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arnimb_goethe01_1835 | 23 | Deine treue Freundin Eliſabeth Goethe. | Deine treue Freundin Elisabeth Goethe. |
arnimb_goethe01_1835 | 24 | Vor die Taſſe bedank’ ich mich. | Vor die Tasse bedank ich mich. |
arnimb_goethe01_1835 | 25 | An Goethe’s Mutter. | An Goethes Mutter. |
arnimb_goethe01_1835 | 26 | Am 16. Mai 1807. | Am 16. Mai 1807. |
arnimb_goethe01_1835 | 27 | Ich hab’ geſtern an Ihren Sohn geſchrieben; verantwort’ Sie es bei ihm. | Ich habe gestern an Ihren Sohn geschrieben; Verantworte Sie es bei ihm. |
arnimb_goethe01_1835 | 28 | — Ich will Ihr auch gern alles ſchreiben, aber ich hab’ jetzt immer ſo viel zu denken, es iſt mir faſt eine Unmöglichkeit, mich loszureißen, ich bin in Gedanken immer bei ihm; wie ſoll ich denn ſagen wie es geweſen iſt? | — Ich will Ihr auch gern alles schreiben, aber ich habe jetzt immer so viel zu denken, es ist mir fast eine Unmöglichkeit, mich loszureißen, ich bin in Gedanken immer bei ihm; wie soll ich denn sagen wie es gewesen ist? |
arnimb_goethe01_1835 | 29 | — Hab’ Sie Nachſicht und Geduld; ich will die ander Woch’ nach Frankfurt kommen, da kann Sie mir alles abfragen. | — Habe Sie Nachsicht und Geduld; ich will die ander Woche nach Frankfurt kommen, da kann Sie mir alles abfragen. |
arnimb_goethe01_1835 | 30 | Ihr Kind Bettine. | Ihr Kind Bettine. |
arnimb_goethe01_1835 | 31 | Ich lieg’ ſchon eine Weile im Bett und da treibt mich’s heraus, daß ich Ihr alles ſchreib’ von unſerer Reiſe. | Ich liege schon eine Weile im Bett und da treibt mich es heraus, dass ich Ihr alles schreibe von unserer Reise. |
arnimb_goethe01_1835 | 32 | — Ich hab’ Ihr ja geſchrieben, daß wir in männlicher Kleidung durch die Armeen paſſirten. | — Ich habe Ihr ja geschrieben, dass wir in männlicher Kleidung durch die Armeen passierten. |
arnimb_goethe01_1835 | 33 | Gleich vor’m Thor ließ uns der Schwager ausſteigen, er wollte ſehen wie die Kleidung uns ſtehe. | Gleich vorm Tor ließ uns der Schwager aussteigen, er wollte sehen wie die Kleidung uns stehe. |
arnimb_goethe01_1835 | 34 | Die Lullu ſah ſehr gut aus, denn ſie iſt prächtig gewachſen und die Kleidung war ſehr paſſend gemacht; mir war aber alles zu weit und zu lang, als ob ich’s auf dem Grempelmarkt erkauft hätte. | Die Lulu sah sehr gut aus, denn sie ist prächtig gewachsen und die Kleidung war sehr passend gemacht; mir war aber alles zu weit und zu lang, als ob ich es auf dem Krempelmarkt erkauft hätte. |
arnimb_goethe01_1835 | 35 | Der Schwager lachte über mich und ſagte, ich ſähe aus wie ein Savoyardenbube, ich könnte gute Dienſte leiſten. | Der Schwager lachte über mich und sagte, ich sähe aus wie ein Savoyardenbube, ich könnte gute Dienste leisten. |
arnimb_goethe01_1835 | 36 | Der Kutſcher hatte uns vom Weg abgefahren durch einen Wald, und wie ein Kreuzweg kam, da wußt’ er nicht wohinaus; obſchon es nur der Anfang war von der ganzen vier Wochen langen Reiſe, ſo hatt’ ich doch Angſt, wir könnten uns verirren und kämen dann zu ſpät nach Weimar; ich klettert’ auf die höchſte Tanne und da ſah ich bald, wo die Chauſſee lag. | Der Kutscher hatte uns vom Weg abgefahren durch einen Wald, und wie ein Kreuzweg kam, da wusste er nicht wohinaus; obschon es nur der Anfang war von der ganzen vier Wochen langen Reise, so hatte ich doch Angst, wir könnten uns verirren und kämen dann zu spät nach Weimar; ich kletterte auf die höchste Tanne und da sah ich bald, wo die Chaussee lag. |
arnimb_goethe01_1835 | 37 | Die ganze Reiſe hab’ ich auf dem Bock gemacht; ich hatte eine Mütze auf von Fuchspelz, der Fuchsſchwanz hing hinten herunter. | Die ganze Reise habe ich auf dem Bock gemacht; ich hatte eine Mütze auf von Fuchspelz, der Fuchsschwanz hing hinten herunter. |
arnimb_goethe01_1835 | 38 | Wenn wir auf die Station kamen, ſchirrte ich die Pferde ab und half auch wieder anſpannen. | Wenn wir auf die Station kamen, schirrte ich die Pferde ab und half auch wieder anspannen. |
arnimb_goethe01_1835 | 39 | Mit den Poſtillions ſprach ich gebrochen deutſch als wenn ich ein Franzoſe wär’. | Mit den Postillons sprach ich gebrochen Deutsch als wenn ich ein Franzose wäre. |
arnimb_goethe01_1835 | 40 | Im Anfang war ſchön Wetter, als wollt’ es Frühling werden, bald wurd’ es ganz kalter Winter; wir kamen durch einen Wald von ungeheuren Fichten und Tannen, alles bereift, untadelhaft, nicht eine Menſchenſeele was des Wegs gefahren, der ganz weiß war; noch obendrein ſchien der Mond in dieſes verödete Silberparadies, eine Todtenſtille — nur die Räder pfiffen von der Kälte. | Im Anfang war schön Wetter, als wollte es Frühling werden, bald wurde es ganz kalter Winter; wir kamen durch einen Wald von ungeheuren Fichten und Tannen, alles bereift, untadelhaft, nicht eine Menschenseele was des Wegs gefahren, der ganz weiß war; noch obendrein schien der Mond in dieses verödete Silberparadies, eine Totenstille — nur die Räder pfiffen von der Kälte. |
arnimb_goethe01_1835 | 41 | Ich ſaß auf den Kutſcherſitz, und hatte gar nicht kalt; die Winterkält’ ſchlägt Funken aus mir; — wie’s nah an die Mitternacht rückte, da hörten wir pfeifen im Walde; mein Schwager reichte mir ein Piſtol aus dem Wagen und fragte, ob ich Muth habe loszuſchießen, wenn die Spitzbuben kommen, ich ſagte: ja, er ſagte: ſchießen ſie nur nicht zu früh. | Ich saß auf den Kutschersitz, und hatte gar nicht kalt; die Winterkälte schlägt Funken aus mir; — wie es nah an die Mitternacht rückte, da hörten wir pfeifen im Walde; mein Schwager reichte mir ein Pistole aus dem Wagen und fragte, ob ich Mut habe loszuschießen, wenn die Spitzbuben kommen, ich sagte: ja, er sagte: Schießen sie nur nicht zu früh. |
arnimb_goethe01_1835 | 42 | Die Lullu hatte große Angſt im Wagen, ich aber unter freiem Himmel mit der geſpannten Piſtole, den Säbel umgeſchnallt, unzählige funklende Sterne über mir, die blitzenden Bäume, die ihren Rieſenſchatten auf den breiten mondbeſchienenen Weg warfen, — das alles machte mich kühn auf meinem erhabenen Sitz. | Die Lulu hatte große Angst im Wagen, ich aber unter freiem Himmel mit der gespannten Pistole, den Säbel umgeschnallt, unzählige funkelnde Sterne über mir, die blitzenden Bäume, die ihren Riesenschatten auf den breiten mondbeschienenen Weg warfen, — das alles machte mich kühn auf meinem erhabenen Sitz. |
arnimb_goethe01_1835 | 43 | — Da dacht’ ich an ihn, wenn der mich in ſeinen Jugendjahren ſo begegnet hätte, ob das nicht einen poetiſchen Eindruck auf ihn gemacht haben würde, daß er Lieder auf mich gemacht hätte und mich nimmermehr vergeſſen. | — Da dachte ich an ihn, wenn der mich in seinen Jugendjahren so begegnet hätte, ob das nicht einen poetischen Eindruck auf ihn gemacht haben würde, dass er Lieder auf mich gemacht hätte und mich nimmermehr vergessen. |
arnimb_goethe01_1835 | 44 | Jetzt mag er anders denken, — er wird erhaben ſein über einen magiſchen Eindruck; höhere Eigenſchaften (wie ſoll ich die erwerben? | Jetzt mag er anders denken, — er wird erhaben sein über einen magischen Eindruck; höhere Eigenschaften (wie soll ich die erwerben? |
arnimb_goethe01_1835 | 45 | ) werden ein Recht über ihn behaupten. | ) werden ein Recht über ihn behaupten. |
arnimb_goethe01_1835 | 46 | Wenn nicht Treue, — ewige, an ſeine Schwelle gebannt, mir endlich ihn erwirbt! | Wenn nicht Treue, — ewige, an seine Schwelle gebannt, mir endlich ihn erwirbt! |
arnimb_goethe01_1835 | 47 | So war ich in jener kalten hellen Winternacht geſtimmt, in der ich keine Gelegenheit fand mein Gewehr loszuſchießen, erſt wie der Tag anbrach, erhielt ich Erlaubniß loszudrücken; der Wagen hielt und ich lief in den Wald und ſchoß in die dichte Einſamkeit Ihrem Sohn zu Ehren muthig los, indeſſen war die Axe gebrochen; wir fällten einen Baum mit dem Beil, das wir bei uns hatten, und knebelten ihn mit Stricken feſt; da fand denn mein Schwager daß ich ſehr anſtellig war, und lobte mich. | So war ich in jener kalten hellen Winternacht gestimmt, in der ich keine Gelegenheit fand mein Gewehr loszuschießen, erst wie der Tag anbrach, erhielt ich Erlaubnis loszudrücken; der Wagen hielt und ich lief in den Wald und schoss in die dichte Einsamkeit Ihrem Sohn zu Ehren mutig los, indessen war die Achse gebrochen; wir fällten einen Baum mit dem Beil, das wir bei uns hatten, und knebelten ihn mit Stricken fest; da fand denn mein Schwager dass ich sehr anstellig war, und lobte mich. |
arnimb_goethe01_1835 | 48 | So ging’s fort bis Magdeburg; präcis 7 Uhr Abends wird die Feſtung geſperrt, wir kamen eine Minute nachher und mußten bis den andern Morgen um ſieben halten; es war nicht ſehr kalt, die beiden im Wagen ſchliefen. | So ging es fort bis Magdeburg; präzis 7 Uhr Abends wird die Festung gesperrt, wir kamen eine Minute nachher und mussten bis den anderen Morgen um sieben halten; es war nicht sehr kalt, die beiden im Wagen schliefen. |
arnimb_goethe01_1835 | 49 | In der Nacht fing’s an zu ſchneien, ich hatte den Mantel über den Kopf genommen und blieb ruhig ſitzen auf meinem freien Sitz; am Morgen guckten ſie aus dem Wagen, da hatte ich mich in einen Schneemann verwandelt, aber noch eh’ ſie recht erſchrecken konnten, warf ich den Mantel ab, unter dem ich recht warm geſeſſen hatte. | In der Nacht fing es an zu schneien, ich hatte den Mantel über den Kopf genommen und blieb ruhig sitzen auf meinem freien Sitz; am Morgen guckten sie aus dem Wagen, da hatte ich mich in einen Schneemann verwandelt, aber noch ehe sie recht erschrecken konnten, warf ich den Mantel ab, unter dem ich recht warm gesessen hatte. |
arnimb_goethe01_1835 | 50 | In Berlin war ich wie ein Blinder unter vielen Menſchen, und auch geiſtesabweſend war ich, an nichts konnt’ ich Theil nehmen, ich ſehnte mich nur immer nach dem Dunkel, um von nichts zerſtreut zu ſein, um an die Zukunft denken zu können, die ſo nah gerückt war. | In Berlin war ich wie ein Blinder unter vielen Menschen, und auch geistesabwesend war ich, an nichts konnte ich teilnehmen, ich sehnte mich nur immer nach dem Dunkel, um von nichts zerstreut zu sein, um an die Zukunft denken zu können, die so nah gerückt war. |
arnimb_goethe01_1835 | 51 | Ach wie oft ſchlug es da Allarm! | Ach wie oft schlug es da Alarm! |
arnimb_goethe01_1835 | 52 | — plötzlich, unverſehens, mitten in die ſtille Ruhe, ich wußte nicht von was. | — plötzlich, unversehens, mitten in die stille Ruhe, ich wusste nicht von was. |
arnimb_goethe01_1835 | 53 | Schneller als ich’s denken konnte, hatte mich ein ſüßer Schrecken erfaßt. | Schneller als ich es denken konnte, hatte mich ein süßer Schrecken erfasst. |
arnimb_goethe01_1835 | 54 | O Mutter, Mutter! | O Mutter, Mutter! |
arnimb_goethe01_1835 | 55 | denk’ Sie an ihren Sohn, wenn Sie wüßte, ſie ſollte ihn in kurzer Zeit ſehen, ſie wär’ auch wie ein Blitzableiter, in den alle Gewitter einſchlügen. | denke Sie an Ihren Sohn, wenn Sie wüsste, sie sollte ihn in kurzer Zeit sehen, sie wäre auch wie ein Blitzableiter, in den alle Gewitter einschlügen. |
arnimb_goethe01_1835 | 56 | — Wie wir nur noch wenig Meilen von Weimar waren, da ſagte mein Schwager, er wünſche nicht den Umweg über Weimar zu machen und lieber eine andre Straße zu fahren. | — Wie wir nur noch wenig Meilen von Weimar waren, da sagte mein Schwager, er wünsche nicht den Umweg über Weimar zu machen und lieber eine andere Straße zu fahren. |
arnimb_goethe01_1835 | 57 | Ich ſchwieg ſtille, aber die Lullu litt es nicht; ſie ſagte: „einmal wär’ mir’s verſprochen und er müßte mir Wort halten. | Ich schwieg stille, aber die Lulu litt es nicht; sie sagte: „Einmal wäre mir es versprochen und er müsste mir Wort halten. |
arnimb_goethe01_1835 | 58 | “ — Ach Mutter! | “ — ach Mutter! |
arnimb_goethe01_1835 | 59 | — das Schwert hing an einem Haar über meinem Haupt, aber ich kam glücklich drunter weg. | — das Schwert hing an einem Haar über meinem Haupt, aber ich kam glücklich drunter weg. |
arnimb_goethe01_1835 | 60 | In Weimar kamen wir um 12 Uhr an; wir aßen zu Mittag, ich aber nicht. | In Weimar kamen wir um 12 Uhr an; wir aßen zu Mittag, ich aber nicht. |
arnimb_goethe01_1835 | 61 | Die beiden legten ſich auf’s Sopha und ſchliefen; drei Nächte hatten wir durchwacht. | Die beiden legten sich aufs Sofa und schliefen; drei Nächte hatten wir durchwacht. |
arnimb_goethe01_1835 | 62 | Ich rathe Ihnen, ſagte mein Schwager, auch auszuruhen; der Goethe wird ſich nicht viel draus machen, ob Sie zu ihm kommen oder nicht, und was Beſondres wird auch nicht an ihm zu ſehen ſein. | Ich rate Ihnen, sagte mein Schwager, auch auszuruhen; der Goethe wird sich nicht viel draus machen, ob Sie zu ihm kommen oder nicht, und was Besonderes wird auch nicht an ihm zu sehen sein. |
arnimb_goethe01_1835 | 63 | Kann Sie denken, daß mir dieſe Rede allen Muth benahm? | Kann Sie denken, dass mir diese Rede allen Mut benahm? |
arnimb_goethe01_1835 | 64 | — Ach ich wußte nicht was ich thun ſollte, ich war ganz allein in der fremden Stadt; ich hatte mich anders angekleidet, ich ſtand am Fenſter und ſah nach der Thurmuhr, eben ſchlug es halb 3. | — Ach ich wusste nicht was ich tun sollte, ich war ganz allein in der fremden Stadt; ich hatte mich anders angekleidet, ich stand am Fenster und sah nach der Turmuhr, eben schlug es halb 3. |
arnimb_goethe01_1835 | 65 | — Es war mir auch ſo, als ob ſich Goethe nichts draus machen werde mich zu ſehen; es fiel mir ein, daß ihn die Leute ſtolz nennen; ich drückte mein Herz feſt zuſammen, daß es nicht begehren ſolle; — auf einmal ſchlug es 3 Uhr. | — Es war mir auch so, als ob sich Goethe nichts draus machen werde mich zu sehen; es fiel mir ein, dass ihn die Leute stolz nennen; ich drückte mein Herz fest zusammen, dass es nicht begehren solle; — auf einmal schlug es 3 Uhr. |
arnimb_goethe01_1835 | 66 | Und da war’s doch auch grad’ als hätte er mich gerufen, ich lief hinunter nach dem Lohnbedienten, kein Wagen war da, eine Portechaiſe? | Und da war es doch auch gerade als hätte er mich gerufen, ich lief hinunter nach dem Lohnbedienten, kein Wagen war da, eine Portechaise? |
arnimb_goethe01_1835 | 67 | Nein, ſagt’ ich, das iſt eine Equipage für’s Lazareth. | Nein, sagt ich, das ist eine Equipage fürs Lazarett. |
arnimb_goethe01_1835 | 68 | Wir gingen zu Fuß. | Wir gingen zu Fuß. |
arnimb_goethe01_1835 | 69 | Es war ein wahrer Chokoladenbrei auf der Straße, über den dickſten Moraſt mußte ich mich tragen laſſen, und ſo kam ich zu Wieland, nicht zu Ihrem Sohn. | Es war ein wahrer Schokoladenbrei auf der Straße, über den dicksten Morast musste ich mich tragen lassen, und so kam ich zu Wieland, nicht zu Ihrem Sohn. |
arnimb_goethe01_1835 | 70 | Den Wieland hatte ich nie geſehen, ich that als ſey ich eine alte Bekanntſchaft von ihm, er beſann ſich hin und her und ſagte: ja, ein lieber bekannter Engel ſind Sie gewiß, aber ich kann mich nur nicht beſinnen wann und wo ich Sie geſehen habe. | Den Wieland hatte ich nie gesehen, ich tat als sei ich eine alte Bekanntschaft von ihm, er besann sich hin und her und sagte: ja, ein lieber bekannter Engel sind Sie gewiss, aber ich kann mich nur nicht besinnen wann und wo ich sie gesehen habe. |
arnimb_goethe01_1835 | 71 | Ich ſcherzte mit ihm und ſagte: jetzt hab’ ich’s herausgekriegt daß Sie von mir träumen, denn anderswo können Sie mich unmöglich geſehen haben. | Ich scherzte mit ihm und sagte: Jetzt habe ich es herausgekriegt dass Sie von mir träumen, denn anderswo können Sie mich unmöglich gesehen haben. |
arnimb_goethe01_1835 | 72 | Von ihm ließ ich mir ein Billet an Ihren Sohn geben, ich hab’ es mir nachher mitgenommen und zum Andenken aufbewahrt; und hier ſchreib’ ich’s Ihr ab. | Von ihm ließ ich mir ein Billett an Ihren Sohn geben, ich habe es mir nachher mitgenommen und zum Andenken aufbewahrt; und hier schreibe ich es Ihr ab. |
arnimb_goethe01_1835 | 73 | „Bettina Brentano, Sophiens Schweſter, Maxmilianens Tochter, Sophie La Rochens Enkelin wünſcht Dich zu ſehen, l. Br., und giebt vor, ſie fürchte ſich vor Dir, und ein Zettelchen das ich ihr mitgebe, würde ein Talisman ſeyn, der ihr Muth gäbe. | „Bettina Brentano, Sophies Schwester, Maximilians Tochter, Sophie La Roches Enkelin wünscht Dich zu sehen, l. Br., und gibt vor, sie fürchte sich vor Dir, und ein Zettelchen das ich ihr mitgebe, würde ein Talisman sein, der ihr Mut gäbe. |
arnimb_goethe01_1835 | 74 | Wiewohl ich ziemlich gewiß bin, daß ſie nur ihren Spaß mit mir treibt, ſo muß ich doch thun, was ſie haben will, und es ſoll mich wundern, wenn Dir’s nicht eben ſo wie mir geht. | Wiewohl ich ziemlich gewiss bin, dass sie nur ihren Spaß mit mir treibt, so muss ich doch tun, was sie haben will, und es soll mich wundern, wenn Dir es nicht ebenso wie mir geht. |
arnimb_goethe01_1835 | 75 | “ | “ |
arnimb_goethe01_1835 | 76 | Den 23. April 1807. | Den 23. April 1807. |
arnimb_goethe01_1835 | 77 | W. | W. |
arnimb_goethe01_1835 | 78 | Mit dieſem Billet ging ich hin, das Haus liegt dem Brunnen gegenüber; wie rauſchte mir das Waſſer ſo betäubend, — ich kam die einfache Treppe hinauf, in der Mauer ſtehen Statuen von Gyps, ſie gebieten Stille. | Mit diesem Billett ging ich hin, das Haus liegt dem Brunnen gegenüber; wie rauschte mir das Wasser so betäubend, — ich kam die einfache Treppe hinauf, in der Mauer stehen Statuen von Gips, sie gebieten Stille. |
arnimb_goethe01_1835 | 79 | Zum wenigſten ich könnte nicht laut werden auf dieſem heiligen Hausflur. | Zum wenigsten ich könnte nicht laut werden auf diesem heiligen Hausflur. |
arnimb_goethe01_1835 | 80 | Alles iſt freundlich und doch feierlich. | Alles ist freundlich und doch feierlich. |
arnimb_goethe01_1835 | 81 | In den Zimmern iſt die höchſte Einfachheit zu Hauſe, ach ſo einladend! | In den Zimmern ist die höchste Einfachheit zu Hause, ach so einladend! |
arnimb_goethe01_1835 | 82 | Fürchte Dich nicht: ſagten mir die beſcheidnen Wände, er wird kommen und wird ſein, und nicht mehr ſein wollen wie Du, — und da ging die Thür auf und da ſtand er feierlich ernſt, und ſah mich unverwandten Blickes an; ich ſtreckte die Hände nach ihm, glaub’ ich, — bald wußt’ ich nichts mehr, Goethe fing mich raſch auf an ſein Herz. | Fürchte Dich nicht: sagten mir die bescheidenen Wände, er wird kommen und wird sein, und nicht mehr sein wollen wie Du, — und da ging die Tür auf und da stand er feierlich ernst, und sah mich unverwandten Blickes an; ich streckte die Hände nach ihm, glaube ich, — bald wusste ich nichts mehr, Goethe fing mich rasch auf an sein Herz. |
arnimb_goethe01_1835 | 83 | Armes Kind, hab’ ich Sie erſchreckt, das waren die erſten Worte, mit denen ſeine Stimme mir in’s Herz drang; er führte mich in ſein Zimmer und ſetzte mich auf den Sopha gegen ſich über. | Armes Kind, habe ich Sie erschreckt, das waren die ersten Worte, mit denen seine Stimme mir ins Herz drang; er führte mich in sein Zimmer und setzte mich auf den Sofa gegen sich über. |
arnimb_goethe01_1835 | 84 | Da waren wir beide ſtumm, endlich unterbrach er das Schweigen: | Da waren wir beide stumm, endlich unterbrach er das Schweigen: |
arnimb_goethe01_1835 | 85 | Sie haben wohl in der Zeitung geleſen daß wir einen großen Verluſt vor wenig Tagen erlitten haben durch den Tod der Herzogin Amalie. | Sie haben wohl in der Zeitung gelesen dass wir einen großen Verlust vor wenig Tagen erlitten haben durch den Tod der Herzogin Amalie. |
arnimb_goethe01_1835 | 86 | Ach! | Ach! |
arnimb_goethe01_1835 | 87 | ſagt’ ich, ich leſe die Zeitung nicht. | sagt ich, ich lese die Zeitung nicht. |
arnimb_goethe01_1835 | 88 | — So! | — So! |
arnimb_goethe01_1835 | 89 | — ich habe geglaubt, alles intereſſire Sie, was in Weimar vorgehe. | — Ich habe geglaubt, alles interessiere Sie, was in Weimar vorgehe. |
arnimb_goethe01_1835 | 90 | — Nein, nichts intereſſirt mich als nur Sie, und da bin ich viel zu ungeduldig, in der Zeitung zu blättern. | — Nein, nichts interessiert mich als nur Sie, und da bin ich viel zu ungeduldig, in der Zeitung zu blättern. |
arnimb_goethe01_1835 | 91 | — Sie ſind ein freundliches Kind. | — Sie sind ein freundliches Kind. |
arnimb_goethe01_1835 | 92 | — Lange Pauſe — ich auf das fatale Sopha gebannt, ſo ängſtlich. | — Lange Pause — ich auf das fatale Sofa gebannt, so ängstlich. |
arnimb_goethe01_1835 | 93 | Sie weiß daß er mir unmöglich iſt, ſo wohlerzogen da zu ſitzen. | Sie weiß dass er mir unmöglich ist, so wohlerzogen dazusitzen. |
arnimb_goethe01_1835 | 94 | — Ach Mutter! | — Ach Mutter! |
arnimb_goethe01_1835 | 95 | Kann man ſich ſelbſt ſo überſpringen? | Kann man sich selbst so überspringen? |
arnimb_goethe01_1835 | 96 | — Ich ſagte plötzlich: hier auf dem Sopha kann ich nicht bleiben, und ſprang auf. | — Ich sagte plötzlich: Hier auf dem Sofa kann ich nicht bleiben, und sprang auf. |
arnimb_goethe01_1835 | 97 | — Nun! | — Nun! |
arnimb_goethe01_1835 | 98 | ſagte er, machen Sie ſich’s bequem; nun flog ich ihm an den Hals, er zog mich auf’s Knie und ſchloß mich an’s Herz. | sagte er, machen Sie sich es bequem; nun flog ich ihm an den Hals, er zog mich aufs Knie und schloss mich ans Herz. |
arnimb_goethe01_1835 | 99 | — Still, ganz ſtill war’s, alles verging. | — Still, ganz still war es, alles verging. |
arnimb_goethe01_1835 | 100 | Ich hatte ſo lange nicht geſchlafen; | Ich hatte so lange nicht geschlafen; |
arnimb_goethe01_1835 | 101 | Jahre waren vergangen in Sehnſucht nach ihm, — ich ſchlief an ſeiner Bruſt ein; und da ich aufgewacht war, begann ein neues Leben. | Jahre waren vergangen in Sehnsucht nach ihm, — ich schlief an seiner Brust ein; und da ich aufgewacht war, begann ein neues Leben. |
arnimb_goethe01_1835 | 102 | Und mehr will ich ihr diesmal nicht ſchreiben. | Und mehr will ich Ihr diesmal nicht schreiben. |
arnimb_goethe01_1835 | 103 | Bettine. | Bettine. |
arnimb_goethe01_1835 | 104 | September 1807. | September 1807. |
arnimb_goethe01_1835 | 105 | Frau Rath, ſo oft mir was Komiſches begegnet, ſo denk’ ich an Sie, und was das für ein Jubel und für eine Erzählung ſein würde, wenn Sie es ſelbſt erlebt hätte. | Frau Rat, so oft mir was Komisches begegnet, so denke ich an Sie, und was das für ein Jubel und für eine Erzählung sein würde, wenn sie es selbst erlebt hätte. |
arnimb_goethe01_1835 | 106 | Hier, in dem traubenreichen Mildeberg, ſitze ich bei meinem Herrn Schwab, der ehmals bei unſerm Vater Schreiber war und uns Kinder alle mit ſeinen Märchen großgezogen hat. | Hier, in dem traubenreichen Mildeberg, sitze ich bei meinem Herrn Schwab, der ehemals bei unserem Vater Schreiber war und uns Kinder alle mit seinen Märchen großgezogen hat. |
arnimb_goethe01_1835 | 107 | Er kann zum wenigſten ſo gut erzählen wie Sie, aber er ſchneidet auf und verbraucht Juden- und Heidenthum, die entdeckte und unentdeckte Welt zur Decoration ſeiner Abentheuer; | Er kann zum wenigsten so gut erzählen wie Sie, aber er schneidet auf und verbraucht Juden- und Heidentum, die entdeckte und unentdeckte Welt zur Dekoration seiner Abenteuer; |
arnimb_goethe01_1835 | 108 | Sie aber bleibt bei der Wahrheit, aber mit ſo freudigen Ausrufungszeichen, daß man Wunder denkt was paſſirt iſt. | Sie aber bleibt bei der Wahrheit, aber mit so freudigen Ausrufungszeichen, dass man Wunder denkt was passiert ist. |
arnimb_goethe01_1835 | 109 | Ich habe das Eichhörnchen, was Sie mir mitgab, im großen Eichenwald ins Freie geſetzt, es war Zeit — die 5 Meilen die es im Wagen fuhr, hat es großen Schaden gemacht, und im Wirthshaus hat es über Nacht dem Bürgermeiſter die Pantoffel zerfreſſen. | Ich habe das Eichhörnchen, was Sie mir mitgab, im großen Eichenwald ins Freie gesetzt, es war Zeit — die 5 Meilen die es im Wagen fuhr, hat es großen Schaden gemacht, und im Wirtshaus hat es über Nacht dem Bürgermeister die Pantoffel zerfressen. |
arnimb_goethe01_1835 | 110 | Ich weiß gar nicht wie Sie es gemacht hat, daß es Ihr nicht alle Gläſer umgeworfen, alle Möbel angenagt, und alle Hauben und Tocken beſchmutzt hat. | Ich weiß gar nicht wie sie es gemacht hat, dass es Ihr nicht alle Gläser umgeworfen, alle Möbel angenagt, und alle Hauben und Tocken beschmutzt hat. |
arnimb_goethe01_1835 | 111 | Mich hat’s gebiſſen, aber im Andenken an den ſchönen ſtolzen Franzoſen, der es auf ſeinem Helm vom ſüdlichen Frankreich bis nach Frankfurt in ihr Haus gebracht hat, hab’ ich ihm verziehen. | Mich hat es gebissen, aber im Andenken an den schönen stolzen Franzosen, der es auf seinem Helm vom südlichen Frankreich bis nach Frankfurt in Ihr Haus gebracht hat, habe ich ihm verziehen. |
arnimb_goethe01_1835 | 112 | Im Wald ſetzte ich’s auf die Erde, wie ich wegging, ſprang es wieder auf meine Schulter und wollte von der Freiheit nichts profitiren, und ich hätt’s gern wieder mitgenommen, weil mich’s lieber hatte als die ſchönen grünen Eichbäume. | Im Wald setzte ich es auf die Erde, wie ich wegging, sprang es wieder auf meine Schulter und wollte von der Freiheit nichts profitieren, und ich hätte es gern wieder mitgenommen, weil mich es lieber hatte als die schönen grünen Eichbäume. |
arnimb_goethe01_1835 | 113 | Wie ich aber in den Wagen kam, machten die andern ſo großen Lärm und ſchimpften ſo ſehr auf unſern lieben Stubenkameraden, daß ich’s in den Wald tragen mußte. | Wie ich aber in den Wagen kam, machten die anderen so großen Lärm und schimpften so sehr auf unseren lieben Stubenkameraden, dass ich es in den Wald tragen musste. |
arnimb_goethe01_1835 | 114 | Ich ließ dafür auch lange warten; ich ſuchte mir den ſchönſten Eichbaum im ganzen Wald und kletterte hinauf. | Ich ließ dafür auch lange warten; ich suchte mir den schönsten Eichbaum im ganzen Wald und kletterte hinauf. |
arnimb_goethe01_1835 | 115 | Da oben ließ ich’s aus ſeinem Beutel, — es ſprang gleich luſtig von Aſt zu Aſt und machte ſich an die Eicheln, unterdeſſen kletterte ich herunter. | Da oben ließ ich es aus seinem Beutel, — es sprang gleich lustig von Ast zu Ast und machte sich an die Eicheln, unterdessen kletterte ich herunter. |
arnimb_goethe01_1835 | 116 | Wie ich unten ankam, hatte ich die Richtung nach dem Wagen verloren, und obſchon ich nach mir rufen hörte, konnte ich gar nicht unterſcheiden, wo die Stimmen herkamen. | Wie ich unten ankam, hatte ich die Richtung nach dem Wagen verloren, und obschon ich nach mir rufen hörte, konnte ich gar nicht unterscheiden, wo die Stimmen herkamen. |
arnimb_goethe01_1835 | 117 | Ich blieb ſtehen, bis ſie herbeikamen, um mich zu holen; ſie zankten alle auf mich ich ſchwieg ſtill, legte mich im Wagen auf drei Selterskrüge unten am Boden, und ſchlief einen herrlichen Schlaf, bis bei Mondſchein, wo der Wagen umfiel, ganz ſanft, daß niemand beſchädigt ward. | Ich blieb stehen, bis sie herbeikamen, um mich zu holen; sie zankten alle auf mich ich schwieg still, legte mich im Wagen auf drei Selterskrüge unten am Boden, und schlief einen herrlichen Schlaf, bis bei Mondschein, wo der Wagen umfiel, ganz sanft, dass niemand beschädigt wurde. |
arnimb_goethe01_1835 | 118 | Eine nußbraune Kammerjungfer flog vom Bock und legte ſich am flachen Mainufer in romantiſcher Unordnung grade vor das Mondantlitz in Ohnmacht; zwei Schachteln mit Blonden und Bändern flogen etwas weiter und ſchwammen ganz anſtändig den Main hinab; ich lief nach, immer im Waſſer, das jetzt bei der großen Hitze ſehr flach iſt, alles rief mir nach ob ich toll ſei, — ich hörte nicht, und ich glaub’ ich wär’ in Frankfurt wieder mit ſammt den Schachteln angeſchwommen, wenn nicht ein Nachen hervorgeragt hätte an dem ſie Halt machten. | Eine nussbraune Kammerjungfer flog vom Bock und legte sich am flachen Mainufer in romantischer Unordnung gerade vor das Mondantlitz in Ohnmacht; zwei Schachteln mit Blonden und Bändern flogen etwas weiter und schwammen ganz anständig den Main hinab; ich lief nach, immer im Wasser, das jetzt bei der großen Hitze sehr flach ist, alles rief mir nach ob ich toll sei, — ich hörte nicht, und ich glaube ich wäre in Frankfurt wieder mitsamt den Schachteln angeschwommen, wenn nicht ein Nachen hervorgeragt hätte an dem sie haltmachten. |
arnimb_goethe01_1835 | 119 | Ich packte ſie unter beide Ärme und ſpazierte in den klaren Wellen wieder zurück. | Ich packte sie unter beide Arme und spazierte in den klaren Wellen wieder zurück. |
arnimb_goethe01_1835 | 120 | Der Bruder Franz ſagte: | Der Bruder Franz sagte: |
arnimb_goethe01_1835 | 121 | Du biſt unſinnig Mädchen, und wollte mit ſeiner ſanften Stimme immer zanken; ich zog die naſſen Kleider aus, wurde in einen weichen Mantel gewickelt und in den zugemachten Wagen gepackt. | Du bist unsinnig Mädchen, und wollte mit seiner sanften Stimme immer zanken; ich zog die nassen Kleider aus, wurde in einen weichen Mantel gewickelt und in den zugemachten Wagen gepackt. |
arnimb_goethe01_1835 | 122 | — | — |