès lors que la contribution dont elle statuait le principe pouvait être échelonnée de manière à tenir compte de la situation financière des communes en cause. En revanche, la juridiction cantonale ne dit pas que, telle qu'elle a été fixée dans le cas particulier et compte tenu de l'ensemble des données du cas, la contribution réclamée n'est pas de nature à porter atteinte à l'existence même de la recourante; tout au plus se borne-t-elle à réfuter que, contrairement à ce qu'affirmait celle-ci, le Conseil d'Etat avait tenu compte de la situation financière de la bourgeoisie et de celle de la commune de St-Maurice.
Cependant, et comme on le verra encore, la question peut demeurer indécise.
d) La recourante affirme que la contribution qui lui est réclamée aura pour effet de déséquilibrer complètement ses finances, de telle sorte que son existence même s'en trouvera compromise. On peut se demander si elle est recevable à invoquer la garantie de son droit à l'existence également contre une décision qui, sans remettre en question son existence formelle ou l'intégrité de son territoire, est de nature à provoquer une perte de substance telle que son existence même s'en trouverait mise en péril (cf.
ATF 110 Ia 51
et les références). On peut également se dispenser de trancher cette question dans le cas particulier, car la décision attaquée n'est de toute façon pas de nature à mettre en danger ou tout au moins à menacer sérieusement l'existence de la recourante.
2.
a) Pour apprécier la situation financière de la recourante, le Département de l'intérieur et le Conseil d'Etat, puis le Tribunal administratif se sont fondés notamment sur un rapport établi le 12 avril 1983 par l'administration cantonale des finances...
Ce rapport indique, pour les trois exercices envisagés (1979, 1980 et 1981), des actifs disponibles et réalisables de 450'000 fr. sur un total d'actifs de plus de 1'300'000 fr., ainsi que des dettes s'élevant respectivement à 31'817 fr., 66'317 et 39'882 fr. Le seul autre poste de passif mentionné consiste en des provisions pour un
BGE 113 Ia 336 S. 341
montant de 320'000 fr.; ce qui laisse un excédent d'actif de l'ordre de 950'000 fr. Le bilan et les comptes de ces trois exercices ne figurent pas au dossier. On trouve, en revanche, ceux des exercices 1982 et 1984. Il en ressort certes que les actifs disponibles et réalisables ont diminué pour se situer aux environs respectivement de 350'000 et 300'000 fr. On constate cependant, au passif, la création nouvelle d'un fonds de réserve d'un montant de 200'000 fr., en plus des provisions qui, en 1982, étaient encore de 320'000 fr. et, en 1984, ont passé à 330'000 fr...
...
L'appréciation de la situation financière de la recourante faite par le Tribunal administratif, confirmant celle du Département de l'intérieur et du Conseil d'Etat, résiste au grief d'arbitraire. Sans doute, la seule réalisation des actifs disponibles ne permet-elle pas de faire face à la contribution réclamée, et une ponction plus importante dans le patrimoine de la recourante s'avère-t-elle inéluctable. Mais l'effort financier qui est ainsi demandé à la bourgeoisie n'apparaît pas en l'espèce de nature à mettre en péril son existence même, voire l'accomplissement de certaines de ses tâches essentielles. | public_law | nan | fr | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
fce88727-392f-4bf5-bc04-6a56d4eac501 | Urteilskopf
94 I 384
53. Auszug aus dem Urteil vom 28. Juni 1968 i.S. G. AG gegen Eidg. Steuerverwaltung. | Regeste
Art. 109 Abs. 2 OG
. Die Rechtsauffassung, mit welcher das Bundesgericht eine Rückweisung begründet, ist für die Vorinstanz verbindlich. Auch das Bundesgericht ist daran gebunden, wenn es eine Beschwerde gegen den neuen Entscheid der Vorinstanz zu beurteilen hat (Erw. 2).
Couponabgabe und Verrechnungssteuer.
Art. 5 Abs. 2 CG, Art. 4 BRB über die Verrechnungssteuer vom 1. September 1943 (VStB). Anwendungsfall: Eine Aktiengesellschaft entrichtet den Aktionären "Zinsen" für die als "Darlehen" bezeichnete Einbringung eines neuen Eigenkapitals (Erw. 2 und 3).
Art. 11 CG, Art. 6 quater VStB. Wenn die Aktiengesellschaft die Abgaben nicht auf die Aktionäre überwälzt, liegt darin eine weitere steuerbare Leistung und erhöht sich daher der Steuerbetrag (Erw. 4).
Art. 16 Abs. 2 BG über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober 1965 (VStG), wonach rückständige Verrechnungssteuerbeträge zu verzinsen sind, ist auch auf Steuerforderungen anwendbar, die noch unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden und fällig geworden sind (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 385
BGE 94 I 384 S. 385
A.-
Die Beschwerdeführerin G. AG, die ihren Sitz in der Schweiz hat, bezweckt den Handel mit Waren, die Vermittlung von Handelsgeschäften und die Beteiligung an Unternehmungen mit ähnlichen Zwecken. Bis zum 5. Juli 1956 gehörten ihre sämtlichen Aktien (100 voll einbezahlte Inhaberaktien zu Fr. 1000.--) der D. AG, deren Sitz sich ebenfalls in der Schweiz befindet. In den Bilanzen der Beschwerdeführerin vom 31. Dezember 1955 und 1956 waren an Aktiven nur noch Debitoren in geringen Beträgen (Fr. 3'469.70 bzw. Fr. 3'940.45) aufgeführt. In den Büchern der D. AG waren die Aktien der Beschwerdeführerin pro memoria mit Fr. 1.- bewertet.
Am 5. Juli 1956 buchte die D. AG diese Aktien aus und belastete sie mit Fr. 1.- dem einzigen Verwaltungsrat beider Gesellschaften, dem schweizerischen Rechtsanwalt Dr. X. Nach der Darstellung der Beschwerdeführerin wurden sie zum symbolischen
BGE 94 I 384 S. 386
Preis von Fr. 1.- auf die Aktionäre der D. AG übertragen. Wer diese Aktionäre sind, ist weder der Eidg. Steuerverwaltung (EStV) noch dem Bundesgericht bekanntgegeben worden. Dr. X. hat erklärt, er wisse nur, dass sie Ausländer seien; ihre Namen seien ihm nie mitgeteilt worden.
Am 9. Juli 1957 wurden der Beschwerdeführerin durch den Schweizerischen Bankverein Fr. 150'000.-- gutgeschrieben. Es wurde ein "Schuldschein Nr. 1" ausgestellt. Darin anerkennt die Beschwerdeführerin, dem Inhaber ab 9. Juli 1957 Fr. 150'000.-- zu schulden. Ausserdem ist in der Urkunde festgehalten, dass die Schuld vom Gläubiger und vom Schuldner unter Beobachtung einer Frist von drei Monaten auf ein Quartalsende, erstmals auf den 30. Juni 1959, zur Rückzahlung gekündigt werden könne und dass für das "Darlehen" jährlich 5% Zins und vierteljährlich 1/4% Kommission zu bezahlen seien, die jährlich zum Kapital geschlagen und erst mit diesem fällig werden. Ferner trägt der Schuldschein den Vermerk: "Stempelsteuerfrei (StG Art. 11 c undBGE 69 I 101)".
In den Geschäftsjahren 1957-1962 erzielte die Beschwerdeführerin Reingewinne von insgesamt Fr. 94'328.28, die sie zur Abtragung des Verlustsaldos verwendete. Ende 1962 war daher fast ihr ganzes Aktienkapital wiederhergestellt; der Verlustsaldo betrug damals nur noch Fr. 1731.27.
B.-
Die EStV erblickte in der Veräusserung der Aktien der Beschwerdeführerin vom 5. Juli 1956 einen Mantelhandel im Sinne des
Art. 21 Abs. 2 StG
. Sie forderte daher von der Beschwerdeführerin für eine Kapitaleinbringung im Betrage von Fr. 98'268.73 (Fr. 100'000.-- abzüglich Verlustsaldo von Fr. 1731.27) eine Emissionsabgabe von Fr. 1965.40. Ferner forderte sie von der Beschwerdeführerin für die in den Jahren 1957-1962 aus den jährlichen Reingewinnen vorgenommene Kapitalauffüllung Fr. 3129.85 Couponabgabe und Fr. 25'168.65 Verrechnungssteuer, auf Grund der Annahme, die Beschwerdeführerin habe durch Finanzierung neuen Aktienkapitals aus ihren eigenen Mitteln die Aktionäre von einer ihnen obliegenden Einzahlungspflicht befreit und ihnen damit eine geldwerte Leistung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 CG und Art. 4 Abs. 1 lit. a VStB erbracht (Einspracheentscheid vom 28. September 1965).
Die von der G. AG gegen diesen Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde vom Bundesgericht am
BGE 94 I 384 S. 387
13. Mai 1966 teilweise gutgeheissen. Das Gericht erkannte, dass die im angefochtenen Entscheid geforderten Abgaben nicht geschuldet seien, weil die Verwertung eines leeren Aktienmantels im Sinne von
Art. 21 Abs. 2 StG
nicht nachgewiesen sei. Dagegen nahm es an, dass die als "Darlehen" bezeichnete Zuwendung im Betrage von Fr. 150'000.--, welche die Beschwerdeführerin nach ihrer eigenen Darstellung "von Aktionärseite" erhalten habe, in Wirklichkeit eine Kapitaleinbringung im Sinne des
Art. 21 Abs. 1 StG
darstelle. Es verpflichtete daher die Beschwerdeführerin, eine Emissionsabgabe von Fr. 3000.-- zu entrichten. Mit Bezug auf die Couponabgabe und die Verrechnungssteuer wies es die Angelegenheit zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die EStV zurück. Es führte dazu aus, die "Zinsen" und "Kommissionen", die im "Schuldschein Nr. 1" vorgesehen sind, seien gleich wie Dividenden zu behandeln, also der Couponabgabe und der Verrechnungssteuer zu unterwerfen, wenn und soweit die Beschwerdeführerin den Aktionären unter diesen Titeln Leistungen erbracht habe; ob und in welchem Umfange dies geschehen sei, müsse noch abgeklärt werden; falls sich ergebe, dass steuerbare Zuwendungen vorliegen, seien die entsprechenden Abgaben zu erheben, soweit sie nicht verjährt seien.
C.-
Auf Grund der Rückweisung und nach Abklärung des Sachverhalts fällte die EStV am 17. November 1967 folgenden neuen Einspracheentscheid:
"1. Die G. AG schuldet auf den ,Zinsen' und ,Kommissionen' von Fr. 40'500.--, die sie ihren Aktionären für die Geschäftsjahre 1961-1965 gestützt auf den,Schuldschein Nr. 1, vom 9. Juli 1957 gutgeschrieben hat, an Couponabgabe Fr. 1215.-- und an Verrechnungssteuer Fr. 10'935.--, zusammen Fr. 12'150.--."
(Die auf frühere Jahre entfallenden Leistungen wurden wegen Verjährung der Abgaben nicht besteuert.)
"2. Die Steuern sind innert 30 Tagen der Eidg. Steuerverwaltung zu entrichten und auf die Leistungsempfänger zu überwälzen. Der Nachweis der Überwälzung ist innert der gleichen Frist zu erbringen.
3. Im Falle der Nichtüberwälzung der Steuern erhöht sich der Steuerbetrag auf insgesamt Fr. 17'357.--.
4. Der geschuldete Verrechnungssteuerbetrag ist ab 23. Februar 1967 mit 4 % p.a. zu verzinsen."
D.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die G. AG, der Einspracheentscheid vom 17. November 1967 sei als unbegründet aufzuheben.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
BGE 94 I 384 S. 388
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die EStV hat im angefochtenen Entscheid auf Grund einer Prüfung der Bücher der Beschwerdeführerin festgestellt, dass diese in den Geschäftsjahren 1961-1965 gestützt auf den "Schuldschein Nr. 1" vom 9. Juli 1957 für "Zinsen" und "Kommissionen" insgesamt Fr. 40'500.-- aufgewendet hatte. Diese Feststellung ist unbestritten, und es besteht auch kein Grund, sie zu beanstanden. Es ist auch nicht bestritten und steht fest, dass die im angefochtenen Entscheid gestellte Steuerforderung nicht verjährt ist. Die Beschwerdeführerin macht jedoch geltend, die geforderten Abgaben seien nicht geschuldet, weil es sich nicht um steuerbare Leistungen handle.
In erster Linie behauptet sie, die EStV habe im neuen Entscheid das Urteil des Bundesgerichts vom 13. Mai 1966 "zu weitgehend interpretiert"; das Gericht habe in diesem Urteil die Frage, ob die "Zinsen" und "Kommissionen" gleich wie Dividenden der Couponabgabe und der Verrechnungssteuer unterliegen, bloss aufgeworfen, ohne sie zu entscheiden. Diese Behauptung ist abwegig. Das Bundesgericht hat sich im ersten Urteil nicht bloss "gefragt", ob das "Darlehen" von Fr. 150'000.-- eine verdeckte Kapitaleinbringung gemäss
Art. 21 Abs. 1 StG
darstelle und ob demzufolge die "Zinsen" und "Kommissionen" gleich wie Dividenden zu behandeln seien. Vielmehr hat es diese Fragen in den Erwägungen 3 und 5 eindeutig bejaht; demgemäss hat es in Dispositiv 2 der Beschwerdeführerin eine Emissionsabgabe für die als "Darlehen" bezeichnete Kapitaleinbringung auferlegt und in Dispositiv 3 mit Bezug auf die Couponabgabe und die Verrechnungssteuer die Angelegenheit zur neuen Entscheidung "im Sinne der Erwägungen" (eben der Erwägungen 3 und 5) an die EStV zurückgewiesen. Die Rechtsauffassung, mit welcher das Bundesgericht eine Rückweisung an die Vorinstanz begründet, ist der neuen Entscheidung der Vorinstanz zugrunde zu legen. Das Gesetz bestimmt dies für die Zivil- und Strafsachen ausdrücklich (
Art. 66 OG
und
Art. 277 ter BStP
); dasselbe gilt aber auch für die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, obwohl eine entsprechende Bestimmung hierüber fehlt (KIRCHHOFER, Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht, ZSR 1930 S. 69). Hier hat die EStV sich an die ihr im Rückweisungsentscheid erteilte rechtliche Anleitung gehalten. Sie hat sich richtigerweise darauf
BGE 94 I 384 S. 389
beschränkt, die von ihr nach diesem Entscheid noch zu prüfenden Fragen abzuklären und die dem Ergebnis entsprechende Entscheidung zu treffen.
In der Hauptsache richtet sich die neue Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Rechtsauffassung, mit welcher das Bundesgericht die Rückweisung begründet hat. Die Beschwerdeführerin übersieht jedoch, dass das Gericht an die rechtlichen Weisungen, die es der Vorinstanz im früheren Urteil erteilt hat, ebenfalls gebunden ist, also darauf bei der Beurteilung der neuen Beschwerde nicht mehr zurückkommen kann (KIRCHHOFER a.a.O.; nicht veröffentlichtes Urteil vom 23. Juni 1944 i.S. Herzog, Erw. 1; vgl.
BGE 85 IV 211
, betr.
Art. 277 ter BStP
, und
BGE 90 II 308
Erw. 2 a, betr.
Art. 66 OG
).
Hieraus ergibt sich, dass die "Zinsen" und "Kommissionen", welche die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen der EStV für die Geschäftsjahre 1961-1965 durch Gutschrift entrichtet hat, der Couponabgabe und der Verrechnungssteuer unterliegen.
3.
Übrigens ist klar, dass die Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen die rechtliche Begründung der Rückweisung nicht durchzudringen vermöchten, wenn sie zulässig wären.
Die Beschwerdeführerin hat ja in der ersten Beschwerde selber ausgeführt, dass die im "Schuldschein Nr. 1" und in ihren Bilanzen als "Darlehen" bezeichnete Zuwendung von Fr. 150'000.-- in Wirklichkeit eine Kapitaleinbringung im Sinne des
Art. 21 StG
darstelle (in der irrtümlichen Meinung, die damit fällig gewordene Emissionsabgabe sei verjährt). Sie hat dazu erklärt, die Zuwendung stamme "offensichtlich von Aktionärseite", da ein Dritter ihr angesichts ihrer ungünstigen Bilanz vom 31. Dezember 1956 nicht einen Betrag von Fr. 150'000.-- zur Verfügung gestellt hätte. In der Tat müssen die Beteiligten sich darüber im klaren gewesen sein, dass sie der Beschwerdeführerin ein neues Eigenkapital von Fr. 150'000.-- verschafften, da im Zeitpunkt der Zuwendung das statutarische Grundkapital praktisch verloren war.
Allerdings hat der Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin im ersten Verfahren vor Bundesgericht auf Anfrage erklärt, er kenne die Aktionäre nicht; er verkehre lediglich mit deren Vertreter, der ihm ihre Namen nicht bekanntgebe; er wisse nur, dass sie Ausländer seien. Es hätte aber den Aktionären freigestanden, sich gegenüber dem Verwaltungsrat zu erkennen zu
BGE 94 I 384 S. 390
geben. Zwar können sie dazu nicht gezwungen werden; aber die Beschwerdeführerin und mittelbar ihre Aktionäre müssen die Folgen tragen, die sich aus der Verweigerung der Auskunft ergeben. Das Bundesgericht durfte mangels irgendwelcher Gegenindizien annehmen, die Fr. 150'000.-- seien von den Aktionären "im Verhältnis zu ihren Beteiligungen" (
Art. 21 Abs. 1 StG
) eingebracht worden. Einen solchen Schluss muss die Behörde ziehen können, wenn ein Steuerpflichtiger durch Auskunftsverweigerung verunmöglicht abzuklären, ob eine zu vermutende, aber nicht eindeutig bewiesene Voraussetzung für die Abgabeerhebung erfüllt ist. Dem Steuerpflichtigen darf aus der Auskunftsverweigerung keinesfalls ein Steuervorteil erwachsen.
Nun macht die Beschwerdeführerin geltend, der Verwaltungsrat Dr. X. habe sich mit seiner Pflichtaktie nicht an der Kapitaleinbringung beteiligt; die Leistung sei also nicht von allen Aktionären "im Verhältnis zu ihren Beteiligungen" erbracht worden. Der Tatbestand wäre aber gleich zu beurteilen gewesen, wenn die Beschwerdeführerin diesen Einwand schon im ersten Verfahren erhoben hätte. Mangels Gegenbeweises, der hier fehlt, ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu vermuten, dass der schweizerische Verwaltungsrat, der eine inländische Aktiengesellschaft für ihm unbekannte ausländische Aktionäre verwaltet, nur fiduziarisches Eigentum an seiner Pflichtaktie hat. Deshalb kann im vorliegenden Fall ohne weiteres angenommen werden, dass in dem eingebrachten Kapital von Fr. 150'000.-- der auf die Pflichtaktie des Verwaltungsrats entfallende Anteil inbegriffen war.
Die Aktionäre hätten es freilich in der Hand gehabt, die neuen Mittel nur zum Teil als Eigenkapital, im übrigen aber als Fremdkapital (Darlehen) mit kurzfristiger Kündigungsmöglichkeit in die Gesellschaft einzubringen; dann wären die Zinsen für das Darlehen nicht der Couponabgabe und der Verrechnungssteuer unterworfen. Die Aktionäre haben aber nicht diesen Weg gewählt. Sie haben ein einziges, ungeteiltes Rechtsgeschäft mit der Beschwerdeführerin abgeschlossen und müssen sich deshalb mit der einheitlichen steuerlichen Behandlung dieses Rechtsgeschäfts abfinden.
4.
Für die von der EStV ermittelten steuerbaren Leistungen im Gesamtbetrage von Fr. 40'500.-- schuldet die Beschwerdeführerin an Couponabgabe (3%) und Verrechnungssteuer
BGE 94 I 384 S. 391
(27%) insgesamt Fr. 12'150.--. Diesen Betrag hat die Beschwerdeführerin gemäss Art. 11 CG und Art. 6 quater VStB auf die Aktionäre zu überwälzen. Für den Fall, dass die Überwälzung innert bestimmter Frist nicht nachgewiesen wird, fordert die EStV einen Steuerbetrag von Fr. 17'357.-- Die Beschwerdeführerin bestreitet diese Forderung, jedoch zu Unrecht. Unterlässt sie die Überwälzung, so liegt darin eine weitere nach Art. 5 Abs. 2 CG und Art. 4 Abs. 1 lit. a VStB steuerbare Zuwendung an die Aktionäre. Dann ist davon auszugehen, dass die den Aktionären gutgeschriebenen Fr. 40'500.-- einen um die Steuerbelastung von 30% gekürzten Nettobetrag darstellen, also nur 70% einer steuerbaren Bruttoleistung von Fr. 57'857.-- ausmachen, so dass sich der Steuerbetrag auf Fr. 17'357.-- (30% von Fr. 57'857.--) erhöht.
5.
Nach Art. 16 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober 1965, das am 1. Januar 1967 in Kraft getreten ist, sind fällig gewordene Steuerbeträge, die 15 Tage nach behördlicher Mahnung noch ausstehen, von der Mahnung an zu einem vom Eidg. Finanz- und Zolldepartement zu bestimmenden Satz zu verzinsen. Der Zinssatz beträgt gemäss Verfügung des Departements vom 30. Dezember 1966 4% für das Jahr. Auf diese Ordnung stützt sich die ebenfalls angefochtene Zinsforderung der EStV.
Zwar ist hier grundsätzlich noch der auf 1. Januar 1967 aufgehobene Verrechnungssteuerbeschluss vom 1. September 1943 anwendbar, unter dessen Herrschaft die in Frage stehenden Leistungen erbracht worden sind (vgl.
Art. 71 Abs. 2 VStG
, betr. die Couponabgabe). Er enthält indessen keine Bestimmung über die Verzinsung rückständiger Verrechnungssteuerbeträge. Vor dem 1. Januar 1967 waren daher solche Rückstände nicht zu verzinsen. Der seither geltende Art. 16 Abs. 2 des neuen Gesetzes ist jedoch auch auf Verrechnungssteuerforderungen anwendbar, die noch unter dem alten Recht entstanden und fällig geworden sind. Diese Bestimmung erfasst nach ihrem Wortlaut und Sinn alle Fälle, in denen fällig gewordene Verrechnungssteuerbeträge 15 Tage nach einer seit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes ausgesprochenen Mahnung noch ausstehen. Altrechtliche Steuerforderungen sind nicht ausgenommen. Eine andere Auslegung würde zu stossenden Ungleichheiten führen und ist daher abzulehnen.
Art. 16 Abs. 2 VStG
bezweckt gerade, solche Ungleichheiten zu vermeiden.
BGE 94 I 384 S. 392
Er beruht auf der Überlegung, es sei ein Gebot der Rechtsgleichheit gegenüber dem pünktlichen Steuerzahler, dass der säumige Zahler die Forderung zu verzinsen habe (BBl 1963 II S. 976). Dieses Gebot erheischt, dass die neue Bestimmung auch auf Rückstände aus altem Recht, die 15 Tage nach einer seit dem 1. Januar 1967 ausgesprochenen Mahnung noch bestehen, angewandt wird.
Die Beschwerdeführerin wendet ein, eine die Zinspflicht begründende Mahnung könnte erst ergehen, nachdem die amtliche Festsetzung der Steuer rechtskräftig geworden sei; folglich seien hier vorläufig keine Zinsen geschuldet. Diese Auffassung ist offensichtlich unbegründet.
Art. 16 Abs. 2 VStG
stellt darauf ab, ob die Verrechnungssteuer fällig geworden ist, nicht darauf, ob sie rechtskräftig festgesetzt ist. Die Bestimmung soll verhindern, dass der Steuerpflichtige, der die Steuer bei Fälligkeit pünktlich entrichtet, gegenüber dem säumigen Steuerzahler ungebührlich benachteiligt wird. Die Fälligkeit ist von vornherein im Gesetz festgelegt. Bei ihrem Eintritt hat der Steuerpflichtige die Steuer von sich aus zu entrichten. Zu einer Festsetzung der Abgabe durch behördlichen Entscheid kommt es nach der gesetzlichen Ordnung nur ausnahmsweise. Der Eintritt der Fälligkeit wird durch ein allfälliges solches Verfahren und durch die Ergreifung von Rechtsmitteln gegen einen darin getroffenen Entscheid nicht gehemmt. Im vorliegenden Fall waren die Abgaben längst fällig, als die Beschwerdeführerin am 23. Februar 1967 gemahnt wurde. Da sie 15 Tage nach dieser Mahnung noch nicht bezahlt waren, besteht die im angefochtenen Entscheid geltend gemachte Zinsforderung zu Recht. | public_law | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fced1859-e892-456c-bec0-6d9a0cd976c5 | Urteilskopf
80 II 235
38. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Juli 1954 i. S. Waren-Giro-Genossenschaft gegen Konkursmasse der "Neue Weinkellereien A.-G." | Regeste
Faustpfandbestellung (
Art. 884 ZGB
) durch Schlüsselübergabe. Ungültig, wenn dem Verpfänder ein zweiter Schlüssel zu freiem Gebrauche belassen wird (Erw. 1).
Bloss gelegentliche Aushändigung des Schlüssels an den Verpfänder, auf kurze Zeit zu bestimmtem Zweck gemäss Weisung des Pfandgläubigers, macht jenen zum blossen Besitzdiener, so dass das Pfandrecht wirksam bleibt.
Art. 888 Abs. 2 ZGB
(Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 235
BGE 80 II 235 S. 235
Aus dem Tatbestand:
A.-
Die seit dem 19. April 1950 im Konkurs befindliche Neue Weinkellereien A.-G. in Zug unterhielt seit dem Frühjahr 1949 Geschäftsbeziehungen mit der Waren Giro-Genossenschaft in Zürich (Klägerin). Sie lieferte der Klägerin und ihren Girodienstmitgliedern Wein. Die Klägerin gewährte ihr mehrmals Darlehen, so am 28. Juli 1949 Fr. 18'000.--, am 17. November 1949 Fr. 50'000.-- und am 13. Februar 1950 Fr. 20'000.--. Als sie um ein weiteres Darlehen angegangen wurde, verlangte sie besondere Sicherheiten. In Ziff. 4 eines Zusatzvertrages vom 22. März 1950 wurde zu ihren Gunsten ein Pfandrecht an dem im Hause zur Münz in Zug befindlichen Weinlager der Schuldnerin ausbedungen. Zur Pfandbestellung übergab ihr X, der Hauptaktionär, einzige Verwaltungsrat und
BGE 80 II 235 S. 236
zudem Geschäftsführer der Schuldnerin, eine Garnitur der zu den Yaleschlössern der Kellertüren gehörenden Schlüssel. Dabei verheimlichte er ihr, dass er das gleiche Warenlager schon früher zweimal namens der Schuldnerin andern Gläubigern als Pfand zur Verfügung gestellt hatte. Am 8. März 1949 hatte er es von der Weinhandelsfirma Alfred Stotzer gekauft und zugleich vereinbart, es bleibe dem Verkäufer als Sicherheit für die Kaufpreisforderung verpfändet. X erhielt jedoch eine Garnitur Schlüssel ausgehändigt, konnte also über die Sache frei verfügen. Diese Schlüssel übergab er der Kredit- und Verwaltungsbank Zug, als er ihr am 20. Oktober 1949 das Weinlager als Sicherheit für ein Darlehen von Fr. 10'000.-- verpfändete. Dabei war vereinbart, dass er, um die Kellereien weiterhin - zur Pflege der Weine - betreten zu können, die Schlüssel jeweils bei der Bank abhole und sie nachher zurückbringe. Bei einer solchen Gelegenheit behielt er eines Tages die richtigen Schlüssel für sich und gab falsche zurück, was die Bank nicht bemerkte. So war es ihm möglich, beim Abschluss des Zusatzvertrages vom 22. März 1950 der Klägerin die passenden Yaleschlüssel auszuhändigen.
B.-
Im Konkurs der Schuldnerin meldete die Klägerin eine pfandgesicherte Darlehensforderung von Fr. 68'407.20 an. Das Konkursamt anerkannte diese Forderung in vollem Umfange, wies aber die Pfandansprache ab, weil das Fahrnispfand am Weinlager nicht gültig bestellt worden sei. Die Klägerin erhob Kollokationsklage auf Anerkennung des Pfandrechtes und entsprechende Kollokation. In beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, hält sie mit vorliegender Berufung an der Pfandansprache fest.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Mit den Vorinstanzen ist davon auszugehen, dass der Verpfändung des Weinlagers an die Klägerin kein gültig begründetes Pfandrecht des Verkäufers Alfred Stotzer entgegenstand. Dieser hatte der Schuldnerin eine
BGE 80 II 235 S. 237
Garnitur Schlüssel zu den Weinkellern in der "Münz" zu freiem Gebrauch überlassen. So war die Schuldnerin in der Lage, jederzeit ohne Mitwirkung des Verkäufers zum Weinlager zu gelangen und darüber frei zu verfügen. Das Weinlager war daher dem Verkäufer, der nur die andere Garnitur Schlüssel für sich zurückbehielt, nicht wirksam verpfändet (
Art. 884 Abs. 3 ZGB
).
2.
Die zweite Verpfändung, zugunsten der Kredit- und Verwaltungsbank Zug, wurde dagegen gültig vollzogen durch Übergabe der einzigen (passenden) Schlüssel, die die Schuldnerin zu den Kellerräumen besass. Nun wurde später in gleicher Weise eine Verpfändung zugunsten der Klägerin vorgenommen. Ob sie gültig zustande kam, hängt davon ab, ob ihr jenes früher begründete Pfandrecht der Bank entgegenstand oder nicht. Beide vorinstanzlichen Gerichte halten die Verpfändung an die Klägerin für ungültig. Das Kantonsgericht nimmt an, die Schlüssel seien der Bank wider ihren Willen abhanden gekommen. Das Obergericht ist dagegen der Ansicht, die Bank habe die Schlüssel der Schuldnerin anvertraut. Daher hätte die Klägerin bei gutem Glauben das Pfandrecht erwerben können. Doch sei sie nicht als gutgläubig zu betrachten.
Art. 884 Abs. 2 ZGB
bestimmt:
"Der gutgläubige Empfänger der Pfandsache erhält das Pfandrecht, soweit nicht Dritten Rechte aus früherem Besitze zustehen, auch dann, wenn der Verpfänder nicht befugt war, über die Sache zu verfügen."
"Rechte aus früherem Besitze" stehen nach
Art. 934 ZGB
demjenigen zu, dem die Sache gestohlen wurde oder verloren ging oder sonst wider seinen Willen abhanden kam. Wer die Sache dagegen freiwillig in den Besitz eines Andern kommen liess, sie ihm also "anvertraute", muss, wenn der Andere die Sache veruntreut, also unbefugterweise darüber verfügt, den Rechtserwerb eines gutgläubigen Dritten gelten lassen (
Art. 933 ZGB
, dem die spezielle Regel des
Art. 884 Abs. 2 ZGB
für den Fall der Verpfändung entspricht). Hievon ausgehend, prüft das
BGE 80 II 235 S. 238
Obergericht die Frage des guten Glaubens der Klägerin beim Pfanderwerb. Wird indessen eine Sache vom Pfandgläubiger nicht irgendeinem Dritten, sondern dem Verpfänder selbst anvertraut, wie dies nach Ansicht des Obergerichts hier der Fall war, so erhebt sich die Frage, ob das Pfandrecht damit nicht überhaupt untergeht oder doch, solange der Verpfänder die Sache in seiner ausschliesslichen Gewalt hat, unwirksam ist (
Art. 888 Abs. 1 und 2 ZGB
). Das hätte zur Folge, dass jeder Dritte, gleichgültig ob gut- oder bösgläubig, Rechte an der Sache erwerben könnte (vergl. OFTINGER, N. 41 und 44 zu
Art. 888 ZGB
).
Nun ist aber der Betrachtungsweise des erstinstanzlichen Urteils zu folgen, wonach die Bank die Pfandsache dem Verpfänder, also der Schuldnerin, nicht "anvertraut" hatte, sondern den Pfandbesitz unfreiwillig verlor. Gewiss hat X ihr die Schlüssel nicht gestohlen, sondern sie jeweilen bei ihr abgeholt. Er erhielt sie aber nur wenige Male und nur zu bestimmtem Zweck und auf ganz kurze Zeit. So geschah es etwa zum Aufheizen des Lagers oder zur Entnahme eines Musters oder einer bestimmten Anzahl Fiaschi Chianti. Dabei musste er jedesmal eine Quittung über den Empfang der Schlüssel ausstellen, worin der Zweck des Zutrittes zum Lager angegeben und die Verpflichtung festgelegt war, die Schlüssel bis zum folgenden Tag oder "heute" oder "bis heute Abend" zurückzubringen. Nun ist der Lehre beizustimmen, die den Zutritt des Verpfänders zur Pfandsache nicht schlechthin verpönt. Wird er ihm vom Pfandgläubiger nur vorübergehend, zu einem bestimmten, namentlich einem der Erhaltung der Pfandsache (und damit des Wertbestandes des Pfandrechtes) dienenden Zweck ermöglicht, so wäre es widersinnig, diesen Besorgungen die Wirkung einer Gefährdung des Pfandrechtes beizulegen. Dem Verpfänder wird hiebei die Pfandsache nicht zu einem dinglichen oder persönlichen Recht "anvertraut"; er erhält keinen eigentlichen Besitz, sondern wird jeweilen nur Besitzdiener des Pfandgläubigers.
BGE 80 II 235 S. 239
Auf die erwähnte Weise hat sich die Kredit- und Verwaltungsbank Zug jedesmal ihren Pfandbesitz eindeutig gewahrt. Erst durch das heimliche Vertauschen der Schlüssel (wie es das Obergericht feststellt) masste sich der Besitzdiener eigentlichen Besitz an, und erst dadurch verlor die Bank ihren Pfandbesitz, kam ihr also die Sache - wider ihren Willen - abhanden. Somit erwuchsen ihr "Rechte aus früherem Besitz" und konnte die Klägerin auch bei gutem Glauben kein Pfandrecht erwerben (vgl. LEEMANN, N. 75 zu
Art. 884 ZGB
; OSTERTAG, N. 4 und 6 zu
Art. 934 ZGB
; OFTINGER, N. 207-209, 244, 325 und 367 zu
Art. 884 ZGB
). Ob auch ein anderes Vorgehen, wie es in
BGE 31 II 399
unten hypothetisch erwogen wird, den Pfandbesitz der Bank zu begründen und zu wahren vermocht hätte (dagegen OFTINGER, N. 238 zu Art. 884), kann dahingestellt bleiben. Denn im vorliegenden Fall hatte die Bank der Schuldnerin keinen zweiten Schlüssel zu dauerndem Gebrauch überlassen.
...
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zug vom 29. Dezember 1953/3. März 1954 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fced7beb-905b-4692-aa1b-109c8d591387 | Urteilskopf
103 Ia 165
31. Auszug aus dem Urteil vom 27. April 1977 i.S. Krause gegen Staatsanwaltschaft und Justizdirektion des Kantons Zürich | Regeste
Persönliche Freiheit; Untersuchungshaft.
Grundsätze für die Aushändigung oder Verweigerung fremdsprachiger Druckschriften, die ein Untersuchungsgefangener von ausserhalb der Anstalt beziehen will. | Sachverhalt
ab Seite 165
BGE 103 Ia 165 S. 165
Die deutsch-italienische Staatsangehörige Petra Krause befindet sich wegen Verdachts der Beteiligung an Sprengstoffanschlägen und anderen Delikten seit längerer Zeit im Kanton Zürich in Untersuchungs- und seit Abschluss der Untersuchung in Sicherheitshaft. Mit Verfügung vom 19. August 1976 ordnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich an, es sei der Angeschuldigten die Druckschrift "Solidarietà Militante/Informazioni del Comitato Internazionale per la Difesa dei Detenuti Politici in Europa" mit dem Titel "Onore alla Compagna Ulrike Meinhof", Ausgabe August/September 1976, nicht auszuhändigen. Frau Krause erhob dagegen Rekurs bei der Direktion der Justiz des Kantons Zürich. Diese verfügte am 1. November 1976, dass die Rekurrentin eine Übersetzung der beanstandeten Schrift einzureichen habe, die von einem anerkannten Übersetzungsbüro stamme oder von einem solchen als richtig befunden worden sei, unter der Androhung, dass sonst auf den Rekurs nicht eingetreten
BGE 103 Ia 165 S. 166
werde. Falls die Rekurrentin es vorziehe, dass die Justizdirektion die Übersetzung veranlasse, könne ihr eine Frist zur Leistung eines ausreichenden Kostenvorschusses angesetzt werden. Nachdem Frau Krause in einer Eingabe vom 3. November 1976 die Erklärung abgegeben hatte, sie werde weder eine Übersetzung beibringen noch einen Kostenvorschuss leisten, trat die Justizdirektion mit Verfügung vom 5. November 1976 auf den Rekurs nicht ein.
Frau Krause erhebt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der persönlichen Freiheit.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
c) Der Bezug von Büchern und Druckschriften von ausserhalb der Anstalt darf wegen der Möglichkeit, dass sich auf diesem Wege unerlaubte Verbindungen zwischen einem Gefangenen und der Aussenwelt herstellen lassen, Beschränkungen unterstellt werden (Bezug der Bücher oder Druckschriften durch eine Buchhandlung, Beschaffung durch die Gefängnisverwaltung auf Kosten des Gefangenen, Begrenzung der Zahl der von auswärts beziehbaren Bücher; siehe dazu
BGE 102 Ia 294
E. 8c). Eine Beschränkung des Bücherbezugs von auswärts ist überdies dann zulässig, wenn zwar nicht die Gefahr besteht, dass einem Gefangenen heimliche Mitteilungen gemacht werden, jedoch der Inhalt der entsprechenden Druckschriften selber geeignet ist, den Haftzweck oder die Anstaltsordnung zu gefährden. Dies trifft zum Beispiel dann zu, wenn die Schriften Anleitungen oder Empfehlungen zur Flucht oder zur Störung des Gefängnisbetriebes enthalten oder Kenntnisse vermitteln, die von den Gefangenen zu solchen Zwecken genutzt werden könnten. Stellt die Kontrollbehörde eine derartige Gefährdung des Haftzwecks oder der Anstaltsordnung durch den Inhalt der Druckschrift fest, so kann sie die Aushändigung an den Gefangenen verweigern (
BGE 102 Ia 294
E. 8c).
Will ein Gefangener eine Druckschrift von auswärts beziehen, die nicht in der Amtssprache des Kantons abgefasst ist, in welchem sich die Anstalt befindet, so kann nicht in jedem Falle verlangt werden, dass der Kontrollbehörde eine Übersetzung der Schrift vorgelegt werde. Das hätte zur Folge, dass der Bezug fremdsprachiger Lektüre von ausserhalb der Anstalt
BGE 103 Ia 165 S. 167
praktisch verunmöglicht würde. Eine solche Beschränkung wäre mit dem Grundrecht der persönlichen Freiheit nicht vereinbar. Anderseits lässt sich nicht fordern, dass fremdsprachige Bücher und Druckschriften, die von der zuständigen Behörde nicht oder nur mit besonderem Aufwand zuverlässig kontrolliert werden können, den Gefangenen ohne weiteres auszuhändigen seien. Vielmehr sind diesfalls der Anspruch des Gefangenen auf Bezug derartiger Schriften und das Interesse an der Vermeidung eines übermässigen Kontrollaufwandes gegeneinander abzuwägen. Dabei sind gewisse allgemeine Grundsätze zu beachten; daneben ist jeder einzelne Fall anhand der konkreten Umstände gesondert zu beurteilen.
d) Ist der fraglichen Schrift bereits ohne nähere Lektüre zu entnehmen, z.B. aufgrund des Autors oder des behandelten Themas, ob ihr Inhalt dem Haftzweck oder der Gefängnisordnung zuwiderlaufe oder nicht, so ist sie dem Gefangenen ohne weiteres zu verweigern oder auszuhändigen. Erweist sich für diesen Entscheid eine nähere Prüfung des Inhalts als notwendig und ist die Schrift in einer Sprache abgefasst, die der Kontrollbehörde nicht ohne weiteres zugänglich ist (vgl. auch
BGE 102 Ia 298
E. 11c), so kann die Aushändigung an den Gefangenen verweigert werden. Die Behörde hat eine Prüfung des Inhalts diesfalls nur dann vorzunehmen, wenn ihr eine Übersetzung der Schrift vorgelegt wird. Anders verhält es sich, wenn die Schrift in einer schweizerischen Landessprache abgefasst ist. Die kantonale Behörde hat in diesem Falle die entsprechende Kontrolle vorzunehmen, sofern sie dazu selber in der Lage ist und sofern eine solche Kontrolle nicht wegen des Umfangs der vom Gefangenen verlangten Schrift als unzumutbar erscheint. Die Behörde kann darüber hinaus den Bezug derartiger fremdsprachiger Schriften, die eine nähere Kontrolle des Inhalts erfordern, einer besonderen zahlenmässigen Beschränkung unterstellen, wenn von diesem Recht ein übermässiger Gebrauch gemacht wird (vgl.
BGE 102 Ia 295
;
BGE 99 Ia 286
f.).
3.
a) Bei den bundesgerichtlichen Akten befindet sich lediglich eine Photokopie eines Teils der in italienischer Sprache abgefassten Druckschrift, deren Weiterleitung an die Beschwerdeführerin verweigert wurde. Die Kopie umfasst von der gemäss dem Inhaltsverzeichnis mindestens vierzigseitigen Broschüre lediglich das Titelblatt, das Inhaltsverzeichnis sowie
BGE 103 Ia 165 S. 168
die Seiten 17-19 und 31-39. Die Justizdirektion des Kantons Zürich teilte dem Bundesgericht mit, das Original der Schrift sei vermutlich dem Sohn der Beschwerdeführerin zurückgegeben worden. Bei den fotokopierten Teilen handle es sich jedoch um diejenigen, auf welche die Staatsanwaltschaft von dem Polizeibeamten, der den Besuch der Beschwerdeführerin überwachte, besonders aufmerksam gemacht worden sei. Es ist daher davon auszugehen, dass nur diese Teile der Schrift der Staatsanwaltschaft als verdächtig erschienen und Anlass zur beanstandeten Verfügung der Justizdirektion gaben. Aus dem Gesagten ergibt sich ferner, dass die fragliche Schrift nicht zu denen gehört, über deren Aushändigung ohne nähere Prüfung ihres Inhaltes entschieden werden konnte.
b) Das Italienische wird als schweizerische Landessprache in vielen Schulen der deutschschweizerischen Kantone unterrichtet und dessen Kenntnis ist dort weit verbreitet. So verfügt die zürcherische Staatsverwaltung über zahlreiche Beamte, die in der Lage sind, mit italienischen Staatsangehörigen oder Schweizern italienischer Muttersprache, welche die deutsche Sprache nicht oder nur unvollkommen beherrschen, italienisch zu verhandeln oder deren schriftliche Eingaben zu verstehen. Insbesondere sind im Strafuntersuchungsdienst und bei der Kantonspolizei solche Funktionäre vorhanden. Andernfalls könnten diese und zahlreiche andere Verwaltungszweige ihre Aufgabe unter den heutigen Verhältnissen nicht erfüllen, ungeachtet dessen, dass die kantonalen Behörden von Bundesrechts wegen nicht verpflichtet sind, auf Eingaben einzutreten, die in einer anderen als der massgebenden kantonalen Amtssprache gehalten sind (
BGE 102 Ia 37
). Es wäre geboten gewesen, wenn die Justizdirektion in der vorliegenden Sache einen dieser Beamten beigezogen hätte, ging es doch einzig darum, insgesamt zwölf Seiten gedruckten Textes so weit zu verstehen, dass dem Vorsteher der Direktion oder dem juristischen Sachbearbeiter der Inhalt dieser Stellen in grossen Zügen mitgeteilt werden konnte. Sieben der insgesamt zwölf Seiten, die hier besonders in Frage stehen, enthalten überdies die italienisch redigierte Fassung einer Erklärung der Beschwerdeführerin zum Haftvollzug in der Schweiz, deren Adressatin die Justizdirektion des Kantons Zürich war und die dieser bereits seit Monaten bekannt gewesen sein musste. Bei dieser Sachlage ist die Verpflichtung, die Broschüre ins
BGE 103 Ia 165 S. 169
Deutsche übersetzen zu lassen oder die Kosten einer amtlichen Übersetzung vorzuschiessen, mit der Garantie der persönlichen Freiheit nicht vereinbar. Die angefochtene Verfügung ist aus diesem Grunde aufzuheben. Die Justizdirektion wird zum Rekurs der Beschwerdeführerin materiell Stellung zu nehmen und zu entscheiden haben, ob der Inhalt der Broschüre den Haftzweck oder die Anstaltsordnung gefährde und ob die Druckschrift der Beschwerdeführerin demnach auszuhändigen oder zurückzubehalten sei. | public_law | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
fcf2917f-79eb-4832-9316-227333947fcb | Urteilskopf
111 II 97
23. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. September 1985 i.S. S. gegen die Stiftung C.G. Jung-Institut Zürich und den Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Stiftungsaufsicht über eine Schule (
Art. 84 Abs. 2 ZGB
)
Ist die Stiftung Trägerin einer Ausbildungsstätte, so erstreckt sich die Stiftungsaufsicht insofern auch auf die Art der Schulführung und die Prüfungsgestaltung, als sich diese auf die Vermögensverhältnisse der Stiftung auswirken, Statuten und Reglemente verletzen oder den Stiftungszweck generell in Frage stellen. Die Frage, ob in der Persönlichkeitsstruktur der Beschwerdeführerin genügend schwerwiegende Gründe liegen, um einen Ausschluss vom Institut zu rechtfertigen, entzieht sich hingegen der Prüfung der Aufsichtsbehörden (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 97
BGE 111 II 97 S. 97
A.-
S. war von 1976 bis 1983 Studentin am "C.G. Jung-Institut Zürich" in Küsnacht. Am Studienende, zur Zeit der Diplomexamen, verschlechterten sich ihre Beziehungen zur Institutsleitung. Dies führte schliesslich zu ihrer Exmatrikulation.
BGE 111 II 97 S. 98
S. reichte bei der Erziehungsdirektion des Kantons Zürich stiftungsrechtliche Aufsichtsbeschwerde ein. Mit Verfügung vom 12. April 1984 hiess die Erziehungsdirektion die Beschwerde teilweise gut, hob den Exmatrikulationsbeschluss auf und lud das C.G. Jung-Institut ein, S. zu den weiteren Diplomprüfungen zuzulassen.
B.-
Das C.G. Jung-Institut erhob gegen diese Verfügung beim Regierungsrat des Kantons Zürich Rekurs, der mit Beschluss vom 6. Februar 1985 gutgeheissen wurde. Die Verfügung der Erziehungsdirektion wurde aufgehoben, soweit darin auf die Aufsichtsbeschwerde eingetreten worden war.
C.-
Gegen diesen Beschluss des Regierungsrates wendet sich S. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. März 1985 an das Bundesgericht. Sie beantragt, der angefochtene Beschluss des Regierungsrates sei aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das C.G. Jung-Institut beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich im Auftrage des Regierungsrates sowie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement stellen ebenfalls Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab und bestätigt den angefochtenen Beschluss des Regierungsrates.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Das C.G. Jung-Institut ist eine Stiftung im Sinne von
Art. 80 ff. ZGB
. Diese hat zum Zweck die Gründung und Führung eines Lehr- und Forschungsinstitutes für komplexe Psychologie im Sinne der von Prof. C.G. Jung begründeten Lehre. Diesem Lehr- und Forschungsinstitut sind aufgrund der Stiftungsstatuten folgende Aufgaben zugewiesen: Durchführung von Kursen, Seminarien, Vorträgen und Arbeitsgruppen; praktische Anwendung der analytischen Psychologie; Forschung und Anlegung von Sammlungen; Förderung persönlicher Beziehungen zwischen den Leitern, Hörern und Mitarbeitern des Instituts einerseits und andern psychologisch Interessierten andererseits sowie die Publikation von wissenschaftlichen Arbeiten.
Im Rahmen seines Ausbildungsprogrammes bildet das Institut Studierende u.a. für die analytische Arbeit mit Erwachsenen aus. Das Studium richtet sich nach dem sogenannten "Regulativ für
BGE 111 II 97 S. 99
das Ausbildungsprogramm". Danach kann das Studium nach mindestens sechs Semestern mit dem Diplom als Analytiker abgeschlossen werden; indessen bietet selbst der erfolgreiche Abschluss des Diplomexamens gemäss ausdrücklicher Vorschrift keine Gewähr für die Verleihung des Diploms. Diesen Entscheid fällt in jedem Fall das gegenwärtig aus neun Mitgliedern bestehende Curatorium (Stiftungsrat) unter Berücksichtigung der Empfehlung der Auswahlkommission. Kommt diese Auswahlkommission zum Schluss, dass ein Kandidat die menschlichen oder fachlichen Voraussetzungen für die Diplomierung noch nicht erreicht hat, empfiehlt sie, den Kandidaten für die Diplomierung zurückzustellen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu beurteilen. Aus sehr schwerwiegenden Gründen kann das Curatorium dem Kandidaten auch jederzeit ohne Angabe von Gründen die Fortsetzung der Ausbildung verweigern.
b) Es zeigt sich somit, dass dem Curatorium bei der Verleihung des Diploms und bei der Exmatrikulation von Studenten nach den Bestimmungen des Regulativs ein weites Ermessen zusteht. Vor Bundesgericht ist einzig noch strittig, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange sich die Stiftungsaufsicht gemäss
Art. 84 Abs. 2 ZGB
auch auf derartige Ermessensentscheide erstrecken kann, welche die Prüfungsabnahme und die Schulführung im engern Sinne betreffen.
3.
Gemäss
Art. 84 Abs. 2 ZGB
hat die Aufsichtsbehörde allgemein dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird. Sie hat darüber zu wachen, dass die Organe der Stiftung keine Verfügungen treffen, die der Stiftungsurkunde oder dem Reglement bzw. dem Gesetz widersprechen oder unsittlich sind (
BGE 108 II 499
E. 5 mit Hinweisen; RIEMER, N. 48 f. zu
Art. 84 ZGB
). Die Aufsicht erstreckt sich aber nicht nur auf die Anlage und Verwendung des Stiftungsvermögens im engeren Sinne, sondern in dieser Hinsicht auch auf die generellen Anordnungen der Stiftungsorgane wie den Erlass von Reglementen und Statuten usw. und auf die Verwaltung im allgemeinen. In reinen Ermessensfragen hat sich die Aufsichtsbehörde indessen grösste Zurückhaltung aufzuerlegen. Sie hat nur dann einzugreifen, wenn die Stiftungsorgane bei der Ausführung des Stifterwillens das ihnen zustehende Ermessen überschritten oder missbraucht haben, mit andern Worten, wenn ein Entscheid unhaltbar ist, weil er auf sachfremden Kriterien beruht oder einschlägige Kriterien ausser acht lässt. Greift die Aufsichtsbehörde ohne
BGE 111 II 97 S. 100
gesetzliche Grundlage in den Autonomiebereich der Stiftungsorgane ein, so verletzt sie Bundesrecht (
BGE 108 II 500
mit Hinweis,
BGE 106 II 269
unten; RIEMER, N. 123 zu
Art. 84 ZGB
).
a) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass das C.G. Jung-Institut dem Stiftungszweck entsprechend ein Lehr- und Forschungsinstitut ist und in diesem Rahmen Analytiker ausbildet. Bei solchen Ausbildungsinstituten hat die Art der Schulführung im allgemeinen und die Ausgestaltung der Prüfungsordnung regelmässig unmittelbaren Einfluss auf das Ansehen der betreffenden Ausbildungsstätte und damit auf die Zahl der Studenten. Dadurch wirken sich die Schulführung und die Prüfungsordnung mittelbar auch auf die Vermögensverhältnisse des Instituts bzw. der Stiftung aus. Die Stiftungsaufsicht erstreckt sich daher gemäss
Art. 84 Abs. 2 ZGB
insofern zweifellos auch auf die Schulführung sowie den Lehrplan und die Prüfungsordnung.
Zudem sind durch die Stiftungsaufsicht in einem umfassenden Sinne auch die öffentlichen Interessen wahrzunehmen, indem insbesondere dafür zu sorgen ist, dass die Stiftungsorgane das objektive Recht beachten (
BGE 105 II 73
). Die Stiftungsorgane können daher auch daraufhin überwacht werden, dass sie durch die Art der Schulführung und die allgemeine Prüfungsgestaltung den Stiftungszweck nicht generell in Frage stellen oder Statuten und Reglemente verletzen. Dem Regierungsrat ist folglich darin beizupflichten, dass bei einer Stiftungsschule hinsichtlich der Schulführung kein genereller Ausschluss der Aufsicht gerechtfertigt ist, wie in VEB 33/1966-1967 Nr. 28 postuliert wird. In bezug auf die Schulführung und die allgemeine Prüfungsgestaltung ist jedoch der Entscheid der Erziehungsdirektion, die diesbezüglich jede Willkür verneint hatte, nicht angefochten worden, so dass die Anordnungen der Stiftungsorgane in dieser Hinsicht nicht weiter zu prüfen sind.
b) Wenn der Stiftungszweck wie im vorliegenden Fall in der Stiftungsurkunde und in sonstigen Anordnungen des Stifters nur sehr allgemein umschrieben ist, so ist es der Stiftungsaufsicht verwehrt, sich in konkrete Einzelanordnungen der zuständigen Stiftungsorgane einzumischen. Dies gilt jedenfalls so lange, als sich diese Einzelanordnungen nicht in einem offensichtlichen Widerspruch zu den Stiftungsstatuten befinden, offenbar dem Gesetz widersprechen oder in sachlich nicht gerechtfertigter und damit willkürlicher Weise den weitgesteckten Rahmen der Ermessensautonomie sprengen. Dieser Rahmen gilt auch unabhängig davon,
BGE 111 II 97 S. 101
ob die Stiftung in den letzten Jahren allenfalls ihre Tätigkeit wesentlich erweitert hat, ohne ihre Zweckbestimmung in der Stiftungsurkunde zu ändern, wie die Beschwerdeführerin geltend macht. Solange sich die Einzelanordnungen der Stiftungsorgane im Rahmen des geltenden Stiftungszweckes halten, bleibt es der Aufsichtsbehörde verwehrt, diese auf ihre Angemessenheit zu überprüfen.
Ist die Stiftung Trägerin einer Ausbildungsstätte, so ist bei der Ausübung der Stiftungsaufsicht um so grössere Zurückhaltung am Platz, als die Beziehungen der Stiftung zu den Destinatären weitgehend auf einem privatrechtlichen Unterrichtsvertrag beruhen, worin die Schüler auch die Studiums- und Prüfungsgestaltung anerkennen. Soweit die Ansprüche der Beschwerdeführerin vertraglicher Natur sind, müsste sie daher den zivilprozessualen Weg beschreiten. Für den vorliegenden Fall gilt dies um so mehr, als die Verhältnisse zwischen der Beschwerdeführerin und dem Institut sehr komplex sind und deren Ansprüche nicht zum vornherein als ausgewiesen erscheinen. In Fällen, wo über die geltend gemachten Ansprüche der Destinatäre ernsthafte Zweifel bestehen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine konkurrierende Zuständigkeit von Richter und Aufsichtsbehörde ausgeschlossen und der Entscheid dem Zivilrichter zu überlassen (
BGE 108 II 500
E. 6).
c) Zu beachten ist auch, dass anders organisierte - z.B. durch einen Verein getragene oder in die Form einer AG gekleidete - private Schulen nicht einer ähnlichen öffentlichen Aufsicht unterstehen. Es ist daher nicht einzusehen, weshalb im Bereich der konkreten Anwendung von Prüfungsreglementen auf einzelne Studierende eine staatliche Aufsicht über Stiftungsschulen gerechtfertigt sein soll, über anders organisierte private Schulen hingegen nicht. Dabei vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin, das C.G. Jung-Institut befinde sich in einer Konkurrenzsituation zur öffentlichen Universität und es bestehe ein allgemeines öffentliches Interesse an den Geschehnissen an diesem Institut, nicht zu bewirken, dass die Aufsichtsbehörden Entscheide der Stiftungsorgane über den Ausschluss einzelner Absolventen von den Abschlussprüfungen zu überprüfen haben. Ebensowenig kann die Beschwerdeführerin etwas für ihren Standpunkt ableiten, indem sie eine solche Überprüfungspflicht auf die kantonalrechtliche Aufsicht über höhere öffentliche Lehranstalten abstützen will. Denn dies lässt den angefochtenen Entscheid des Regierungsrates,
BGE 111 II 97 S. 102
der sich zutreffenderweise ausschliesslich auf Bundesrecht stützt, nicht als bundesrechtswidrig erscheinen.
d) Hinsichtlich der noch allein streitigen Frage, ob die Beschwerdeführerin auf willkürliche Weise exmatrikuliert worden sei, steht nun ganz offensichtlich kein konkretes öffentliches Interesse auf dem Spiel. Es geht auch nicht um ein Vorkommnis, das den Statuten, dem Stiftungszweck oder andern Anordnungen des Stifters entgegensteht. Wie die Beschwerdeführerin selbst darlegt, wurde sie aus persönlichen Gründen ausgeschlossen, die sie nach der Ansicht des Curatoriums als Jungsche Analytikerin ungeeignet erscheinen lassen. Derartige, mit der besonderen Art der Ausbildung zur Analytikerin eng zusammenhängende Kriterien der Persönlichkeitsbeurteilung lassen sich schlechterdings nicht zum Gegenstand einer Aufsichtsbeschwerde machen. Die Frage, ob in der Persönlichkeitsstruktur der Beschwerdeführerin genügend schwerwiegende Gründe liegen, um diese nicht zu den weiteren Diplomprüfungen zuzulassen und vom Institut auszuschliessen, entzieht sich der Prüfung der stiftungsrechtlichen Aufsichtsbehörden. Diese wären, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, zu einer solchen Beurteilung fachlich auch kaum in der Lage. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fcf4cc72-58d1-4ad6-9879-2f08af835eed | Urteilskopf
140 III 175
29. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Association B. (recours en matière civile)
5A_766/2013 du 8 avril 2014 | Regeste
Art. 22 Abs. 1 SchKG
; Nichtigkeit einer Betreibung.
Überprüfungsbefugnis des Betreibungsamtes und der Aufsichtsbehörde, wenn der Betriebene als Nichtigkeitsgrund geltend macht, dem Betreibenden fehle die Rechtspersönlichkeit (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 175
BGE 140 III 175 S. 175
A.
Par ordonnance de preuve à futur du 21 mars 2013, prise sur requête de l'association B., le Président du Tribunal civil de l'arrondissement de Lausanne a, en particulier, enjoint à A. et X. AG de produire diverses pièces (...) et mis solidairement à leur charge les frais
BGE 140 III 175 S. 176
(900 fr.) ainsi que les dépens (1'890 fr.) de la procédure (...). A titre préjudiciel, ce magistrat a rejeté le moyen tiré de l'absence de personnalité juridique et, partant, de capacité d'ester en justice de la requérante; il a considéré que le défaut d'inscription au registre du commerce n'avait qu'un effet déclaratif et n'entraînait pas l'inexistence de cette association, dont le but demeurerait idéal, alors même qu'elle exercerait une industrie en la forme commerciale pour l'atteindre.
B.
B.a
Le 14 juin 2013, l'association B. a fait notifier à A. un commandement de payer les sommes de 900 fr. et de 1'890 fr., toutes deux avec intérêts à 5 % dès le 7 mai 2013, dues en vertu du jugement précité (...); cet acte est fondé sur une réquisition de poursuite enregistrée le 24 mai 2013 par l'office. Le poursuivi a formé opposition totale.
B.b
Le 24 juin 2013, le poursuivi a porté plainte au sens de l'
art. 17 LP
, concluant à la nullité de la réquisition de poursuite et à la radiation de la poursuite; en bref, il a fait valoir que la poursuivante était une entité inexistante, de sorte que tout acte de poursuite est nul.
Statuant le 26 septembre 2013, la Chambre de surveillance des Offices des poursuites et faillites du canton de Genève a rejeté la plainte.
(...)
Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile du poursuivant, annulé la décision attaquée et renvoyé l'affaire à l'autorité précédente pour qu'elle statue à nouveau.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Après avoir rappelé que la poursuite ouverte par une personne morale inexistante est "nulle de plein droit", l'autorité précédente a considéré, en substance, que l'office est tenu de procéder à un "contrôle à première vue de la capacité d'être partie et d'ester des personnes et entités mentionnées dans les réquisitions de poursuite", et il ne peut refuser son concours qu'en présence d'un "défaut apparemment manifeste des qualités requises pour être sujet actif et passif du droit de l'exécution forcée", son "devoir de contrôle spontané" se résumant dès lors à un "examen superficiel" des réquisitions qui lui parviennent; si la capacité d'être partie et celle d'ester ont été établies dans une décision judiciaire ayant acquis "force de chose jugée", l'office est tenu d'y déférer.
BGE 140 III 175 S. 177
En l'occurrence, la juridiction précédente a constaté que, pour accepter la réquisition de poursuite de l'association poursuivante, l'office s'était fondé sur une ordonnance de preuve à futur rendue le 21 mars 2013 par le Président du Tribunal civil de l'arrondissement de Lausanne, ce magistrat ayant admis "préalablement que ladite association jouissait de la personnalité juridique". Cette ordonnance - qui ne constitue pas une simple ordonnance d'instruction - est définitive, faute de recours, et ne devait pas être validée, de telle sorte "qu'elle est entrée en force de chose jugée à l'échéance du délai d'appel de 10 jours applicable et que cette décision ne peut plus être remise en question sur aucun de ses aspects". Au demeurant, l'office n'eût-il pas été en possession de l'ordonnance précitée lorsqu'il a reçu la réquisition de poursuite "que la solution apportée à la présente plainte n'en serait pas différente au vu de la teneur et de la portée claires de cette ordonnance".
4.
4.1
De jurisprudence constante, une poursuite introduite, ou continuée (
ATF 73 III 61
consid. 1), au nom d'une personne inexistante est nulle au sens de l'
art. 22 al. 1 LP
(
ATF 32 I 570
consid. 1;
62 III 134
p. 135;
65 III 97
consid. 2;
ATF 105 III 107
consid. 2;
ATF 120 III 11
consid. 1b;
ATF 114 III 62
consid. 1a); sous réserve d'exceptions qui n'entrent pas en ligne de compte en l'occurrence (cf. à ce propos: AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9
e
éd. 2013, § 8 n. 3 avec les exemples mentionnés), tel est le cas lorsque le
poursuivant
n'a pas la personnalité juridique (par exemple:
ATF 43 III 176
[société simple];
ATF 115 III 11
consid. 2a et 16 consid. 1 [fonds de placement]). Ce principe s'applique aussi à la poursuite dirigée contre un
poursuivi
qui n'est pas (
ATF 28 I 293
;
40 III 445
;
51 III 64
;
ATF 100 III 19
consid. 3;
ATF 102 III 63
consid. 2;
ATF 135 III 229
), ou plus (
ATF 120 III 39
consid. 1a [débiteur déjà décédé à la date du dépôt de la requête de séquestre]), une personne physique ou morale existante. La doctrine est du même avis (cf. parmi les auteurs récents: ACOCELLA, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2
e
éd. 2010, n° 27 ad
art. 38 LP
; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5
e
éd. 2012, n. 338 et 608; LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, n
os
29 et 30 ad
art. 22 LP
; MARCHAND, Précis de droit des poursuites, 2
e
éd. 2013, p. 32).
Cependant, le Tribunal fédéral a précisé que la sanction de la nullité n'impliquait "nullement que les autorités de poursuite doivent
BGE 140 III 175 S. 178
toujours, d'office ou sur requête, examiner si les parties à une poursuite sont sujets de droit et ont la capacité d'ester en justice"; une instruction et une décision sur ce point ne s'imposent que lorsque la qualité de sujet de droit du créancier ou du débiteur "peut être sérieusement mise en doute sur le vu des pièces du dossier" (
ATF 105 III 107
consid. 2; dans le même sens: arrêt 7B.89/2002 du 26 juillet 2002 consid. 2.2; pour la capacité de discernement du poursuivi:
ATF 99 III 4
consid. 3;
ATF 104 III 4
consid. 2).
4.2
La nullité d'une mesure peut être constatée par l'office qui l'a prise (LORANDI, op. cit., n
os
122 et 123 ad
art. 22 LP
avec les références). Celui-ci est, en outre, habilité à refuser de donner suite à une réquisition de poursuite quand l'incapacité du requérant est patente (cf. pour le poursuivant incapable de discernement:
ATF 99 III 4
consid. 3). Il lui incombe également de rechercher de son propre chef, en consultant le site internet du registre du commerce (lettre de la Chambre des poursuites et des faillites aux autorités cantonales supérieures de surveillance du 6 décembre 2004, in
ATF 130 III 763
ss), si une société poursuivie qui n'acquiert sa personnalité juridique que par l'inscription au registre du commerce existe véritablement (
ATF 40 III 445
).
La décision attaquée n'apparaît pas critiquable en tant qu'elle concerne l'
office
. Comme le souligne l'autorité précédente, celui-ci avait en main une décision judiciaire passée en force qui reconnaissait expressément la personnalité juridique de l'association poursuivante, dont la qualité n'inspirait, dès lors, aucun "doute sérieux" à la lecture des pièces du dossier (cf. supra, consid. 4.1).
4.3
Lorsque le commandement de payer a été notifié au poursuivi en dépit de la cause de nullité dont il est affecté, il incombe à l'autorité de surveillance de constater la nullité de cet acte (par exemple: décision de l'Autorité de surveillance de Bâle-Ville du 10 juillet 1998, in Insolvenz und Wirtschaftsrecht [IWIR] 1998 p. 170 [poursuite requise par une communauté héréditaire]).
En l'espèce, l'autorité cantonale s'est limitée à vérifier si la décision de l'office de donner suite à la réquisition de poursuite était justifiée, mais elle ne s'est pas interrogée sur sa
propre compétence
pour connaître du moyen tiré de la nullité de la poursuite, paraissant ainsi calquer son pouvoir d'examen sur celui de l'office. Encore que la jurisprudence ne soit pas très claire à cet égard (cf. supra, consid. 4.1), une telle position ne peut être approuvée. L'office est un organe
BGE 140 III 175 S. 179
administratif qui agit sur requête unilatérale du prétendu créancier (
ATF 130 III 285
consid. 5.1 avec les citations), dont il est fondé, sauf doutes sérieux, à présumer la qualité de sujet de droit (
ATF 105 III 107
consid. 2). Ces considérations ne s'appliquent pas à l'autorité de surveillance, qui statue dans le cadre d'une procédure contradictoire, régie par la maxime inquisitoire (
art. 20a al. 2 ch. 2 LP
), néanmoins tempérée par l'obligation de collaborer des parties (
ATF 123 III 328
consid. 3 avec les références). Elle ne saurait, à l'instar de l'office, réserver son contrôle à l'hypothèse où la qualité de sujet de droit du poursuivant "peut être sérieusement mise en doute sur le vu des pièces du dossier", sauf à renvoyer le poursuivi à faire trancher cette question par le juge civil, par exemple à l'occasion de la procédure de mainlevée (
art. 80 ss LP
) ou dans l'action en annulation de la poursuite (
art. 85a LP
). Or, abstraction faite de l'éventualité où elle est indubitable ("ausser Zweifel":
ATF 96 III 111
consid. 4b), ou "d'emblée manifeste" (
ATF 96 III 31
consid. 2), la nullité d'une mesure de l'office ne peut pas être constatée par le juge; pareille compétence appartient aux autorités de surveillance (LORANDI, op. cit., n° 137 ad
art. 22 LP
avec les citations).
En l'occurrence, la décision du juge vaudois est une ordonnance qui
admet
une requête de preuve à futur au sens de l'
art. 158 CPC
. Il n'est pas besoin de rechercher si - comme l'affirme sans discussion la cour cantonale - une telle décision est susceptible d'un appel au regard de l'
art. 308 al. 1 let. b CPC
(cf. sur cette question, notamment: FELLMANN, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2
e
éd. 2013, n
os
43 ss ad
art. 158 CPC
avec les citations); il suffit de constater que, même passée en force, cette ordonnance a été prise dans un contexte provisionnel (
art. 158 al. 2 et 261 ss CPC
), où l'examen des questions juridiques est sommaire (
ATF 139 III 86
consid. 4.2). Par surcroît, le juge civil n'a statué qu'à titre
préjudiciel
sur la personnalité juridique de l'association poursuivante, en sorte que - quoi que semble en penser la juridiction précédente - ses motifs ne jouissent pas de l'autorité de la chose jugée sur cette question et ne lient pas l'autorité de surveillance appelée ultérieurement à se prononcer sur la qualité de sujet de droit du poursuivant (cf. à ce sujet: RÜETSCHI, Vorfragen im schweizerischen Zivilprozess, 2011, p. 157 ss n. 348 ss et les citations; sur l'hypothèse inverse: arrêt 5A_681/2013 du 19 février 2014 consid. 2.2). | null | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
fcf85217-3d56-47d5-a12b-01f719b8307d | Urteilskopf
115 II 206
35. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Mai 1989 i.S. X. gegen X. (Berufung) | Regeste
Art. 156 Abs. 1 und 274 Abs. 1 ZGB; Zuteilung der Kinder im Falle der Scheidung.
Der Abschluss einer Scheidungskonvention hindert eine Partei nicht daran, dem Richter deren Nichtgenehmigung zu beantragen.
Sind die Voraussetzungen für die Kinderzuteilung bei beiden Eltern in gleicher Weise gegeben, behindert aber der eine Elternteil die Beziehungen der Kinder zum andern Elternteil, so verletzt er seine elterlichen Pflichten. Seine Erziehungsfähigkeit ist deshalb als schlechter zu beurteilen als diejenige des andern Elternteils, welcher die Kinder nicht negativ beeinflusst. | Sachverhalt
ab Seite 207
BGE 115 II 206 S. 207
A.-
A. X. und M. Y. gingen im Jahre 1971 miteinander die Ehe ein, welcher die beiden Kinder Claudia, geboren 1972, und Marcel, geboren 1976, entsprossen. Die Ehefrau erhob im April 1986 beim Bezirksgericht Klage auf Scheidung der Ehe. Gleichzeitig beantragte sie die Zuweisung der elterlichen Gewalt über die beiden Kinder an sie. Der Ehemann widersetzte sich zunächst dem Scheidungsbegehren.
Als vorsorgliche Massnahme während des Scheidungsverfahrens wurden die beiden Kinder vorerst dem Vater zur Pflege und Erziehung zugesprochen. In der Folge einigten sich die Parteien auf ein gemeinsames Scheidungsbegehren und schlossen im November 1987 auch eine Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung, wonach die Kinder unter die elterliche Gewalt des Beklagten zu stellen seien. Sollte aber eines der Kinder oder beide je den Wunsch haben, mit der Klägerin zusammenzuleben, so werde der Beklagte diesen Wunsch respektieren und sich auch der Übertragung der elterlichen Gewalt nicht widersetzen. Im übrigen einigten sich die Parteien auch über ein ausgedehntes Besuchs- und Ferienrecht der Klägerin und darüber, dass sie an den Unterhalt der Kinder je Fr. 250.-- im Monat leisten solle.
Anlässlich der Hauptverhandlung vor Bezirksgericht stellte die Klägerin indessen den Antrag, dass die Vereinbarung über die Nebenfolgen nicht zu genehmigen sei, dass vielmehr die Kinder
BGE 115 II 206 S. 208
Claudia und Marcel unter ihre Obhut zu stellen seien und der Beklagte, dem ein grosszügiges Besuchs- und Ferienrecht einzuräumen sei, an den Unterhalt der Kinder monatliche Beiträge von je Fr. 600.-- zu bezahlen habe. Der Beklagte widersetzte sich diesem Antrag.
B.-
Das Bezirksgericht schied mit Urteil vom 15. März 1988 die Ehe der Parteien, unterstellte die beiden Kinder der elterlichen Gewalt des Vaters, ordnete aber für die Überwachung des Besuchsrechts eine Erziehungsbeistandschaft im Sinne von
Art. 308 Abs. 2 ZGB
an und genehmigte die übrigen Punkte der Konvention.
Das Obergericht des Kantons Thurgau hiess am 13. Dezember 1988 die Berufung der Klägerin gut und sprach die beiden Kinder Claudia und Marcel der Mutter zu unter Anordnung einer Erziehungsbeistandschaft gemäss
Art. 308 Abs. 2 ZGB
. Es räumte dem Beklagten das Recht ein, die beiden Kinder jedes zweite Wochenende zu sich auf Besuch und vier Wochen pro Jahr mit sich in die Ferien zu nehmen. Ferner verpflichtete ihn das Obergericht, für die beiden Kinder monatliche indexierte Unterhaltsbeiträge von je Fr. 600.-- zu bezahlen.
C.-
Der Beklagte legt beim Bundesgericht Berufung ein mit dem Begehren, in Abänderung des Urteils des Obergerichts sei die elterliche Gewalt über Claudia und Marcel auf ihn zu übertragen. Dazu verlangt er eine entsprechende Änderung der Besuchs- und Ferienregelung sowie der Unterhaltsbeitragspflicht. Eventualiter beantragt er, dass zur genauen Abklärung der Lebensverhältnisse der Kinder ein aktualisiertes Gutachten zu erstellen und ein Bericht der zuständigen Vormundschaftsbehörde einzuholen sei.
Die Klägerin und das Obergericht schliessen auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Das Obergericht hat sich intensiv mit der Frage der Kinderzuteilung auseinandergesetzt. Es hat nicht verkannt, dass die Klägerin sich vorerst damit einverstanden erklärt hatte, dass die aus dem Kleinkindesalter herausgewachsenen Kinder der elterlichen Gewalt des Beklagten unterstellt werden. Das Obergericht hat aber auch zu Recht festgehalten, dass der Abschluss einer
BGE 115 II 206 S. 209
Scheidungskonvention die Parteien nicht daran hindert, dem Richter deren Nichtgenehmigung zu beantragen. Soweit diese beantragte Nichtgenehmigung die Belange der Kinder betrifft, ist der Richter von Bundesrechts wegen verpflichtet, den geltend gemachten Gründen besonders sorgfältig nachzugehen und von Amtes wegen zu prüfen, welche Lösung sich im Interesse der Kinder aufdrängt. Das gilt gleicherweise für den erst- wie den zweitinstanzlichen Richter. Dass das Bezirksgericht in der Frage der Kinderzuteilung die Parteivereinbarung genehmigt hat, ist insofern ohne Belang, als das Obergericht in seiner eigenen Entscheidung frei ist und selbst umfassend zu prüfen hat, ob die endgültige Zuteilung der beiden Kinder an den Vater oder aber an die Mutter zu erfolgen hat.
a) Massgebend ist bei der Prüfung dieser Frage das Kindeswohl. Die Interessen der Eltern haben in den Hintergrund zu treten, und völlig ausser Betracht zu bleiben haben vor allem emotionale Widerstände des einen Ehegatten gegenüber dem die Scheidung begehrenden andern Ehegatten. Nachdem die Kinder sich in einem Alter befinden, in welchem sie an sich auf beide Eltern - ohne Vorgabe des einen oder andern - angewiesen sind, kann es entgegen der Auffassung des Obergerichts auch nicht mehr auf die mütterliche Vorgabe ankommen, welcher in den Entscheiden
BGE 108 II 370
und
BGE 109 II 194
noch eine vorrangige Bedeutung zugekommen ist. Die neueste Rechtsprechung geht vielmehr davon aus, dass zumindest bei nicht mehr ganz kleinen Kindern grundsätzlich - bei gleichen Voraussetzungen und bei gleicher Erziehungsfähigkeit - beide Eltern gleicherweise in den Genuss der elterlichen Gewalt gelangen können (
BGE 114 II 203
). Den Vorrang besitzt nach dieser Rechtsprechung jener Elternteil, welcher nach den gesamten Umständen die bessere Gewähr dafür bietet, dass sich die Kinder in geistig-psychischer, körperlicher und sozialer Hinsicht altersgerecht optimal entfalten können. Steht fest, dass diese Voraussetzungen und sodann die Möglichkeit, die Kinder persönlich zu betreuen, auf seiten beider Eltern ungefähr in gleicher Weise gegeben sind, ist dem Moment der örtlichen und familiären Stabilität und - je nach Alter der Kinder - allenfalls ihrem eindeutigen Wunsch Rechnung zu tragen.
b) Angesichts dieser von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze lässt sich der Entscheid des Obergerichts im Ergebnis in keiner Weise beanstanden. Die Vorinstanz hat die gesamten Umstände grundsätzlich zutreffend gewürdigt.
BGE 115 II 206 S. 210
Da in erzieherischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht gleichwertige Voraussetzungen gegeben waren, hat sie letztlich entscheidend auf das beigezogene Gutachten und damit auf die Tatsache abgestellt, dass die Parteien noch unfähig zu einfachsten Kooperationsleistungen seien und die Entscheidungsgewalt weitgehend einfach ihren Kindern überlassen hätten. Das hatte zur Folge, dass vor allem der kleine Marcel wegen des Verhaltens seines Vaters in schwere Loyalitätskonflikte geriet. Das Gutachten, das auf einer dreieinhalb Jahre dauernden Beobachtung der Verhältnisse beruht, lässt nach der Feststellung im angefochtenen Entscheid keinen Zweifel darüber offen, dass das Kindeswohl unter den gegebenen Voraussetzungen deshalb nicht gewährleistet ist, weil der Beklagte die in
Art. 273 und 274 Abs. 1 ZGB
ausdrücklich festgehaltenen elterlichen Pflichten in flagranter Weise verletzt. Er sei es, welcher der Mutter-Kind-Beziehung Steine in den Weg lege und zwar offenkundig aus egoistischen Motiven, nämlich um an der Klägerin für die Scheidung, der er sich anfänglich widersetzt hat, Rache zu nehmen. Dass diese aus dem Gutachten gezogene Schlussfolgerung richtig ist, untermauert das Obergericht noch mit der Aussage eines Zeugen, eine Aussage, die vom Beklagten nicht in Frage gestellt worden ist.
Das Obergericht hält fest, dass sich der Beklagte nicht nur widerrechtlich im Sinne des Kindesrechts verhält, sondern dass er, indem er die Gefühle seiner Kinder zum Spielball seiner "Strafaktion" gegen die Klägerin mache, auf die Kinder sogar einen ausgesprochen schädlichen Einfluss ausübe. Der Beklagte stelle die bei ihm wohnenden Kinder faktisch vor die Alternative, sich für ihn oder die Klägerin zu entscheiden, wodurch er den Widerstand der Kinder gegen die Mutter auslöse. Es fehle ihm ganz offensichtlich am Willen, sich auch nur zu einer minimalen Zusammenarbeit in Fragen des persönlichen Verkehrs zwischen Eltern und Kindern, geschweige denn in Erziehungsfragen bewegen zu lassen. Dass sich die Klägerin dabei nachsichtig zeige, geschehe offenkundig in der Absicht, die bestehende Konfliktsituation nicht zusätzlich und namentlich zu Lasten der Kinder zu verschärfen.
Die Vorinstanz schliesst völlig zu Recht aus diesem Verhalten der Klägerin, dass bei ihr mehr Einsicht vorhanden ist als auf seiten des Beklagten. Es ist ihr damit die bessere Erziehungsfähigkeit zu attestieren. In Übernahme der Schlussfolgerungen der Gutachterin hält das Obergericht in diesem Zusammenhang dafür, dass die Klägerin die Beziehungen der Kinder zu ihrem Vater
BGE 115 II 206 S. 211
weniger negativ beeinflussen würde, als dies umgekehrt geschieht. Bei einer Gewaltzuweisung an die Mutter würden die Kinder von den Schuldgefühlen gegenüber beiden Eltern befreit, und die Beziehung zur Mutter könnte sich entkrampfen, weil die Kinder weniger Angst haben müssten, wenn sie die Mutter auch gern haben; besonders Marcel könnte seine übermässige Loyalität zum Vater aufgeben und zu beiden Eltern eine gleichwertige Beziehung aufbauen. Das Obergericht ist mit Recht der Ansicht, dass die Normalisierung der persönlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern für eine gesunde Entwicklung der Kinder unabdingbar ist. Diese Normalisierung kann nun aber nach der verbindlichen Feststellung im angefochtenen Urteil nur durch Unterstellung von Marcel und Claudia unter die elterliche Gewalt der Klägerin erreicht werden. Eine Umplazierung der Kinder drängt sich daher für das Obergericht geradezu auf, auch wenn damit nicht sämtliche Probleme, zumindest mit Bezug auf den Sohn Marcel, gelöst sind.
c) Das Obergericht hat mit diesem Entscheid nicht nur kein Bundesrecht verletzt, sondern offensichtlich im wohlverstandenen Interesse der beiden Kinder entschieden. Es hält zutreffend fest, dass es unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls nicht zu verantworten wäre, eine gleichsam programmierte Schädigung von Marcel in Kauf zu nehmen. Nach der Feststellung der Vorinstanz lässt sich die Umplazierung der Kinder an einen nur wenige Kilometer entfernten Ort aber auch unter dem Gesichtspunkt der auf seiten der Klägerin zweifellos vorhandenen und wohl besseren erzieherischen Fähigkeiten sowie ihrer Bereitschaft zur Kindererziehung und -betreuung verantworten. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
fcfba61a-39ff-403e-b45a-e3506ca0076a | Urteilskopf
89 IV 113
23. Urteil des Kassationshofes vom 1. Mai 1963 i.S. Lischer und Mühlemann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. | Regeste
Art. 2 Abs. 2 StGB
.
Der Satz vom mildern Recht ist auf Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften nicht anwendbar. Es beurteilt sich ausschliesslich nach altem Recht, ob ein Motorfahrzeugführer eine Verkehrsregel des seit 1. Januar 1963 vollständig aufgehobenen Bundesgesetzes über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr verletzt hat und, wenn ja, wie er dafür zu bestrafen ist.
Eine Ausnahme bildet die Bestimmung des
Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG
, die für Fälle, wo die Störung des Verkehrs auf einer Verletzung von Verkehrsregeln beruht, an die Stelle von
Art. 237 StGB
getreten ist. | Sachverhalt
ab Seite 113
BGE 89 IV 113 S. 113
A.-
Lischer fuhr am 5. Juni 1962, gegen 7.30 Uhr, am Steuer seines Personenwagens VW von Malters gegen
BGE 89 IV 113 S. 114
Werthenstein. Als er auf der geraden Strecke, die ausgangs des Dorfes Schachen beginnt, aus einer Entfernung von ungefähr 80 m eine für ihn am linken Strassenrand gelegene Tankstelle erblickte, entschloss er sich, anzuhalten und Benzin zu tanken. Gleichzeitig sah er durch den Rückspiegel, dass ihm ein Personenwagen, der von Mühlemann gesteuert war, mit grösserer Geschwindigkeit folgte. Lischer verlangsamte seine Fahrt, stellte den Richtungsanzeiger und hielt gegen die Strassenmitte. Als er auf der Höhe der Tankstelle nach links abzuschwenken begann, prallte der Wagen Mühlemanns, der noch zu stoppen versucht hatte, gegen das Heck seines Fahrzeuges. Es entstand beträchtlicher Sachschaden.
B.-
Am 15. Januar 1963 büsste das Amtsgericht Entlebuch Lischer wegen Verletzung von Art. 25 Abs. 1 MFG mit Fr. 20.-, Mühlemann wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs (
Art. 237 Ziff. 2 StGB
) mit Fr. 40.-. Es warf Lischer vor, vor dem Abschwenken nach links nicht angehalten zu haben, um den vortrittsberechtigten Mühlemann vorbeizulassen. Mühlemann legte es Missachtung von Art. 25 und 26 Abs. 4 MFG zur Last. Er habe zu nahe aufgeschlossen und deshalb sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig anhalten können, als Lischer nach links abschwenkte. Ausserdem habe er sein Fahrzeug nicht beherrscht. Durch seine mangelnde Rücksichtnahme auf den andern Strassenbenützer habe er sich der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig gemacht.
C.-
Lischer und Mühlemann führen Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragen, das Urteil des Amtsgerichtes sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde Lischers sei abzuweisen; mit Bezug auf Mühlemann sei die Sache zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 89 IV 113 S. 115
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
I.
Das Amtsgericht hat die Beschwerdeführer nach den Bestimmungen des MFG bzw. nach
Art. 237 Ziff. 2 StGB
verurteilt, ohne zu prüfen, ob
Art. 2 Abs. 2 StGB
für Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften ebenfalls gelte und, wenn ja, ob das neue Recht für sie milder sei.
I.1.
Art. 2 Abs. 2 StGB
bestimmt: "Hat jemand ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes verübt, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für den Täter das mildere ist." Nach
Art. 102 Ziff. 1 Abs. 1 SVG
finden die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches, zu denen auch Art. 2 gehört, auf die im Strassenverkehrsgesetz mit Strafe bedrohten Handlungen insoweit Anwendung, als dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält. Dasselbe folgt nicht nur für dieses, sondern für alle Nebenstrafgesetze des Bundes aus
Art. 102 und 333 Abs. 1 StGB
. Das Strassenverkehrsgesetz kennt keine von
Art. 2 Abs. 2 StGB
abweichende Norm, so dass nach den Verweisungen angenommen werden müsste, der Grundsatz des mildern Rechts gelte auch für Widerhandlungen gegen das seit 1. Januar 1963 vollständig aufgehobene Bundesgesetz über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr sowie seine Vollziehungsverordnung, soweit die Widerhandlungen erst nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur gerichtlichen Beurteilung gelangen. Fragen kann sich nur, ob dies dem Wortlaut, vor allem aber dem Sinn der Norm und den ihr zugrunde liegenden Wertungen wirklich entspricht.
Der Kassationshof hat im nicht veröffentlichten Urteil vom 9. Mai 1951 i.S. Demierre die Auffassung vertreten, ein nur für die Dauer bestimmter tatsächlicher Verhältnisse erlassenes Gesetz (sog. Zeitgesetz) sei auf die unter seiner Herrschaft begangenen Taten auch nachher noch anzuwenden. In einem solchen Falle entfielen nur die
BGE 89 IV 113 S. 116
Voraussetzungen für die Anwendung der Strafnorm, an der Rechtsanschauung über die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens ändere sich nichts. In andern Entscheiden, so namentlich im nicht veröffentlichten Urteil vom 3. Juni 1955 i.S. Bourquin, hat sich der Kassationshof dagegen auf den Standpunkt gestellt, mit der blossen Überlegung, das Zeitgesetz falle nicht wegen einer Änderung der Anschauungen über die Strafwürdigkeit dahin, sondern lediglich wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, für die es erlassen wurde, könne das Anwendungsgebiet des
Art. 2 Abs. 2 StGB
nicht beschränkt werden. Es bedürfe hiezu ausdrücklicher Ausnahmen, wie sie denn auch öfters zu finden seien, wenn ein für bestimmte Zeitverhältnisse aufgestellter gesetzlicher Erlass aufgehoben oder abgeändert werde (s. z.B. Art. 3 Abs. 3 BRB über die Abänderung der Preiszuschläge aufFuttermittel, vom 30. Dezember 1952, AS 1952 1125; Art. 48 Abs. 1 Vo über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts, vom 30. Dezember 1953, AS 1953 1286). Mangels einer abweichenden Bestimmung der Nebenstrafgesetzgebung komme
Art. 2 Abs. 2 StGB
dem Beschuldigten unabhängig davon zugute, aus welchem Grunde die übertretene Norm im Zeitpunkt der gerichtlichen Beurteilung der Tat nicht mehr in Kraft ist. Von dieser Auffassung ist der Kassationshof stillschweigend auch in einigen Urteilen ausgegangen, die keine Zeitgesetze betrafen (vgl.
BGE 76 IV 52
Erw. 5), in jüngster Zeit insbesondere bei der Anwendung von Erlassen auf dem Gebiete des Strassenverkehrs (
BGE 89 IV 35
Erw. I). Diese Rechtsprechung vermag indes nicht zu befriedigen.
a) Dem
Art. 2 Abs. 2 StGB
liegt der Gedanke zugrunde, dass nicht mehr oder milder bestraft werden soll, weil die Tat zufolge Änderung der Rechtsanschauung nicht mehr bzw. weniger strafwürdig erscheint. Das trifft auf Zeitgesetze oft schon der Natur der Sache nach nicht zu. Zeitgesetze zeichnen sich dadurch aus, dass sie zum vornherein nur für eine bestimmte Zeit erlassen werden oder
BGE 89 IV 113 S. 117
dass sie nach Inhalt und Zweck nur für die Dauer von Ausnahmeverhältnissen gelten wollen. Ihre Aufhebung beruht daher, wie schon im Falle Demierre hervorgehoben wurde, in der Regel nicht aufgeänderter Rechtsanschauung, sondern auf geänderten tatsächlichen Verhältnissen. Das kann ohne ausdrückliche Vorschrift nicht zur Folge haben, dass die strafrechtliche Ahndung der während der Geltungsdauer des Gesetzes begangenen, aber erst nach dessen Aufhebung abzuurteilenden Widerhandlungen unterbleibe,
Art. 2 Abs. 2 StGB
also Anwendung finde. Dies müsste namentlich von all denen, die sich einer Ausnahmeregelung willig unterzogen haben, als stossend empfunden werden. Abgesehen hievon könnte der Täter vor allem bei kurzfristigen Regelungen, wie sie z.B. der Bundesratsbeschluss vom 16. November 1956 betreffend Sonntagsfahrverbot und andere Sparmassnahmen im Verbrauch flüssiger Treibstoffe (AS 1956 1273) darstellte, welcher schon am 15. Dezember 1956 aufgehoben wurde (AS 1956 1481), seine Bestrafung leicht durch Verzögerung des Verfahrens vereiteln. Zeitgesetze wären dann oft illusorisch oder liefen jedenfalls gegen Ende ihrer Geltungsdauer Gefahr, immer weniger beachtet zu werden. Dass das nicht der Sinn und Zweck eines Gesetzes sein kann, liegt auf der Hand.
Soweit man der Frage überhaupt Beachtung geschenkt hat, ist übrigens auch vom schweizerischen Schrifttum anerkannt worden, dass Zeitgesetze bei sinngemässer Auslegung des
Art. 2 Abs. 2 StGB
von der Norm auszunehmen sind (s. insbes. Komm. THORMANN/VON OVERBECK, Art. 2 N. 17; HALTER, Das zeitliche Geltungsgebiet des StGB, S. 61; GLETTIG, Das schweiz. Clearingstrafrecht, S. 43; vgl. ferner ZÜRCHER, ZStR 27 268; HAFTER, ebenda 253; VON OVERBECK ZStR 56 363; ZBJV 56 285). Bis zur Einfügung einer Sondervorschrift für Zeitgesetze (§ 2a Abs. 3) in das deutsche Strafgesetzbuch im Jahre 1935 ist in der vorherrschenden Lehre und Rechtsprechung Deutschlands ebenfalls die Meinung vertreten worden, dass bei Änderung oder Aufhebung solcher Gesetze der Satz vom
BGE 89 IV 113 S. 118
mildern Recht grundsätzlich keine Anwendung finden könne (vgl. z.B. RGSt 57 384, 416, 59 197, 61 223; FRANK, Das StGB für das Deutsche Reich, 18. Auflage, § 2 V 2; V. HIPPEL, Lehrbuch des Strafrechts, Berlin 1932, S. 78; MEZGER, Strafrecht, München 1931, S. 71; ALLFELD, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 8. Auflage, S. 78).
b) Eine Beschränkung des
Art. 2 Abs. 2 StGB
auf Gesetzesänderungen, denen ein Wandel strafrechtlicher Anschauungen zugrunde liegt, drängt sich auch auf bei Verwaltungsgesetzen, die nicht bloss für eine bestimmte Zeit oder für die Dauer von Ausnahmeverhältnissen erlassen werden, sondern grundsätzliche Regelungen treffen und daher auf die Dauer angelegt sind. Hier wie dort kann sich der Grundsatz des mildern Rechts von vorneherein nur auf die Strafbestimmungen beziehen, denn bloss diese können "milder" sein. Verhaltensnormen, wie z.B. die Verkehrsregeln, können zweckmässig oder unzweckmässig, so oder anders, aber nicht strenger oder milder sein. Dasselbe gilt von einem Inbegriff von Verhaltensnormen, die auf einander abgestimmt sind und zusammen eine bestimmte Ordnung ausmachen. Das Strassenverkehrsgesetz als Kernstück der Verkehrsgesetzgebung hält die Verkehrsregeln und die Strafbestimmungen denn auch deutlich auseinander, womit allerdings nicht gesagt werden will, die Systematik des Gesetzes sei für die Trennung der beiden Arten von Bestimmungen schlechthin massgebend. Dass sich der Satz vom mildern Recht nur auf die Strafbestimmungen beziehen kann, erhellt auch aus
Art. 101 SVG
. Im sog. stellvertretenden Strafrecht sind schweizerische Strafbestimmungen anzuwenden, aber auf die Verletzung der am Orte der Widerhandlung und zur Zeit der Begehung für den Täter geltenden Verkehrsregeln des Auslands. Ein Führer, der in England rechts fährt und dadurch einen Unfall verursacht, müsste in der Schweiz freigesprochen werden, wenn die Anwendung "schweizerischer Strafbestimmungen" auch die schweizerischen Verkehrsregeln mitumfassen würde.
Werden sowohl ausserstrafrechtliche Verhaltensnormen
BGE 89 IV 113 S. 119
wie Strafbestimmungen geändert, so heisst das nicht notwendig, dass eine weniger strenge Anschauung über Verstösse gegen die Ordnung Platz gegriffen hätte. Davon kann jedenfalls bei der Ablösung des MFG durch das Strassenverkehrsgesetz nicht die Rede sein. Diese Ablösung erfolgte, weil sich die alte Ordnung namentlich zufolge der stürmischen Entwicklung des Motorfahrzeugverkehrs mehr und mehr als unzulänglich erwiesen hatte. Die Verkehrsregeln sollten indes nicht umgestürzt, sondern nur auf den Stand der neuen Bedürfnisse weiterentwickelt und ausgebaut werden. Entsprechend sollten die Strafbestimmungen nur ergänzt werden. An der Anschauung über die Strafwürdigkeit von Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften hat sich dagegen nichts geändert, zumindest nicht in dem Sinne, dass solche Widerhandlungen nunmehr weniger strafwürdig erschienen. Das Gegenteil dürfte eher zutreffen; jedenfalls sind sie nach wie vor mit der gleichen Strenge zu ahnden (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II 1, insbes. 5 ff.).
Eine Ausnahme bildet die Bestimmung des
Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG
, die für Fälle, wo die Störung des Verkehrs auf einer Verletzung von Verkehrsregeln beruht, an die Stelle von
Art. 237 StGB
getreten ist (ob auch für vorsätzliche Verkehrsstörungen oder nur für fahrlässige, wie DUBS in der Festgabe für Max Gerwig, Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 55, S. 10, annimmt, steht dabei noch offen). Hier betrifft die Gesetzesänderung eine Strafbestimmung des StGB, die von den kantonalen Gerichten sehr unterschiedlich gehandhabt wurde und deshalb einer Neuregelung rief. Es verhält sich dabei unter dem Gesichtspunkt des
Art. 2 Abs. 2 StGB
nicht anders, als wenn z.B. die Bestimmung über die fahrlässige Tötung, Art. 117, oder diejenige über die fahrlässige Körperverletzung, Art. 125, geändert worden wäre. Demgemäss ist
Art. 2 Abs. 2 StGB
auch anwendbar auf das Verhältnis von
Art. 237 StGB
zu
Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG
.
Die Anwendung des
Art. 2 Abs. 2 StGB
auf blosse
BGE 89 IV 113 S. 120
Widerhandlungen gegen Verkehrsvorschriften entbehrt dagegen aus den angeführten Gründen der Rechtfertigung. Der Satz vom mildern Recht will den viel wichtigeren Grundsatz, wonach ein Strafgesetz auf alle während seiner Herrschaft verübten strafbaren Handlungen anzuwenden ist, nicht schlechthin ausschalten. Er will nur Härten beseitigen, die sich aus der uneingeschränkten Anwendung dieses Grundsatzes ergeben könnten. Eine sinnvolle und zweckentsprechende Beschränkung des
Art. 2 Abs. 2 StGB
bedeutet deshalb keine Abschwächung, sondern eine Aufwertung der Norm. Diese dem Täter einzig nach dem Wortlaut der generellen Verweisungen und unbekümmert um eine geänderte Rechtsanschauung zugute kommen zu lassen, wäre in den Auswirkungen unhaltbar, vor allem aber aus kriminalpolitischen Überlegungen nicht zu rechtfertigen, dies umsomehr als der Satz vom mildern Recht überhaupt umstritten und voller Problematik ist (vgl. z.B. HAFTER, Festgabe zum schweiz. Juristentag 1928, S. 109 ff., insbes. V).
Freilich hat es der Gesetzgeber bei Zeitgesetzen wie bei andern Verwaltungsgesetzen in der Hand, durch Übergangsbestimmungen nicht nur die Rückwirkung eines Gesetzes und damit
Art. 2 Abs. 2 StGB
auszuschliessen, sondern in das neue Recht Vorbehalte zugunsten des alten aufzunehmen. Er hat von dieser Möglichkeit auch in neuerer Zeit noch Gebrauch gemacht (vgl. z.B. Art 41 Abs. 5 BG über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge, vom 30. September 1955, AS 1956 85; Art. 11 Abs. 4 BB über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland, vom 28 September 1956, AS 1956 1553; Art. 68 Abs. 4 des Getreidegesetzes, vom 20. März 1959, AS 1959 995). Unterlässt er es, so entbindet dies den Richter nicht der Pflicht, anhand der dem
Art. 2 Abs. 2 StGB
innewohnenden Wertungen und dessen Zweckgedankens zu prüfen, ob die Anwendung der Norm auf Verstösse gegen ein Verwaltungsgesetz, wie hier, eine sachlich richtige Lösung darstelle.
I.2.
Bleibt es somit in bezug auf Widerhandlungen
BGE 89 IV 113 S. 121
gegen Verkehrsvorschriften bei der Regel, dass das zur Zeit der Tat geltende Gesetz anzuwenden ist, so stellt sich die Frage, ob das neue Gesetz für den Täter allenfalls milder sei, nicht mehr.
II.1.
Nach dem angefochtenen Urteil hat es Lischer an der gebotenen Vorsicht fehlen lassen, die einem Führer obliegt, wenn er ausserhalb einer Strassenverzweigung nach links abbiegen will (
BGE 83 IV 165
).
Das Amtsgericht wirft ihm nicht vor, dass er die beabsichtigte Richtungsänderung nicht rechtzeitig angezeigt oder dass er den Lauf zu spät gemässigt hätte, sondern nur, dass er hätte anhalten sollen, um Mühlemann links überholen zu lassen. Der Beschwerdeführer wendet ein, dass er hiezu keinen Anlass hatte, weil er noch nicht nach links abgeschwenkt habe. Der Einwand scheitert indes an den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts, wonach Lischer nach links abzubiegen im Begriffe war und Mühlemann nicht mehr anzuhalten vermochte, als er das Abbiegemanöver feststellte. Diese Feststellungen betreffen tatsächliche Verhältnisse und binden daher den Kassationshof. Dieser hat als Tatsache hinzunehmen, dass Lischer nach links abzubiegen begonnen hatte. Bevor er dies tat, hätte der Beschwerdeführer sich aber vergewissern sollen, dass er ein nachfolgendes Fahrzeug, das ihn überholen könnte, nicht gefährde. Zu dieser Vorsicht hatte er umsomehr Anlass, als er wusste, dass ihm ein Personenwagen mit grösserer Geschwindigkeit folgte. Indem Lischer diese Vorsichtsmassnahme unterliess, verstiess er gegen Art. 25 Abs. 1 MFG.
II.2.
Nach der Rechtsprechung darf der Führer auch ausserhalb von Strassenverzweigungen vor dem Linksabbiegen gegen die Strassenmitte einspuren, vorausgesetzt, dass die Strasse breit genug ist, um den hinter ihm folgenden Fahrzeugen das Überholen rechts zu ermöglichen; denn nur unter dieser Voraussetzung kann das Einspuren seinen
BGE 89 IV 113 S. 122
Zweck, die Sicherheit und die Flüssigkeit des modernen Verkehrs zu fördern, erfüllen (
BGE 83 IV 169
, nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 13. März 1959 i.S. Dumont).
Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Kantonsstrasse Luzern-Bern ist an der Unfallstelle bloss 6.50 m, jede Fahrbahn also nur 3.25 m breit. Mühlemann verblieb daher nicht genügend Raum, um Lischer rechts zu überholen, als dieser gegen die Leitlinie hielt. Lischer hätte daher nicht einspuren dürfen, sondern sich gemäss Art. 26 Abs. 1 MFG an den rechten Strassenrand halten und das Linksabschwenken bis nach der Durchfahrt Mühlemanns aufschieben müssen.
III.
Die Vorinstanz verkennt nicht, dass Mühlemann das Vortrittsrecht zustand. Sie sagt auch nicht, dass dieser nicht hätte überholen dürfen, weil Gegenverkehr geherrscht hätte. Sie wirft ihm nur vor, er habe zu nahe aufgeschlossen und deshalb nicht rechtzeitig anhalten können.
Ein Fahrzeug kann indes ein anderes nicht überholen, ohne zunächst zu diesem aufzuschliessen. Da das Amtsgericht nicht behauptet, Mühlemann habe
Art. 46 Abs. 1 MFV
verletzt, ist der Vorwurf, zu nahe aufgeschlossen zu haben, nicht verständlich. Gewiss stiess der Wagen Mühlemanns gegen das Heck des Volkswagens, aber nicht weil Mühlemann
Art. 46 Abs. 1 MFV
missachtet hätte, sondern weil er auf das Überholmanöver verzichtete und nach rechts auszuweichen versuchte, als Lischer nach links abzuschwenken begann und ihm dadurch die Fahrbahn abschnitt.
Das will jedoch nicht heissen, Mühlemann treffe keine Schuld. Das Amtsgericht scheint einleitend anzunehmen, Lischer habe, wie behauptet, den Richtungsanzeiger schon 80 m vor der Tankstelle gestellt. Es wirft Mühlemann aber nicht vor, dies wegen mangelnder Aufmerksamkeit zu spät bemerkt zu haben, offenbar weil es die Behauptung
BGE 89 IV 113 S. 123
Lischers nicht für genügend bewiesen hielt. Dagegen steht fest, dass Lischer die Fahrt ständig verlangsamte und, statt gegen den rechten Strassenrand, gegen die Leitlinie hielt. Dies ist Mühlemann denn auch nicht entgangen; er will sich über die Absicht Lischers zunächst nur nicht klar geworden sein. Diese Ungewissheit hätte ihn veranlassen müssen, die Geschwindigkeit zu mässigen oder doch zumindest die Lage durch ein Warnsignal zu klären. Die Sicherheit des Verkehrs gebot es (Art. 20 MFG).
Durch sein pflichtwidriges Verhalten hatMühlemann die Insassen des Volkswagens konkret gefährdet. Dass er nach
Art. 90 Ziff. 2 SVG
milder zu bestrafen wäre, macht er nicht geltend und ist bei einer Busse von Fr. 40.- auch nicht anzunehmen. Er ist deshalb zu Recht nach
Art. 237 Ziff. 2 StGB
bestraft worden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen. | null | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fcfc794d-9f86-4ffd-b993-dcb37453c206 | Urteilskopf
100 Ia 119
19. Auszug aus dem Urteil vom 23. Januar 1974 i.S. Fischli gegen Stauffacher, La Suisse Lebens- und Unfallversicherungsgesellschaften, Zivilgerichtspräsident und Obergericht des Kantons Glarus. | Regeste
Forderung aus Dienstvertrag. Willkürliche Beweiswürdigung im Zivilprozess. Einseitige Berücksichtigung eines Briefwechsels und Ausserachtlassung weiterer Korrespondenz in der gleichen Sache. Staatsrechtliche Beschwerde. Voraussetzungen, unter denen mit dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz auch derjenige der untern Instanz angefochten werden kann (Erw. 1).
Mit der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils erübrigt sich die auf Willkür beschränkte Prüfung der gegen das letztinstanzliche kantonale Urteil gerichteten Rügen (Erw. 6).
Sieht das kantonale Recht für die in Anwendung von
Art. 343 Abs. 4 OR
ergangenen Urteile ein Rechtsmittel vor, so braucht dieses kein ordentliches zu sein (Erw. 6). Die Kostenbefreiung gemäss
Art. 343 Abs. 3 OR
schliesst die Auferlegung einer Parteientschädigung nicht aus (Erw. 7). | Sachverhalt
ab Seite 120
BGE 100 Ia 119 S. 120
A.-
Mit Datum vom 1. Oktober 1964 schlossen Emil Fischli-Hefti und Dietrich Stauffacher, als Generalagent der La Suisse Lebensversicherungsgesellschaft und der La Suisse Unfallversicherungsgesellschaft (im folgenden kurz La Suisse genannt) in Ablösung des vorhergehenden (vom 22. Juli 1957) einen neuen Dienstvertrag ab. Darin wurde Fischli im Einverständnis der Generaldirektion der La Suisse als Generalagent-Stellvertreter bezeichnet. Der Vertrag regelt Fischlis Rechte und Pflichten im Rahmen der Generalagentur, u.a. seine Ansprüche auf ein Fixum, eine Provision und eine Spesenentschädigung. Soweit der Dienstvertrag nichts bestimmt, insbesondere was Ferien, Krankheit, Urlaub usw. betrifft, gelangen gemäss Art. 7 des Dienstvertrages die allgemeinen Anstellungsbedingungen der La Suisse Versicherungsgesellschaften, bei deren Schweigen die Bestimmungen des OR, zur Anwendung.
B.-
Im Jahre 1971 wendete sich Fischli einerseits an Stauffacher und andererseits an die Generaldirektion der La
BGE 100 Ia 119 S. 121
Suisse mit dem Begehren um Erhöhung der Spesenentschädigung. In seinem Brief vom 2. September 1971 an die Generaldirektion erklärte Fischli:
"Sofern Sie die berechtigte Spesenerhöhung von Fr. 300.-- pro Monat, trotz positiver Begutachtung des Generalagenten, nicht einsehen können, so werde ich mit Wirkung ab 1.1.1972 nicht mehr für die La Suisse tätig sein."
Am 13. September schrieb er dem Generaldirektor:
"Nachdem meine Verhandlungen mit Ihrer Abteilung 3, trotz positiver Begutachtung des Generalagenten, Herrn Stauffacher, negativ verlaufen, muss ich Ihnen heute mitteilen, dass ich beabsichtige, per 31.12.1971 aus den Diensten der La Suisse auszutreten.
Vor meinem endgültigen Entschluss würde ich sehr gerne mit Ihnen noch eine Unterredung führen."
Darauf antwortete die La Suisse am 13. Oktober, dass sie die "Entlassung" auf den 31. Dezember, die Fischli am 2. und 13. September 1971 bekanntgegeben hatte, annehme. Stauffacher seinerseits liess Fischli am 17. Dezember einen eingeschriebenen Brief zukommen, in dem er ihn über den Entscheid der Generaldirektion informierte und beifügte:
"Wir sind daher gehalten, Ihnen die von Ihnen angesetzte Beendigung des Dienstverhältnisses per 31. Dezember 1971 ebenfalls zu bestätigen."
Als Fischli die La Suisse und Stauffacher daraufhin wissen liess, dass er den Dienstvertrag nicht gekündigt hatte, und er im übrigen vertraglich nicht mit der La Suisse, sondern mit Stauffacher verbunden war, schrieb ihm Stauffacher am 28. Dezember:
"Nachdem Sie am 2. September 1971 der Direktion der La Suisse schriftlich mitgeteilt haben, dass Sie ab 1. Januar 1971 keinerlei weitere Tätigkeit für die La Suisse mehr ausüben würden, nachdem ferner die Direktion Sie aus den Diensten der La Suisse entlassen und diese Entscheidung bis heute nicht rückgängig gemacht hat, sehe ich mich zu meinem Bedauern veranlasst, Ihnen gestützt auf
Art. 352 OR
das Dienstverhältnis per 31. Dezember 1971 zu kündigen, da mir unter diesen Umständen die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann. Für den Fall, dass wider jegliche Erwartung die Auflösung des Dienstverhältnisses per 31. Dez. 1971 nicht angängig betrachtet würde, wird Ihnen hiermit der Dienstvertrag auf alle Fälle und rein vorsorglich auf die gesetzliche Frist von 2 Monaten,
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d.h. auf den 29. Februar 1972 gekündigt. Gestützt auf die Entscheidung und den Auftrag der Direktion der La Suisse verzichte ich hiermit endgültig auf Ihre Dienste nach dem 31. Desember 1971."
Im Schreiben vom 30. Dezember 1971 vertraten die La Suisse Versicherungsgesellschaften die Ansicht, Fischli hätte seine Kündigungsofferte nie zurückgezogen; zu der von Fischlis Anwalt geltendgemachten fehlenden vertraglichen Beziehung zwischen ihnen und Fischli und dem zwischen ihm und Stauffacher persönlich bestehenden Vertragsverhältnis äusserten sie sich nicht.
Am 8. Februar 1972 erhielt Fischli von Stauffacher eine Provisionsabrechnung über den Monat Januar 1972 mit einem Saldo von Fr. 9691.20 zu Fischlis Gunsten, wobei hinzugefügt war, dass die Auszahlung verrechnungsweise in der zwischen Fischli und der La Suisse schwebenden Angelegenheit erfolge.
Nachdem die Verhandlungen vor dem Vermittleramt Glarus-Riedern keinen Erfolg zeitigten, erbrachte die La Suisse Generalagentur Glarus am 18. Mai 1972 eine Zahlung von Fr. 7000.-- mit dem Vermerk auf dem Coupon "gemäss Provisionsabrechnung für Januar 1972 vom 8. Februar 1972. Der Rest wird mit den Ansprüchen der La Suisse und deren Generalagentur verrechnet".
C.-
Am 3. Juli 1972 klagte Fischli beim Einzelrichter (Zivilgerichtspräsident) von Glarus gegen Stauffacher auf Leistung von Fr. 2691.20 plus Zinsen. Dieser verkündete der La Suisse den Streit. Der Zivilgerichtspräsident trat mit Verfügung vom 11./22. August 1972 die vom Beklagten erhobene Einrede der mangelnden Passivlegitimation gutheissend auf die Klage materiell nicht ein.
D.-
Gegen diese Verfügung erhob Fischli Nichtigkeitsbeschwerde beim Obergericht. Er machte u.a. geltend, der angefochtene Entscheid verstosse gegen den Wortlaut und den Sinn des zwischen ihm und Stauffacher abgeschlossenen Dienstvertrages. Im Speziellen machte er die Nichtigkeitsgründe des
Art. 336 Ziff. 1, 3 und 4 ZPO
geltend, nämlich die Verweigerung des rechtlichen Gehörs, die Aktenwidrigkeit der Annahmen, auf welche sich die Vorinstanz stützte, sowie die Verletzung klaren Rechts. Mit Urteil vom 22. Dezember 1972 wies das Obergericht die Nichtigkeitsbeschwerde ab und bestätigte die angefochtene Verfügung.
E.-
Fischli erhebt hiergegen staatsrechtliche Beschwerde,
BGE 100 Ia 119 S. 123
indem er die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils sowie der Verfügung des Zivilgerichtspräsidenten von Glarus beantragt. Ihre Begründung ergibt sich, soweit nötig, aus den folgenden Erwägungen.
Der Beschwerdegegner und das Obergericht des Kantons Glarus beantragen Abweisung derselben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegen Verfügungen im Sinne von Art. 26 des glarnerischen EG zum OR gibt es keine Appellation, sondern nur die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss
Art. 336 ZPO
, auf dessen Ziff. 1, 3 und 4 sich der Beschwerdeführer berief. Das Obergericht war in seiner Prüfungsbefugnis auf die Nichtigkeitsgründe beschränkt. Unter diesem beschränkten Blickwinkel liess sich seiner Ansicht nach im Entscheid des Einzelrichters kein Nichtigkeitsgrund erkennen. Es räumte in seinem Urteil allerdings ein, dass es bei freier Prüfungsbefugnis vielleicht anders entschieden hätte.
Gemäss
Art. 87 OG
ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des vom Beschwerdeführer angerufenen
Art. 4 BV
erst gegen letztinstanzliche Entscheide zulässig. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts kann jedoch derjenige, der mit einer staatsrechtlichen Beschwerde fristgemäss einen Entscheid anficht, der von einer mit beschränkter Prüfungsbefugnis ausgestatteten Rechtsmittelinstanz ausgefällt wurde, gleichzeitig noch den Entscheid der unteren kantonalen Instanz anfechten, und zwar auch mit Rügen, die bei der kantonalen Rechtsmittelinstanz nicht erhoben werden konnten. Voraussetzung dafür, dass das Bundesgericht den Entscheid der unteren Instanz prüfen kann, ist freilich, dass der Beschwerdeführer die Aufhebung beider kantonaler Entscheide beantragt (
BGE 94 I 462
/3,
BGE 97 I 119
, 226).
Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wird die Aufhebung sowohl der Verfügung des Zivilgerichtspräsidenten wie des Urteils des Obergerichts verlangt. Das Bundesgericht tritt somit auch insofern auf die Beschwerde ein, als damit Rügen gegen den erstinstanzlichen Entscheid erhoben werden, die von der letzten kantonalen Instanz nicht geprüft werden konnten.
2.
(Abweisung der Beschwerde über eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Obergericht.)
BGE 100 Ia 119 S. 124
3.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, dass der Zivilgerichtspräsident zu Unrecht eine Wandlung des am 1. Oktober 1964 zwischen Fischli und Stauffacher abgeschlossenen Dienstvertrages in einen Dienstvertrag zwischen Fischli und der La Suisse angenommen hat.
Nach Ansicht des erstinstanzlichen Richters erfuhr der am 1. Oktober 1964 zwischen Fischli und Stauffacher abgeschlossene und von beiden persönlich unterschriebene Dienstvertrag im Laufe der Zeit eine wesentliche Änderung bezüglich der Vertragsparteien. Würde einzig der schriftliche Dienstvertrag im Dossier figurieren, so wären Fischli und Stauffacher allerdings nach wie vor Vertragsparteien; doch haben insbesondere das Verhalten und die Äusserungen des Beschwerdeführers die Auffassung über dieses Dienstverhältnis modifiziert; so habe sich der Beschwerdeführer mit Forderungen betreffend Gehaltserhöhung und Rückerstattung von Auslagen an die La Suisse gewendet, nachdem er sich diesbezüglich mit dem Beschwerdegegner besprochen hatte. Ferner habe Fischli in seinem Brief vom 2. September 1971 gegenüber der La Suisse erklärt, dass er, falls seiner Bitte um Erhöhung der Spesenentschädigung nicht stattgegeben werde, nicht willens sei, ab 1. Januar 1972 für die La Suisse zu arbeiten, worauf die La Suisse ihrerseits seine Kündigung anzunehmen erklärt habe. Andererseits seien auf Seite der La Suisse gewisse Zentralisierungsmassnahmen im Zeitraum von 1964-1968 ersichtlich. All diese Erwägungen veranlassten den erstinstanzlichen Richter, eine Vertragsänderung im Sinne einer Änderung der Parteien anzunehmen. Das Obergericht seinerseits hat sich damit begnügt, auf die Ausführungen des Zivilgerichtspräsidenten zu verweisen und zu erklären, dass seiner Meinung nach diesbezüglich kein Nichtigkeitsgrund gegeben sei.
4.
Gemäss dem alten
Art. 320 Abs. 1 OR
(der neue
Art. 320 Abs. 1 OR
hat diesbezüglich denselben Wortlaut), welcher auf die vorliegenden strittigen Rechtsbeziehungen anwendbar ist, bedarf der Dienstvertrag unter Vorbehalt entgegenstehender gesetzlicher Bestimmungen, wie grundsätzlich übrigens jeder Vertrag (
Art. 11 Abs. 1 OR
), "zu seiner Gültigkeit keiner besonderen Form". Er kann somit grundsätzlich ausdrücklich oder stillschweigend geschlossen werden. Schriftlichkeit ist auch dann nicht erforderlich, wenn der einmal schriftlich abgefasste Vertrag einer Änderung unterzogen wird (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER,
BGE 100 Ia 119 S. 125
Obligationenrecht, 2. Auflage, zu Art. 16, Nr. 8). Andererseits ist auch eine Vereinbarung denkbar, wonach der Arbeitgeber die Rechte aus einem konkreten Dienstverhältnis an einen Dritten abtreten kann (
Art. 176 OR
und alter
Art. 327 Abs. 2 OR
, neuer
Art. 333 Abs. 4 OR
; Urteil vom 20. Dezember 1955 i.S. Felsenhardt c. Schreyer).
Eine Vereinbarung, wonach die Rechte und Pflichten Stauffachers gegenüber Fischli aus dem Vertrag vom 1. Oktober 1964 auf die La Suisse übergingen, wäre folglich durchaus möglich gewesen. Die Tatsache, dass Fischli das Problem seiner Entschädigung mit der Direktion der La Suisse besprochen hatte, genügt jedoch nicht zur Annahme, dass dadurch Stauffacher von jeder Verpflichtung Fischli gegenüber befreit worden und nicht mehr mit Fischli vertraglich verbunden gewesen wäre. Vorerst ist festzuhalten, dass vor dem erstinstanzlichen Richter weder Stauffacher selbst noch die La Suisse durch diese veranlasste Zentralisationsmassnahmen und ebensowenig den Vertragsübergang auf sie geltend gemacht hatten. Es wäre dem Beschwerdegegner und den Litisdenunziatinnen jedoch ein Leichtes gewesen, den Nachweis einer Zentralisierung und Straffung in der Organisation zu erbringen, wenn das Verhältnis La Suisse zu ihren Generalagenten und deren Angestellten tatsächlich Änderungen erfahren hätte. Aber sie blieben entsprechende Erklärungen schuldig, und der Beschwerdegegner begnügte sich zu betonen, dass der Beschwerdeführer sich als Angestellter der La Suisse betrachtete, und es gegen Treu und Glauben verstiesse, wenn er sich nun an ihn, Stauffacher halte.
Jedoch vermöchte die Tatsache allein, dass Fischli selber sich als in den Diensten der La Suisse stehend betrachtet, noch keinen Übergang der Rechte und Pflichten Stauffachers auf die Versicherungsgesellschaften zu begründen. Und eine andere Tatsache, die geeignet wäre, den Beweis für einen solchen Rechtsübergang zu liefern, nennt der erstinstanzliche Richter nicht.
Im übrigen hebt der erstinstanzliche Richter selbst hervor, dass die La Suisse am Abschluss des Dienstvertrages von 1964 teilgenommen hatte, und dass ohne ihre Mitwirkung der Beschwerdeführer nicht Generalagent-Stellvertreter geworden wäre. Er gibt aber, wie die beiden Parteien ihrerseits, ausdrücklich zu, dass dieser Dienstvertrag zwischen Fischli und Stauffacher zustande kam. Die beiden nachstehenden, vom Zivilgerichtspräsidenten
BGE 100 Ia 119 S. 126
als massgebend betrachteten Umstände lassen ebensowenig den Schluss zu, dass dieser Vertrag im Verlaufe von Fischlis Anstellung zu bestehen aufgehört hat:
Zum ersten ist nach Ansicht des Zivilgerichtspräsidenten der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der Beschwerdeführer Lohn-, Provisions- und Spesenfragen mit der Generaldirektion besprechen musste. Diese Ansicht ist irrtümlich, denn Stauffacher hat in seiner Beschwerdeantwort selbst anerkannt, dass in Übereinstimmung mit den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden allgemeinen Anstellungsbedingungen die Provisionsgebühren durch den Generalagenten in Abzug gebracht werden, aber dass "diese ohne Zweifel zu Lasten der Versicherungsgesellschaften gehen". Der erstinstanzliche Richter beschreibt mit seinen Ausführungen nichts anderes als gerade den rechtlichen Zustand, der im Moment des Vertragsabschlusses herrschte. Es ist sachlich nicht vertretbar, daraus den Rechtsübergang betreffende Schlüsse zu ziehen, wie sie jener Richter gezogen hat.
Zum zweiten, so meint der Einzelrichter, liege im Verhalten des Beschwerdeführers ein Beweis dafür, dass er sich selbst als Angestellter der La Suisse betrachtete, habe Fischli ihr gegenüber doch am 2. September 1971 erklärt, er werde ohne Erhöhung der Spesenentschädigung nicht mehr für sie arbeiten, und am 13. September den Wunsch geäussert, sich vor seinem endgültigen Entscheid mit dem Generaldirektor besprechen zu können, und es habe ausserdem die La Suisse die Kündigung anzunehmen erklärt. Daraus schloss der erstinstanzliche Richter, dass Fischli und die La Suisse sich als Vertragsparteien betrachteten. Es ist jedoch unhaltbar, aus diesem Briefwechsel zu folgern, dass Stauffacher seinerseits nicht mehr durch den Vertrag gebunden war, den er mit Fischli geschlossen hatte.
Es ist ausserdem festzuhalten, dass Fischli der La Suisse gegenüber nie die Absicht bekundet hatte, den Vertrag mit ihr zu kündigen; er hat nur geschrieben, dass er, falls seinen Forderungen nicht entsprochen würde, nicht mehr für die La Suisse. tätig zu sein gedenke, oder er ihre Dienste verlassen würde. Diese Ausdrucksweise ist mit der Existenz eines Dienstvertragsverhältnisses zwischen Fischli und Stauffacher ebenso vereinbar wie mit dem Bestehen eines Vertrages zwischen Fischli und der La Suisse. Indem Fischli die Tätigkeit eines Generalagenten-Stellvertreter der La Suisse ausübte, war er für diese tätig, selbst
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wenn der Dienstvertrag mit Stauffacher abgeschlossen war. Fischli hat gegenüber der La Suisse nie von Entlassung oder Kündigung gesprochen. Dies hat einzig die La Suisse ihm gegenüber getan.
Der Entscheid des Zivilgerichtspräsidenten ist aber vor allem deswegen als willkürlich zu qualifizieren, weil er sich lediglich auf den Briefwechsel zwischen Fischli und der La Suisse stützt, die sich aus Stauffachers Korrespondenz zwingend ergebenden Konsequenzen jedoch unbeachtet lässt. Zwar wird in der Verfügung ein Schreiben Stauffachers an die Generaldirektion vom 21. Oktober 1971 zitiert, worin dieser schrieb:
"Herr Fischli hat sich mir gegenüber geäussert, dass er meinetwegen bereit sei, von einer Kündigung des Dienstvertrages mit der GA Glarus, abzusehen, obwohl er der Direktion gegenüber eine Kündigungsabsicht bekannt gab. Dies würde dann bedeuten, dass er - zu meiner Freude - unter den geltenden Bedingungen Mitarbeiter bleibe."
Die Tatsache, dass dieser Brief, von dem der erstinstanzliche Richter erst nach der Verhandlung Kenntnis erhielt, nicht in den Prozessakten figuriert, hat diesen nicht davon abgehalten, daraus zu schliessen, dass Stauffacher sich nicht als Adressat einer Kündigung durch Fischli betrachtete und nicht der Meinung war, diese hätte ihm gegenüber erfolgen müssen. Doch erklärt der Einzelrichter nirgends, wie er zu dieser Folgerung gelangte. Bei emer kritischen Würdigung des Textes muss man zur gegenteiligen Annahme gelangen, dass sich Stauffacher nämlich an den Dienstvertrag gebunden fühlte, sonst hätte er der Generaldirektion nicht mitgeteilt, dass Fischli sich bereit erklärt hatte, auf eine Kündigung des zwischen ihm und der Generalagentur bestehenden Vertrages zu verzichten, und dass er, Stauffacher, bereit wäre, ihn als Mitarbeiter zu behalten.
Der Zivilgerichtspräsident verweist noch auf zwei weitere Briefe Stauffachers: während derjenige vom 17. Dezember 1971, mit dem der Beschwerdegegner "die Beendigung des Dienstverhältnisses auf den 31. Dezember 1971 bestätigte", keine eindeutigen Schlüsse zulässt, geht aus jenem vom 28. Dezember 1971 unmissverständlich hervor, dass Stauffacher sich nach wie vor an den Vertrag mit Fischli gebunden fühlte. Indem der erstinstanzliche Richter dieses Schreiben als "offensichtlich von Lausanne inspiriert" abtut und erklärt, dass der Beschwerdegegner den Vertrag nur gekündigt hätte, weil die La
BGE 100 Ia 119 S. 128
Suisse ihn gekündigt und sie den "wirklichen Kündigungswillen" kundgegeben hätte, unterschätzt er dessen Bedeutung. Seine Überlegungen sind zudem widersprüchlich. War der Brief offensichtlich von Lausanne inspiriert, so muss man umso eher annehmen, dass "Lausanne", d.h. die Generaldirektion, der Ansicht war, dass Fischli Stauffachers Angestellter war. Ein weiterer Widerspruch ist darin zu erblicken, dass der Zivilgerichtspräsident in seiner Antwort zur Nichtigkeitsbeschwerde diesen Brief Stauffachers nun damit zu rechtfertigen sucht, dass Stauffacher auf den Brief von Fischlis Anwalt eben als Laie und wie ein Laie reagiert habe.
Das Resultat, zu dem der erstinstanzliche Richter gelangt, ist folglich nicht vertretbar. Er berücksichtigt zwar Fischlis Verhalten, lässt aber dasjenige Stauffachers ausser Betracht; er entschuldigt Stauffachers Äusserungen mit seiner Laienhaftigkeit, verkennt jedoch, dass Fischli, Versicherungsangestellter, ebenso Laie ist wie Stauffacher, alt Regierungsrat und Generalagent.
In Anbetracht der Tatsache, dass Fischli gegenüber der La Suisse nie ausdrücklich die Kündigung eines ihn mit ihr verbindenden Dienstvertrages ausgesprochen hat, Stauffacher hingegen den ihn mit Fischli verbindenden Vertrag kündigte, ist es willkürlich, Stauffachers Passivlegitimation zu verneinen.
Stauffacher selbst hat übrigens - was von Fischlis Anwalt im gegenwärtigen Verfahren allerdings nicht geltend gemacht wird - vor dem Zivilgerichtspräsident Beweise dafür geliefert, dass er Fischlis Arbeitgeber geblieben war, indem er auf einen Entscheid der kantonalen AHV-Ausgleichskasse vom 9. November 1972 verwies, bei dem es um ausstehende Beiträge ging, die das "Treuhandbüro D. Stauffacher" für Provisionsleistungen an Fischli, welcher bei der Kasse als Stauffachers Arbeitnehmer angemeldet war, schuldete.
5.
Der Beschwerdeführer wirft dem erstinstanzlichen Richter ferner vor, dass dieser willkürlich eine Kündigung seinerseits gegenüber der La Suisse angenommen habe, während er eine solche doch nie verfasst habe.
Dieser Vorwurf ist unbegründet, denn jener hat in seiner Verfügung vom 11./22. August 1972 keineswegs behauptet, Fischli habe gegenüber der La Suisse gekündigt. Er hat bloss festgestellt, dass Fischli mit einer Kündigung gedroht hat, und dass die La Suisse die angedrohte Kündigung als erfolgt entgegengenommen
BGE 100 Ia 119 S. 129
hat. Erst in der Antwort auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist der Zivilgerichtspräsident davon ausgegangen, dass Fischli den Vertrag gekündigt hat; diese Antwort kann jedoch nicht Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde sein.
6.
Der Beschwerdeführer wirft ausserdem die Frage auf, ob das Obergericht in Anwendung des
Art. 343 Abs. 4 OR
nicht von Amtes wegen den Sachverhalt hätte feststellen und die Beweise nach freiem Ermessen würdigen müssen; er stellt also die Beschränkung der Kognition in Frage.
Die diesbezüglichen Zweifel des Beschwerdeführers sind unbegründet.
Art. 343 Abs. 4 OR
hat teilweise Art. 29 FabrikG und analoge Bestimmungen der Bundesgesetzgebung (HAG Art. 19, LandwG Art. 97) ersetzt. Für die in Anwendung von Art. 29 FabrikG ergangenen Urteile musste gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kein kantonales Rechtsmittel vorgesehen sein (
BGE 62 II 231
). Besteht ein solches trotzdem, so brauchte es kein ordentliches zu sein, d.h. es ist nicht nötig, dass die Rechtsmittelinstanz in freier Kognition erkennt. Die glarnerische Gesetzgebung bestimmt ausdrücklich, dass Entscheidungen des Zivilgerichtspräsidenten in Dienstvertragsstreitigkeiten, deren Streitwert Fr. 5000.-- nicht übersteigt, der Berufung nicht unterliegen (Art. 26 EG OR in der Fassung vom 7. Mai 1972). Dagegen kann einzig die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss
Art. 336 ZPO
erhoben werden. Die Bestimmung, wonach bei solchen Streitigkeiten den Parteien weder Gebühren noch Auslagen des Gerichts auferlegt werden dürfen (neuer
Art. 343 Abs. 3 OR
) gilt jedoch für alle Instanzen (
BGE 62 II 231
, 98 Ia 567). Obwohl diesbezüglich in der Beschwerde keine Rüge erhoben wird, ist festzustellen, dass das Obergericht Fischli zu Unrecht die Kosten des Kassationsverfahrens auferlegt hat.
Dagegen hatte der Zivilgerichtspräsident aufgrund von Art. 343 Abs. 4 neue Fassung OR, welchem Art. 29 EG OR entspricht, den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen. Es lässt sich aber anhand des vorliegenden Dossiers nicht mit Sicherheit erkennen, auf welche Akten sich der erstinstanzliche Richter bei seiner Urteilsfällung stützte; gewisse Unterlagen hatte der Beschwerdeführer verspätet, d.h. erst vor dem Obergericht, vorgebracht. So ist insbesondere nicht ersichtlich, ob den Dienstvertrag auch die allgemeinen Anstellungsbedingungen der Versicherungsgesellschaften begleiteten. Hätten diese
BGE 100 Ia 119 S. 130
gefehlt, so wäre der Zivilgerichtspräsident verpflichtet gewesen, deren Beibringung zu verlangen, da es sich dabei um eine Ergänzung des Vertrages vom 1. Oktober 1964 handelt, auf die dieser ausdrücklich verweist.
Art. 20 der allgemeinen Anstellungsbedingungen schreibt jedoch für jede Vertragsänderung Schriftlichkeit vor. Diese, vom Beschwerdeführer zwar nicht geltend gemachte Bestimmung lässt die These der Umwandlung des Vertrages, wonach Stauffacher stillschweigend von seinen Pflichten befreit worden und die La Suisse an seine Stelle getreten wäre, noch fragwürdiger erscheinen.
Aus diesen Erwägungen folgt, dass der erstinstanzliche Richter die Beweise willkürlich gewürdigt hat. Er trägt gewissen Aktenstücken, welche ihm für die Annahme eines Vertrages zwischen Fischli und der La Suisse zwingend scheinen, Rechnung, unterlässt es jedoch, alle jene Elemente zu berücksichtigen, die gegen eine Vertragsänderung im Sinne einer Änderung der Parteien und somit gegen eine Befreiung Stauffachers von den vertraglichen Rechten und Pflichten sprechen. Der erstinstanzliche Entscheid verstösst daher gegen
Art. 4 BV
(vgl.
BGE 83 I 9
).
Mit der Aufhebung der Verfügung des Zivilgerichtspräsidenten fällt auch das auf diesem beruhende Urteil des Obergerichts dahin. Somit erübrigt sich die auf Willkür beschränkte Prüfung der gegen dieses Urteil gerichteten Rügen, insbesondere der Frage, ob das Obergericht seinerseits im Urteil des Zivilgerichtspräsidenten einen Nichtigkeitsgrund im Sinne des
Art. 336 Ziff. 1, 3 und 4 ZPO
hätte erblicken müssen. Durch die Aufhebung der beiden Entscheide ist der verfassungsmässige Zustand wieder hergestellt.
7.
Die Kostenbefreiung gemäss
Art. 343 Abs. 3 OR
schliesst die Auferlegung einer Parteientschädigung nicht aus (
BGE 98 Ia 568
). Der Beschwerdegegner ist daher verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine - der Natur der Streitsache entsprechende - Parteientschädigung zu bezahlen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Präsidenten des Zivilgerichts des Kantons Glarus vom 11./22. August 1972 sowie das Urteil des Obergerichts des Kantons Glarus vom 22. Dezember 1972 aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
fcfd7a44-0895-4730-87aa-671ee50b326e | Urteilskopf
85 III 68
17. Entscheid vom 4. September 1959 i.S. Gebert & Co. | Regeste
Pfändungs- und Verwertungsbegehren können nicht unter einer Bedingung gestellt oder zurückgezogen werden.
Wirkung eines bedingten Rückzugs. | Sachverhalt
ab Seite 68
BGE 85 III 68 S. 68
In der Betreibung Nr. 33155 der Firma Gebert & Co. gegen Fritz Müller stellte die Gläubigerin am 14. Mai 1959
BGE 85 III 68 S. 69
das Fortsetzungsbegehren. Nachdem das Betreibungsamt Luzern dem Schuldner die Pfändung angekündigt und einen vergeblichen Versuch gemacht hatte, diese zu vollziehen, schrieb ihm die Gläubigerin am 1. Juni 1959:
"Das Fortsetzungsbegehren ... wird hiermit einstweilen zurückgezogen, sofern sich der Schuldner über eine Teilzahlung von Fr. 50. - ausweist. Ihre Kosten zu Lasten des Schuldners."
Am folgenden Tage sandte das Betreibungsamt der Gläubigerin eine "Rückzugs-Bestätigung", die besagte, das Fortsetzungsbegehren werde als zurückgezogen vorgemerkt. Gleichzeitig bezog es von der Gläubigerin durch Nachnahme die Kosten der Pfändungsankündigung und des versuchten Pfändungsvollzugs im Betrage von Fr. 9.-. Es betrachtete die in der Rückzugserklärung enthaltene Bedingung als unbeachtlich.
Hierauf führte die Gläubigerin Beschwerde mit dem Antrag, "das Betreibungsamt habe einen an folgende Bedingungen geknüpften Rückzug des Pfändungsbegehrens anzunehmen und ordnungsgemäss zu behandeln: a) Leistung einer Teilzahlung, b) Übernahme der aufgelaufenen Pfändungskosten durch den Betriebenen." Sie machte geltend, die Auffassung des Betreibungsamtes, dass ein solcher Rückzug unzulässig sei, verstosse gegen die "elementarsten Gläubigerrechte" und widerspreche der Praxis "führender Betreibungsämter"; die im ganzen Kanton Zürich befolgte Anweisung des zürcherischen Obergerichtes zum SchKG vom 11. Februar 1952 bestimme in Ziff. 104 Abs. 3, einstweilige Rückzüge von Fortsetzungs- und Verwertungsbegehren, "die an die Bedingung einer vom Gläubiger bestimmten Zahlung an das Betreibungsamt geknüpft sind", seien zulässig.
Die untere und die kantonale Aufsichtsbehörde haben die Beschwerde abgewiesen.
Mit dem vorliegenden Rekurs gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 15. Juli 1959 erneuert die Gläubigerin ihren Beschwerdeantrag.
BGE 85 III 68 S. 70
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Das Betreibungsamt hat zwar jederzeit Zahlungen für Rechnung des betreibenden Gläubigers entgegenzunehmen (
Art. 12 SchKG
), ist aber keineswegs verpflichtet, zur Einbringung der in Betreibung gesetzten Forderung alle Vorkehren zu treffen, die der Gläubiger für dazu geeignet hält, sondern hat zu diesem Zwecke nur die im Gesetz vorgesehenen Massnahmen durchzuführen, die der Gläubiger in gehöriger Form beantragt. Der Inhalt der Begehren, mit denen der Gläubiger die Einleitung und die Weiterführung der Betreibung erwirken kann, ist im wesentlichen durch das Gesetz festgelegt. Der Gläubiger hat diese Begehren in bestimmter, unbedingter Form zu stellen. Vom Eintritt oder Nichteintritt eines künftigen Ereignisses darf die Durchführung der verlangten Massnahmen schon deshalb nicht abhängig gemacht werden, weil die in Frage stehenden Begehren nach Gesetz innert bestimmter, von ihrem Eingang an laufender Frist zu vollziehen sind (Art. 71 Abs. 1,
Art. 89, 122 und 133 SchKG
). Dazu kommt, dass es nicht zu den gesetzlichen Obliegenheiten des Betreibungsamtes gehört, den Eintritt oder Ausfall einer vom Gläubiger gesetzten Bedingung festzustellen. Vollends ist dem Betreibungsamt nicht zuzumuten, Massnahmen zu ergreifen, um die Entscheidung einer solchen Bedingung herbeizuführen.
Aus diesen Gründen ist ein Pfändungs- oder Verwertungsbegehren, das an die Bedingung geknüpft ist, dass der Schuldner eine vom Gläubiger verlangte Teilzahlung nicht leiste, als unzulässig zurückzuweisen, und zwar gilt dies sowohl dann, wenn der Gläubiger für diese Zahlung eine Frist festgesetzt hat, als auch dann, wenn er dies nicht getan hat. Es geht schon wegen der nach Gesetz für die Vollziehung geltenden Fristen nicht an, ein Pfändungs- oder Verwertungsbegehren zwar als gestellt zu betrachten, aber einstweilen doch nicht als solches zu
BGE 85 III 68 S. 71
behandeln. Die Zulassung von Begehren, mit denen die Pfändung oder Verwertung nur unter der Bedingung der Nichtleistung einer bestimmten Teilzahlung verlangt wird, hätte im Falle der Befristung dieser Zahlung durch den Gläubiger ausserdem zur Folge, dass das Betreibungsamt eine zusätzliche Fristenkontrolle führen müsste, wodurch seine ohnehin nicht leichte Aufgabe in ungehöriger Weise erschwert würde. Anderseits wäre bei fehlender Befristung völlig ungewiss, wie lange mit dem Vollzug der Pfändung oder Verwertung zuzuwarten sei. Ein solcher Schwebezustand ist mit einem geordneten Betreibungsverfahren nicht vereinbar. Beim Schuldner einen Inkassoversuch zu machen, um diesen Zustand zu beenden, ist dem Betreibungsamt um so weniger zuzumuten, als dem Gesetz nicht entnommen werden kann, was zu einem solchen Versuch gehören würde und unter welchen Voraussetzungen er als endgültig gescheitert zu betrachten wäre. Pfändungs- und Verwertungsbegehren, die nur für den Fall der Nichtleistung einer Teilzahlung gestellt werden, sind daher vom Betreibungsamt in keinem Falle entgegenzunehmen. An der Zulassung solcher Begehren besteht im übrigen auf Seiten des Gläubigers auch gar kein schutzwürdiges Interesse. Ein Gläubiger, der den Schuldner durch die Androhung der Pfändung oder Verwertung zu einer von ihm festgesetzten Teilzahlung bestimmen will, kann sein Ziel ohne Mitwirkung des Betreibungsamtes erreichen, indem er den Schuldner zur Leistung der von ihm gewünschten Zahlung auffordert und ihm mitteilt, dass er im Falle des Ausbleibens dieser Zahlung die Pfändung oder Verwertung verlangen werde.
Ist aus diesen Gründen ein bedingtes Pfändungs- oder Verwertungsbegehren unzulässig, so kann aber auch ein bedingter Rückzug eines solchen Begehrens nicht statthaft sein (vgl.
BGE 41 III 429
ff., wo erklärt wurde, dass ein Verwertungsbegehren nicht bedingt zurückgezogen werden könne, und Ziff. 4 der Erläuterungen auf den obligatorischen Formularen Nr. 4 und 27 für das Pfändungs- bezw.
BGE 85 III 68 S. 72
Verwertungsbegehren). Indem der Gläubiger sein Begehren unter einer Bedingung zurückzieht, verwandelt er nachträglich das betreffende Begehren selber in ein bedingtes. Zieht er das Pfändungs- oder Verwertungsbegehren unter der Bedingung zurück, dass der Schuldner eine bestimmte Teilzahlung leistet, so heisst dies nichts anderes, als dass er das Pfändungs- oder Verwertungsbegehren nur für den Fall aufrecht erhält, dass diese Zahlung ausbleibt. Ein solches Begehren ist aber nach dem Gesagten unwirksam. Der bedingte Rückzug des Pfändungs- oder Verwertungsbegehrens hat daher die gleichen Folgen wie ein unbedingter Rückzug. Ob der Rückzug bedingt oder unbedingt erklärt worden sei, bedarf es für die Weiterführung der Betreibung eines neuen Begehrens. Nachdem die Rekurrentin das Pfändungsbegehren gestellt hatte, hätte sie ihr Ziel, statt der sofortigen Pfändung womöglich eine Teilzahlung zu erwirken, der Betreibung aber beim Ausbleiben dieser Zahlung den Lauf zu lassen, nur in der Weise erreichen können, dass sie dem Schuldner für den Fall der Leistung dieser Zahlung den Rückzug des Pfändungsbegehrens in Aussicht gestellt, diesen aber erst nach Eingang der Zahlung erklärt hätte. Es ist allerdings möglich, dass ihr zu einem solchen Vorgehen angesichts der unmittelbar bevorstehenden Pfändung die Zeit nicht mehr gereicht hätte. Dies könnte aber eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass die beim Betreibungsamt zu stellenden Begehren und deren Rückzug bedingungsfeindlich sind, nicht rechtfertigen. Wer vom Schuldner durch Androhung der Pfändung oder Verwertung eine Teilzahlung erwirken will, soll an den Schuldner herantreten, bevor er das Pfändungs- oder Verwertungsbegehren stellt.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
fcfeb1f7-ffb3-4062-b6fe-419c0109dd95 | Urteilskopf
84 I 107
16. Urteil vom 26. Februar 1958 i.S. Ege gegen Stadtrat von Schaffhausen und Regierungsrat des Kantons Schaffhausen. | Regeste
1.
Art. 31 Abs. 2 BV
. Kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben. Grundsatz der Verhältnismässigkeit der polizeilichen Eingriffe und der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen. Kann der Betrieb von Warenautomaten den Ladenschlussbestimmungen unterstellt werden? (Erw. 2).
2.
Art. 90 Abs. 1 lit. a OG
. Das Bundesgericht kann die kantonalen Behörden anweisen, eine zu Unrecht verweigerte Polizeierlaubnis zu erteilen (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 107
BGE 84 I 107 S. 107
A.-
Nach Art. 52 Abs. 1 des schaffhausischen Gesetzes betreffend den Warenhandel sowie das Markt- und Hausierwesen (WHG) vom 20. November 1933 dürfen automatische Warenausteiler auf allgemein zugänglichen privaten oder öffentlichen Plätzen sowie an öffentlichen Strassen nur mit Bewilligung der Ortsbehörde aufgestellt oder ausgehängt werden. Der Betrieb der Automaten untersteht gemäss
Art. 54 WHG
den Bestimmungen des Gesetzes betreffend die öffentlichen Ruhetage und den Ladenschluss (Ruhetagsgesetz) vom 28. Januar 1920. Nach Art. 11 dieses
BGE 84 I 107 S. 108
Gesetzes sind die Verkaufslokale, Kioske und Magazine aller Art an den Ruhetagen geschlossen zu halten; es dürfen keine Waren abgegeben oder den Kunden ins Haus geliefert werden. Art. 18 setzt den Ladenschluss an Werktagen auf 19 Uhr fest.
B.-
Die Veromat AG in Zürich, die sich mit dem Vertrieb von Warenverkaufsautomaten befasst, beantragte dem Stadtrat von Schaffhausen, ihrem Kunden Eugen Ege in Schaffhausen den Betrieb eines Warenautomaten zu bewilligen. Der Stadtrat erkannte am 9. Oktober 1957 sinngemäss, das Gesuch habe als abgewiesen zu gelten, sofern sich der Gesuchsteller nicht an Art. 11. und 18 des Ruhetagsgesetzes zu halten gedenke.
Eine Beschwerde, die Ege dagegen erhob, hat der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen am 17. Dezember 1957 abgewiesen. Er hat dazu ausgeführt,
Art. 52 WHG
stelle die Erteilung der Bewilligung nicht ins Belieben der Behörde, sondern gestatte dieser lediglich, zu prüfen, ob der Ausübung der an sich erlaubten Tätigkeit keine polizeilichen Gründe entgegenstünden. Im vorliegenden Fall habe der Stadtrat den Betrieb des Warenautomaten einzig in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt, indem er den Gesuchsteller verpflichtet habe, sich an die Ladenschlussvorschriften zu halten. Die betreffenden Bestimmungen des Ruhetagsgesetzes dienten in erster Linie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Dieser Schutz lasse sich nur verwirklichen, wenn der in seiner Berufsausübung eingeschränkte Geschäftsmann vor ungerechtfertigter Konkurrenz geschützt werde. Wie das Bundesgericht erkannt habe, erfordere der durch
Art. 31 BV
gewährrleistete Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gewerbegenossen, dass die Ladenschlussbestimmungen nicht nur auf Geschäfte mit Hilfspersonal angewendet würden, sondern auch auf solche, die vom Geschäftsinhaber und seiner Familie betrieben werden. Aus den selben Gründen müssten auch die Automaten der Ruhetagsregelung unterstellt werden. Entgegen der Auffassung des Rekurrenten lasse sich der Betrieb
BGE 84 I 107 S. 109
eines Automaten nicht mit dem einer besonderen Ordnung unterstehenden Wirtschaftsgewerbe vergleichen. Bei diesem stehe die Bewirtung im Vordergrund; der Verkauf von Rauchwaren und dergleichen gehe lediglich nebenher. Würden Waren der nämlichen Art ausserhalb der Wirtschaften gehandelt, so falle diese Tätigkeit nicht unter die einzig im Hinblick auf die Bewirtung erlassenen Geschäftsschlussbestimmungen des Wirtschaftsgesetzes.
C.-
Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 31 BV
beantragt Ege, der Regierungsrat sei in Aufhebung des Rekursentscheids einzuladen, die nachgesuchte Bewilligung zum Betrieb eines Automaten ohne zeitliche Einschränkung zu erteilen. Die Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
D.-
Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Der Stadtrat von Schaffhausen hat sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 54 WHG
gelten für den Betrieb von Automaten die Bestimmungen des Ruhetagsgesetzes, das in Art. 11 und 18 die Ladenöffnungszeiten regelt. Entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers, es sei damit lediglich das Nachfüllen der Automaten nach Ladenschluss verboten worden, hat der Regierungsrat entschieden, die genannten Vorschriften schlössen auch den Verkauf durch Automaten ausserhalb der Ladenöffnungszeiten aus. Der Beschwerdeführer ficht diese Stellungnahme vor Bundesgericht nicht an. Mit Recht nicht; denn diese Auslegung entspricht dem klaren Wortlaut und dem Sinn des
Art. 54 WHG
, der den "Betrieb" von Automaten und nicht bloss deren Bedienung den Bestimmungen des Ruhetagsgesetzes unterstellt.
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wird nur noch geltend gemacht, wenn
Art. 54 WHG
diese Bedeutung habe, so verletze er selbst
Art. 31 BV
. Das ist vom Staatsgerichtshof
BGE 84 I 107 S. 110
frei zu prüfen; geht es doch nicht mehr um die Auslegung kantonalen Rechts, sondern um die Frage, ob dieses, so wie es ohne Willkür ausgelegt und angewendet werden kann, gegen die Bundesverfassung verstosse. Freilich kann
Art. 54 WHG
selbst nicht mehr mit der staatsrechtlichen Beschwerde angefochten werden, weil die Frist dazu längst abgelaufen ist; wohl aber kann seine Verfassungswidrigkeit noch im Anschluss an jeden einzelnen Anwendungsfall gerügt und verlangt werden, dass die ihn anwendende Entscheidung deswegen aufgehoben werde (
BGE 84 I 21
Erw. 2 und dort angeführte Urteile).
2.
Art. 31 BV
, der die Handels- und Gewerbefreiheit gewährleistet, behält in Abs. 2 kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben sowie deren Besteuerung vor; diese dürfen jedoch ihrerseits den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen. Gleich wie lit. e des früheren
Art. 31 BV
gestattet dieser Verfassungssatz den Kantonen, gewerbepolizeiliche Massnahmen zu ergreifen, d.h. die Ausübung von Handel und Gewerben aus polizeilichen Gründen, zum Schutze der öffentlichen Ordnung, Ruhe, Sicherheit, Gesundheit und Sittlichkeit sowie von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr einzuschränken. Diese Einschränkungen dürfen aber nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um den Zweck zu erreichen, durch den sie gedeckt sind. Überschreiten sie diese Grenze, so verstossen sie gegen
Art. 31 BV
(
BGE 73 I 99
/100 und dort angeführte Urteile).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Vorschriften über den abendlichen Ladenschluss und über Ruhetage mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar. Es handelt sich um eine polizeiliche Massnahme, welche die öffentliche Ordnung schützt und dem Ladenpersonal eine angemessene Freizeit verschafft, also der öffentlichen Gesundheit dient (
BGE 70 I 3
,
BGE 73 I 99
und dort angeführte Urteile). Soweit sich Art. 11 und 18 des schaffhausischen Ruhetagsgesetzes auf das Offenhalten von Ladengeschäften und die Belieferung von Kunden
BGE 84 I 107 S. 111
beziehen, steht denn auch ihre Verfassungsmässigkeit nicht in Frage. Unbestrittenermassen hält ferner das sich schon aus diesen Bestimmungen ergebende Verbot, Automaten ausserhalb der Ladenöffnungszeiten nachzufüllen (und zu unterhalten), vor
Art. 31 BV
stand.
Zu prüfen ist dagegen, ob es diesem Verfassungssatz entspreche, wenn
Art. 54 WHG
auch den eigentlichen Betrieb der Warenautomaten der Ladenschlussregelung unterstellt. Von den genannten, durch Art. 11 und 18 des Ruhetagsgesetzes erfassten Ausnahmen abgesehen, bedürfen Automaten keiner Wartung; ihr Betrieb ist insofern unabhängig vom Arbeitseinsatz des Halters und seiner Angestellten. Wird die Betriebsdauer eingeschränkt, so lässt sich damit für niemanden eine Verkürzung der Arbeitszeit erreichen. Art. 54 W.HG gewährt daher an und für sich der öffentlichen Gesundheit keinen Schutz. Nach Auffassung der kantonalen Instanzen dient er indes in Verbindung mit den Bestimmungen des Ruhetagsgesetzes doch mittelbar diesem Zwecke. Dass sich die Einhaltung der Ladenschlussvorschriften dieses Gesetzes nur dann erzwingen oder wirksam überwachen lasse (
BGE 49 I 231
,
BGE 70 I 4
), wenn auch die Automaten lediglich während der Ladenöffnungszeiten in Betrieb stehen, behauptet der Regierungsrat allerdings nicht. Seiner Ansicht nach geht es vielmehr darum, die Kaufleute, die sich an die Ladenschlussvorschriften zu halten haben, vor "ungerechtfertigter Konkurrenz" seitens der Halter von Automaten zu schützen und so den Gewerbegenossen die Gleichberechtigung zu gewährleisten.
In dem vom Regierungsrat in diesem Zusammenhang angerufenen Urteil
BGE 73 I 99
ff. wurde die Frage, ob allen Ladeninhabern einer Gemeinde vorgeschrieben werden dürfe, am selben Wochennachmittag zu schliessen, um dem Personal einen freien Halbtag zu verschaffen, mit der Begründung bejaht, viele kleine Geschäfte könnten ihren Angestellten nicht frei geben, ohne den Laden zu schliessen, während die grossen Unternehmen nicht dazu gezwungen
BGE 84 I 107 S. 112
seien; eine Benachteiligung der kleinen Betriebe lasse sich einzig vermeiden, wenn sämtliche Geschäfte am gleichen Nachmittag schliessen müssten; der angestrebte Schutz des Ladenpersonals lasse sich deshalb nicht ohne diese Massnahme verwirklichen. Diesem Entscheid liegt die Erwägung zugrunde, die schon rein tatsächlich bestehende Ungleichheit der Konkurrenzbedingungen von Gross- und Kleinbetrieben dürfe nicht durch polizeiliche Anordnungen noch verschärft werden; um eine derartige Störung des Wettbewerbs zu vermeiden. müsse der Staat unter Umständen tiefer in die freie Gewerbetätigkeit eingreifen, als dies an sich zur Erreichung des unmittelbar angestrebten Zwecks erforderlich wäre.
Ob diese Weiterentwicklung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit der polizeilichen Eingriffe den dagegen erhobenen Einwendungen (ZbJV 85 S. 54) standhalte, kann offen bleiben, da sich die in
BGE 73 I 99
ff. beantworteten Fragen hier nicht stellen. Während es dem Inhaber eines kleinen Ladengeschäfts nicht ohne weiteres möglich ist, zusätzliches Personal einzustellen, um die Angestellten zu ersetzen, denen der staatlich vorgeschriebene freie Halbtag gewährt werden muss (
BGE 73 I 100
), steht die Übernahme eines Automaten in den hiefür in Betracht fallenden Geschäftszweigen (Lebensmittel-, Kurzwaren-, Rauchwaren, Ansichtskartenhandel usw.) praktisch jedem Unternehmer und vor allem auch den Inhabern kleiner Ladengeschäfte offen; wird die Ladenöffnungszeit kürzer angesetzt als die Betriebsdauer der Automaten, so wirkt sich das mithin, zum mindesten virtuell, auf alle in gleicher Weise aus. Im Gegensatz zu dem in
BGE 73 I 99
ff. beurteilten Falle braucht hier demgemäss nicht dafür gesorgt zu werden, dass eine gewerbepolizeiliche Einschränkung nicht einen Teil der Gewerbegenossen infolge besonderer wirtschaftlicher Voraussetzungen in einseitiger Weise benachteilige. Die Berufung auf das angeführte Urteil und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen geht daher fehl.
BGE 84 I 107 S. 113
Die Anwendung der Ladenschlussvorschriften auf den Betrieb von Automaten liesse sich demnach höchstens aus Gründen der öffentlichen Ruhe und Ordnung in Erwägung ziehen. Dass die Nachtruhe durch den Betrieb eines Automaten beeinträchtigt werden könnte, ist nicht anzunehmen. Denkbar ist hingegen, dass ein Verkauf durch Automaten an Sonntagen und hohen kirchlichen Feiertagen, namentlich zur Zeit des Gottesdienstes und in der Nähe von Kirchen, als Störung der Sonntags- und Feiertagsruhe empfunden werden könnte (vgl.
BGE 50 I 176
/177,
BGE 54 I 369
; SALIS, Bundesrecht, 2. Aufl., Nr. 776 II, 984, 1010-1015). Ob dies zutreffe, hängt weitgehend von den örtlichen Gepflogenheiten ab. Die kantonalen Instanzen haben in dieser Hinsicht jedoch nichts vorgebracht, was die getroffene Regelung zu stützen vermöchte.
Die in
Art. 54 WHG
angeordnete Ausdehnung der Ladenschlussvorschriften auf den Betrieb von Automaten wird somit auch in Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen nicht durch polizeiliche Gründe gerechtfertigt. Sie beeinträchtigt daher die in
Art. 31 BV
gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit.
3.
Da der angefochtene Entscheid in Anwendung einer verfassungswidrigen Bestimmung ergangen ist, verstösst er selbst gegen die Verfassung; er ist deshalb aufzuheben. Darin erschöpft sich indes der Schutz der Beschwerde nicht. Gemäss ständiger Rechtsprechung kann vielmehr das Bundesgericht die kantonale Behörde anweisen, eine zu Unrecht verweigerte Polizeierlaubnis zu erteilen (
BGE 82 I 111
Erw. 6). Das rechtfertigt sich auch hier. Wie der Regierungsrat festgestellt hat, hat der Bürger ein Recht auf die Bewilligung des Betriebs eines Automaten, wenn der Ausübung dieser Tätigkeit kein polizeiliches Hindernis im Wege steht. Die kantonalen Instanzen haben in bau- und strassenpolizeilicher Beziehung nichts gegen die Erstellung des Automaten eingewendet; sie haben die Auswahl der feilgebotenen Waren nicht beanstandet. Der Betrieb des Automaten ist denn auch grundsätzlich erlaubt
BGE 84 I 107 S. 114
und nur in zeitlicher Hinsicht Einschränkungen unterworfen worden. Wie dargelegt, hält diese Auflage (soweit sie nicht nur die Bedienung der Automaten betrifft) vor der Verfassung nicht stand. Die kantonalen Behörden sind daher anzuweisen, die nachgesuchte Bewilligung ohne die angefochtene Einschränkung zu erteilen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Schaffhausen vom 17. Dezember 1957 wird aufgehoben, und der Regierungsrat wird angewiesen, die nachgesuchte Bewilligung im Sinne der Erwägungen zu erteilen. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
fd01d69c-83cd-4857-8488-c5cc16f59f65 | Urteilskopf
98 IV 113
21. Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1972 i.S. Byland gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich. | Regeste
Art. 14 Abs. 1 VRV
.
1. Der Vortrittsbelastete darf, wenn er an einer Kreuzung oder Strasseneinmündung warten muss, bis zur seitlichen Randlinie der dem korrekt fahrenden Vortrittsberechtigten zustehenden Fahrbahn heranfahren (Erw. 1 b).
2. Festlegung der Randlinie bei Kreuzungen und Einmündungen von Strassen gleichbleibender Breite ohne Trottoir (Erw. 1c), mit Trottoir (Erw. 2 b) und bei trichterförmigen Strasseneinmündungen (Erw. 1c und 2 a). | Sachverhalt
ab Seite 113
BGE 98 IV 113 S. 113
A.-
Rudolf Byland fuhr am 23. Juni 1970 mit seinem PW Renault durch den Seilergraben in Zürich stadteinwärts. Beim Predigerplatz bog er nach links ab. Als von rechts aus der Chorgasse der Volvo des Georg Hefti auftauchte, bremsten beide Fahrzeugführer voll. Dennoch kam es zur Kollision mit erheblichem Sachschaden.
B.-
Der Polizeirichter der Stadt Zürich büsste Byland wegen Nichtgewährung des Vortritts im Sinne von
Art. 36 Abs. 2 SVG
, 14 Abs. 1 VRV und 90 Ziff. 1 SVG mit Fr. 40.-.
BGE 98 IV 113 S. 114
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Zürich bestätigte die Bussenverfügung am 3. Februar 1971.
Byland erhob kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Sie wurde von der I. Strafkammer des Obergerichts am 15. Oktober 1971 abgewiesen, im wesentlichen mit folgender Begründung:
Wie der Einzelrichter aufgrund des polizeilichen Situationsplans feststelle, sei der Wagen des Beschwerdeführers unmittelbar hinter der gedachten Verlängerung des bergseitigen Trottoirrandes der Chorgasse zum Stehen gekommen. Byland sei daher in die dem vortrittsberechtigten Hefti vorbehaltene Schnittfläche der beiden Strassen, wie sie sich aus der trichterförmigen Ausweitung ergebe, eingedrungen. Eine trichterförmige Ausweitung werde durch jegliche Abrundung der Randlinien, auch durch blosse Trottoirrundung gebildet.
C.-
Byland führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil vom 15. Oktober 1971 aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen.
Das Polizeirichteramt Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshofzieht in Erwägung:
1.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer dem aus der Chorgasse kommenden Hefti gemäss
Art. 36 Abs. 2 SVG
den Vortritt lassen musste. Streitig ist dagegen die Grenzlinie, bis zu der Byland ohne Verletzung des Vortrittsrechts fahren durfte (
Art. 14 Abs. 1 VRV
). Die massgebende Verkehrslage ergibt sich aus folgender Planskizze, auf welche die Vorinstanz abgestellt hat.
Das Obergericht geht davon aus, die Schnittfläche, auf der einem aus der Chorgassse einbiegenden gegenüber einem vom Seilergraben kommenden Fahrzeug das Vortrittsrecht zustehe, weite sich am Predigerplatz trichterförmig bis zu dem Punkte aus, wo die Trottoirrundung in die gerade Kante des Trottoirs am Predigerplatz übergeht (Punkt A der Skizze). Der Beschwerdeführer bezeichnet als Grenzlinie die Verlängerung der Bordkante des Trottoirs an der Chorgasse. Zu beurteilen ist somit, ob Hefti auf der in der Skizze schraffiert dargestellten Fläche ein Vortrittsrecht zustand, das von Byland durch Einfahrt in diese Fläche verletzt worden ist.
BGE 98 IV 113 S. 115
a) Kreuzt ein Fahrzeug die Bahn eines anderen oder biegt es in sie ein, so entsteht die Gefahr eines Zusammenstosses. Durch geeignete Strassenführung, Signalisierung und die Regeln über das Vortrittsrecht soll eine möglichst klare und einfache Lage geschaffen werden, die ohne Überforderung der Strassenbenützer eine unfallfreie und dabei möglichst unbehinderte Verkehrsabwicklung erlaubt.
Soweit der Verkehr bei Verzweigungen gleichwertiger Strassen nicht durch Lichtsignale oder Verkehrspolizei geregelt wird, steht der Vortritt unter gleichwertigen Fahrzeugen dem von rechts Kommenden zu (
Art. 36 Abs. 2 SVG
). Der Vortrittsbelastete darf den Berechtigten in der Weiterfahrt nicht behindern. Er muss rechtzeitig verlangsamen und nötigenfalls anhalten (
Art. 14 Abs. 1 VRV
). Das deutsche Recht spricht darum zutreffend vom Wartepflichtigen.
b) Die Ausgestaltung des Vortrittsrechts im Einzelfall richtet sich nach dieser allgemeinen Zielsetzung. Für die Kreuzungsfläche, auf der sich das Vortrittsrecht auswirkt, ergibt sich folgendes:
Der Vortrittsberechtigte muss seine Fahrt unbehindert fortsetzen können, gleichgültig ob er geradeaus weiterfährt oder abbiegt und ob der Wartepflichtige sich noch in Fahrt befindet
BGE 98 IV 113 S. 116
oder angehalten hat. Da der Berechtigte durch Hindernisse auf der rechten Strassenseite zur Benützung der Strassenmitte gewungen sein kann und überdies bei übersichtlichen Kreuzungen ohne Verletzung des Vortrittsrechts Dritter überholen darf (
Art. 35 Abs. 4 SVG
), erstreckt sich sein Vortrittsrecht nicht nur auf die rechte Seite der vortrittsberechtigten Strasse (
BGE 91 IV 93
,
BGE 85 IV 84
,
BGE 80 IV 199
). Fährt der Berechtigte auf einer Einbahnstrasse, so ist er vor dem Abbiegen nach links nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, nach links einzuspuren, um nachfolgenden Fahrzeugen die Vorbeifahrt zum Abbiegen nach rechts zu ermöglichen.
Der Vortrittsbelastete muss dem Berechtigten die unbehinderte Weiterfahrt ermöglichen. Unter diesem Vorbehalt darf er bis hart an die Einmündung heranfahren, damit sein Fahrzeug von den übrigen Verkehrsteilnehmern gesehen wird und er selbst den Verkehr namentlich auf der vortrittsberechtigten Strasse möglichst gut überblickt; nach Durchfahrt Vortrittsberechtigter sollen der Wartepflichtige und nachfolgende Fahrzeuge ebenfalls möglichst zügig weiterfahren können. Der Wartepflichtige soll also nicht zu weit von der Einmündung entfernt anhalten.
Daraus folgt, dass die Kreuzungsfläche durch die seitlichen Randlinien der dem korrekt fahrenden Vortrittsberechtigten zustehenden Fahrbahn begrenzt wird.
c) Bei sich gradlinig schneidenden Strassen gleichbleibender Breite ohne Trottoir ergibt sich die Kreuzungsfläche von selbst.
Verlaufen die Strassenränder nicht parallel, sondern weitet sich eine Strasse bei der Verzweigung trichterförmig aus, so folgt der Verkehrsfluss dieser Strassenlinie. Hier geht die massgebende Grenzlinie durch den Punkt, an dem sich die Strasse auszuweiten beginnt und damit sichtbar in das Einmündungsgebiet übergeht (
BGE 85 IV 87
).
2.
Das angefochtene Urteil schliesst aus
BGE 85 IV 87
, die Abrundung der Trottoirecken am Unfallort bilde eine solche trichterförmige Ausweitung. Der Wortlaut der Urteilsbegründung lässt an sich eine solche Auslegung zu. Sie entspricht aber nicht dem wirklichen Sinn des Urteils.
a) Dem damals beurteilten Fall lag folgende Situation zugrunde:
BGE 98 IV 113 S. 117
Das Bundesgericht kam zum Ergebnis, die Kollisionsstelle liege noch innerhalb des Einmündungsgebietes und nicht bereits jenseits desselben auf der Strasse gegen Eschenbach. Das von Inwil kommende Fahrzeug hätte das Vortrittsrecht des von Emmen Kommenden beachten müssen.
Dieses unter der Herrschaft des MFG gefällte Urteil entspricht auch der heutigen Ordnung. Der Wartepflichtige durfte bis zur gestrichelt eingezeichneten Linie vorfahren ohne dadurch das Vortrittsrecht des von Emmen Kommenden zu verletzen. Das Vortrittsrecht erstreckte sich bis zum bezeichneten Grenzpunkt und nicht etwa nur bis zur gedachten Verlängerung des vor der Ausweitung bestehenden Randes der Inwilerstrasse. Der normale Verkehrsstrom folgte der Abrundung, das Einmündungsgebiet erstreckte sich über die ganze Länge der durch die gestrichelte Linie begrenzten Fläche. Indem der Wartepflichtige bei der Kollisionsstelle ohne Rücksicht auf das von Emmen kommende Fahrzeug in die Hauptstrasse einbog, behinderte er den Vortrittsberechtigten.
b) Anders liegen die Dinge im Bereich geradliniger Kreuzungen und Einmündungen von Strassen mit parallelen Rändern und Trottoirs, deren Ecken sozusagen immer leicht abgerundet sind, um das Abbiegen nach rechts ohne vorheriges Ausschwenken gegen die Strassenmitte zu ermöglichen. Hier breiten sich die Verkehrsströme nicht aus; sie folgen den Bordkanten und deren Verlängerungen.
Das gilt auch für den Unfallort, wo der Predigerplatz vom Seilergraben her als Strasse mit parallelen Seitenlinien verläuft und sich nach Einmündung der Chorgasse gleichmässig fortsetzt. Die Chorgasse ihrerseits verengt sich gegen die Verzweigung
BGE 98 IV 113 S. 118
hin und verläuft vor der rechtwinkligen Einmündung in den Predigerplatz, deren Ecken nur kleine Abrundungen aufweisen, ebenfalls zwischen parallelen Fahrbahnrändern. Von einer Ausweitung mit einem sich ausbreitenden Verkehrsfluss kann nicht die Rede sein.
c) Nichts spricht für eine Verpflichtung des Vortrittsbelasteten schon vor der gedachten Verlängerung der Bordkante der vortrittsberechtigten Strasse zu warten, z.B. gemäss Auffassung des Obergerichts auf der Höhe der beginnenden Trottoirrundung (von Punkt A in Skizze 1 ausgehende Linie). Fährt der Vortrittsberechtigte geradeaus oder nach rechts, so bewegt sich sein Fahrzeug ohnhin rechts der Verlängerung der linken Bordkante. Biegt er nach links ab, so hat er die Kurve weit zu nehmen (
Art. 13 Abs. 4 VRV
). Ein korrekt rechts fahrender und auf der Höhe der Trottoirkante anhaltender Vortrittsbelasteter behindert ihn dabei nicht in der freien Fahrt.
Hält der Wartepflichtige schon bei Beginn der Trottoirabrundung, so kann je nach dem Standort des Fahrers und den örtlichen Verhältnissen die Sicht auf die Hauptstrasse erheblich schlechter sein, als wenn er bis zur gedachten Verlängerung des Trottoirrandes vorfährt. Die Verkehrssicherheit wird durch zu frühes Anhalten nicht gefördert, sondern beeinträchtigt.
d) Bei unübersichtlichen Einmündungen bietet die Vortrittsregelung nach
Art. 36 Abs. 2 SVG
oftmals keinen genügenden Schutz. Der Belastete wird dann durch ein Stopsignal verpflichtet, nicht nur den Vortritt zu gewähren, sondern einen Sicherheitshalt einzulegen (
Art. 21 SSV
;
BGE 97 IV 44
/45). Für die Frage bis zu welcher Linie der Haltepflichtige vorfahren darf, gelten die gleichen Überlegungen wie für den Wartepflichtigen. Dementsprechend sieht die Verordnung über die Strassensignalisationen (Anhang 2; 4. Markierungen Nr. 413/414) vor, dass die Haltelinie als Verlängerung der strassenseitigen Trottoirkante der Hauptstrasse anzubringen ist. Der Haltepflichtige darf bis zu dieser Linie vorfahren. Auch hier wird der korrekt in weiter Linkskurve abbiegende Vortrittsberechtigte durch das anhaltende Fahrzeug nicht behindert.
Es würde den Anforderungen des Strassenverkehrs und der Logik der Verkehrsregeln widersprechen, wollte man das Vortrittsrecht gegenüber einer Stopstrasse flächenmässig enger umgrenzen als gegenüber einer bloss vortrittsbelasteten Strasse. Nichts würde es rechtfertigen, vom bloss Wartepflichtigen zu
BGE 98 IV 113 S. 119
verlangen, beim Herannahen eines Vortrittsberechtigten schon im grösseren Abstand von der Hauptstrasse anzuhalten, als dies dem Benützer einer Stopstrasse vorgeschrieben wird. Auch im deutschen Recht besteht völlige Übereinstimmung zwischen der Haltelinie und der Wartelinie, welche die normale Vortrittsfläche begrenzt, wobei diese Linie etwas abweichend vom schweizerischen Recht verläuft (HELMUT BOOSS, Komm. zur Strassenverkehrsordnung, S. 318 und 359, Zeichen 294 und 341). Zu Unrecht wendet die Vorinstanz ein, für Stopstrassen gelte deshalb eine andere Ordnung, weil dort die Haltelinie signalisiert sei. Auf Strassen ohne Hartbelag braucht die Haltelinie nicht aufgemalt zu werden (
Art. 54 Abs. 4 SSV
); das Stopsignal genügt. Auch bei Schnee und nach Belagsarbeiten kann sich der Fahrer oftmals nicht nach einer Haltelinie richten. Dennoch ist er berechtigt, nach einem Stopsignal so nahe an die Hauptstrasse heranzufahren, bis die Fahrzeugfront die Verlängerung der Bordkante erreicht. Dasselbe muss auch für den Vortrittsbelasteten gelten.
e) Aus dem Gesamten ergibt sich, dass der Wagen des Beschwerdeführers ausserhalb der Vortrittsfläche zum Stehen gekommen ist. Indem die Begründung des angefochtenen Urteils die in der Skizze schraffiert bezeichnete Fläche als Teil der Kreuzungsfläche bezeichnet, verletzt sie
Art. 36 Abs. 2 SVG
.
3.
Daraus folgt nicht, dass der Beschwerdeführer zu Unrecht verurteilt worden ist. Nach den polizeilichen Feststellungen, auf die sich die Vorinstanz stützt, stiess sein Wagen rund 20 cm vor Beginn der Vortrittsfläche mit dem PW Hefti zusammen. Der Polizeirapport umschreibt die entstandenen Schäden wie folgt: Fahrzeug Byland:
Ganzer Vorderteil (hauptsächlich rechts) bis zur Frontscheibe eingedrückt. Radaufhängung beschädigt. Fahrzeug Hefti:
Linker vorderer Kotflügel eingedrückt. Stossstange und linkes Vorderrad beschädigt.
Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer beim Aufprall noch mit erheblicher Geschwindigkeit gefahren ist und seinen Wagen nicht etwa durch Vollbremsung noch vor der Wartelinie selbst angehalten hat. Vielmehr wurde er durch den wuchtigen Aufprall auf ein Hindernis, nämlich den Volvo des Hefti, zum Stehen gebracht. Ohne dieses Hindernis wäre er noch erheblich in die Schnittfläche der beiden Strassen hinausgeraten. Der
BGE 98 IV 113 S. 120
Beschwerdeführer fuhr demnach so auf die Verzweigung zu, dass er dem von rechts kommenden Hefti den Vortritt nicht zu gewähren vermochte. Hätte Hefti die Kurve vorschriftsgemäss weit genommen, so wären die beiden Autos auf der Schnittfläche zusammengestossen oder es wäre mindestens die Weiterfahrt des Vortrittsberechtigten stark behindert worden. Das genügt zur Annahme einer Verletzung des Vortrittsrechts. Ob der Vortrittsberechtigte durch brüskes Abbremsen oder Ausweichen eine Kollision vermeiden kann oder ob sich eine solche eventuell ausserhalb der Schnittfläche ereignet, ist für die Frage einer Missachtung des Vortritts nicht entscheidend (
BGE 85 IV 86
).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
fd08cf4b-bd91-4090-8e7c-c7ed2295385f | Urteilskopf
97 V 237
57. Urteil vom 22. Dezember 1971 i.S. Meyer gegen Ausgleichskasse des Aargauischen Arbeitgeberverbandes und Obergericht des Kantons Aargau | Regeste
Art. 21bis Abs. 1 IVG
.
Dem Invaliden, der schon vor Eintritt der Invalidität zur Überwindung seines - gleich gebliebenen - Arbeitsweges auf ein Motorfahrzeug angewiesen war, gebührt dessen Anpassung an den invalidierenden Zustand, jedoch kein Amortisationsbeitrag (Bestätigung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 237
BGE 97 V 237 S. 237
A.-
Der 1930 geborene Beschwerdeführer Hans Meyer arbeitet seit 1951 als Schlosser, seit 1969 als Werkmeister in der Sprengstoff-Fabrik AG Dottikon. Am 8. April 1969 wurde er Opfer eines Explosionsunglücks und verlor das linke Bein, das "hoch oben im Hüftgelenk exartikuliert" werden musste (Arztbericht vom 6. März 1970); ferner büsste er mehrere Fingerglieder der linken Hand ein und leidet seit dem Unfall auch an einer Funktionsbehinderung der rechten Hand, des Handgelenks und des Vorderarmes. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versorgte ihn mit einer Prothese, welche nach Angabe des behandelnden Arztes "befriedigend bis gut" sitzt, und gewährte ihm eine Rente von 80 Prozent. Im Februar 1970 nahm Hans Meyer die Arbeit beim bisherigen Arbeitgeber
BGE 97 V 237 S. 238
wieder teilweise auf; er wird vorwiegend im Werkstattbüro mit Kontrollarbeiten und Arbeitsvorbereitung beschäftigt. Mit Beschluss vom 16. November 1970 sprach ihm die Invalidenversicherungs-Kommission, bei welcher er sich im Februar 1970 zum Leistungsbezug gemeldet hatte, eine halbe Invalidenrente ab 1. April 1970 bei Annahme eines Invaliditätsgrades von 50 Prozent zu. Der Beschwerdeführer wohnt in seinem Eigenheim in Uezwil, 9 1/2 Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt. Schon vor dem Unfall pflegte er den Arbeitsweg im Auto zurückzulegen, das er 1968 erworben hatte. Im November 1969 gab er diesen Wagen, einen "Opel-Rekord", für ein gleiches, aber mit automatischem Getriebe versehenes Modell an Zahlung, wobei er rund 6000 Franken aufzahlte. Diesen Wagen mit automatischem Getriebe benutzt er nun, um seinen Arbeitsweg zu überwinden.
B.-
Mit Kassenverfügung vom 13. November 1970 übernahm die Invalidenversicherung die Mehrkosten von 1015 Franken für das automatische Getriebe.
Hans Meyer erhob gegen diese Verfügung Beschwerde. Er meinte, er sollte nicht mehr einbüssen müssen, als den mit dem ersten Wagen gefahrenen 6000 Kilometern entspreche, also ungefähr 1800 Franken; demnach müssten ihm mindestens 4200 Franken an den neuen Wagen vergütet werden. Hätte er keinen neuen Wagen gekauft, so könnte er heute noch nicht wieder arbeiten gehen.
Die Invalidenversicherungs-Kommission schloss auf Abweisung der Beschwerde.
Das Obergericht des Kantons Aargau als Rekurskommission schützte mit Entscheid vom 22. Januar 1971 die Verwaltungsverfügung und wies die Beschwerde ab. Nur die Anpassungskosten des Autos an die Behinderung des Beschwerdeführers seien invaliditätsbedingt, nicht aber das Automobil selber; denn ein solches benutze auch ein Gesunder, der einen Arbeitsweg von 9 1/2 Kilometer zurücklegen müsse und - wie hier - keine geeigneten öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung habe.
C.-
Gegen diesen Entscheid führt Hans Meyer Verwaltungsgerichtsbeschwerde und hält an seinem Rechtsbegehren fest, es müssten ihm "wenigstens Fr. 4200.-- an den neuen Wagen vergütet werden". Er bringt namentlich vor, er sei als Gesunder mindestens 7 Jahre lang mit dem Fahrrad nach Dottikon zur Arbeit gefahren. Das Auto habe er hauptsächlich benötigt, um
BGE 97 V 237 S. 239
am Abend und an Samstagen einem Nebenverdienst nachzugehen.
Die Ausgleichskasse enthält sich eines Antrages, während das Bundesamt für Sozialversicherung Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Sinne beantragt, dass dem Beschwerdeführer jährliche Amortisations- und Reparaturkostenbeiträge gewährt werden.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
...
2.
Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer im Sinne der bundesamtlichen Vernehmlassung Amortisationsbeiträge gemäss
Art. 16bis IVV
zu beanspruchen habe. Laut
Art. 21bis Abs. 1 IVG
und
Art. 16bis Abs. 2 IVV
kann die Versicherung Amortisationsbeiträge ausrichten, wenn der Versicherte ein Hilfsmittel, auf das er Anspruch besitzt, auf eigene Kosten angeschafft hat. Motorfahrzeuge werden - gestützt auf
Art. 21 Abs. 1 IVG
und
Art. 14 Abs. 1 lit. g IVV
- abgegeben, wenn der Versicherte voraussichtlich dauernd eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit ausübt und zur Überwindung des Arbeitsweges wegen Invalidität auf ein persönliches Motorfahrzeug angewiesen ist (
Art. 15 Abs. 1 IVV
; vgl.
BGE 96 V 79
und 81, ZAK 1970 S. 410).
3.
Die erste der beiden Voraussetzungen, die Ausübung einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit, ist im vorliegenden Fall zweifellos erfüllt. Somit bleibt die Frage zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer wegen seiner Invalidität auf ein Motorfahrzeug angewiesen sei, um den Arbeitsweg zurückzulegen, wie dies die zweitgenannte Anspruchsvoraussetzung fordert.
a) Das Bundesamt für Sozialversicherung bejaht diese Frage mit dem Argument, der Beschwerdeführer wäre wegen seiner Invalidität auch dann auf ein Motorfahrzeug angewiesen, wenn er am Arbeitsort Dottikon wohnte; die Länge des Arbeitsweges spiele für die Gewährung von Amortisationsbeiträgen eine untergeordnete Rolle, weil die dadurch allenfalls verursachte vorzeitige Abnützung des Wagens zu Lasten des Versicherten gehe.
b) Das Gesamtgericht, welches sich mit dem grundsätzlichen Aspekt dieses Falles befasste, hat die Frage nach der Massgeblichkeit einer solchen Hypothese verneint. Vielmehr ist auf Grund des tatsächlichen Arbeitsweges im Einzelfall zu beurteilen,
BGE 97 V 237 S. 240
ob der Versicherte nach den gesamten Gegebenheiten wegen seiner Invalidität auf ein Motorfahrzeug angewiesen sei. Das trifft - wie die Rechtsprechung schon bisher zu Recht angenommen hat(nichtveröffentlichtes Urteil vom 26. Mai 1970 in Sachen Thurnheer sowie ZAK 1970 S. 410) - namentlich dann nicht zu, wenn anzunehmen ist, der Versicherte müsste nach den Umständen seinen tatsächlichen Arbeitsweg auch als Gesunder mit einem persönlichen Motorfahrzeug zurücklegen. Die Notwendigkeiteines Fahrzeuges kann sich vor allem ergeben aus beruflichen Gründen (für Vertreter, Taxifahrer usw.) sowie aus der Entfernung des Wohnortes vom Arbeitsort, insbesondere wenn es an öffentlichen Verkehrsmitteln fehlt oder deren Benützung unzumutbar ist. Unmassgeblich ist dagegen, ob jemand als Gesunder tatsächlich ein Motorfahrzeug benutzt hat, um seinen Arbeitsweg zu überwinden, ohne dass er nach den Umständen darauf angewiesen war. Diese Ordnung soll auch der rechtsgleichen Behandlung der Empfänger dieser Leistung der Invalidenversicherung gegenüber andern, nicht anspruchsberechtigten Gehbehinderten einerseits und gegenüber Nichtinvaliden anderseits dienen (nicht veröffentlichtes Urteil vom 2. Februar 1971 in Sachen Rebmann, Erw. 3). Dem entspricht es ferner, wenn im Falle eines Wohnsitz- oder Arbeitsplatzwechsels - auch der Invalide ist in dieser Hinsicht grundsätzlich frei (
BGE 96 V 79
/80) - die diesbezüglichen Voraussetzungen gemäss den veränderten Umständen wieder neu geprüft werden. Daraus erhellt, dass die Anspruchsberechtigung nicht mit der Begründung bejaht werden darf, der Invalide würde wegen seines Gebrechens ein Motorfahrzeug benötigen, wenn er anderswo wohnte oder arbeitete; sonst könnte mit der sinngemäss gleichen Begründung auch ein Anspruch verneint werden, der nach den tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig ist. Das Gesamtgericht hat demzufolge die bisherige Rechtsprechung in diesem Sinne bestätigt.
4.
Im vorliegenden Fall ist nicht zu bestreiten, dass Hans Meyer für die Überwindung seines effektiven Arbeitsweges auf ein Motorfahrzeug angewiesen ist. Jedoch braucht er den Wagen nicht wegen der Invalidität - deswegen benötigt er lediglich ein dem Gebrechen angepasstes, mit Automatik ausgerüstetes Automobil -, sondern wegen der Distanz zum Arbeitsplatz unterden herrschenden Umständen. Die Entfernung von seinem Eigenheim in Uezwil zur Sprengstoff-Fabrik Dottikon beträgt
BGE 97 V 237 S. 241
9 1/2 Kilometer. Eine geeignete Verbindung durch öffentliche Verkehrsmittel besteht nicht. Unter solchen Umständen wird heutzutage die Verwendung eines eigenen Automobils, um täglich an die Arbeit zu gelangen, immer mehr üblich, zumal für einen Werkmeister. Aus den Akten ergibt sich denn auch, dass Hans Meyer schon vor seinem Unfall auf einen Wagen angewiesen war, um den Arbeitsweg zu überwinden; denn dieser ist unabhängig von der Invalidität zu lang, als dass er heute noch zu Fuss oder mit dem Fahrrad zurückgelegt würde. Es mag zwar sein, dass der Beschwerdeführer - wie er in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde behauptet - früher 7 Jahre mit dem Rad zur Arbeit gefahren ist. Er arbeitet aber schon rund 20 Jahre in Dottikon. Unmittelbar vor dem Unfall, jedenfalls seit er Werkmeister war, vermutlich aber schon früher, begab er sich im Automobil zur Arbeit. Nach dem Gesagten gebricht es im vorliegenden Fall an der positiv-rechtlichen Anspruchsvoraussetzung der invaliditätsbedingten Notwendigkeit eines Motorfahrzeuges zur Ausübung der Erwerbstätigkeit. Mithin ist dem vorinstanzlichen Entscheid beizupflichten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |